Zusammenfassung 1943

 

Reichsgautheater Innsbruck

Die Intendanz des Reichsgautheaters bot auch im Jahr 1943 ein vielfältiges und umfangreiches Programm an und erfüllte so ihren kulturpolitischen Auftrag. Zum einen war die Programmgestaltung auf nationale Identifikation ausgerichtet zum anderen wurde der Unterhaltungscharakter angesichts der Kriegbelastungen als emotionaler Ausgleich betont. Dass trotz der Katastrophe von Stalingrad und der nachfolgenden Ausrufung des „Totalen Kriegs“ überhaupt ein nahezu regulärer Kulturbetrieb aufrechterhalten werden konnte, hatte propagandistische Effizienz und erwies die volle Handlungsfähigkeit der Staatsmacht.

Mit der Innsbrucker Erstaufführung der heiteren Volksoper in drei Akten Die Schneider von Schönau von Jan Brandts-Buys (1868 Zutphen/NL-1933 Salzburg) am 7. Februar 1943 wurde in diesem Genre demonstrativ das Unterhaltungsmoment in den Vordergrund gestellt, um mit der Vorspiegelung einer unbekümmerten Scheinwelt zumindest zeitweise von den alltäglichen Kriegssorgen abzulenken. Über den Inhalt der Oper und ihrer Innsbrucker Präsentation berichtet Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Februar 1943, Seite 5:

„[…] Der Text der Schneider von Schönau schildert das Werben dreier Meister von Schere und Nadel um die reiche, hübsche Witwe Veronika Schwäble; aber keiner von ihnen bekommt sie. Die begehrenswerte Frau holt sich der Handwerksbursche Florian, der die drei Schneider zum Narren hält. Das Buch bietet viele auf Situationskomik gestellte Szenen, die musikalischer Ausmalung reichlich Raum geben. Die Musik Brandts-Buys’ besticht vor allem durch ihre originelle und durchsichtige Instrumentation, die bei aller kunstvoller Kontrapunktik den Singstimmen wohl eine Stütze gibt, sie aber nirgends deckt und trotz Verwendung des modernen Orchesters jede Rassigkeit vermeidet; der Satz bleibt immer klar […].

Die Aufführung an unserem Theater verdient größte Anerkennung. Musikalisch hatte Kapellmeister Hans Moltkau alles in sorgfältiger Ausarbeitung bei den Solisten, dem Chor und dem Orchester auf den feinkomischen Ton, in dem das Werk gehalten ist, abgestimmt. Ebenso war die Spielleitung gehalten, die Intendant Hans E. Mutzenbecher, Berlin, als Gast besorgte; alles war auf der Bühne in leichter Bewegung ohne jede schärfere Nuance, voll Humor, dazu kamen die wundervollen Bühnenbilder Hans Siegerts, die lebhaft an Spitzwegs Meisterbilder erinnerten, und die farbenprächtigen, auf die Bühnebilder abgestimmten Kostüme – alles in allem ein überaus reizendes Bild einer deutschen Kleinstadt aus der Zeit der Postkutsche […].

Die ausverkaufte Vorstellung fand besonders am Schlusse lebhaftesten Beifall.“

Mit den Aufführungen von Gounods Margarethe Anfang März (letzte Vorstellung am 16. April) und Puccinis Tosca am 18. April (mit zahlreichen Reprisen bis zum Ende der Spielzeit sowie vielen Gastinterpreten, unter anderem von den Opernhäusern Nürnberg, Mannheim, Stuttgart, München und Dresden) wurden Vorlieben des Opernpublikums berücksichtigt. Bei der Premiere von „Toska“ entfiel der Chor wegen Sängermangel infolge der vielen Einberufungen (Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1943, Seite 6).

Anlässlich der Festwoche im Rahmen des 6. Landesschießens brachte das Reichsgautheater themengerecht Carl Maria von Webers romantische Oper Der Freischütz in „besonders sorgfältiger Vorbereitung und Ausstattung“ heraus. Die festliche Erstaufführung in Form einer Neuinszenierung bildete den Auftakt des umfangreichen Veranstaltungsreigens. Karl Senn schreibt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Juli 1943, Seite 5:

„[…] Diese deutscheste und volkstümlichste aller Opern Webers, die am 28. Juni 1821 Berlin ihre Uraufführung erlebte, hätte in ihrer Urform gewiß stellenweise antiquiert gewirkt; die Bearbeitung des Reichsgautheaters Innsbruck, die in aller Ehrfurcht vor dem Werk dort und da kaum merkbare Abänderungen traf, ist daher eine durchaus glückliche zu nennen – sie läßt nichts Wesentliches weg und erhält die volle Schönheit der Dichtung, die ganze Ueberfülle ihres Melodienreichtums […].

Die Aufführung war eine Glanzleistung, ein sichtbares Dokument intensivster und liebevollster Zusammenarbeit aller und es fällt schwer, was darin zuerst besonders hervorgehoben sein soll. Die Szenenbilder, die Hans Siegert wieder in meisterhaftem großem Wurf gestaltete und die in der ‚Wolfsschlucht‘ – ein Bild von packender, grauendurchwebter Unheimlichkeit – ihre Krönung fanden, die bis ins Letzte ausgefeilte Regie Dr. Sigfrid Färbers, die musikalische Leitung durch Intendant M[ax] A[lexander] Pflugmacher, dessen ruhig-überlegene Stabführung die ganze Melodiosität Weberscher Musik zum Erblühen brachte und in subtilster Einfühlung und Anpassung an die Tragfähigkeit der Stimmen das starke Orchester leitete oder die Darsteller selbst, die wieder ihr Bestes gaben. Wie bunt und bewegt die Massenszenen, wie prächtig die vollen Chöre, in die sich außer den bekannten Solisten unserer Bühne die Sängerriege der Innsbrucker Schutzpolizei und Mitglieder des Deutschen Männergesangsvereines einreihten […].

Den Kaspar gab als Gast Odo Ruepp, in Spiel, Gesang und Maske gleich hervorragend […]. Das Gegenstück dieses Abenteurers und Unholden, den Max, sang Erhard Grosser, eine Partie und Rolle, in die sich der bewährte Tenor unserer Operette glänzend einfühlte […]. Wer hätte das Wesen der schlichten und keusch liebenden Försterstocher (Agathe) besser wiedergegeben als Charlotte Raab, deren reiner Gesang voll Süße und Schmelz bezauberte. Im Aennchen begrüßten wir nach längerer Pause wieder Claire Mohr; schelmisch und lieb, immer froh, heiter und herzwarm, war sie ihrer Verwandten treubesorgte Gefährtin und Freundin, deren frischer Sopran und lebendiges Spiel die hellen Lichter in die Handlung setzte. Als fürstlicher Erbförster Kuno war Adolf von Berenkamp gut am Platze, während den Fürsten selbst Björn Forsell sang. Etwas übertrieben Eugen Schürer als reicher Bauer Kilian, ein Eremit Bengt Lindeborg und die dämonische Erscheinung des Samiels Paul Schmid.

Die festliche, in jeder Hinsicht erfreuende und befriedigende Aufführung fand den ungeteilten Beifall des ausverkauften Hauses. Viele Hervorrufe, rauschender Beifall, der oft bei offener Bühne spontan ausbrach, und Blumen dankten Dirigenten, Darstellern und Mitarbeitern für die aus wochenlangen intensivster Arbeit erwachsene Oper, die jedem Besucher zu einem wirklichen Fest wurde.“

Mit der Freischütz-Aufführung am 18. Juli endete die Spielzeit 1942/43.

Die Operette hatte in der Spielplangestaltung der Innsbrucker Bühne traditionell eine wesentliche Rolle. Ihr in der Regel lebensfroher Stimmungsgehalt war gerade in Kriegszeiten ein psychologisch wirksamer Kontrast, herausgehoben aus den alltäglichen Bedrohungen der Realität. „Um zahlreichen Nachfragen des Publikums zu entsprechen“ wurde die Operette Die Dubarry von Carl Millöcker (in der Bearbeitung von Theo Mackeben) nach Ablauf ihrer Spielzeit am 5. Jänner (nach 25 Aufführungen) Anfang Februar wieder in den Spielplan aufgenommen (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Jänner 1943, Seite 4).

Über eine Aufführung der Straußschen Operette Eine Nacht in Venedig im April 1943 bringt Karl Senn einen in dieser Form bei ihm seltenen Kommentar mit kritischen Bemerkungen:

„Die Johann Straußsche Operette Eine Nacht in Venedig in der musikalischen Bearbeitung von Karl Tutein kam am Samstag, den 17. April, im Reichsgautheater in mehrfacher Neubesetzung zur Wiederholung. Den Herzog Guido von Urbino sang Erhard Grosser. Er gestaltete die Partie gesanglich und schauspielerisch ausgezeichnet. Sein Herzog war von vornehmer Haltung und künstlerisch geschmackvoll durchgeführt. Ilse Griesbach, die die Barbara, Delaquas Frau, gab, bot wohl gesanglich manches Schöne, war aber im allgemeinen zu wenig temperamentvoll. Ihre Sprechweise der Prosa war nicht immer deutlich verständlich. Als eine Talentprobe war Evi Volkmers Köchin Ciboletta zu werten. Die junge Sängerin hat stimmlich gute Anlagen, die aber noch der Pflege bedürfen. Kapellmeister Graef hatte die musikalische Leitung der Aufführung wohl ohne Probe übernommen. Zwischen Bühne und Orchester klappte nicht immer alles, wie es sollte.“ (Innsbrucker Nachrichtenvom 19. April 1943, Seite 5).

Die Premiere von Walzerträume folgte Anfang Mai und setzte somit den vielfach auf Optimismus angelegten Spielplan fort:

„Das Bedürfnis nach unbeschwerter, problemloser und vor allem lustiger musikalischer Unterhaltungskunst hat auf dem Gebiete des Singspiels und der Operette immer wieder zu den verschiedensten Versuchen geführt. Auch Walzerträume, Singspiel in vier Bildern von Tilde Binder und Ernst Friese, Musik nach Josef Strauß in der musikalischen Bühneneinrichtung von Bruno Uher, am Sonntag, den 2. Mai, im Reichsgautheater zur hiesigen Erstaufführung gebracht, ist ein solcher Versuch.

Josef Strauß, als Hauptperson in die Handlung gestellt, ist der im Jahre 1827 geborene, um zwei Jahre jüngere Bruder des Walzerkönigs Johann Strauß, war zuerst Ingenieur und wandte sich verhältnismäßig spät der Musik zu. Er schuf eine Reihe von Tanzkompositionen, vornehmlich Walzer und Mazurkas, die fein und zart in ihrem Charakter von fast Schubertscher Anmut sind und das musikalische Bild Wiens seiner Zeit runden.

Als Erfinder einer Straßenreinigungsmaschine, so beginnt das Singspiel, erlebt Josef Strauß eine Enttäuschung. Seine Erfindung wird abgelehnt. Zufällig ist sein Bruder, der berühmte Johann, erkrankt und Josef soll die Leitung von dessen Kapelle übernehmen. Trotz seiner Zweifel an seiner Begabung findet er auf Zureden seiner Frau und seiner Freunde den Weg zur Musik […]. Das Textbuch, dem einige Striche wohl zum Vorteil gereichen würden, ist harmlos heiter, auch der Humor ist in bescheidenen Grenzen gehalten. Der Musik, die die schönsten Weisen, hauptsächlich Walzer von Josef Strauß verwendet, ist ein breiter Spielraum eingeräumt. Aber auch ihr geht mancher Reiz verloren, weil die ursprüngliche, klangvolle Instrumentation, besonders in den vielen melodramatischen Szenen, der leichteren Verständlichkeit des gesprochenen Wortes wegen dünner gehalten wurde. Immerhin bietet das Singspiel für einige Stunden angenehme Unterhaltung.

Die Aufführung, die gleichzeitig als Ehrung für Rudolf Tlusty anläßlich seines 25jährigen Bühnenjubiläums gestaltet wurde, war sehr gut vorbereitet und fand seitens des ausverkauften Hauses Beifall […]. Intendant Pflugmacher am Dirigentenpult betreute schwungvoll die flüssige und leicht schwebende, in ihrer Melodik charakteristische Josef Straußsche Musik.“ (Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Mai 1943, Seite 4).

Am 6. Juni kam schließlich das Singspiel in vier Bildern Bezauberndes Fräulein zur Innsbrucker Erstaufführung, nach einer Lustspielvorlage neu bearbeitet von Ralph Benatzky. Heinz Cornel Pfeifer charakterisiert das heitere Werk in seiner Premierenbesprechung in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juni 1943, Seite 4:

„Echter Humor, köstliche Schelmerei, eine flüssige, leichtgeschürzte und abwechslungsreiche Handlung, die der bekannte Schlager- und Operettenkomponist mit einfallsreicher sprudelnder Musik umrahmte, verleihen dem Stück jenen gefälligen Schwung, der das Erfolgsgeheimnis des musikalischen Unterhaltungstheaters ausmacht.“ Zum belustigenden Inhalt und seiner entsprechend quirligen Darbietung wird mitgeteilt: „Paul, ein schüchterner, etwas verträumter und schwärmerischer Junggeselle, ist Ministerialbeamter und hat kürzlich ein kleines Landhaus geerbt, in dessen Diele sich das erste und zweite Bild abspielt. Er ist einer jener Menschen, die scheinbar immer Pech haben, das sich aber schließlich doch nur wieder als Glück herausstellt. Paul betet die Tochter Luise eines vorgesetzten Direktors an, ein Gänschen, das samt Vater als köstliche Karikatur der ehemaligen „höheren Töchter“ und steif-korrekter, empfindsamer Beamtenwürde durch das Stück geistert. Infolge einer Autopanne platzt in den idyllischen Frieden des Landhäuschens, in den Paul seinen Freund, den Maler Felix mit dessen Model Rossette zu Gast hat, das 200 Millionen schwere, ebenso verwöhnte als kapriziöse und resolute Schokoladenfabrikantentöchterlein Annette, das ‚bezaubernde Fräulein’, und bleibt sehr gegen den Willen des Besitzers dort über Nacht. In den folgenden, mit viel amüsanter Situationskomik erfüllten Bildern überpurzeln sich die Verwicklungen, Paul verliert die Braut, fliegt durch Annette aus seiner Stellung, Annette gibt ihrem Verlobten Hektor den Laufpaß – nur Felix, der Maler, steht über der Situation und renkt mit ein bißchen Hokuspokus und spekulativer Schlauheit die Sache so ein, daß ein Paar – freilich ein anderes – zum guten Ende schrecklich glücklich wird.

War schon die gelungene Zeichnung der einzelnen Charaktere der musikalisch wie stofflich einfallsreiche und humordurchpulste Inhalt des Stückes eine angenehme Ueberraschung, so die Rollenbesetzung nicht minder. Eine Schauspieltournee, die den Großteil des Ensembles in die Kreisstädte des Gaues entführen wird, machte es notwendig, daß Kräfte der Oper für dieses Singspiel herangezogen werden mußten, wozu sich diese auch in selbstverständlicher und vorbildlicher Einsatzbereitschaft zur Verfügung stellten. Das ‚bezaubernde Fräulein’ gab als Gast Friedel Wilhelm Tannert vom Bremer Schauspielhaus, temperamentvoll, sprudelnd und eigenwillig, stimmlich gut begabt, ihren Papa, den Schokoladefabrikanten, in vornehmer und großzügiger Gestaltung Opernsänger Eugen Schürer. Geradezu überwältigend in seiner köstlichen Mischung aus Schüchternheit, Unbeholfenheit, Gutherzigkeit und den Anfällen von Energie und Bissigkeit war Poldi Harlanns als Paul, der mit seinem alle Feinheiten und Schattierungen herausarbeitenden Spiel den großen Erfolg des Stückes sicherte. Als Operetten-Buffo überraschenden Formats stellte sich der aus dem Schauspiel kommende erfolgreiche Vigil Breiner vor, der als Kunstmaler Felix den Schmiß und die liebenswürdige Leichtlebigkeit frischfröhlicher Boheme in die Handlung brachte; ihm zur Seite Fini Fügner, diesmal in der kleinen, aber treffend umrissenen anziehenden Rolle der Rossette. Ein Kabinettstück des Subalternbeamten ehemaliger Beamtendynastie lieferte als Direktor im Ministerium unser Othmar Fabro, dessen Darstellungskunst hier wieder einmal in einer lohnenden Aufgabe zu bester Geltung kam; seine Tochter Luise brachte recht humorvoll Waltraud Fischer. Als Bräutigam Hektor des Millionenmädels zeigte sich Opernsänger Rudolf Christ fesch und bemerkenswert temperamentvoll. Marion Richter als Haushälterin Julie, Opernsänger Rolf Ankowitsch als Chauffeur und Aloys Kleinz als Kellner rundeten die gelungene Aufführung zu einem geschlossenen Ganzen, dem das ausverkaufte Haus so wohlverdienten und reichen Beifall zollte. Nicht zu vergessen Hans-Georg Ratjens exakte Orchesterführung, Hans Siegerts hübsche Bühnenbilder und die Tänze, für deren Einstudierung Gretl von Heimburg verantwortlich zeichnete.“

Eine „Glanzaufführung“ der Operette mit Tirolbezug Der Vogelhändler von Carl Zeller am Sonntag, 11. Juli 1943 bildete den Abschluss der Festwoche zum 6. Landesschießen. Heinz Cornel Pfeifer vermittelt seine Begeisterung mit einer enthusiastischen Besprechung der Darbietung an die Leser (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Juli 1943, Seite 4):

„Mit einer Aufführung dieser hübschen alten Operette von Carl Zeller in einer gut gelungenen Sonderbearbeitung der Münchner Fassung durch Intendant M[ax] A[lexander] Pflugmacher für Innsbruck hat sich das Reichsgautheater wirklich selbst übertroffen. Mit einer Fülle origineller Einfälle erfuhr die Handlung eine reizvolle Auffrischung, ein tüchtiger Schuß Sekt, den sie gut vertrug, kam hinein, der dem beschwingten launigen Stück noch einen ‚Lupf‘ ins Ubermütige, Ueberschäumende gab, daß es gerade nur so moussierte und sprudelte. Ueberall merkte man die große Mühe und liebevolle Sorgfalt, die man diesem unsterblichen und schönsten Werk Carl Zellers, das sich mit seinen Melodien und Liedern die Welt erobert hat, widmete: die Bühnenbilder, die Hans Siegert wieder in einzigartigem Ideenreichtum schuf, die flüssige und schmissige Inszenierung durch Ottomar Mayr, die temperamentvolle musikalische Leitung unter Hans-Georg Ratjen, die erstklassige Besetzung mit Margarete Ziha, Wien, als Gast und [mit] Kräften unserer Oper, die Tänze, die wiederum ein Gast, Willy Godlewski aus Berlin, einstudierte, die stimmgewaltigen Chöre, die Kostüme und Masken – kurzum, es war eine Aufführung, wie sie auch eine Großstadtbühne nicht besser und reicher gestalten könnte. Damit ging die letzte festliche Ueberraschung zu den Festwochen des 6. Tiroler Landesschießens über die Bretter unserer Bühne, ein weiteres Schmuckstück heimatlicher Prägung, das sich würdig als lachendes Kind der leichten Muse an die anderen hervorragenden Aufführungen dieser gaubetonten Spielfolge reiht und den bunten Reigen mit dem hellen Jauchzer des Vogelhändlers Adam beschließt […].“

Die propagandistische Wirkungsmacht des Reichsgautheaters kam besonders im Schauspielsektor zur Geltung. Der Spielplan war ausgerichtet einerseits auf Tendenzstücke, die den Nationalsozialismus hofierten, andererseits auf die Betonung des nationalen Kulturerbes mit Meisterwerken der klassischen Epoche und schließlich auch mit der Bevorzugung heiterer Stoffe, wie immer als Ablenkungstherapie vom drastischen Kriegsgeschehen.

Mit der Erstaufführung des Lustspiels Südbahn-Hotel von Georg Fraser am 9. Jänner 1943 startete das Reichsgautheater beschwingt in das neue Jahr. Das Publikum amüsierte sich an „pikanter Situationskomik unter Zuhilfenahme ehelicher Verwicklungen, die sich nicht ohne bühnenwirksamen Humor entwirren“ (Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Jänner 1943, Seite 4). Währenddessen nimmt das brutale Schicksal von Stalingrad seinen verzweifelten Lauf, und die ganze Absurdität von Krieg und Gewalt wird so zeitlos vergegenwärtigt.

Mit Vertrag um Karakat, einem Schauspiel in sechs Bildern von Fritz Buch, folgte am 21. Jänner ein Zeitstück, dessen Inhalt gewissermaßen die Rechtfertigung des Russlandfeldzuges impliziert. Aufgrund seiner propagandistischen Effizienz bringt Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Jänner 1943, Seite 6 eine ausführliche Beschreibung:

„Unmittelbare Zeitnähe umwittert dieses Schauspiel, das aus elementaren Kräften aufgebaut erscheint, wie sie in gewaltigem Zusammenprall heute den Erdball erschüttern. Zwei Welten begegnen sich, das nach Befreiung aus wirtschaftlicher Enge strebende Deutschland und das an Rohstoffen unermeßlich reiche Asien, verkörpert durch den deutschen Gesandten und den leitenden Ingenieur, bzw. den Minister eines kleinen mittelasiatischen Landes und den dunklen, feindlichen Strömungen, gegen die auch sein guter Wille vergebens ankämpft.

Am Vorabend der Unterzeichnung eines Konzessionspaktes, durch den Deutschland das Recht erwirbt, am Karakat ein Stauwerk zu erbauen, das den Schlüssel zu großen Oelfeldern und deren Nutzung bildet, erfolgt ein verhängnisvoller Einbruch in das Kriegsministerium des Landes, bei dem wichtige Pläne und Dokumente entwendet werden. Der Verdacht richtet sich gegen den deutschen Ingenieur Kessler, der sich im Bewußtsein seiner Unschuld der Verhaftung widersetzt und beim deutschen Gesandten Doktor Eggerth Schutz sucht. Doch die Verdacht[s]momente gegen Keßler, der gleichzeitig in eine undurchsichtige Liebesaffäre verwickelt ist, die seine Verteidigung hemmt, verdichten sich so, daß der Gesandte im Interesse des gefährdeten, für Deutschland hochwichtigen Vertrages der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen muß. In einer dramatisch durchpulsten Unterredung stoßen Keßlers begreiflicher Selbsterhaltungstrieb und die Verantwortung des Gesandten zusammen, dem es gelingt, den Ingenieur zur Unterordnung seines persönlichen Wohles unter das Schicksal seines die Nation unentbehrlichen Werkes zu überzeugen. Da führt ein glücklich scheinender Zufall zur Entdeckung des wirklichen Täters, des Bruders des Ministers, der in zynischer Offenheit sich zu seinem Komplott bekennt, das er aus Haß gegen die fremden Eindringlinge verübt hat. Er, der Bruder, lebt vorwiegend in Moskau und ist dort in seinem innersten seelischen Kern vergiftet worden, so daß er die Vorteile gemeinsamer wirtschaftlicher Arbeit der beiden Mächte nicht mehr zu erkennen vermag.

Nun beginnt erst der tragische Konflikt. Wird der wahre Sachverhalt durch den Gesandten vor Gericht aufgedeckt, so bedeutet dies den Sturz des Ministers, der allein in der Lage ist, den Vertrag zu ratifizieren. Siegt Keßlers Unschuld, so fällt sein Werk, die Gerechtigkeit triumphiert, aber Deutschland unterliegt im wirtschaftlichen Ringen um den Karakat. So ragt die Schicksalsfrage riesenhaft vor dem Gesandten auf, der sich zu einem heroischen Entschluß durchringt. Keßler muß um des höheren Zweckes willen Schuld und Todesurteil auf sich nehmen, Dr. Eggerth muß den Schuldlosen preisgeben, um das gemeinsame Werk zu retten. Aus dieser moralischen Situation, die eine sittliche Verpflichtung durch ein höheres Gebot aufhebt, befreit sich der Gesandte durch den selbstgewählten Tod. Ueber dem heldischen Tod der beiden deutschen Pioniere, steht das Vaterland, für dessen Freiheit und Sicherheit kein Opfer zu groß ist.

So gewagt die Problematik und die mit stärksten theatralischen Mitteln durchgeführte Handlung des Stückes ist, im Schlußakt flammt das Ethos so hoch auf, daß es die ganze Dichtung überstrahlt und weit über eine exotisch-kriminelle, spannende Begebenheit erhöht.

Mit welch künstlerischer Hingabe sich unser Schauspielpersonal jeder neuen dankbaren Aufgabe widmet, zeigte die von Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth geleitete hervorragende Erstaufführung […].

Der Vertrag um Karakat ladet die Zuschauer zu eigenem Denken und Miterleben ein; wir hoffen, daß unsere Theaterfreunde bei den Wiederholungen die Gelegenheit, ein bedeutsames zeitgemäßes Bühnenwerk kennen und schätzen zu lernen, recht zahlreich benützen.“

Am 8. Februar 1943 erfreute das Münchner Volkstheater das Innsbrucker Publikum mit der Komödie Die kluge Wienerin von Friedrich Schreyvogl. Karl Paulin schreibt zur Leistung der Schauspieler in den Innsbrucker Nachrichten vom 10. Februar 1943, Seite 4:

„[…] Das Münchner Volkstheater baut die Komödie auf eine Auswahl vorzüglicher schauspielerischer Kräfte auf. Den satirischen Grundton, der die Schwerflüssigkeit der geschliffenen, im Stofflich-Juristischen oft ans Spitzfindige grenzenden Gespräche lockert, bestimmte Spielleiter Willem Holsboer. Sache der Darsteller war es, das Ganze aus motivischer Niederung auf die freie Höhe rein menschlicher Beziehungen zu heben. Das gelang vor allem Lisl Macheiner als Daswina am besten, die nach Jahren wieder auf der Bühne ihres künstlerischen Beginnens erschien und in der Titelrolle ein Meisterstück anmutiger geistvoller, im besten Sinne wienerischer Frauendarstellung gab. Das Erfrischende ihres Spieles verbreitete sich über das ganze Stück und sicherte ihm seinen Erfolg, der sich in dem immer wieder aufbrausenden Beifall ausdrückte […].“

„Auf vielseitigen Wunsch“ nahm die Intendanz das bereits während zweier Spielzeiten erfolgreiche „volkstümliche Drama“ von John Knittel Via Mala mit zwei Vorstellungen am 14. Februar wieder in das Programm (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Februar 1943, Seite 5). Mit einer Nachmittagsvorstellung wurde auch den auswärtigen Interessenten die Möglichkeit geboten, die Aufführung zu besuchen. Wie sehr dieses ergreifende und emotional aufrüttelnde Stück beeindruckte, erweist die Mitteilung von der 150. Aufführung durch die Exl-Bühne in Wien in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. Februar 1943 auf Seite 5. Zur Innsbrucker Neuaufnahme meint Karl Paulin:

„Unerschöpft ist noch immer die Zugkraft von John Knittels volkstümlichem Drama Via Mala, dessen herzbeklemmende Spannung durch die meisterhafte technische Beherrschung des Stückes reguliert wird. Das Reichsgautheater Innsbruck hat bekanntlich schon vor drei Jahren eine vorzügliche Erstaufführung von Via Mala herausgebracht, die in der letzten Sommerspielzeit eine erfolgreiche Reprise erlebte. Nun hat in der Aufführung am 14. d[ieses] M[onats Februar] die Hauptrolle des Niclaus Lauretz zum erstenmal Vigil Breiner übernommen und zu starker Wirkung gebracht. Der junge Künstler, dessen ernstes Streben schon wiederholt die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat, z. B. durch seinen leidenschaftlichen Roller in den Räubern, erfüllte die Gestalt des unglücklichen Niclaus mit einer Tragik, die ihre besondere Note durch die geschärfte geistige Haltung des gegen das schicksalhafte Unheil und den zermalmenden Gewissensdruck Ankämpfenden erhielt (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Februar 1943, Seite 5).

Zum Heldengedenktag am 21. März gab das Reichsgautheater Innsbruck mit Edgar Kahns Schauspiel Die ewige Kette ein Paradestück nationalsozialistischer Propagandadichtung. In den Innsbrucker Nachrichten vom 18. März 1943 wird auf Seite 5 mit folgendem Text auf die Vorstellung aufmerksam gemacht:

„Aus Anlaß des Heldengedenktages, der nunmehr auf Sonntag, 21. März, festgelegt wurde, bringt das Reichsgautheater Innsbruck um 14.30 Uhr und 20 Uhr nochmals das Schauspiel von Edgar Kahn Die ewige Kette, zur Aufführung. Das Stück wird in der gleichen Besetzung wie bei den erfolgreichen Aufführungen im November vergangenen Jahres dargeboten. Wenn das Werk auch im besonderen von einem Panzersoldaten geschrieben und der deutschen Panzertruppe gewidmet ist, um ihrem hohen Kampfgeist ein dichterisches Monument aufzurichten, so erleben wir hier doch ein Drama allgemein menschlichen Anspruches, wie es einem soldatischen Volk von Männern und Frauen feierabendliche Erhebung ist. (Die für die ursprünglich angesetzten Vorstellungen Käthchen gelösten Karten behalten für Ewige Kette Gültigkeit oder können zurückgegeben werden).“

Das Interesse des Publikums für ein verklärtes Kriegsdrama scheint sich angesichts der bedrückenden Kriegslage in Grenzen gehalten zu haben, so dass die geplante Nachmittagsvorstellung „aus technischen Gründen“ entfiel und die Leser der Innsbrucker Nachrichten am 20. März 1943 auf Seite 4 zudem informiert wurden, dass auch die für die Abendvorstellung bereits gelösten Karten zurückgegeben werden können.

Am 30. März kam mit Krach im Hinterhaus, einer überaus populären, bereits verfilmten „Volkskomödie“ von Maximilian Böttcher, wieder die so ersehnte Heiterkeit auf die Innsbrucker Bühne. Karl Paulin informiert:

„[…] Aufbau und Durchführung des Stückes verweisen die Komödie in den Bereich der wirkungsvollen Posse. In diese Richtung lenkte auch der Spielleiter Oskar Hugelmann die Aufführung, indem er einige Typen auf das Drastisch-Komische abstimmte. Gisa Ott hatte als Witwe Beck Herz und Schnabel auf dem rechten Fleck. Besonders Oskar Hugelmann als Hausmeister Pospischill und Marion Richter als halbwüchsiges Lausmädel ließen an Komik nichts zu wünschen übrig. Rudolf Tlusty skizzierte den Oberpostschaffner Huber, dem Therese Spörr als seine Gattin ebenfalls mit scharfem Humor sekundierte. Alle übrigen Darsteller fügten sich mit Geschick und Eifer in den Rahmen dieses Stückes, dem es an Wirkung, wie der Beifall bewies, nicht fehlte.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 1. April 1943, Seite 5).

Franz Grillparzers „dramatischem Märchen“ in vier Aufzügen Der Traum ein Leben setzte die vom Innsbrucker Theater vor allem auf Initiative von Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth forcierte Pflege klassischer Dramatik fort. Über die erfolgreiche Neuinszenierung am 12. April im Reichsgautheater Innsbruck berichtet wie bei solchen Theaterereignissen üblich Karl Paulin mit Anteil nehmender Akkuratesse (Innsbrucker Nachrichten vom 15. April 1943, Seite 4):

„[…] Unser Reichsgautheater hat seine schöpferische Lust und Kraft, die Klassiker für unsere Zeit neu zu formen, an diesem Grillparzer-Märchen aufs neue erprobt und sich dabei selbst übertroffen. Wie ein Stück aus ‚Tausendundeine Nacht’ hat Spielleiter Paul Schmid das Stück aufgefaßt und gestaltet. Eine Dichtung für sich stellte diesmal die szenische Umrahmung dar: Hans Siegerts Bühnenbilder schienen vom Geist Grillparzers erfüllt, aus Regenbogenfarben wölbte sich Rustans Schicksalsbrücke – eine echt künstlerische Idee zur Verwirklichung eines Traumdramas – geheimnisvolle Zeichen betonten immer wieder das Uebersinnliche der Szenen, und das flammende Gewoge der Lüfte und Wolken war des Beleuchters Erich Stelzer wesentlicher Anteil an dieser Meisterinszenierung. Daß die sieben Bilder ohne Pause über die Bühne glitten, entsprach wohl dem ununterbrochenen Verfließen eines Traumes, das allerdings auch durch einen für die Zuschauer begrüßenswerten kurzen Abstand zwischen Rahmen- und Kernhandlung nicht gestört worden wäre.

Des Märchens Hauptgestalten Rustan und Zanga zu verkörpern, ist keine leichte Aufgabe. Rustans Halbnatur, bald feurig, bald zaghaft, hat Hermann Kollein in jenen Szenen am besten getroffen, welche die guten männlichen Kräfte des ‚wilden Jägers’ offenbaren. Siegfried Süßenguth war als Zanga ein, wenn man so sagen darf, hellgetönter Mohr, auffallend ähnlich seinem Mephisto, ein Sklave, der seines Herren Meister und Verführer wird. Oskar Fritzer zog als König von Samarkand in den Traumszenen die Grundlinien der Dichtung, auch im Sprachlichen, mit besonders feinem, künstlerischem Gefühl. Oskar Hugelmann fand für die lebenskluge Würde und Milde des Landmannes Massud den echten natürlichen Ausdruck. Anmutvolle verkörperte Viola Wahlen die Mirza, Berthe Waeber prägte das Königliche in Gülnare nachdrücklich aus. Das geheimnisvolle Weib mit den beiden Bechern bot Gisa Ott Gelegenheit zu einer ihrer einprägsamsten Gestalten, der an packender Wirkung Hans Birnstiel als meisterlich gezeichneter alter Kaleb gleichkam. Virgil Breiner als scharf profilierter Mann vom Felsen, Emil Bauer-Dorn als Karkhan und Walter Jereb als königlicher Kämmerer ergänzten das Gesamtspiel, an dem auch Schülerinnen der Opern-, Schauspiel- und Tanzschule des Reichsgautheaters als Dienerinnen und Sklavinnen mitwirkten.

Die Bühnenmusik von Christian Graef gab dem märchenhaften Charakter der Dichtung, die vom sehr gut besuchten Haus begeistert aufgenommen wurde, die melodische Begleitung.“

Der Beitrag des Reichsgautheaters Innsbruck zur Festwoche im Rahmen des 6. Landesschießens waren zwei Schauspiele des Tiroler Erfolgsautors Josef Wenter. Damit wurde auch in diesem Kulturbereich die angestrebte komplexe Darstellung des Gaues als eine geschlossene, in Übereinstimmung mit den Parteiinteressen gefestigte Gefolgschaft vervollständigt:

„Die Heimat leuchtet über den Veranstaltungen des 6. Landesschießens des Gaues Tirol-Vorarlberg, nicht nur über den wehrhaften, sondern auch über den kulturellen, die ein getreues Spiegelbild jener bodenverbundenen Kräfte geben, aus denen von altersher auch unser geistiges Leben sich nährt.

Im Reichsgautheater sind es zwei Schauspiele, die vom gleichen Dichter, dem gleichen geschichtlichen Boden entsprossen sind und nun in der Spielfolge der Wochen des größten Schützentreffens des Reiches aufscheinen. Josef Wenters Der Kanzler von Tirol wird in diesen Tagen seine 25. Aufführung in der laufenden Spielzeit finden und damit den schönsten Kranz des Erfolges sich selbst und dem Dichter um die Stirne flechten. Und nun erschien am 6. d[ieses] M[onats Juli] Die schöne Welserin auf unserer Bühne und ließ uns ihr Liebesschicksal in dichterischer Schau erleben […].

Noch sind die Eindrücke der Innsbrucker Erstaufführung im März 1940 unverblaßt, nun werden sie durch eine stilvolle von Siegfried Süßenguth ganz im Geist der Dichtung gehaltene Neuinszenierung verstärkt. Der Spielleiter selbst ist der gleiche lebensprühende Erzherzog Ferdinand, der allen Freuden des Daseins aufgeschlossene Mann, der das spanische Zeremoniell am väterlichen Hof haßt und am liebsten ein freier Gamsjäger in seinem Tirol wäre […].

Viola Wahlen entfaltet als überzarte Philippine eine mädchenhafte Blüte, in der sich die Reinheit des Herzens mit der inneren Sicherheit der ihres rechten Weges bewußten fraulichen Natur verbindet […].

Das Spiel wurde von den malerischen Bühnenbildern Hans Siegerts stimmungsvoll umrahmt und fand in dem vollbesetzten Haus einen so starken Widerhall, daß die Darsteller mit dem Dichter wiederholt für den immer wieder aufrauschenden Beifall danken konnten.“ (Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juli 1943, Seite 4).

Über die oft als unscheinbar wahrgenommene vielfältige Arbeit des Balletts des Reichsgautheaters informiert Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. März 1943, Seite 4:

„[…] Die Ballettmeisterin unsers Reichsgautheaters, Gretl von Heimburg, hat einen täglichen Stundenplan, bei dessen Betrachtung man sich wohl tüchtig wundern kann, denn außer der täglichen Arbeit am Ballett selbst leitet sie auch noch die Ballettschule, an der derzeit vierzehn Erwachsene und zwölf Kinder teilnehmen. Täglich verbringt sie etwa neun Stunden nur im Theater, und ein Arbeitstag sieht etwa so aus: 1/2 10 Uhr bis 11 Uhr Gymnastik, 11 bis 1/2 1 Uhr Tanzprobe für die Stücke, die neu herauskommen, dann bis 3 Uhr Pause, von 3 bis 5 Uhr wieder Ballettarbeit. von 5 bis 8 Uhr Tanzschule für den Nachwuchs und dann ist es meist gerade Zeit, sich für die Vorstellung umzukleiden. Natürlich ist das nicht jeden Tag so, weil die Abendvorstellungen ja zuweilen entfallen. Die spielfreien Abende sind aber noch lange nicht wirklich frei, sondern ausgefüllt mit Regiesitzungen, Kostümberatungen mit der Schneiderei, Besprechungen mit dem Chef und der Dramaturgie, Kostüm- und Tanzproben, Situationsstudium und dergleichen […].

In wochenlanger Vorarbeit legt sich die Ballettmeisterin für das neu herauskommende Stück die einzelnen Auftritte zurecht. Ein Sinnen und Planen, das oft schlafraubend bis in die frühen Morgenstunden dauert, füllt jede arbeitsfreie Stunde aus. Meist stehen weder choreographische Unterlagen noch sonst irgendwelche Studienbehelfe zur Verfügung, und da heißt es dann eben eigenschöpferisch die Tanzbilder zu gestalten […].

Es erfordert eine recht straffe, gesunde und ausgeglichene Lebensführung, die Laufbahn einer Ballettänzerin zu durchschreiten. Die Beanspruchung tägliche physische Beanspruchung des Körpers setzt das voraus und duldet keine Ausschreitungen. Das Training ist hart, tägliche Gymnastik hält die Glieder in Form. Lockerungsübungen, gewissenhafte Körperpflege und leichter Sport erhalten die Beweglichkeit und Biegsamkeit des Körpers, und auch das Studium der zur Tanzkunst gehörenden bereits früher aufgezählten Wissensgebiete nimmt viel Zeit weg […].“

Bereits traditionell stellte die Innsbrucker Tanzkünstlerin Fini Pointner auch 1943 im Reichsgautheater dem heimischen Publikum ihr neues Programm vor. Heinz Cornel Pfeifer schildert den Verlauf der Veranstaltung in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. März 1943, Seite 4:

„Alljährlich legt die heimische Künstlerin, der mittlerweise auch der große Sprung auf die Bühnen anderer Gauhauptstädte geglückt ist, sozusagen öffentlich Rechenschaft über ihre Weiterentwicklung, die Entfaltung und Vertiefung ihrer Kunst ab. So bot denn auch der Solotanzabend am Montag, 22. März, den Fini Pointner – obwohl eigentlich noch nicht gänzlich genesen und erholt – im Reichsgautheater Innsbruck abhielt, eine klare Uebersicht über das bisher Erreichte, von dem sich dort und da schon neue Konturen ihres tänzerischen Gestaltungswillens abzuzeichnen begonnen. Ist gegenüber dem Programm des Vorjahres auch keine ausgesprochene Steigerung festzustellen, so überraschte doch die Harmonie und Geschlossenheit ihrer Schöpfungen, deren Grundzug unbeirrt im Art- und Wesensgemäßen ihrer Persönlichkeit ruht und der sicherste Garant weiterer Entfaltung ist.

Mit einem Strauß-Walzer, Festlicher Auftakt genannt, einleitend, zeigte Fini Pointner gleich ihre stärkste Seite mit einer vorwiegend mimischen Ausdrucksstudie von tiefer Innerlichkeit. Gebet, nach Musik von Puccini, dem in jähem Kontrast eine trefflich dem dörflichen Leben abgelauschte köstliche Lausbüberei, Die Dorfmusik, nach einer Volksweise, folgte, die stürmischen Beifall fand. Eine weitere markante Ausdrucksstudie, faszinierend und von packender Charakteristik war Geiz nach Puccini, die entfesselte Gier nach Gold und Angst um den Besitz in ätzender Schärfe spiegelt. An ein betont einfach und volkstümlich gehaltenes Neapolitanisches Lied nach [Luigi] Denza reihte sich als ein weiterer Höhepunkt, meisterhaft im tänzerischen Ausdruck, Todesruf nach Chopin und eine zärtliche Pastellskizze vom blumenhaften Erwachen erster Liebe, das den Titel Liebesträume nach Liszt trägt und das Erleben innerster Beglückung erfühlen ließ. Dann wartete die Künstlerin mit einer entzückenden Buschiade aus Die fromme Helene auf, das sich Du ziehst mir nicht das Grüne an …!, Musik nach [Francis] Popy, nennt. Hier brach wieder die frisch-fröhliche Schelmerei, sprudelnder Uebermut und eine witzgesättigte Spottlust durch, die in aller herzhaften Gutmütigkeit sich doch zum eigenen und anderen Gaudium gestaltend äußern muß. Voll Innigkeit und intimer Süße gelang ihr die kleine Studie Verklungene Zeiten nach Puccini, eine reizende Amour aus dem galanten Zeitalter. Zwei Typen, Der Schüchterne nach Bund undDer Temperamentvolle nach Fischer, in ihrer ironischen Skizzierung fein herausgearbeitet, leiteten zum Schluß über, den wieder Johann Strauß mit Anuschka tanzt übernahm, ein Tanz, der elementare Lebensfreude und Daseinsglück auf den Schild hob.

Bewundernswert und verwirrend ist Fini Pointners Wandlungsfähigkeit, bestrickend die Vielfalt ihrer mimischen Ausdruckskraft und das Register feinster Anstimmungen der Geste. Die selbstentworfenen Kostüme, ausgeführt vom Modehaus Kassian Kortleitner, [sind] von erlesenem Geschmack. Am Flügel begleitete sie wieder Franz Tschernich, dessen restlose intuitive Einfühlung in die impulsive, oft überraschend aus dem Stehgreif gestaltete Art der Künstlerin maßgebend am Erfolg beteiligt ist. Der Abend, der im April wiederholt wird, fand die herzliche Anerkennung des ausverkauften Hauses.“

Über die Sommeraktivitäten am Reichsgautheater, diverse Gastspiele und insbesondere über den neuen Spielplan der Saison 1943/44 informiert eine Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juli 1943 (Seite 5):

„Mit der Aufführung Der Freischütz am 18. Juli schließt die Reihe der Festaufführungen des Reichsgautheaters anläßlich des 6. Landesschießens. Zugleich endet an diesem Tage die Spielzeit 1942/43. Nach einer längeren Pause, die durch unumgänglich notwendige Arbeiten im Bühnenhause bedingt ist, findet vor Beginn der nächsten Spielzeit am 16. September in der Zeit von 1. bis 15. September ein Gastspiel der Exl-Bühne statt, für das die Aufführung folgender Stücke vorgesehen ist:

Der Meineidbauer, Volksstück von Ludwig Anzengruber, Der kluge Mann, Schauspiel von Paul Sarauw, weiters Der Sprung aus dem Alltag, Komödie von Heinrich Zerkaulen, Hahnbalz, Komödie von Gustav Davis und Der zerbrochene Krug, das klassische Lustspiel von Heinrich von Kleist.

Vom 20. August bis 15. September finden Gastspiele des Reichsgautheaters in mehreren Orten des Gaues Tirol-Vorarlberg statt und zwar Die Räuber von Schiller, Bezauberndes Fräulein von R[alph] Benatzky, ferner Symphoniekonzerte und Bunte Abende.

Für die neue Spielzeit des Reichsgautheaters, das auf eine erfolgreiche Arbeit in der abgelaufenen Spielzeit zurückblicken kann, gibt Intendant M[ax] A[lexander] Pflugmacher einen Spielplan bekannt, der außerordentlich reichhaltig ist und sowohl für die Oper und Operette, als auch für das Sprechstück interessante Aufführungen verspricht, die die Serie der Erfolge der vergangenen Monate würdig fortsetzen sollen.

An Opern wird Webers Freischütz in den Spielplan übernommen. Ferner sind vorgesehen Mozarts Don Giovanni, Wagners Fliegender Holländer, Lortzing Der Wildschütz, Bizet Carmen, Verdi Rigoletto, Puccini Die Boheme und, aus der verflossenen Spielzeit übernommen, Tosca, ferner als zeitgenössische Oper die Kurzoper Belcanto von [Hanns Ludwig] Kormann, die zusammen mit Puppenfee [Musik von Josef Bayer] oder einem anderen klassischen Ballett gegeben wird.

Von Operetten werden im neuen Spielplan Zellers Vogelhändler, Vetterlings Liebe in der Lerchengasse und Benatzkys Bezauberndes Fräuleinübernommen. Neu herauskommen sollen: Lehar Land des Lächelns, Millöcker Der Feldprediger und Der Bettelstudent, Johann StraußFledermaus oder Zigeunerbaron und Reinshagen Prinzessin Grete.

An Komödien, Lustspielen und Volkstücken weist der Spielplan folgende Stücke auf: Anzengruber Die Trutzige oder Der ledige Hof, Nestroy Lumpazivagabundus, Calderon Dame Kobold, Shaw Pygmalion, Wenter Die schöne Welserin, Götz Dr. med. Hiob Prätorius, Wagner-Petzl Lorbeerkranz und Bügeleisen. Ob Protektion von Davis herauskommt, steht noch nicht endgültig fest.

Für das Schauspiel stellt der neue Spielplan die Stücke von einer Reihe von Autoren mit besonders gewichtigen Namen in Aussicht: Wenters Kanzler von Tirol wird ebenso wie die schon genannte Schöne Welserin weitergespielt. Auch Knittel ist wieder mit Via Mala vertreten. Anläßlich des 100. Geburtstages Peter Roseggers wird Am Tage des Gerichtes über die Bretter gehen. Lessings Emilia Galotti ist schon aus der zu Ende gehenden Spielzeit bekannt. Neu im Spielplan sind dagegen Grillparzers König Ottokars Glück und Ende oder Die Ahnfrau, Hamlet von Shakespeare, Goethes Iphigenie, Schillers Kabale und Liebe, Kleists Prinz von Homburg und Hebbels Agnes Bernauer.

Dieser Spielplan kann sich wahrhaft sehen lassen. Das Vorhaben des Reichgautheaters für die nächste Spielzeit spricht dafür, daß unsere Bühne auch im Kriege ihre Kulturaufgabe als Grenzlandtheater voll und ganz erfüllen will.“

Wenngleich die Intendanz bemüht war, einen engagierten Spielplan anzubieten, so zeigen sich doch in den zahlreichen Übernahmen aus vergangenen Spielzeiten und dem weitgehenden Mangel an Neuinszenierungen die enormen Schwierigkeiten, die die Erschwernisse der Kriegssituation insbesondere auch im Kulturbereich mit sich brachten. Umso mehr ist es erstaunlich, wie vielfältig und konsequent sich das Reichsgautheater immerhin noch in das Kulturgeschehen einbrachte und damit seinem überwiegend von Parteiinteressen bestimmten und kontrollierten Wirken gerecht werden konnte.

„Einem lange gehegten und vielseitigen Wunsche folgend, führt das Reichsgautheater Innsbruck auf seinen Abstechergastspielen im August und September 1943 im Reichsgau Tirol-Vorarlberg ein klassisches Schauspiel, Schillers Die Räuber auf.“ Mit dieser Feststellung begründet Siegfried [!] Färber, der Dramaturg des Reichsgautheaters im Tiroler Volksblatt vom 23. August 1943, Seite 3, die Unternehmung der Gastspiele seines Hauses in Kufstein und Kitzbühel. Die Aktion hatte natürlich wiederum propagandistischen Hintergrund und sollte nicht zuletzt in aller Öffentlichkeit die volle Handlungsfähigkeit des Kulturbetriebs, somit auch der Politik demonstrieren.

Die erste Vorstellung war am 24. August auf der Josefsburg der Festung Kufstein:

„Das Gastspiel stand unter der Leitung des Schauspieldirektors Siegfried Süßenguth, der auch die eindrucksvolle Rolle des Franz Moor, dieses unglücklichen, verbrecherischen Menschen, in blendender Weise verkörperte. Sein Bruder Karl, dargestellt von Anton Straka, ließ die Gegensätzlichkeit der beiden Charaktere hell aufleuchten. Viola Walchen [richtig: Wahlen] fand als Amalia warme Herzenstöne; ihr dezentes Spiel, gehoben durch ihre anmutige Erscheinung gab der liebenden Braut einen ganz besonderen Reiz. Alle übrigen Darsteller, darunter der Vater Moor, die Räuber Spiegelberg, Schweizer, Roller, Kosinsky und andere mehr, nicht zuletzt die einwandfreie Darstellung der Rolle des alten Dieners Hermann, rundeten das Schauspiel sowohl durch Sprache wie Spiel zu einem großen Erlebnis für alle Zuhörer.

Trotz aller bedingten Erschwerungen des Spiels als Freilichtaufführung ohne Szenenwechsel war der Gesamteindruck auf die vielen hundert Zuschauer ein tiefgründiger. Der rauschende Beifall bekundete, daß die Handlung und Darstellung gute Aufnahme gefunden. Die Deutsche Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude hat sich durch die Ermöglichung der Aufführung dieses zeitgemäßen Schauspiels ganz besonderen Dank verdient.

Infolge der kurzen zur Vorbereitung der Aufführung zur Verfügung gestandenen Zeit war der eigentliche ‚Zuschauerraum’ durch die unzweckmäßige Aufstellung einer großen Anzahl von Sitzbänken, die auf dem gegen die Bühne ansteigenden Boden außerdem noch durch drei Ehrenplatzstuhlreihen verdeckt wurden, seiner eigentlichen Bestimmung fast ganz entzogen. Bei kommenden Aufführungen wird sicherlich auch für eine einwandfreie Anordnung der Sitzplätze gesorgt werden. Es ist nur zu wünschen, daß die Freilichtspiele auf der Josefsburg nach Kriegsende eine ständige Einrichtung werden.“ (Tiroler Volksblatt vom 25. August 1943, Seite 4).

In den Innsbrucker Nachrichten vom 31. August 1943, Seite 3, findet sich der Hinweis, dass die „neue Freilichtbühne auf Geroldseck“ nach Plänen des Intendanten Max Alexander Pflugmacher „auch für Opern ausgebaut werden soll“. Im gleichen Artikel wird auch das Kitzbüheler Gastspiel erwähnt: „Auch in Kitzbühel brachte das Reichsgautheater eine Gastaufführung der Räuber. Schauplatz der Aufführung war der mit Geschick zu einem Freilichttheater ausgestaltete Moorbadgarten. Kreisleiter P[artei]g[enosse] Merath und Landrat Pg. Wersin wohnten der Aufführung bei. Unter den mehr als siebenhundert Besuchern befanden sich auch zahlreiche in Kitzbühel zur Erholung weilende Soldaten. Die künstlerisch hochstehende Aufführung fand verdienten starken Beifall.“

Im Bereich der Oper galten die Höhepunkte der neuen Spielzeit im Jahr 1943 den Premieren von Mozarts „Don Juan“ am 22. Oktober und Verdis Rigoletto am 19. Dezember, beide unter der bewährten Leitung von Hans-Georg Ratjen. Seine Eindrücke von zwei Don-Giovanni-Vorstellungen vermittelt Hermann Josef Spiehs in der Nachfolge von Karl Senn als Musikkritiker in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Oktober 1943, Seite 4:

„Die beiden Don-Juan-Aufführungen im Reichsgautheater Innsbruck am 22. und 26. d[ieses] M[onats Oktober] zeigten von redlichem und erfolgreichem Bemühen, dieses größte Tondrama Mozarts echt und wirkungsvoll zu gestalten […].

Kapellmeister Hans Georg Ratjen nützte denn auch die reiche Fülle an musikalischen Ideen und Stimmungen aus, um die Personen und Vorgänge auf der Bühne zu charakterisieren. So spiegelte sich schon im Orchester der Vorgang des Fechtens, das tragische Ende des Komturs, das Entsetzen Donna Annas, die Art des Werbens des Don Juans und dergleichen; alle Einzelheiten und Verwicklungen der Handlung mit den vielen Gedankenstrichen und Höhepunkten gewannen durch die musikalische Untermalung sehr, denn diese war dichterisch nachempfunden. Die Begleitung der Secco-Rezitative durch den Dirigenten am Cembalo wirkte, wie überhaupt die ganze Handhabung des Instrumentalkörpers, echt ‚mozartisch’, das heißt nicht überladen oder von jenem späteren Theaterpathos überwuchert.

Dasselbe werkgetreue Bemühen zeigten auch die Gesangssolisten, was vielleicht manche der Zuhörer, weil auf große Stimmen eingestellt, befremdet haben mochte […].“

Das Innsbrucker Dirigententalent Otmar Suitner (1922 Innsbruck-2010 Berlin) bekam Ende September die Gelegenheit, sich als Interpret von Carl Zellers Erfolgsoperette Der Vogelhändler erstmals in seiner Heimatstadt vorzustellen. Albert Riester berichtet darüber in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1943, Seite 4:

„In den beiden Aufführungen der Zellerschen Operette Der Vogelhändler am 26. d[ieses] M[onats September] sahen wir den jungen Innsbrucker Pianisten und Dirigenten Otmar Suitner zum ersten Mal am Dirigentenpult. Suitner, den wir bereits als ausgezeichneten Nachwuchspianisten kennen lernten, hat heuer als Meisterschüler von Professor Klemens Krauß seine Studien am Mozarteum in Salzburg erfolgreich abgeschlossen und wirkt in dieser Spielzeit als Dirigent und Korrepetitor an unserem Reichsgautheater. Auffallend ist seine klare, sparsame Zeichengebung, die bei bewußtem Verzicht auf effektvolle Mätzchen, Bühnen und Orchester zu geschlossenem, einheitlichem Musizieren zwingt. Der junge Dirigent musiziert frisch, erstaunlich reif und beherrscht in den Tempi, vermeidet jede sentimentale Ueberschwänglichkeit, holt feine klangliche Abstufungen aus seinem Orchester und ist bewußt jedem zu langen und ermüdenden Verweilen auf stimmlichen Höhepunkten abhold. Wir erwarten mit Spannung weitere Beweise seines ursprünglichen Talentes, insbesondere auf dem Gebiete der Oper.

Erika Feichtinger sang zum ersten Male die Kurfürstin. In Stimme und Spiel gleich vornehm und gewinnend, gab sie dieser Rolle alle Vorzüge ihres reifen Könnens. Allgemeine Bewunderung fanden ihre prächtigen Kostüme. Ihr zur Seite stand wiederum der sympathische Adam unseres bewährten Operntenors Rudolf Christ. Das ausverkaufte Haus unterhielt sich ausgezeichnet, es gab zahlreiche Vorhänge.“

Die Operette war mit ihrer vorgespiegelten, das Leben idealisierenden Traumwelt das wirkungsvollste Medium zur zumindest zeitweisen Ablenkung von der erschreckenden Wirklichkeit. Dementsprechend hatte sie neben den Lustspielen eine bevorzugte Rolle in der Spielplangestaltung. Anfang Dezember 1943 kam als Premiere die Operette Millionenhochzeit von Walter Hautmann und Erik Jaksch unter der Leitung des Intendanten Max Alexander Pflugmacher heraus. Hermann Josef Spiehs schreibt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Dezember 1943, Seite 4 und lässt dann im Schlussabsatz des Artikels seine parteikonforme Kulturanschauung deutlich erkennen:

„[…] Elly Krasser, Nürnberg, spielte als Gast die Rolle der Ingeborg. Ihr natürliches, auf Posen bewußt verzichtendes Spiel, ihre schön und mit Gemüt gesungenen Lieder und Duette (‚Du bist für mich der schönste Traum’, ‚Ich bin verliebt in zwei Augen’, ‚Rosen blühen, Lippen erglühen’) fanden wiederholt rauschenden Beifall auf offener Bühne. Aus dem bunten Wirbel an Geschehnissen und Ulk hob sich ihre jugendlich-hübsche Erscheinung, ihr Wesen und Spiel gemäß der Rolle wirksam ab. Ihr Partner Erhard Grosser (Erik Norissen) ersang sich mit seiner prächtigen, lyrisch gefärbten Operettenstimme ebenfalls die Herzen der Zuhörer. Isa Roland als Frau Präsidentin und spätere Frau Herzogin wirkte durch die herbe Komik ihrer Rollen ausgezeichnet. Rudolf Tlusty stellte das Prachtexemplar eines senilen, auf galante Abenteuer erpichten ‚alten Herrn’. Edith Boewer zeigte als Romanschriftstellerin stimmlich und tänzerisch beschwingtes Können. Sie gab im Zusammenspiel mit Poldi Harlanns (Sekretär), der übrigens eine durchaus flotte Spielleitung besorgte, mit Lachsalven bedankte Proben von schmissigem Humor. Auch die übrigen Mitwirkenden trugen viel zu dem Publikumserfolg der Operette bei […].

Die Musik, nur so dahinflitzend, rissig und schmissig, erwies sich von Jazz, Kabarett und Film her stark beeindruckt. Besseres gab der Komponist in den Liedeinlagen. Barklänge, Milieu und sonstige Aufmachung der Operette einschließlich der Girls gemahnten allzu sehr an jenen ‚Amerikanismus’, der nun auch in der heiteren Muse artgebundenen Formen Platz zu machen beginnt.“

Als froh stimmende musikalische Neujahrsbotschaft hatte die Intendanz die Erstaufführung der Operette Prinzessin Grete von Victor Reinshagen (1908 Riga-1992 Zürich), Libretto von Hermann Hermecke, in das Programm genommen. Die Erstaufführung am Silvesterabend 1943 war als Benefizveranstaltung für das Kriegs-Winterhilfswerk angesetzt. Das Publikum musste die Eintrittskarten zu „Opernpreisen“ erwerben. Außerdem waren alle Vergünstigungen aufgehoben, um einen guten finanziellen Ertrag zu gewährleisten.

Gerade in diesen Tagen war Innsbruck durch Bombenangriffe schwer erschüttert worden. Karl Paulin geht in seiner Premierenbesprechung darauf ein; er hebt besonders den Umstand hervor, dass sich das Reichsgautheater dadurch nicht beirren ließ und damit der Bevölkerung „ein vorbildliches Beispiel beruflicher und in diesem besonderen Fall künstlerischer Pflichttreue“ vor Augen geführt habe:

„[…] Ein artiges, sauberes Operettchen ist da von den beiden Verfassern aufgebaut worden, auf das ein Schimmer von Ferdinand Raimunds vormärzlichen Zaubermärchen fällt, die ja bei aller fantastischer Romantik den Kern einer sittlichen Läuterung bergen. Auch Prinzessin Grete ist von einer Romantik umsponnen, die dem Theater gibt, was des Theaters ist und doch unaufdringlich eine moralische Wahrheit verkündet.

Unser Reichsgautheater hat sich mit aller Liebe dieser neuen Schöpfung angenommen und sie am Altjahrsabend als Erstaufführung herausgebracht. Vielleicht darf man zuerst von der einfallsreichen szenischen Umrahmung sprechen, die Hans Siegerts bewährte Hand der Operette gab und die einschließlich des überirdischen Vorspiels eine Anzahl entzückender Bühnenbilder schuf. Unter Poldi Harlanns’ flotter Spielleitung standen die Darstellung, ihr Tempo und ihre Stimmung auf beachtlicher Höhe. Vor allem ist die junge Carola Pleschner zu nennen, die die Titelrolle mit staunenswerter schauspielerischer Sicherheit verkörperte. Eine anmutige Erscheinung, ein nicht sehr umfangreiches, aber schönes klangvolles Organ, sowie ein besonders in den volkstümlichen, wienerischen Szenen herzerfrischender Charme vereinten sich zu einer Leistung, die den Mittelpunkt des künstlerischen Erfolges bildete und für die Zukunft schöne Erwartungen zuläßt.

Ihr zur Seite stand Poldi Harlanns als Oberkellner Franz, der mit Kräften eines redlichen Herzens um sein Glück kämpfte. Erhard Grosser spielte den Kronprinzen Felix rollengemäß mehr als lyrischen Tenor. Edith Boewer war eine kapriziöse Yvonne Valliere.

Dem König von Felizien gab Rudolf Tlusty mit seinem drastischen Humor das richtige Operettenformat. Die beiden Glücksboten wurden von Ottomar Mayr und Gustl Pretsch ausgezeichnet getönt. Dem Vorspiel gab Margot Winkler als märchenschöne Frau Fortuna den künstlerischen Mittelpunkt, ihr sekundierte Eugen Schürer als vielgeplagter Sekretär.

Die von Gretl von Heimburg einstudierten Balletteinlagen gefielen sehr, besonders der weibliche Rekrutentanz. Die echt volkstümliche, dem romantischen Stoff angepasste Musik Victor Reinhagens kam unter der Stabführung des Intendanten M[ax] A[lexander] Pflugmacher zu voller Wirkung. Reicher Beifall des gut gesuchten Hauses bedankte alle Mitwirkenden.

Bei dieser Gelegenheit verdient die unablässige künstlerische Arbeit unseres Reichsgautheaters eine Hervorhebung. Ohne sich von den zeitbedingten Schwierigkeiten der letzten Wochen behindern zu lassen, führte unsere Bühne unter M. A. Pflugmachers Leitung ihre kulturelle Aufgabe unbeirrt fort. Am Abend des zweiten Bombenangriffes ging Verdis Rigoletto als Erstaufführung in Szene. Weiters wurden u. a. Grillparzers Drama Medea und der andere vorgesehene Spielplan vollkommen programmgemäß durchgeführt, und nun zeigte sich das Reichsgautheater in der Durchführung einer neuen Operette auf der Höhe seiner darstellerischen und szenischen Leistung.

Damit gab das Personal unserer Bühne der ganzen Bevölkerung ein vorbildliches Beispiel beruflicher und in diesem besonderen Fall künstlerischer Pflichttreue, die gerade in dieser Zeit nicht hoch genug einzuschätzen ist.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Jänner 1944, Seite 3).

Die Heiterkeit und damit Zuversicht für das neue Jahr verbreitende Atmosphäre war von der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude schon am 29. und 30. Dezember mit einem Ballettabend Getanzte Spielereien eingeleitet worden. Ehrentraut Straffner beschreibt den geplanten Ablauf der Veranstaltung in einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Dezember 1943, Seite 4:

„[…] Der Abend ist so gestaltet, daß eine Szene, ein getanztes Schaubild das andere ablöst, so daß wir hintereinander erleben Unter südlichem Himmel, eine Tanzphantasie im Zeichen des Tamburins, in der sich spanische Grazilität und spanisches Temperament bis zu einer Szene mit der Solotänzerin Hilde Krämer Heißes Blut steigern. Weitere Szenen folgen, u. a. ein Traum des Geigers, die eine Folge von Bildern, wie wir sie hinter wertvoller ernster und heiterer Musik sehen und empfinden können, bringt. Die groteske Note ist durch eine Steptanzpantomime gegeben. Ihr schließen sich kapriziös einfallsreiche Tanzphantasien, wie Kontrapunkt, oder die von Hilde Krämer getanzte Solostudie Im Dunkel oder der Gruppentanz Im Licht an. Damit ist nur eine kleine Anzahl der bunten Szenen aufgezählt, die uns heute und morgen abend im Reichsgautheater erfreuen werden.“

Über den Verlauf der Vorstellung gibt ein ausführlicher Bericht von Hildegard Ostheimer einen guten Einblick. Zu Beginn ihrer Besprechung vermittelt die Rezensentin eine kurze Einführung über die Entwicklung des Tanzes vom klassischen Ballett zum individuellen Ausdruckstanz und stellt dabei besonders die Leistung der „deutschen Tanzkunst“ für die moderne Ausprägung dieser Kunstform heraus, womit sie natürlich die Überlegenheit der deutschen Kultur ganz allgemein ideologiegerecht ausdrücken wollte (Innsbrucker Nachrichten vom 31. Dezember 1943, Seite 4):

„Tanz als natürlichste und reinste Ausdrucksform des menschlichen Empfindens, der Hingabe des Körpers an die Gewalt der Töne, zählt zu den ursprünglichsten Kulturschöpfungen fast jeden Volkes und entwickelt sich parallel mit dessen kulturellem Aufstieg weiter. Damit wird er jedoch stets Gefahr laufen, sich seiner eigentlichen Bestimmung zu entziehen und endlich nur mehr im bloßen Können oder der reinen gedanklichen Erstarrung zu gipfeln. Das erste wirkte sich in der immer mehr erstarrenden Form des alten klassischen Balletts aus, das zweite erlebt man etwa bei Harald Kreutzberg, dessen virtuose Leistung eine gewisse Kälte der Empfindung doch nie ganz überbrücken kann. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat sich insbesondere die deutsche Tanzkunst stetig vom starren Bann des klassischen Balletts befreit und über den Weg der modernen rhythmischen Gymnastik, die freilich allzu frei nur der Schönheit der Bewegung hingegeben, Ausdruck und technisches Können in den Hintergrund stellte, zum neuen Ausdruckstanz gefunden. Sein Gestalter ist der Tänzer und Schauspieler zugleich, ein Schauspieler, dessen Sprachmittel in seinem ganzen Körper liegt, den er dazu natürlich in allen Feinheiten beherrschen muß.

Dieser Forderung vollkommen entsprechend, zeigte das Ballett des Deutschen Veranstaltungsdienstes München bei seinem Gastspiel an unserem Reichsgautheater unter Leitung von Rücky Godlewski ungemein interessante, einfallsreiche und künstlerisch wertvolle Darbietungen. Besonders erfreulich war, daß neben den ausgezeichneten Solistinnen vor allem auch die gesamte Tanzgruppe eigenschöpferische und bis ins kleinste durchgearbeitete Leistungen bot und so dem ganzen Abend eine nie erschöpfte Lebendigkeit, aber auch schöne Geschlossenheit verlieh. Sie zeigte sich dabei in allen Sätteln gerecht, traf ebenso das jagende Tempo spanischer und ungarischer Szenen, die nach der feurigen Musik Rossinis und Strauß’ die Bühne mit mitreißendem Leben füllten, wie die graziöse Zierlichkeit Lortzingscher Klänge, die im heiter-unbeschwerten Spiel eines Festlichen Tages ihre Gestaltung fanden. Höhepunkt solistischer und Gruppenleistung bildete das TanzspielIm Karneval, das sehr schöne ausdruckstänzerische Möglichkeiten bot.

In ihm zeigte sich vor allem auch das große Können der beiden Solotänzerinnen Hilde Krämer und Hermine Becker und des jungen Günther Vieth, der als einziges männliches Mitglied der Gruppe bereits mit erstaunlich reifen und durchgebildeten Einzelleistungen hervortrat; wie ja überhaupt Einzelleistungen aus der Gruppe heraus, insbesondere Ursel Knobel in dem kapriziösen Spiel des Kontrapunktes, alle Anforderungen erfüllten. Als Meisterleistungen des Abends muteten jedoch die beiden Solotänze Im Dunkel (Hilde Krämer) und Im Licht (Hermine Becker) an, die durch die beherrschte, innerliche und bis ins letzte ausgefeilte Kunst beider Tänzerinnen zum starken Erlebnis wurden.

Es gab reichen Beifall eines durchweg begeisterten Hauses, das allen Beteiligten herzlich für den Abend dankte.“

Der im obigen Bericht von Hildegard Ostheimer nicht eben vorteilhaft erwähnte international renommierte Startänzer Harald Kreutzberg kam auch 1943 wieder zu einem Gastspiel nach Innsbruck. Eine kurze Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943, Seite 5 führte in seinen Auftritt ein: „Am Freitag, 10. Dezember, 19.30 Uhr, wird Harald Kreutzberg, wie in jeder Spielzeit, so auch in dieser, seine Tänze und Gestalten im Reichsgautheater zeigen. Dieser Künstler, der aus unerschöpflicher Phantasie, aus Willen zu neuen Formen und großen Ideen und aus ungewöhnlicher Begabung heraus gestaltet, ist von einer tänzerischen Vitalität und Erfindungsgabe, wie kaum ein zweiter Tänzer unserer Zeit. Auch diesmal wird der Komponist Friedrich Wilckens [(1899-1986)], der sein ständiger Mitarbeiter ist, Harald Kreutzberg musikalisch begleiten.“

Den Verlauf des Abends schildert Hermann Josef Spiehs, den die große Kunstfertigkeit Harald Kreutzbergs offensichtlich tief beeindruckte, in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 5:

„Wie sehr Tanz und Schauspielkunst sich gegenseitig zu ergänzen und durchdringen vermögen, zeigte Harald Kreutzberg, der weltberühmte Solotänzer, am 10. d[iese] M[onats Dezember] in seinen Darbietungen im Reichsgautheater in Innsbruck. Das Programm enthielt epische, lyrische und dramatische Stoffe, denen der Künstler in einer von Musik und Dichtung erfüllten Weise gerecht wurde. Diese, seine persönlichste Art zu tanzen und zu gestalten mag wohl am besten als Ausdruckstanz bezeichnet werden.

Seelisch-körperliche Harmonie zeigte sich bereits in den skizzenhaften Vier kleinen Etüden nach Karl Czerny, die wie ein Einspielen der Glieder und Gelenke, wie ein Einstimmen innerer seelischer Kräfte wirkten. Reifste, klassische Schauspielkunst bot Harald Kreutzberg in den von Phantasie und Leidenschaft erfüllten Tanzbildern: Engel des Jüngsten Gerichts und Orpheus klagt um Euridike; ferner in der Sindhaft Tanznarretey, darin er einen Tanzbesessenen charakterisierte. Lyrische Stimmungsgehalte in Reinkultur offenbarte er im Verliebten Gärtner, im Vagabundenlied, in Gute Laune und Mit einem Buch. Dieses Schreiten und Reigen, Hüpfen und Springen, Drehen und Wenden, dieses ganz von Klang und Daseinsfreude Erfülltsein nach der Musik eines Brahms, Mozart, Schubert, zeigte in völliger Schwerelosigkeit eines ideal durchgeformten Körpers nebst seelischer Gleichgestimmtheit. Man bewunderte die unerschöpfliche Fülle an phantastischen Einfällen und Formen, die bis zur Improvisation beschwingt, wie ein Erlebnis auf die Zuschauer wirkten. Balladeske Stoffe, von E. Th. A. Hoffmann (Phantastischer Walzer nach Chopin), Granados (Nocturno), Wilkens (Pan) inspiriert, gestaltete der Künstler mit wahrhaft schauspielerischen Mitteln. Kostümierung und fabelhaft abgestimmte Leuchtfarben erhöhten hiebei den Effekt […].

Wohl ein gut[er] Teil des künstlerischen Erfolges gebührt dem musikalischen Mitgestalter Friedrich Wilkens, der überdies als Komponist für die choreographische Ausgestaltung mehrerer Tanzszenen im Programm mitverantwortlich zeichnet. So wurde der Tanzabend zu einem künstlerischen Erlebnis, das im vollbesetzten Theater lebhaften Widerhall auslöste. Mit der entzückenden Tanzpantomime Die Jahreszeiten(nach der A-dur-Sonate von W. A. Mozart) fand die Veranstaltung einen stimmungsvollen Ausklang.“

Im Schauspielsektor wurde der Klassikschwerpunkt mit Erstaufführungen von Friedrich Schillers Kabale und Liebe und Franz Grillparzers Medea am 14. Dezember fortgeführt. Zur Premiere von Schillers Jugenddrama am 13. Oktober schreibt Karl Paulin wie immer bei seinen Besprechungen mit eindrucksvoller Sachkenntnis und eleganter Formulierung:

„Was uns heute am mächtigsten in den Jugenddramen Schillers bewegt, ist der revolutionäre Zug, der diese Erstlinge eines Dichters, der einer morschen Welt den Kampf ansagt, durchglüht. Wie müssen diese vulkanischen Ergüsse eines Dramatikers, der – ein Jahrzehnt vor dem Ausbruch der französischen Revolution – mit einer Kühnheit ohnegleichen für die von Fürsten- und Adelsthyrannei geknechteten Menschenrechte in die Schranken trat, bei ihrem ersten Erscheinen auf der Mannheimer Bühne gewirkt haben! Denn damals herrschte ja noch das kleindeutsche Fürstentum unumschränkt und hatte alle Mittel der Gewalt in Händen, um jede Empörung niederzuhalten. Daß trotzdem der Aufschrei Schillers nicht mehr verhallte, ist der bündigste Beweis für die Unsterblichkeit des Genies.

Das Zeitlose in Kabale und Liebe prägt sich ebenso wie in den Räubern in der kämpferischen Haltung aus, die hier naturgeborene Liebe und bürgerlicher Vaterstolz gegen die sitten- und skrupellose Herrschaft des Hofes und des Beamtentums einnimmt. Endet auch dieses ‚bürgerliche Trauerspiel‘ mit dem Tode des Liebespaares, so triumphiert doch die sittlich gebundene Liebe über die Kabalen einer selbstsüchtigen, verbrecherischen, herrschenden Schichte. Nicht die zeitgebundenen äußeren Umstände der Handlung und das theatralische Intrigenspiel, sondern die bewegenden ethischen Grundkräfte spiegeln den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, bilden das eigentliche Moralische der Dichtung.

Dieses Unvergängliche in Schillers Dramen so herauszustellen, daß es die Herzen unserer Zeit rührt, ist die Aufgabe der deutschen Gegenwartsbühne. Daß unser Reichsgautheater die Klassiker mit ungewöhnlichem Erfolg der neuzeitlichen Bühne eingliedert, haben schon zahlreiche mustergültige Aufführungen der letzten Jahre bewiesen. Noch wirkt der Schwung und Glanz der Räuber-Neuinszenierung besonders in den empfänglichen Herzen unserer Jugend nach, und schon gewinnt das dichterisch verwandte Trauerspiel Kabale und Liebe bühnenmäßige Form. Paul Schmid hat das Drama mit jener in den dichterischen Kern eindringenden gediegenen Sorgfalt geleitet, die seiner Regie wie seinem Spiel eigen ist. Traf der Spielleiter damit den Stil des Ganzen, so prägte er als Darsteller den Präsidenten von Walter mit männlich harter Kraft. Ihm zur Seite stand ein Sekretär Wurm, dem Siegfried Süßenguth das Diabolische eines geborenen eiskalten Schurken gab. Ein anderer Franz Moor übte dieser Sekretarius sein schuftiges Handwerk wie eine erlesene Kunst und wurde so fast zu einem unpersönlichen Sinnbild des Bösen an sich. Eva Maria Meier war eine Luise von zarter mädchenhafter Natürlichkeit, in der sich eine reine Seele spiegelte. Diese Luise stand ebenso im Schimmer eines schuldlos erlittenen Schicksals wie Kleists Käthchen. Hermann Kellein gab dem Ferdinand das innere Feuer einer idealistischen Natur, die ihre tragische Berufung, Schicksal und Opfer zugleich zu sein, im Kampf gegen den Vater und gegen die Milford erfüllt. Breit und fest auf bürgerlicher Erde stand der Musikus Miller, den Emil Bauer-Dorn rauh und herb, aber mit dem echten Herzschlag eines aufrechten deutschen Mannes spielte, der in der großen Szene mit dem Präsidenten über sich selbst hinauswuchs. Gisa Ott war eine ausgezeichnete Frau Miller, Ottomar Mayr gab dem Hofmarschall von Kalb einen fein humoristischen, fast graziösen Umriß, Hans Ulrich Bach ließ in der Erzählung des Kammerdieners den Jammer des unterdrückten Volkes erzittern.

Die von Hans Siegerts kunstvollen Bühnenbildern umrahmte Neuinszenierung fand bei dem vollbesetzten Haus ein so lebhaftes Echo, daß die Darsteller immer wieder für den begeisterten Beifall danken konnten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Oktober 1943, Seite 4).

Staatsschauspieler Paul Hörbiger gastierte vom 16. bis 29. November 1943 im Reichsgautheater Innsbruck, wobei er in der Doppelrolle der Zwillinge in Goldonis gleichnamiger Verwechslungskomödie in der Bearbeitung von Philipp von Zeska brillierte. Karl Paulin kommentiert in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1943, Seite 3 f., wie folgt:

„Der Zauber des Films, der Millionen Menschen in den Bann der lichtbewegten, tönenden Leinwand zieht, gibt seinen Darstellern eine Volkstümlichkeit ohne Grenzen, welche die Sprechbühne auch nicht annähernd vermitteln könnte. Tritt nun ein Held des Films einmal in Person auf die weltbedeutenden Bretter, dann kennt auch die Begierde, ihn im wirklichen, unmittelbaren Spiel zu sehen, keine Grenzen.

Den Innsbruckern bietet sich nun die erste Gelegenheit, Paul Hörbiger, den aus zahllosen Filmen bekannten und geschätzten Darsteller gemütvoller Menschen, die das goldene Wiener Herz auf dem rechten Fleck haben, als Schauspieler im Rahmen eines Gastspieles an unserem Reichsgautheater kennenzulernen. Kein Wunder, wenn schon die Ankündigung der durch 14 Tage andauernden Gastspiele einen Sturm, ja einen Orkan auf die Theaterkassen entfesselt hat, der wohl erst nach dem Ausverkauf der letzten Vorstellung abflauen wird.

Nun, das Paul-Hörbiger-Gastspiel ist jedenfalls für alle jene eine Ueberraschung, die den Staatsschauspieler vom Film her als herzerfrischenden lieben Augustin, als Raimund, als Girardi oder als einen jener grundgütigen, gescheiten und liebenswürdigen Herren mittlerer Jahre kennen, die ihrer Lebensweisheit stets eine Dosis feinen, wienerisch gefärbten Humor beimischen. Diesen für ihn typischen Gestalten eine neue ähnliche hinzuzufügen, ist nicht die Absicht Hörbigers. Diesmal kommt er uns ganz anders, er wirft sich, auf der Oberfläche der Situation verweilend, mit entfesseltem komödiantischem Temperament wie ein kecker Schwimmer in die Doppelrolle der Zwillinge, die der Burgschauspieler Philipp Zeska nach einem der 200 Lustspiele Goldonis deutsch bearbeitet hat.

Die leichtbeschwingte, dem ursprünglichen Volkstheater so nahe verwandte Art Goldonis kennen wir schon aus seinem Lügner und dem Diener zweier Herren; die Zwillinge sind noch unbeschwerter und flüchtiger gebaut und fordern daher geradezu jenen übermütigen possenhaften Stil heraus, der die Erstaufführung des Reichsgautheaters am Dienstag, den 16. d[ieses] M[onats November], unter Siegfried Süßenguths Spielleitung beherrschte.

Der Kern der Komödie liegt in der Doppelrolle der beiden Zwillingsbrüder, deren wechselndes Auftreten unzählige Möglichkeiten zu Liebesirrungen, Täuschungen und Verkennungen bietet, der rechte Rohstoff für den fabelhaft geschickten dramatischen Taschenspieler Goldoni. Wie nun Paul Hörbiger den plumpen bäuerlichen Zanetto aus Bergamo und zugleich den galanten städtischen Tonini aus Verona aus gleicher natürlicher Anlage und doch verschieden in Ton, Geste und Kostüm mimte, das war der Hauptreiz des Abends, der in der drastischen Schlußszene, da Hörbiger-Zanetto sich vergiftet – so zwerchfellerschütternd stirbt man sonst selten auf dem Theater! – seinen lustigen Höhepunkt erreichte. Da war es dann für Hörbiger-Tonino ein leichtes, alles zu einem guten Ende zu bringen.

Einen künstlerischen Genuß für sich bot Paul Schmid in seinem Pancrazio, der in Kostüm, Maske und Bewegung wie eine E. T. A. Hoffmann-Figur wirkte und in der eigenartigen Mischung von gespensterhaften und grotesken Elementen fast den Rahmen der leichten Komödie sprengte. Seine Sterbeszene neben die Hörbiger-Zanettos gehalten, ergab die beiden Pole des Lustspieles.

Alle übrigen Mitwirkenden gehorchten dem inneren Gesetz des Goldonischen Puppenspieles. Da war Walter Jereb ein mächtig auftrumpfender, hohler Lelio, Hermann Kellein ein schmachtender Florindo, Emil Bauer-Dorn ein humorvoll charakterisierender Brigella, Vigil Breiner ein echter Arlechino, Oskar Fritzer ein grotesk skizzierter Gerichtsdiener. Othmar Fabro suchte als Doktor Ballanzoni das Liebesspiel um Rosaura behutsam zu entwirren.

Sehr wirkungsvoll waren die weiblichen Rollen auf die Charaktere abgestimmt: Eva Volkmer als graziöse, schlagfertige Rosaura, Marion Richter als schalkhaft prickelnde Colombina, Viola Wahlen als zartgetönte, gefühlvolle Beatrice.

Daß das anspruchslose Spiel um seines Mittelpunktes willen, Paul Hörbiger – der übrigens zur Zeit auch noch in einer dritten Rolle, als Urbild des Canio im Tobis-Film Lache Bajazzo! in Innsbruck gastiert – einen ungewöhnlichen Heiterkeitserfolg erzielte, ist selbstverständlich. Der immer wieder aufrauschende Beifall galt aber auch unserem jede darstellerische Aufgabe mit restlosem Einsatz bewältigendem Schauspielerpersonal, den leitenden technischen Kräften sowie dem künstlerischen Gestalter der Bühnenbilder.“

Speziell für Kinder veranstaltete das Reichgautheater am 2. Oktober um 14 Uhr eine Aufführung des Märchens Schneeweißchen und Rosenrot. Hildegard Ostheimer berichtet in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Oktober 1943, Seite 6):

„Ja, nun hat also das Märchenland wieder für einige Zeit sein Standquartier in unserem Reichsgautheater aufgeschlagen und damit einen heiß gehegten Wunsch aller kleinen – und, sagen wir’s nur, auch so mancher großen – Innsbrucker erfüllt. Es hatte sich dafür eigens eine großartige neue Betriebsausstattung angeschafft – so modern –, daß einem im ersten Augenblick fast angst und bang werden konnte um die liebe altmodische Wunderwelt Märchenheimlichkeit. Aber als das technische Wunderwerk Märchenautomat seine Klappe öffnete, da kam mit den altvertrauten Gestalten aus dem Märchenbuch auch gleich das zauberhafte Etwas in den großen Raum, das uns stets umfängt, wenn eine liebe Stimme beginnt zu erzählen: ‚Es war einmal …‘.

Es war nun diesmal die Geschichte von den beiden kleinen Mädchen Schneeweißchen und Rosenrot, die den bösen Zwerg Karfunkel besiegen, damit den guten Bären und den armen Baum erlösen und zum Dank dafür zwei entzauberte Prinzen zum Mann bekommen, die Hermann Stelter zu einem Märchenspiel gestaltet hat. Sie mußte zu diesem Zwecke freilich manche Erweiterung und Dehnung erfahren; sie bekam aber auch eine Menge ganz wunderbar spannender Szenen und – was die Hauptsache ist – sie erntete in diesem Gewande tätigste Anteilnahme und jubelnden Beifall aller ihrer kleinen (und großen!) Zuschauer. Das freilich war nicht zuletzt der Darstellerschar zu danken, deren Freude am Spiel – und muß die nicht entstehen, wenn man so viele gläubig gespannte Kinderaugen auf sich gerichtet weiß – wie ein warmes, liebes Lächeln über der ganzen Aufführung lag und ihr eine seltene Geschlossenheit verlieh.

Es ist schwer, hier eine Leistung besonders hervorzuheben. Alle spielten sich in die Herzen der kleinen Gäste, voran natürlich das zierliche Schwesternpaar (Eva-Maria Meier und Eva Volkmer) und der strahlende Märchenprinz (Hermann Kellein), der solange in der plumpen Haut des Bären gefangen ist und darum doch die schönsten Kunststücke vollführt. Aber auch die besorgte Mutter Christine (Isa Roland) und der, ach, so wenig heldenhafte Nachbar Muffel (Virgil Breiner) sowie der gute, betrübte König Adolar (Bernard Springer) mit seinem schwerfälligen Hofmarschall Wumpel-Pumpel (Oskar Fritzer) und dem stelzbeinigen Minister Nat-Nat (Gustl Pretsch) erfreuten sich keiner kleineren Beliebtheit. Ja, sogar der ganz entsetzlich schlechte und schreckenerregende Zwerg Karfunkel (Emil Bauer-Dorn) fand bei manchen Mutigen Bewunderung ob seiner Scheußlichkeit, während die weniger Tapferen bei seinem Erscheinen der Vorsicht halber lieber den Kopf in Mutters Rockfalte verbargen.

Der Kritiker aber – er zählt sich natürlich auch stolz zu den Mutigen – freute sich hier außerdem noch, wie auch bei allen anderen Rollen, an der feinen Charakterzeichnung, die, herausgearbeitet von der guten Regie Bernard Springers, auch diesem kleinen Spiel die künstlerische Note gab.“

Die Innsbrucker Nachrichten vom 20. November 1943 teilen auf Seite 5 mit, dass Schneeweißchen und Rosenrot am 28. November, um 14 Uhr, „vielen Wünschen folgend“ für die Kinder nochmals aufgeführt werden wird.


Breinößl-Bühne

Die Breinößl-Bühne war vor allem für belustigende Unterhaltungsstücke aus dem ländlichen Milieu zuständig. Sie unterstand organisatorisch der Intendanz des Reichsgautheaters und hatte in Albert Peychär einen ausgezeichneten Spielleiter, der die ursprünglich von Laiendarstellern bespielte Volksbühne zu einem professionellen Niveau führte.

Als erste Premiere des Jahres 1943 brachte die Breinößlbühne die bäuerliche Komödie Amor im Paradies vom bayerischen Erfolgsautor Maximilian Vitus (1897-1968) seinem lachverwöhnten Publikum als Faschingsunterhaltung. Heinz Cornel Pfeifer schildert Inhalt und Aufführung der ausgelassenen Dorfposse in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Jänner 1943, Seite 4:

„Maximilian Vitus, einer der fruchtbarsten Dichter bäuerlicher Komödien, hat mit dieser dreiaktigen Humoreske, die sich um Liebe und Treu[e], noch vielmehr aber um Untreue dreht, wieder einmal ins Schwarze getroffen und damit jene Sorte scheinheiliger Dorfapostel an den Pranger gestellt, die so gerne auf Ehrbarkeit und Moral pocht, bei sich selbst aber eine Ausnahme macht, weil der Pfad der Tugend halt doch gar steinig und mühsam zu wandeln ist.

Der noch recht rüstige Bürgermeister Bernauer und sein Beigeordneter Eutermoser beabsichtigen wieder einmal einen tüchtigen Seitensprung zu machen, schwindeln ihren Ehehälften eine Reise zum Wohl der Gemeinde vor und dampfen qui[e]tschvergnügt ab. Der ‚Instinkt‘ der teuren Gattin wittert aber Unrat, ein zu früh einlaufendes Telegramm deckt die ganze Funkelei auf, wohlbewaffnet reisen die beiden Frauen den dörflichen Don Juans nach und kriegen sie im Hotel Paradies auch richtig beim Wickel. Sohn, Tochter, Schwiegertochter, Bruder und Zirkusleute geben dabei zu tollen Verwechslungen Anlaß, die sich im dritten Akt in donnernden Lachsalven der Besucher auswirken. Die Moral von der Geschicht’ – Lügen haben kurze Beine und schließlich bekommen sich die jungen Pärchen, während sich die Alten mit Humor versöhnen.

Albert Peychär, der das Stück inszenierte und mit viel Situationskomik und beißendem Witz versah, war das Muster eines bieder scheinenden, es aber faustdick hinter den Ohren habenden Bürgermeisters, Hedi Kienberger als dessen mit einem feinen Riecher versehene Gattin die vollendete Gegenspielerin; mit Ludwig Hupfauf als Beigeordneten Eutermoser und Midi Steiger als dessen Frau Sabine gab das vier so köstliche Typen, daß man wohl Tränen lachen konnte. Einen Sonderbeifall auf offener Szene holte sich Elly Thuille mit ihrem reizend gespielten Zahnwehschwindel, wie überhaupt ihr frisches natürliches Spiel sehr anspricht. Fein getönt und ausgezeichnet charakterisiert war Friedl Spörr als Schwiegertochter Elly, deren gediegenes Spiel besonders erfreute, und ein Paar seltsame Vögel, Sepp Fischer als Dompteur Rasso und Evi Volkmer als ebenso verführerische, als geschäftstüchtige Seiltänzerin Nelly, die ihre kleinen Rollen mit Bravour hinlegten. Sepp Schmid, ein fescher jugendlicher Liebhaber, Gustl Brugger, der berühmte Sportler, Leo Gasser als schlampiger Beisl-Portier und Lisl Hörmann als Briefträgerin ergänzten die anspruchsvolle Rollenliste auf das Beste. Die Aufführung sowie die hübschen neuen Dekorationen fanden wie immer stürmischen Beifall.“

Mit dem Dreiakter Die Liebesbeichte folgte im Februar ein weiteres Stück von Maximilian Vitus (siehe hierzu einen Artikel von Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. Februar 1943, Seite 5).

Das übliche Erfolgsrepertoire der Breinößl-Bühne komplettierte der ländliche Schwank Die zerrissene Venus von Hans Naderer (1871-1971), der Anfang Oktober 1943 auch die neue Saison mit den gewohnten „Lachschlagern“ fortsetzte, obwohl die Lebensumstände angesichts der desillusionierenden Kriegslage der Bevölkerung massive Beschwernisse auferlegten. Während also unsägliches Leid über zahlreiche Menschen hereinbrach und die Stimmung von Aussichtslosigkeit und Zukunftsangst sich vielerorts einstellte, brachten es die Ironie und der Zynismus der Zeit mit sich, dass unbeschwerte Unterhaltung nicht nur ermöglicht, sondern durch forcierte Steigerung des Angebots in den Dienst der psychologischen Kriegsführung gestellt wurde, die natürlich auch die „Heimatfront“ mit einschloss.

Siegfried Laviat bringt in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Oktober 1943, Seite 6, eine Besprechung der Aufführung:

„Um die Breinößl-Bühne unserer Stadt weht echte Landluft. Man stellt zwar an sie nicht die höchsten künstlerischen Anforderungen, muß ihr aber immer wieder eines zugute halten: sie hat den ihr maßgerechten ‚Mimus‘ heute schon, durch die Spielleitung Albert Peychärs, auf einen sehr beachtlichen Stand gebracht.

Ein Beweis hiefür war wiederum die letzte Erstaufführung. Das neue Stück gab den Breinößl-Leuten reichliche Gelegenheit, die drastischen Möglichkeiten einer Posse restlos auszuschöpfen. Die Venus im Dorf, ein Bild, das als fingiertes Kunstwerk absichtlich zum Streitobjekt zweier Familien gemacht wird, um ‚zerrissen‘, als Korpus delicti, Friedenstifter zu werden, stellt das ‚erregende Moment‘. Dieses setzt ein Bauernliebespaar, um seinen Eltern hinterlistig die Heiratserlaubnis abzutrotzen, in Szene, unter Meisterregie eines Gemeindesekretärs. Fred Tschofen ist dieser Pfiffikus, der Drahtzieher feingesponnener Fäden. Komödiantenblut hat Liesl Hörmann. Sie führt als resolut-resche Magret mit Sepp Schmid als schneidigem Liebhaber im Verein, ein Paradestück an Verstellungskunst auf. Die Situationskomik, die gerade sie temperamentvoll ausspielt, gehört zum Hausbestand jeder Posse, daher auch rustikale Raufhändel, geriebene Intrigen und – als Endeffekt – die ‚Ueberraschung‘: die beiden Väter – von Albert Peychär und August Burger originell geprägt – ziehen zuletzt doch trotz altkluger Schlauheit, den kürzeren vor den Jungen.“


Puppenspiel

Mit der Schlagzeile „Innsbruck hat ein neues Puppenspiel“ wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Mai 1943 auf Seite 3 die neu gegründete Kasperlbühne des Reichsgautheaters in der Breinößl-Bühne vorgestellt. Die Initiative dazu ging vom Dramaturgen des Reichsgautheaters Siegfried Färber aus, der sich schon mit einer Reihe von Märchenaufführungen bei den Innsbrucker Kindern bestens eingeführt und beliebt gemacht hatte:

„[…] Mit seinem Mitarbeiter, dem Schauspieler Vigil Breiner, führt er das Spiel figurenführend, redend, agierend selbst aus. Ein Blick hinter die Bühne macht uns auch klar, welche vielfältige Kleinarbeit und Vorbereitung in Text wie Material dazu gehört, die Puppen in der Einheit von Zeit, Ort und Handlung springlebendig auf die Bühne zu zaubern. Denn noch ehe sich für den Zuschauer der Vorhang zum Mikro-Mimus hebt, herrscht hinter den Kulissen – einer Sofitte für Deckenbeleuchtung, dem Bühnenfond und zwei seitlichen Versatzstücken – ein stilles, aber sehr tätiges Treiben. Da öffnet sich eine große, eisenbeschlagene Kiste. Wie Mumien in ihrem Sarg, sorgsam in Hüllen konserviert und in Schichten übereinandergelegt, muß das malerische Gemenge von Stoff und Holz erst auseinandergelegt werden. Nun liegen die vierzehn Figuren, genau nach Auftritt auf dem schmalen Tisch geordnet, noch starr und stumm da, ehe ihnen Leben eingehaucht wird. Sie sind fix und fertig in Maske wie Kostüm, griffbereit für den ersten Akt; sie brauchen keine Garderobe, um so mehr das unerläßliche Requisit, das mit ihnen mitagieren muß. So liegen allerlei Gegenstände auf dem Klappbrett an der hinteren Bühnenwand bereit, wo sich die Spieler aufgestellt haben. Die eine Hand stützt sich am Ballen zur Führung der Puppen auf die Leiste unter der Rampe, der Zeigefinger der anderen Hand fährt Kasperl in den Hals, die übrigen Finger schlüpfen in seine schlotterigen Aermel. Diese ungemein flinke Hand – sie gehört für soviel Figuren nur zwei Personen an – ist Regisseur und Bühnentechniker des Spiels in einem. Sie ist das Nervenzentrum der köstlichen Kleinkörperlichkeit, die im Puppentheater zum Leben beschworen wird.

Jetzt steckt Kasperl sein Schalksgesicht mit der Zipfelhaube durch den Vorhang und spricht gestikulierend ein feierliches Begrüßungswort: ‚Freut ihr euch, daß ich wieder da bin?‘ Helle Kinderstimmen rufen ihm Willkomm zu. Es ist ja auch schon lange wieder her, daß Kasperl in Innsbruck das letzte Mal aufgetaucht ist, obgleich er in den Zeiten des Höttinger Peterlgspiels und seiner Nachfolger bei uns zu Hause war, erbeingesessen in alter Tradition. Nun ist er wieder da, nach einer Anzahl von Abstechern, die er mit seinem lustigen Ensemble bereits im Gau unternommen hat und demnächst fortsetzen will.

Mit einem köstlichen Einfall hat Dr. Färber, der die drei Stücke selber schrieb und sie als Figurenkomödien bezeichnet, im letzten von ihnen die graue Märchenurzeit mit unserem technischen Zeitalter zu einer witzigen Synthese zusammengekoppelt. Kasperl hört nämlich aus einem primitiven Radio mit ulkiger Nähspulenschaltung, mit der Stimme des Fortschritts also, die legendäre Kunde, daß die häßliche Hexentrude die schöne Königsprinzessin in einen Drachen verzaubert hat. So stürzt sich Kasperl ins letzte große Abenteuer. Lohn für seinen Sieg über die giftfauchende Bestie wird der versprochene Schatz, mehr aber noch der laute Dank aller Kinder, um deren Freude in schwerster Kriegszeit sich das Reichsgautheater durch dieses neue Puppenspiel verdient gemacht hat.“

Wie in den Jahren zuvor machte auch 1943 das Salzburger Marionettentheater auf seiner Gastspielreise wieder Station in Innsbruck:

„Das Salzburger Marionettentheater ein altbekannter und gern gesehener Gast in Innsbruck, bringt mit seinem heurigen Gastspiel das alte Puppentheater vom Doktor Johannes Faustus, das in dieser Form, wie bekannt, ja einst auch Goethe erste Anregung zur Gestaltung des Fauststoffes gegeben hat. In possierlicher Heiterkeit treibt hier noch der Scherz in Gestalt Hanswursts sein Spiel neben dem tragischen Ernst der Haupthandlung, die für den Teufelspakt nur ewige Verdammnis kennt. Stets aufs neue entzückt den Zuschauer die einzigartige und wahrhaft künstlerische Ausgestaltung dieses kleinen Theaters; die von Bildhauerhand geschaffenen und so lebendig geführten Puppen, die eigenartig schönen Bühnenbilder. Ja, er ertappt sich immer wieder über dem Empfinden, nicht das unbeseelte Spiel der Puppen, sondern vielmehr lebendes Theater vor sich zu sehen, so sehr stimmt die Bewegung der Figuren mit den Worten der Sprecher überein.

Kein Wunder darum, daß, wo schon der Erwachsene so sehr dieser lieblichen Verzauberung unterliegt, sie dem Kind zum ganz großen Erleben wird. Die Leitung des Puppenspiels hat darum auch auf ihre kleinen Gäste durchaus nicht vergessen. Nachmittag um Nachmittag können sie Schneewittchen und seine Zwerglein, Stiefmutter und Königssohn bewundern, für zwei glückliche Stunden in das Reich des Märchens entrückt.“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. November 1943, Seite 4).

Der Bericht vom Gastspiel des Salzburger Marionettentheaters in Kufstein bringt auch werbewirksam Informationen zur umfangreichen Reisetätigkeit dieser Kulturinstitution, die ihre Unscheinbarkeit mit höchstem künstlerischem Niveau und Originalität zu einer geachteten und überregional anerkannten ernst zu nehmenden Kunstvermittlung steigern konnte:

„Donnerstag, den 9., und Freitag, den 10. Dezember, wird in der Aula der Oberschule in Kufstein das künstlerisch hervorragende Salzburger Marionetten-Theater gastieren. Nachmittags wird für die Jugend das Märchen von [den] Gebrüder[n] Grimm Schneewittchen und die sieben Zwerge aufgeführt, das von Ludwig Baumstraß zu einem Spiel in sechs Bildern zusammengefaßt wurde. Abends wird an beiden Tagen Das lastervolle und erschröckliche Ende des weltberühmten, jedermänniglich bekannten Erzauberers Doktor Johannes Faust aufgeführt, wie es im Spielzettel heißt. Es ist dies das älteste deutsche Faustspiel nach Texten des 16. Jahrhunderts in der Bearbeitung des Salzburger Marionetten-Theaters. Die Figuren schufen Professor Anton Aicher und Sepp Eichberger. Die künstlerische Gesamtleitung liegt in den Händen von Hermann Aicher.

Das Salzburger Marionetten-Theater hat in 300 Gastspielfahrten die ganze Welt bereist und überall deutsch gespielt. 27 Nationen mußten anerkennen, daß dieses Marionetten-Theater bisher von keiner anderen Puppenbühne auch nur annähernd in seinen Leistungen erreicht werden konnte. Die wie natürlich-lebendig anmutenden Puppen bewegen sich in märchenhaften Dekorationen, die von ersten Bühnenbildnern geschaffen wurden.

Seit dem Jahre 1937 führte das Salzburger Marionetten-Theater rund 1000 Gastspiele im Auftrag der Deutschen Arbeitsfront – NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude – im Heimatgebiet und auch als Fronttheater durch. Das kommende Gastspiel in Kufstein zählt zu einem bedeutenden künstlerischen Ereignis.“ (Tiroler Volksblatt vom 8. Dezember 1943, Seite 3).


Laienbühnen

Das Laienspiel war im Standschützenverband organisiert und damit Teil der Brauchtumspflege, für die sich Gauleiter Franz Hofer vehement einsetzte. So unterstützte er auch die Initiative zur Gründung der Innsbrucker Heimatbühne, die im Rahmen der Veranstaltungen des 6. Landesschießens 1943 in die Tat umgesetzt wurde. Die Idee und deren Verwirklichung gingen von der Innsbrucker Hitler-Jugend aus mit intensiver materieller und ideeller Unterstützung des Kulturreferenten des Gaupropagandaamtes „Parteigenossen“ Fritz Engel. Zum feierlichen Gründungsakt der Innsbrucker Heimatbühne des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg im Theatersaal in der Leopoldstraße 44a, „der von den Mitgliedern der Laienspielschar in kürzester Zeit in einen repräsentationsfähigen Zustand versetzt worden“ und der „bis auf den letzten Platz gefüllt“ war, fand sich am 12. Juli 1943 dem kulturpolitisch bedeutsamen Anlass entsprechend auch die Parteiprominenz ein. Neben Gauleiter Hofer und seinem Stellvertreter Parson, waren Kreisleiter Dr. Primbs, Hauptbannführer Weber und „eine größere Anzahl von Vertretern aus Partei und Staat“ zugegen, um der ersten Aufführung der neu gegründeten Heimatbühne durch ihrer Anwesenheit die ideologische Weihe zu geben. Den Inhalt der Eröffnungsrede des Gauleiters fasst Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Juli 1943, Seite 3 zusammen:

„[…] Der Gauleiter dankte dann allen denen, die führend an der Aufbauarbeit der Bühne Anteil hatten, besonders aber der Gemeinschaft von Mädeln und Jungen und voran dem Bannführer, die sich zusammengetan hatten, um hier in einer Arbeits- und Spielgemeinschaft ein Werk zu beginnen, von dem man in Zukunft noch schöne Leistungen erhoffen dürfe. Der Dank galt auch dem Reichsgautheater, das sich neben der Arbeit für die Festwochen auf der eigenen Bühne auch noch in kameradschaftlicher Weise der Neugründung angenommen hatte.

Mit besonderer Betonung stellte der Gauleiter die Tatsache heraus, daß auf dieser Bühne und besonders an ihrem Eröffnungstage die Jugend für die Jugend gestalte und spiele und erinnerte dabei daran, wie ja das in unserem Gau vielerorts alteingesessene Laienspiel auch eine der gemeinschaftsbildenden Kräfte sei, deren Förderung unsere Brauchtumsarbeit gelte. So wie hier in der Stadt, seien auch auf den Dörfern draußen die Laienspiele wieder in der Aufwärtsentwicklung, und wenn der Bub und das Mädel oben auf der Bühne die Gestalten unserer Volksdichter verkörpern, so sitzen unten im Zuschauerraum die Dorfgenossen und Freunde, die Mütter und Väter und hätten am Spiel der Darsteller den lebendigsten und persönlichsten Anteil.“

Für die Eröffnungsvorstellung wurde ein lokaler Stoff gewählt, „dessen starke Bindung mit dem heimatlichen Boden und mit volkstümlichen Elementen von vornherein die beste Anziehungskraft erwarten ließ“. Die Wahl fiel auf die „tirolische Historie“ Die Räuber am Glockenhof vom „heimischen“ Dramatiker Rudolf Brix. Diese Fassung der Glockenhofsage war bereits im August 1934 von der Exl-Bühne auf dem damaligen Innsbrucker Stadttheater über die Bühne gegangen. Für die Neuinszenierung durch die Innsbrucker Heimatbühne komponierte Josef Eduard Ploner die Bühnenmusik, die vom Gebietsmusikzug der Hitler-Jugend unter der „Stabführung“ Sepp Thalers „sehr wirkungsvoll zum Vortrag gebracht“ wurde. Über den Verlauf der engagierten Premierenvorstellung berichtet Karl Paulin weiter: „Daß die junge Innsbrucker Heimatbühne das Wagnis unternahm, die Brix’sche Historie trotz ihrer schwierigen und weitläufigen szenischen Gliederung – die drei Akte zerfallen in 23 Bilder, die einen ungewöhnlich häufigen Szenenwechsel bedingen – aufzuführen, zeugt von der unternehmenden Kraft der von ihrer Sendung begeisterten Spielschar. Daß es dem Spielleiter, Gefolgschaftsführer Thorby Wörndle, gelungen ist, alle Mitwirkenden zum restlosen Einsatz aller ihrer Kräfte zu befeuern, hat die Eröffnungsaufführung eindeutig erwiesen. Es wäre nicht am Platz, im Hinblick auf diesen ersten Abend ein abschließendes Urteil über das Geleistete oder auch nur über die in Erscheinung getretenen Entwicklungsmöglichkeiten zu fällen. Aber soviel kann und darf festgestellt werden, daß unsere Jugend das uralte, blutmäßige Erbe der tirolischen Spielfreude und Theaterbegeisterung mit einem Feuer aufnimmt und in die Tat umsetzt, das für die Zukunft bleibende Werte erhoffen läßt. An der Reife des Glockengießers Löffler gemessen, haben sich besonders die Darsteller des Johannes Gatterer, des Langhans, des Triefaugs, des Kassian Kluibenschädel, besonders auch die Darstellerin der Martha, durch echtes Gefühl und naturhafte, ungekünstelte Verkörperung aus dem Gesamtspiel, in dem auch die untergeordneten Rollenträger ihr Bestes gaben.

Am lebendigsten wirkten naturgemäß jene Szenen, in denen das naive Volkstheater zum Durchbruch kommt, so der Ueberfall im Grafenschloß, die vom Räuberlied beschwingten Bilder im Glockenhof, der Tanz der Bärentreibertochter, ferner die Dialogszenen zwischen Gatterer und Löffler, bzw. Martha.

Die heimatliche Note des Stückes wurde durch die für eine Volksbühne ausgezeichneten Bühnenbilder Hans Siegerts vom Reichsgautheater Innsbruck verstärkt, die landschaftliche Ausschnitte aus Kufstein, der Weiherburg, vom Volderwald als Rahmen der Handlung zeigten.

J[osef] E[duard] Ploner schrieb eine die tragischen Elemente des Stoffes untermalende Musik, die vom Gebietsmusikzug der H[itler-]J[ugend] unter der Stabführung Sepp Thalers, von dem die musikalische Begleitung des Tanzes stammt, sehr wirkungsvoll zum Vortrag gebracht.

Die Eröffnungsvorstellung, der auch der Dichter Dr. Rudolf Brix und Oberspielleiter Eduard Köck der Exl-Bühne beiwohnten, wurde von dem vollbesetzten Haus mit einem Beifall aufgenommen und bedankt, aus dem das restlose Mitgehen und die hemmungslose Begeisterung der Jugend unverkennbar herauszuhören war.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Juli 1943, Seite 3).

Mit einem Tendenzstück lokaler Prägung, das eine heroische Parabel aus Tirols Heldenzeit als ethisches Ideal in die Gegenwart transferiert und so ideologisch aufwertet und wirksam macht, setzte die Innsbrucker Heimatbühne ihre offensichtlich primär propagandistisch motivierte Unternehmungen fort. Noch im Rahmen der Aktivitäten des 6. Landesschießens ging, wenige Tage nach der Gründungsvorstellung, das Schauspiel in fünf Aufzügen Der Franzosensteig von Markus Rainer als Uraufführung in Szene. Wie zumeist bei literarischen Ereignissen ist Karl Paulin der berufene und eloquente Berichterstatter (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juli 1943, Seite 5):

„Die größte Sorge unserer Volksbühnen, vor allem der Laienspielbühnen, ist der Mangel an guten brauchbaren Stücken, da neue Hervorbringungen äußerst selten den Anforderungen unserer Zeit und des Volkstheaters entsprechen.

Da hat nun Oberlehrer Markus Rainer, seit Jahrzehnten nicht nur mit der Jugend verbunden, sondern auch auf dem Gebiete des Volksstückes tätig, einen guten Griff in die heimatliche Geschichte getan und den Franzosensteig geschrieben. Wehrhafter Geist, der Feldruf unserer Zeit, stand an der Wiege dieses Volksstückes, wehrhafter Geist beseelt den Grenzmoarbauern, sein Weib und seine sieben Söhne, die Idee der Wehrhaftigkeit zum Schutz der bedrohten Scholle, der heimatliche Schützengeist, wird zum bewegenden Element des ganzen Spieles.

Auf die geschichtliche Tatsache, daß im Feldzug des Jahres 1805 die Leutascher die feindliche Bedrohung vom Norden her solange tapfer abwehrten, bis ein Verräter die Franzosen über einen Grenzsteig in den Rücken der Landesverteidiger führte, baut Rainer sein Volkstück auf. Jörg, der Grenzmoarbauer, schärft seinen Buben ein, sich im Schießen zu üben, denn bald werden die Franzosen an die Tore der Leutasch pochen. Bei den Jungen brauchts freilich kein langes Mahnen, die wissen alle mit ihren Stutzen umzugehen, trifft doch schon der jüngste, der zwölfjährige Jörgl, vom Stubenfenster aus einen Habicht im Flug. Während die älteren Brüder in ihrer Kampfeslust wetteifern, darf der Jörgl noch nicht ausrücken, bis ihn des Vaters Bruder, der Vetter Friedl, ein körperlich und seelisch Verkrüppelter, der dem Grenzmoarbauern den Hof und das Weib neidet, in tückischer Absicht heimlich auf den Grenzsteig führt.

Inzwischen ist der Kampf entbrannt, an dem der Grenzmoarbauer an der Spitze seiner Landsleute teilnimmt. Während des Gefechtes gerät der Bauer mit seinen beiden jüngsten Söhnen, eben am Grenzsteig, in einen feindlichen Hinterhalt, wird gefangen und vor die furchtbare Wahl gestellt, entweder den Franzosen den Weg zu zeigen oder die Erschießung seiner beiden Kinder mitanzusehen. In der Seele des Grenzmoarbauern ringt die Heimattreue mit der Vaterliebe, im letzten Augenblick, als sich schon die feindlichen Gewehre gegen die beiden Söhne richten, siegt das Vaterherz, der Grenzmoarbauer wird zum Verräter. Einer der beiden um solchen Preis vom Tode geretteten Jungen, der 15jährige Martl, kann das Geschehnis nicht fassen, er will den Verrat des Vaters nicht überleben, reißt sich die Binde von einer schweren Kopfwunde, und sinkt verblutend nieder.

Nun ist der Feind ins Tal eingedrungen, der Widerstand erloschen, die Leutascher wissen vom Verrat, kennen aber den Verräter nicht. Der aber sitzt seelisch gebrochen vor seinem Haus und hört nun, daß drei seiner tapferen Buben im Kampf ihr Leben hingegeben [haben]. Tief erschüttert ihn die Klage der Mutter, noch mehr aber der anklagende Ruf des ganzen Dorfes nach dem Verräter, den man in des Bauern Bruder Friedel vermutet, der bei dem Zusammenstoß am Grenzsteig von den Franzosen erschossen wurde. Jörg läßt auf dem Toten keinen falschen Verdacht, er bekennt sich nun offen zu seiner Tat und sühnt zugleich seine tragische Schuld. Denn ein Landstürmer wird jetzt zum Richter der Gemeinschaft an dem Verräter und erschießt den Grenzmoarbauern, der aus Vaterliebe sich selbst untreu geworden [war].

Die Schuld ist gebüßt, der Schandfleck vom Grenzmoarhof ausgetilgt, aber der Same der wehrhaften Heimatliebe, den der Grenzmoarbauer in die Herzen seiner Söhne gesenkt, wird heldische Frucht tragen, wenn der Tag kommt, an dem geballte Bauernkraft die Feinde hinwegfegt aus dem Land. Dieser versöhnende Ausklang ist zwar im Stück nicht ausgesprochen, liegt aber im ursprünglichen Charakter des Grenzmoarbauern und seiner Söhne begründet.

Der Franzosensteig ist so recht ein Stück nach dem Herzen unserer Jugend und paßt vortrefflich in die Tage des 6. Landesschießens. Bei der Aufführung loderte die Spielfreude der Laienspielschar des Bannes Innsbruck-Stadt hell auf und kündigte beachtenswerte Begabungen an. Alle Grenzmoarbuben, ganz besonders der jüngste, der Jörgl, spielten mit einem Feuer, das das ganze Stück durchglühte. Sprache und Charakteristik sind aber auch so echt und kernig, daß der Erfolg schon nach dem ersten Akt gesichert war. Daß die Kampfszene auf der neuen, nicht sehr geräumigen Bühne gut gelang, ist der sorgsamen Spielleitung Thorby Wörndles zu danken. Das schwierige Problem des Stückes lag bei den Darstellern des Grenzmoarbauern und seines Bruders Friedel, beide boten hervorragende Leistungen, ebenso die Trägerinnen der weiblichen Rollen, der Grenzmoarbäuerin und der Rosl.

So hat die junge Innsbrucker Heimatbühne mit ihrem zweiten Spielabend ein neues, heimatliches Volksstück mit einem Erfolg darstellerisch gestaltet, der eine fruchtbare Weiterentwicklung dieses bodenverbundenen Laienspiels erhoffen läßt.“

Über die weiteren Aktivitäten der Innsbrucker Heimatbühne melden die Innsbrucker Nachrichten vom 25. September 1943, Seite 4, dass die Spielzeit 1943/44 mit der „tirolischen Historie“ Die Räuber am Glockenhof von Rudolf Brix am 2. Oktober eröffnet wird. Wiederholungen des Stücks waren für den 3., 9. und 10. Oktober 1943 angesetzt

In den Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1943 findet sich auf Seite 3 der Hinweis, dass der für 2. Oktober festgelegte Spielbeginn der Innsbrucker Heimatbühne „auf unbestimmte Zeit verschoben“ werden musste.

Offensichtlich hatte die szenische Komplexität mit oftmaligem Wechsel und die aufwändige Bühnenmusik der Brix’schen Räuberlegende den Tatendrang der jungen Spieler überfordert, so dass für den Neustart in die Saison 1943/44 am Samstag, den 30. Oktober die Wiederaufnahme des erfolgreich uraufgeführten patriotischen Stücks Der Franzosenkrieg von J. M. Rainer erfolgte. Am 31. Oktober wurde es wiederholt. Nachmittags um 15 Uhr gab es eine Kindervorstellung mit dem Märchenspiel Der Ziegenpeter auf der Zauberalm (Innsbrucker Nachrichtenvom 28. Oktober 1943, Seite 4).

Das Laienschauspiel war im ganzen Gaugebiet verbreitet und beliebt; es erfüllte unter der Obhut des Standschützenverbandes seine kulturpolitische Funktion als Gemeinschaftswerk vor allem zum Gaudium seines ortsansässigen Publikums. Drei Beispiele stehen für die Fülle solcher Unternehmungen:

„Samstag, den 27. März, führte die Laienspielgruppe des Standschützenverbandes im Altwirtssaal in Unterlangkampfen zugunsten des Kriegs-WHW. die Bauernposse Die Drud vom Oberhof auf. Das flotte und gute Zusammenspiel aller Mitwirkenden erübrigt die Hervorhebung einzelner Darsteller. Die Besucher unterhielten sich köstlich und spendeten den Darstellern wohlverdienten Beifall“ (Tiroler Volksblatt vom 2. April 1943, Seite 5).

„Im Rahmen des Deutschen Volksbildungswerkes gab die Laienspielgruppe Kramsach des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg im Volksspielhaus das ländliche Lustspiel Der Unwiderstehliche zum besten und erntete dabei dank ihres flotten Spieles reichen Beifall“ (Tiroler Landbote vom 7. Mai 1943, Seite 6).

„Auf der Bühne des Astner-Saales wurde die dreiaktige Bauernposse Der Weibertausch unter der Spielleitung von August Klingenschmid aufgeführt. Die Urwüchsigkeit aller Spieler löste wahre Lachsalven aus. Großen Anklang fanden auch die Zither- und Gesangeinlagen in den Pausen. Das vollbesetzte Haus dankte mit lebhaftem Beifall für zwei fröhliche Stunden“ (Tiroler Volksblatt vom 29. September 1943, Seite 4).


Varieté und sonstige Unterhaltung

Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) organisierte auch 1943 wiederum ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm. Wiederholt waren Innsbruck, ebenso die Kreisstädte Station von Ensembles mit speziellen Programmen, oft unter der Devise „Für jeden etwas“. Diese Unternehmungen wurden zumeist zentral organisiert. Ihr Tourenplan umfasste nicht selten das gesamte Reichsgebiet. Zudem beteiligten sich Künstler des Reichsgautheaters Innsbruck an diesen Vorhaben, die der Bevölkerung kurzzeitig Ablenkung von den traurigen Zeitumständen verschaffen und Zutrauen bestärken sollten.

Anfang Mai gastierte das Reichsgautheater in Kufstein. „Gesang, Musik und frohe Laune“ zu vermitteln hatte man sich vorgenommen:

„Künstler des Reichsgautheaters in Innsbruck schenkten uns [am] Dienstag, den 4. Mai, in der Aula der Oberschule in Kufstein zwei unterhaltsame Stunden mit einem Gastspiel unter dem Motto Gesang, Musik und frohe Laune. Der erste Teil brachte ernste und heitere Kleinkunst: Eine humorvolle Ansage verband Gesang, Tanz und einige launige Skizzen zu einer guten künstlerischen Gesamtleistung, deren Gemeinschaftssinn durch Verzicht namentlicher Nennung der Künstler auf [dem] Spielzettel unterstrichen wurde. Damit ist auch eine Betrachtung der einzelnen Darbietungen nicht möglich, obgleich man die sympathische und zukunftsreiche Stimme des Tenors würdigen und die vorzüglichen Leistungen der Solotänzerinnen mit ihrer exakten Körperbeherrschung sowie die reizende Soubrette und ihren herzerfrischenden Humor besonders herausstellen möchte.

Im zweiten Teil erlebten wir einen Querschnitt durch die Operette Liebe in der Lerchengasse. Wie immer haben zwei Liebende Hindernisse zu überwinden, die ein strenger Herr Papa und andere Menschen ihrem Glück entgegenstellen. Schließlich aber kommt es doch zu einem glücklichen Zusammenfinden aller Spielpersonen. Die ganze Sache ist mit witzigen neuen und bewährten Einfällen gewürzt, so daß sich das Publikum köstlich unterhält. Und so brachte uns dieser Abend einige Stunden froher Entspannung.“ (Tiroler Volksblatt vom 7. Mai 1943, Seite 2).

In der Gauhauptstadt Innsbruck gab es nahezu allmonatlich eine Unterhaltungsveranstaltung, deren Programm als Varieté mit bunter Abwechslung von Akrobatik, Humor, Exzentrik und Erotik über die Bühne des Großen Stadtsaals ging oder als buntes Musikmosaik mit beliebten Melodien aus Oper, Operette, Schlager, Tanzeinlagen und populärer Klassik.

„Das Märzprogramm der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude brachte am Samstag, den 20. März, im Großen Stadtsaal eine abwechslungsreiche, vorwiegend musikalische und seriöse Darbietungsfolge, in der es einmal gleich wohltuend wirkte, daß ein ausgezeichnetes Streichorchester, geleitet von Boris Tscharikoff, mit einem Kranz der beliebtesten Opernmelodien den Reigen eröffnete, dem noch viele aus der Operette, aber auch bestrickende Geigensoli des Dirigenten, Friedrich Smetanas poesievolle symphonische Dichtung Die Moldau, vorgetragen an zwei Klavieren von Illa Bello und Franz Kubick, die Ungarischen Tänze Nr. 5 von Brahms, kroatische und spanische Musik und als Klaviersolo der virtuosen und ausdrucksstarken Pianistin Illa Bello die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt folgten. Kammersänger Paolo Marion sang aus Bajazzo und Toska sowie einige deutsche Lieder mit dem italienischen Sängern eigenen Schmelz, worauf sich auch Kapellmeister Tscharikoff und die Pianistin Illa Bello am Mikrophon versuchten. Reichen Beifall erntete Gertrud Rothenburger, deren glockenklarer Sopran in scharmantem Liedvortrag entzückte. Tanzeinlagen Lucia Greys und Trude Floridas suchten der Devise Für jeden etwas gerecht zu werden und so außer den Ohren auch den Augen etwas zu bieten. Schließlich sei noch die Ansage durch Yvonne Horsten erwähnt, die die Folge der Darbietungen bekanntgab.

Das volle Haus anerkannte Veranstaltern und Darstellern die frohen Stunden dankbarst.“ (Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichtenvom 22. März 1943, Seite 5).

Ein Kontrastprogramm mit den typischen Elementen des Varieté „Artistik-Tanz-Humor“ vermittelte ein Unterhaltungsabend im April. Wieder berichtet der Spezialist für dieses Genre, Heinz Cornel Pfeifer:

„Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude brachte als April-Programm eine besonders reichhaltige Folge bester artistischer Darbietungen, bunt gemischt mit schönen Tänzen und gewürzt mit einem kräftigen Schuß Humor – zwei Abende, die sich der restlosen Zustimmung der Besucher erfreuten.

Neue überraschende Bodenarbeit zeigten die Akrobaten 3 Porallos und 2 Jakors mit Partnerin, die schöne Wienerin Anita Berg tanzte einen Walzer und einen rassigen Cancan, die 3 Villands, eine reizvolle und romantische tänzerische Auslegung eines Musikstücks von Brahms. Dem schneidigen Gleichgewichtsakt der 2 Albrecht folgten die Fangkünstler Marzopini mit lustigen Jonglierspielen, die 2 Ursanos zeigten ausgezeichnetes Können am Schleuderbrett und die beiden Franks brachten eine stürmisch belachte Exzentrikernummer. Das vielseitige Programm, das Ellis Altmann humorvoll anzusagen wußte, schloß mit einer einmaligen Kopfequilibristik der Illustres, den Sprungvorführungen der beiden Gummibälle Schwestern Bali und dem temperamentvollen spanischen Imitator Cruset, der auf das Verblüffendste den Ton von Musikinstrumenten, Sirenen, Motoren und sonstige Geräusche nachzuahmen wußte. Das Publikum unterhielt sich glänzend.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 10. April 1943, Seite 4).

Im Mai wurde das Innsbrucker Publikum abermals mit einem abwechslungsreichen und aufwändigen Varietéprogramm unterhalten:

„Das diesmonatige Varietéprogramm der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude wies wieder neben einer Reihe bester Darbietungen der Artistik einige Spitzenkönner auf diesem Gebiet auf.

Umrahmt von der munteren Ansage Gloria Lindholms und eingeleitet durch die sechs bildhübschen Mädel des Rio-Rita-Balletts rollte in flottem Tempo ein erstrangiges Programm ab. Die 3 Joachims – das kleine herzige Fiederwischchen, das Söhnchen, zählte hier bestimmt als Ganzes – zeigten gute Equilibristik, der Fangkünstler Akra mit Assistentin eine Anzahl neuartiger verblüffender Tricks mit schweren Stahlkugeln, die Tanzkomiker Jassik (2 Steffens) fielen durch Schwung und Exaktheit auf, wenn wir auch den Stepptanz als Auswuchs und Geschmacksverirrung bestenfalls nur belächeln können, und die beiden Mikros boten eine Bravourleistung in einer Gleichgewichtsnummer. Besonders schön, in der Ausführung wie in den Kostümen, war der spanische Tanz des Rio-Rita-Balletts, eine weitere Spitzennummer Lotte Jankovsky in vollendete Körperbeherrschung und bewundernswerte Anmut zeigenden akrobatischen Gleichgewichtsvorführungen sowie der Kunstpfeifer Medrano mit einer Weichheit und Reinheit des Tons, der selbst den schwersten Opernarien gewachsen war. Mit einer humoristischen, tänzerisch-akrobatischen Doppelnummer von Format beschlossen Olla und Pollo das bunte und abwechslungsvolle Programm, dem das ausverkaufte Haus gerne reichen Beifall zollte“ (Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Mai 1943, Seite 5). Die abschätzige Bemerkung zum Stepptanz als „Geschmacksverwirrung“ entspricht der ideologischen Voreingenommenheit, die man prinzipiell der nicht „arischen“ Kultur und insbesondere der amerikanischen entgegenbrachte.

Der Unterhaltungsabend im Juni brachte wieder einen Musikschwerpunkt. Die „aus dem Rundfunk bekannte“ Kapelle Kurt Engel gestaltete ein Programm unter der Devise „Wir machen alles mit Musik“. Film- und Schlagermelodien wechselten mit Gesangseinlagen der „bekannten Rundfunksängerin“ Marianne Flechsig. Heinz Cornel Pfeifer hält sich in seiner Besprechung mit Vorurteilen gegenüber vermeintlichen Amerikanismen wiederum nicht zurück und konnte damit vermutlich die Zustimmung des überwiegenden Teils seiner Leser gewinnen (Innsbrucker Nachrichten vom 26. Juni 1943, Seite 4):

„Kurt Engel zog alle Register der vielfältigen Geräusche, die nun einmal zu einem Jazzorchester zu gehören scheinen, und entlockte sowohl den sechs Solisten als auch seinen Vibraphonen eigenartige Klangwirkungen. Tanzmusik ist eben Zweckmusik. Sie soll in die Beine gehen und erhebt von vornherein keinen Anspruch auf seelische oder geistige Eindrücke und Wirkungen, was sowohl durch den Takt, die Instrumentation und die meist erschreckend geistlosen Texte unterstrichen wird. Ein Mozart’sches Wiegenlied u. dgl. aber von einem zappeligen, transpirierenden Wesen in plätschernder Selbstgefälligkeit auf dem Xylophon vorgetragen ist denn doch eine Zumutung! Da ist uns schon der kitschig-sentimentale Schmachtfetzen Mamatschi, der mit Bravour zum Vortrag kam, immerhin noch lieber.“

Bei einem von der KdF Ende November 1943 veranstalteten Groß-Varieté in Innsbruck dominierte die Akrobatik. Karl Paulin sieht in dieser Art von Programmgestaltung auch einen ideologisch verwertbaren Aspekt (Innsbrucker Nachrichten vom 30. November 1943, Seite 4):

„Nach dem augenblicklichen Eindruck dieses Groß-Varietés bleibt eine in unserer ernsten Zeit beachtenswerte ethische Wirkung im Zuschauer haften. Der Abend zeigte, welch Unglaubliches aus dem menschlichen Körper unter dem Antrieb eines stahlharten Willens, einer unerbittlichen Selbstzucht und einer Disziplin im höchsten Ausmaß, der restlosen Einordnung der einzelnen Kraft im Rahmen des Ganzen, Gemeinsamen herauszuholen ist. Darin scheint uns der bleibende Wert auch solcher, der Entspannung und Unterhaltung dienender volkstümlicher Veranstaltungen zu liegen.“

Über den Verlauf des Abend führt Karl Paulin aus: „Das gegenwärtig im Großen Stadtsaal stattfindende Groß-Varieté verdient besondere Hervorhebung, denn es umschließt fast ausnahmslos wirkliche Spitzenleistungen, wie man sie nur selten zu sehen Gelegenheit hat. Ob die drei Fionettas ihren akrobatischen Hebeakt, die zwei Rawellas ihren Parallel-Gymnastikakt, die vier Douglas den originellen Schleuderbrettakt vorführen oder ob wir die equilibristischen Kunststücke der drei Viviaris, die fabelhaften Leistungen des kleinen und des großen Kunstschützen aus der Familie der Blekwens bewundern, die gleichzeitig das Zwei- und Einrad fabelhaft meistern, immer wieder überrascht die vollendete Beherrschung der betreffenden Geräte, mehr noch des männlichen und des weiblichen Körpers. Das Höchste des Abends nicht nur im wörtlichen, sondern im Leistungssinn boten wohl die zwei Jakubovsky in dem wirbelnden Zahnhang-Kraftakt am Trapez. Dazwischen erregten die Geschwister Schwirkott, wirkliche Virtuosen am Akkordeon, musikalisch vibrierend vom Scheitel bis zur Zehe, entsprechende Bewunderung. Hugo Voigt verstand es als Ansager, die einzelnen Darbietungen sehr humorvoll zu verknüpfen.“

Im Juli veranstaltete die KdF ein Volkskonzert, in dessen Mittelpunkt Kompositionen von Johann Strauß standen. Dazu gab es weitere klingende Reminiszenzen an die große Wiener Operettentradition und mit dem Rosenkavalier-Walzer auch eine Reverenz an Richard Strauss. Das ganze Programmkonzept könnte einem heutigen Neujahrkonzert der Wiener Philharmoniker entnommen sein. Das Projekt unter der Devise „beschwingte Musik“ war Teil des Veranstaltungsreigens im Rahmen des 6. Landesschießens und wurde am 16. Juli vom Reichsgau-Symphonieorchester, verstärkt durch Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters unter der Leitung von Max Alexander Pflugmacher im Großen Stadtsaal in Innsbruck realisiert:

„Franz von Suppé eröffnete den Reigen mit der Ouvertüre zur Operette Die schöne Galathee, dann übernahm Karl Millöcker das Szepter mit dem Walzer aus der Operette Der Obersteiger, Johann Strauß setzte mit seinem temperamentvollen Perpetuum mobile fort und Richard Strauß beschloß den ersten Teil mit dem Walzer aus der Oper Der Rosenkavalier. Strauß Vater und Sohn beherrschten dann den ganzen zweiten. Die Fledermaus-Ouvertüre klang auf, die reizende, voll musikalischer Kobolde steckende Pizzikato-Polka hüpfte aus großen und kleinen Geigen und irrlichterte auf den Flöten und Klarinetten, die dann die G’schichten aus dem Wiener Wald, originell mit einem Zithersolo aufgeputzt, in echt wienerischer verspielt-sentimentaler und doch dabei so koketten Art erzählen, bis Vater Strauß den Abend mit seinem ebenso berühmten wie beliebten Radetzkymarsch beendete.

Natürlich gab es Zugaben – den Kaiserjägermarsch von [Karl] Mühlberger und das Wiegenlied eines Tiroler Komponisten [Karl Senn], damit auch ein bißl was aus der engsten Heimat dabei war. M. A. Pflugmachers ganz dem Programm angepaßter, diesmal also beschwingter Stabführung und allen Mitwirkenden wurde reicher Beifall [zuteil]“ (Heinz Cornell Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Juli 1943, Seite 4).

Zum Unterhaltungsangebot der KdF gehörte auch ein Ballettabend am 12. Dezember 1943 im Großen Stadtsaal. Wohl die Kriegsumstände brachten es mit sich, dass die Tanztruppe außer dem Ballettmeister Hans Baumann ausschließlich aus weiblichen Mitgliedern bestand. Wie immer bei solchen vorwiegend der Vergnügung gewidmeten Abenden war die Vorstellung ausverkauft. Was das Publikum von den zwölf Tänzerinnen und ihrem Ballettmeister zu sehen bekam, schildert Albert Riester in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. Dezember 1943 auf Seite 4:

„[…] Schönheit und Anmut der tänzerisch voll durchgebildeten Körper, Ideenreichtum der fast pausenlos abrollenden Tanzbilder und Farbenpracht der Kostüme. Zu klassischen und romantischen Musiken wechselten Gruppen- und Einzeldarbietungen. Von besonderem Eindruck waren die Solotänze Vier Frauen um Peer Gynt (Musik von E. Grieg), in denen die Solotänzerinnen des Ensembles Ruth Detlefs und Salome Schneider Proben ausgeprägter, reifer Charakterisierungskunst gaben. Lieblich und beschwingt waren zwei weitere Solonummern, das Ständchen (R. Detlefs) und Schön Rosmarin (M. Weitzel) nach Musik von Schubert und Mozart. Einen wirkungsvollen Abschluß bildete das urkomische Gerücht (J. Strauß), an dessen Verbreitung und Ahndung der Schuldigen die ganze Gruppe lebhaft beklatschten Anteil nahm.

Am Flügel hörten wir Else Kemlein, die auch in zwei Solostücken von Weber und Beethoven sichere pianistische Kenntnisse verriet. Es gab sehr viel verdienten Beifall und zahlreiche Zugaben.“

Natürlich war die KdF auch in den Kreisstädten, mit Veranstaltungsinitiativen ihrem Motto entsprechend, vor allem im vergnüglichen Sektor aktiv.

„Zwei frohe Stunden“ brachte Karl Buchholz „mit seiner Künstlerschar“ im März für das Landecker Publikum: „Für gute Laune sorgten besonders Gisela Morgen als Vortragssängerin und Karl Buchholz mit selbstverfaßten Stimmungsschlagern, die er selbst am Flügel meisterlich begleitete. Bojanowski brachte Geigen- und Saxophonsoli. Der Opernsänger Biedermann sang sich mit seiner klangschönen, bestgeschulten Stimme in die Herzen der Hörer ein. Durch farbenfrohe Tänze wurde das Programm vervollständigt und fand großen Beifall.“ (Tiroler Landbote vom 23. März 1943, Seite 4).

Einen „bunten Abend“ in der Art eines Varités gab die KdF am 27. Oktober in der Aula der Oberschule in Kufstein. Das Programm war mit Bedacht abwechslungsreich konzipiert, so dass „jedem Volksgenossen etwas ihm besonders Zusagendes geboten wurde“. Weiter heißt es im Tiroler Volksblatt vom 29. Oktober 1943, Seite 4:

„Als vorzüglichste Leistung verdienen die Gesangsvorträge des Opernsängers Michele Tomacko (Tenor) besonders hervorgehoben zu werden […]. Sein großes Können paarte sich zeitweise mit dem der Sängerin Felizitas Salm (Sopran), die uns außerdem in Solovorträgen mit ihrer anheimelnden Stimme und der charmanten Darbietung bestens erfreute.

Als Vortragskünstlerin und launige Ansagerin lernten wir Dita Frank kennen. Mit liebenswürdigem Schalk und vornehmer Anmut plauderte sie Gereimtes und Ungereimtes, durch ihre berückende Herzlichkeit die Herzen der Kufsteiner im Sturm erringend. Ihre Kunst war für uns der besinnlich-heitere Pol der Entspannung im wogenden Getriebe der vorwärtsdrängenden Darstellungen. Als Gegenstück zu ihr war der launige Ansager Bob Bolander, ein humorsprühender und wie ein Wasserfall dauernd plätschender Humorist.

Besonderes ‚Leben in die Bude’ brachten zwei Laurens, Gesang- und Tanzparodisten, von denen der männliche Partner als vorzüglicher Grotesk-Komiker schallende Heiterkeit zu erwecken verstand. Einen tollen Wirbel und rhythmisches Gleichmaß führte die Schwedenplatte vor, das Thora-Malmström-Ballett. Ihre Darbietungen erweckten den Eindruck, als hätten diese Künstler die Schwerkraft durch Training und Bewegungsanmut überwinden können. Auf einer Balalaika erwies sich Valerian Schumakoff als virtuoser Vortragender. Eine gute Musikkapelle gab dem bunten Abend den notwendigen musikalischen Schmiß, so daß diese Veranstaltung ein Abend der Freude wurde.“

In ähnlich vergnügter Turbulenz verlief am 8. Dezember ein weiterer „Bunter Abend“ in Kufstein. Der Vergnügungsdrang des Publikums wurde von der KdF als Ablenkungsmanöver von den Alltagssorgen mit Bedacht geschürt. Das Vorgaukeln vordergründigen Spaßerlebens geriet angesichts der Absurdität des Kriegs allerdings zu einer Groteske, die manchen Veranstaltungsbesucher wohl auch nachdenklich stimmen musste.

„Max Graf schuf als begabter Humorist und Ansager von Anbeginn jene herzliche Stimmung, die Publikum und Künstler innerlich nahebringen. Sein Humor ist von gepflegter Art, auch im Spritzigen Anstand bewahrend. Mit seiner Partnerin Susi Kauer gestaltete er ein ‚geheimnisvolles‘ Wunschkonzert, bei dem Susi Kauer nicht nur als tüchtige Artistin, sondern auch als Meisterin auf dem Klavier brillierte. Mit wohllautender und klangreicher Stimme sang Nora Volkmar einige Lieder, deren künstlerischer Gehalt sich durch scharmante Art des Vortrages erhöhte. Das musikalische Fundament des bunten Abend stellte der Kölner Carl Eskens als gewiegter und anpassungsfähiger Pianist, der sich als virtuoser Solist auch auf dem Akkordeon bewährte.

Zwei Vortragskünstlerinnen besonderer Ausdrucksfähigkeit waren Elisabeth Schmiedt und Marianne Möller. Elisabeth Schmiedt gefiel durch ihre schelmische Herzlichkeit, die auch etwas vereiste Herzen auftauen läßt. Marianne Möller hingegen gewann die Zuneigung des Publikums durch sympathische Dreistigkeit. Fröhliches Vogelgezwitscher erfüllte den Saal beim Vortrag des Kunstpfeifers Medrano, dessen Pfeifkünste als beachtliche Leistung angesprochen werden müssen. Ein Künstler auf der Mundharmonika ist Rudi Gabriel mit flott und auch stimmungsvoll vorgetragenen Liedern. Voll köstlicher Tollpatschigkeit und musikalischem Schalk ist der Musikclown Josef Löffler, über den sich die Zuschauer herzlich freuten.

Ein bunter Abend ohne Tanz ist nur eine halbe Sache, und weil diesmal Kraft durch Freude in der Wahl des Programms glückhaft war, so schenkte sie uns als besondere Freude auch ein Fortuna-Tanz-Trio, das uns mit zierlichem Schweben im Walzertakt und dem stürmischen Rhythmus des Csardas und eines spanischen Tanzes exaktes Gleichmaß reifer Tanzkunst und weibliche Anmut schauen ließ. Zum Abschluß wirbelten Drei Brixtons, ein Blitzakrobaten-Trio, über die Bretter, in Sekunden zeigend, was sie in Jahren einübten; man könnte diese Truppe mit federnden Bällen vergleichen, auch diese Vorführung wurde mit Heiterkeit ausstrahlender Frische lebendig gestaltet. Zweieinhalb Stunden wahrer Freude verlebten wir bei dieser Veranstaltung, von deren Art wir uns noch weitere wünschen.“ (Josef Heitzinger im Tiroler Volksblattvom 10. Dezember 1943, Seite 3).

Im August machte der Zirkus Hoppe auf seiner Tournee in Kitzbühel Station. Das Tiroler Volksblatt vom 25. August 1943 weiß dazu auf Seite 4: „Samstag, den 21. August, traf in Kitzbühel der noch in bester Erinnerung stehende Zirkus Helene Hoppe zu einem dreitätigen Gastspiel ein. Die Zufuhr des Zirkusparks zum Ausstellungsplatz und der Aufbau der großen Zirkusarena lockte schon während des Tages zahlreiche Zuschauer an. Die Eröffnungsvorstellung fand bei ausverkauftem Hause statt. Sämtliche Vorführungen waren in Gewandtheit und Schönheit sowie Körperbeherrschung erstklassig, nur je nach Einstellung der einzelnen Zuschauer kann einer oder der anderen Nummer der Vorzug gegeben werden. Lebhafter und reicher Beifall lohnte alle Künstler. Der über 80 Tiere umfassende sehr lehrreiche Tierpark fand gleichfalls zahlreichen Zuspruch.“


Musikschule – Schauspielschule – Tanzschule

Die Innsbrucker Musikschule unter der engagierten Leitung von Toni Grad bot ein umfangreiches Lehrangebot, bei dem das Instrumentarium der Volksmusik nicht nur mit berücksichtig wurde, sondern den Erwartungen der Ideologie gemäß einen zentralen Stellenwert einnahm. 1943 wurde das Erlernen der Tiroler Harfe neu in den „Unterrichtsplan der Volksinstrumente“ eingeführt. Die Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1943 bringen auf Seite 6 dazu folgende Notiz, die insbesondere auf die ideologische Begründung dieser Initiative verweist:


„Dieses uralte, in unserem Gau heimische Instrument zeichnet sich ebenso durch seine schöne Klangfülle aus wie durch die Zartheit seiner Töne. Die reichen Spielmöglichkeiten machen die Volksharfe gleichermaßen zum Einzelspiel und zum Zusammenspiel mit anderen Instrumenten. Ihre ehemals weite Verbreitung und hohe Pflege zu erneuern und wieder zu fördern und damit altes Tiroler Brauchtum zu stärken, ist der Sinn der Aufnahme in den Arbeitsplan der Musikschule.“


In seinem Beitrag „Unsere Volksmusikinstrumente“ in Alpenheimat 1944, Seite 106, betont auch „Gemeinschaftsleiter“ Fritz Engel den herausgehobenen Stellenwert der Harfe: „Eine volksmusikalische Besonderheit in unserem Gau ist das ,Harpfenspiel‘. Die Tiroler Volksharfe mit sieben Pedalen, das edelste aller Volksmusikinstrumente, hat sich als kleine Schwester der Konzertharfe hauptsächlich im Unterinntal erhalten. Durch entsprechende Förderung und Pflege wird sie bald begeisterte Spieler auch in anderen Teilen des Gaues finden.“


Die Rhythmiklehrerin der Innsbrucker Musikschule Rose Marie Feustel gab im April 1943 bei einem Vorführabend Einblick in ihre Tätigkeit, wobei ihre Schüler das Erlernte öffentlich präsentierten:

„[…] Mit jugendlicher Begeisterung erläuterte sie [Rose Marie Feustel] Zweck und Ziel der rhythmischen Schulungsarbeit als Grundlage aller musikalischen Erziehung. Sieben- bis fünfzehnjährige Jungen und Mädel zeigten in kurzen Lehrproben teils sehr gute, teils noch wirklich in den Kinderschuhen steckende Begabungen und Leistungen auf diesem Gebiete. Bewegungsfolgen und Gestaltungsformen von ursprünglich-kindhafter Empfindung und Gewolltheit steigerten sich, von instrumentalen und chorischen Klängen angeeifert, bis zur musisch ausdruck[s]sicheren Schau und tänzerisch abgestellten Figurik, wobei freilich das Angelernte und Konstruktive vorerst noch dominierte. So bei Mozart und Haydn, die stellenweise noch zu stelzig und gladiatorenhaft paradierten […]“ (Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. April 1943, Seite 4).

Diese neue Einrichtung war vermutlich eine direkte Konsequenz der „Vorführreise“, die das „Fachseminar für rhythmische Erziehung der Folkwangschulen der Stadt Essen, Fachschulen für Musik, Tanz und Sprechen“ im Herbst 1941 „durch eine Anzahl mittel- und süddeutscher Städte“ unternommen hatte. Unter der Leitung von Elfriede Seidel hatte am 13. Oktober 1941 im Konzertsaal der Innsbrucker Musikschule eine „rhythmisch-musikalische Vorführung“ stattgefunden. Dabei waren im ersten Teil des Programms „die Grundlagen zur rhythmischen Erziehung, in Beispielen aus der praktischen Bewegungserziehung und in Wechselwirkung mit dem Hören, von Erläuterungen unterstützt, vorgeführt“ worden. Im zweiten Teil war ein „Spiel von der Musik“ durch die Studierenden des Fachseminars zur Aufführung gekommen (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Oktober 1941, Seite 5).

Als Intention dieser Initiative hatten die Innsbrucker Nachrichten vom 11. Oktober 1941 erklärt, Seite 4: „Durch ihre Vorführungen will die Folkwangschule Anregungen für die Musikarbeit der Hitler-Jugend, des Bundes Deutscher Mädchen und der Jugendmusikschulen geben, in denen man allgemein auf der Suche nach den natürlichen Grundlagen einer volkhaften Musikerziehung ist. Der Innsbrucker Vorführungsabend wird also vorwiegend für die Jugend und deren Führer, damit auch für die Eltern und Erzieher, veranstaltet.“

Nach der Besprechung der Veranstaltung von Dr. Rainer von Hardt-Stremayr in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. Oktober 1941 (Seite 5) war als Publikum „vorwiegend weibliche Jugend“ erschienen, wobei „die Tracht des Bundes Deutscher Mädchen vorherrschend“ war. Der Rezensent hob auch hervor, dass die Innsbrucker Musikschule noch über keine Lehrkraft für Rhythmik verfüge und dass der „Hauptzweck“ des Abends darin bestanden habe, „in zuständigen Kreisen das Verständnis für rhythmische Musikerziehung zu finden“.

Leistungen und Lernerfolg von Musikschülern wurden vor allem zum Schuljahrsende vorgestellt. Beim ersten „Schlusskonzert“ der Musikschule der Gauhauptstadt am 8. Juni 1943 im Großen Stadtsaal stand klassisches Repertoire im Mittelpunkt. Karl Senn berichtet in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Juni 1943, Seite 4:

„[…] Es kamen Schüler und Schülerinnen der Anstalt zu Gehör, deren Leistungen gediegenes technisches Können zeigten und deren Auffassung schon den Beginn künstlerischer Reife erkennen ließen. Es spielten aus der Violinklasse Wisata Irmtraud Hamann den 2. Satz des A-dur-Violinkonzertes von Mozart, Laurin Luchner den 1. und 2. Satz des E-dur-Violinkonzertes von Joh. Seb. Bach; Hans Christoph Hittmair der Celloklasse Becke das A-dur-Cellokonzert von Georg Goltermann, Ilse Helff-Hibler von Alpenheim aus der Klavierklasse Haselsberger den 1. und 2. Satz des B-dur-Konzertes von Beethoven, den 3. Satz Inge Rhomberg der Klavierklasse Auer. Ein Soloquartett aus der [Gesangs-] Klasse Ploner: Annimarie Mair, Ilse Glaninger, Hans Tumler und Erich Wolfgruber sangen das Soloquartett aus Fidelio.

Kapellmeister Ratjen war mit dem Reichsgau-Symphonieorchester den ihm anvertrauten jungen Künstlern und Künstlerinnen ein liebevoller und sorgsam bedachter Begleiter. Der schöne Verlauf des Konzertes stellte der Musikschule das beste Zeugnis für die Entwicklung und Ausbildung der Schüler aus.“

Das zweite Schlusskonzert am 2. Juli war „volkstümlicher und klassischer Gemeinschaftsmusik“ gewidmet. Über den Verlauf der Veranstaltung schreibt Karl Senn in seiner letzten Besprechung für die Innsbrucker Nachrichten, am 5. Juli 1943 auf Seite 5:

„[…] In einer einleitenden kurzen Anrede sprach der Leiter der Musikschule über das Verhältnis von Volksmusik zur Kunstmusik. Früher war Musik überhaupt Volksmusik; im vorigen Jahrhundert hat sich eine Spaltung ergeben, die in einer Richtung zur artistischen Musik, in der anderen aber zum Absinken des Volkstümlichen führte, das kaum mehr, nur in den Alpenländern, gepflegt wurde. Heute gehe die Bewegung dahin, diese Unterschiede zu beseitigen und wieder zur echten Volksmusik zurückzuführen. Das sei der Gedanke, aus dem heraus die im Neuaufbau begriffene Musikschule ihr Ziel zu erfassen suche. Allerdings seien heute Proben für das Gemeinschaftsmusizieren mit allerlei Schwierigkeiten verbunden, was bei den Darbietungen berücksichtigt werden möge.

Mit Rücksicht darauf kann man die Leistungen der Schüler voll anerkennen. Jedenfalls ist ein einheitlicher Wille da, der den richtigen Weg zur Erreichung des Zieles zu finden trachtet.

Bemerkt sei, daß das Absinken des Volksliedes und die erwähnte Spaltung in der Musik zum Teil auch am Aufkommen der Salonmusik lag, die im abfälligen Sinne wohl volkstümlich, durch ihre seichte, lediglich gefällig sein wollende Haltung aber mit wahrer gediegener Volkstümlichkeit nichts zu tun hat. Um solche Verfallserscheinungen auszuschalten, bedarf es wohl besonderer Sorgfalt in der Auswahl volkstümlichen Musikgutes. Die Trennungslinie rein zu halten, ist nicht immer ganz leicht, wie auch dieser Abend bewies.

Die Schülervorträge brachten im ersten Teil volkstümliche Musik für Chorgesang (Chorklasse Englmaier) und die Volksinstrumente: Zither, Gitarre, Blockflöte und Mandoline, teils als Soloinstrumente, teil in chorischer Besetzung in kleineren Kompositionen der beiden Musikschullehrer Peter Hornof und Roman Loacker sowie von Mozart und Ferdinand Spohr, ausgeführt von Schülern der Klassen Hornof, Loacker, Glück und Hauser. Vermißt hat man die wirklich bodenständige Tiroler Volksharfe, für die man gerne auf die deutschem Klangsinn fremde Mandoline und die dauernd distonierende, in ihrem hohlen Klang an die allerdings volkstümlichen Maienpfeifen erinnernde Blockflöte verzichtet hätte. Im zweiten Teil kam dann Gemeinschaftsmusik als Streichquartett, Trio, Sonate für Klavier und für Violine und Klavier von Haydn, Mozart, Händel und Beethoven von Schülern der Klassen Wisata, Haslwanter, Becke, Polland (guter Klarinettennachwuchs), Brixa, Haselsberger, Auer, Drevo und Morawetz, die in verschiedenen Graden ihrer Ausbildung stehend, musikalische Begabung und gesundes musikalisches Erfassen erkennen ließen. Bemerkenswert gut waren in dieser Abteilung auch die beiden Chöre der Chorklasse Englmaier.“

Das NS-Ideal der Gemeinschaftspflege stand auch bei einer Veranstaltung der Musikschule im Dezember im Vordergrund der Initiative:

„Die Musikschule der Gauhauptstadt brachte in ihrer Stunde der Hausmusik einen Ueberblick über ihre musikerzieherische Arbeit an der Gemeinschaft. Als Einleitung erklärte Direktor Grad, warum wir uns nach einem Zeitalter des Verfalls der Hausmusik und der daraus folgenden Epidemie schlechter Unterhaltungsmusik wieder auf die Schönheit des eigenen Musizierens im häuslichen Kreise besinnen sollen. Der Wert ist vielfach: Wir gewinnen durch das eigene Musizieren immer von neuem das Gefühl der Meister unseres Volkes, helfen mit, es zu erhalten, wir pflegen durch das vereinte Spiel die Kameradschaft und stärken sie durch den gleichen gemeinsam bekundeten Glauben an das Gute und Schöne. Dann gab eine bunte Reihe von Beispielen, von den Schülern in sauberem Zusammenspiel vorgeführt, Anregungen für die verschiedenen Formen und Arten der Hausmusik. Jung und alt, der früheste Nachwuchs und die fortgeschrittenen reiferen Schüler schlossen sich zum froh musizierenden Kreis zusammen und verbanden den Wohlklang der Zithern, Gitarren, Flöten, Volksharfe, Trompeten, Glockenspiel und Streichbässe in stetem angenehmen Wechsel der Klangkombinationen, bald Tänze spielend, bald Volkslieder begleitend. Nach dieser Volksmusikgruppe zeigten Beispiele aus dem Bereich der Kunstmusik vom gleichen soliden Arbeitsgeist: Sonaten für Cello und Violine aus der Barockzeit, eine Serenade für Gitarre und Violine und ein Trio der Wiener Klassik, Lieder und Duette aus der Romantik, alte und moderne Stücke für Klavier zu vier Händen, bis schließlich mit einem unbekannten, in Innsbruck wohl noch nie gehörten Meisterwerk Beethovens, den Variationen über I bin a Tiroler Bua Kunst- und Volksmusik ihre edle Freundschaft bestätigten. Der schöne Verlauf des Abends möge die Schüler zur fleißigen Weiterarbeit anspornen, darüber hinaus aber als seine eigentliche Erfüllung dazu beitragen, immer mehr in Haus und Heim durch gute Musik die Gemeinschaft zu pflegen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 18. Dezember 1943, Seite 4).

Über die der Musikschule der Gauhauptstadt eingegliederte Schauspielschule, insbesondere deren Organisationsform und Zweckbestimmung informiert Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1943, Seite 3:

„[…] Die erste Stufe, die der angehende Schauspieler zu beschreiten hat, ist die Eignungsprüfung, denn nur mit dieser wird er zur Ausbildung zugelassen. Man kann sich im nationalsozialistischen Staat diesen ‚Beruf‘ nicht mehr erkaufen, sondern die Voraussetzung dafür ist in jedem Fall die einwandfrei festgestellte Begabung, die jeden weiteren Kosten- und Zeitaufwand rechtfertigen muß. Die Ausbildungszeit dauert zwei Jahre zu je zwei Semestern und wird mit einer Zulassungsprüfung beendet, die den sie bestehenden Schüler berechtigt, sich um ein Engagement als Sänger, Schauspieler oder Tänzer zu bewerben.

Es dürfte noch ziemlich wenig bekannt sein, daß wir im Gau Tirol-Vorarlberg ebenfalls eine solche Schule besitzen, die den erst kürzlich verstorbenen, am ehemaligen Landestheater verpflichtet gewesenen Opernsänger Georg Wilhelm Rothhaar zum geistigen Vater hat und von diesem ursprünglich in der Form von regelmäßigen Kursen im November 1941 gegründet und jetzt in die feste Form einer Schule gefaßt wurde. Mit dieser Spielzeit wurde sie der Leitung des Dramaturgen und Spielleiters unseres Reichsgautheaters, Dr. Sigfrid Färber, anvertraut und heißt nunmehr Opern- undSchauspielschule der Musikschule der Gauhauptstadt Innsbruck.

Diese Abteilung der Städtischen Musikschule ist naturgemäß in engster Bindung mit dem Reichsgautheater, das ausschließlich die Lehrkräfte stellt. Außer dem regelmäßigen Unterricht finden ständig Probenbesuche und technische Führungen statt, die Eleven wirken in der Statisterie mit oder bekommen auch ab und zu kleine Rollen zugewiesen, um sich so schon von den ersten Schritten ihrer Laufbahn an in innigster Verbindung mit der Bühne entwickeln zu können. Die Semester laufen gleich mit der Spielzeit, das erste vom Jänner bis Mai, das zweite vom August bis Dezember; für das Schauspiel sind zwei Jahre, für die Oper drei Jahre Ausbildungszeit vorgesehen. Derzeit sind zwölf Schüler eingeschrieben, von welcher die Mehrzahl derzeit noch anderweitig berufstätig ist, aber auch eine Universitätsstudentin und einen Gewerbeschüler findet man darunter, die der innere Zwang nur im Theater die Erfüllung ihrer Lebensaufgabe sehen läßt. Den Berufsbindungen der Schüler entsprechend wird auf die Unterrichtsstunden möglichst Rücksicht genommen – in diesen aber vollster Einsatz verlangt. Der Lehrplan beinhaltet Sprechtechnik, also die Sprachbeherrschung als wesentliches Element seiner Arbeit, Organbildung und Rollenstudium einzeln und im Zusammenspiel. Parallel laufen Stunden für Körperausbildung und Rhythmik. In der Opernschule kommt hie[r]zu noch die Weiterbildung der vorhandenen Stimmittel, das musikalische Studium der Partien, Gehörbildung und der operndramatische Unterricht. Der Lehrplan beider Gruppen wird abgerundet mit dem Studium von Theaterliteratur, Musikgeschichte, Kunstwissenschaft, Stilkunde u. a. m. Der Leiter der Schule, Dr. Sigfrid Färber, zeichnet verantwortlich für den operndramatischen Unterricht, die technischen und theoretischen Fächer, der musikalische Leiter der Opernschule ist Hajo Hinrichs, die Lehrkräfte der Schauspielschule Gisa Ott, Paul Schmid und Anton Straka, die Körperausbildung ist in den bewährten Händen Fräulein Foistls und die Korrepetition in denen Helmut Rüdigers.“

Die Innsbrucker „Tanzkünstlerin“ Fin(n)i Pointner betrieb privat eine Tanz- und Gymnastikschule. Der rührige Kulturberichterstatter und Lyriker Heinz Cornel Pfeifer gibt mit einem detailreichen Bericht Einblick in das Wirken dieser engagierten Frau, die es vermochte, in einer kulturell inhaltlich restriktiven Zeit ein durchaus modernes zukunftsorientiertes Unternehmen aufzubauen und am Leben zu erhalten (Bergland 1943, H. 1/3, Seite 6 f.):

„[…] Seit vier Jahren leitet im bergumragten Innsbruck Fini Pointner, selbst ein Kind dieser Stadt, ihre Schule für Gymnastik und Tanz, die erste und einzige dieser Art in den Alpengauen. Das Naturhafte, Ungekünstelte, die große und dabei schlichte Linie, die sie wahrt, das Elementare ihrer Gestaltungskraft und die staunenswert weitgespannte Skala ihrer mimischen Ausdrucksmöglichkeiten unterschieden sie wesentlich von anderen Tanzkünstlerinnen. Der kräftig durchgebildete Körper ist der Anmut und Grazie in ganz seltenem Maße fähig, das Spiel der Glieder von einer fließenden Harmonie und die Ausdruckssprache von Antlitz – Körper – Gebärde ungemein beredt. Im Kreise ihrer Schülerinnen tritt sie alljährlich einmal zu einer Art Erfolgsbericht an die Öffentlichkeit, und an den Bühnen, an denen sie seit Jahresfrist als Solotänzerin abendfüllende Programme tanzt, fand sie begeisterte Aufnahme.

Aber auch die Künstlerin als Lehrerin zu erleben, ist überraschend. Von den Vierjährigen bis zur Reifeklasse beherrscht ihre Lehrweise der Grundsatz, den Unterricht möglichst ferne der Schablone zu halten. Demnach ist die Wahl der darzustellenden tänzerischen Inspiration auch immer eine verschiedene. Die Stichworte, die sie gibt, sind bei den Kleinen etwa: ‚Eine Blume schläft – der Morgenwind umkost sie zärtlich – sanft wiegt sie sich auf dem feinen Stengel – da kommt der erste Sonnenstrahl über die Berge – langsam, ganz langsam öffnet sie die Blütenblatter – sie ist noch verträumt – immer mehr erschließt sie sich – breitet sich selig dem Licht entgegen – Sonne – Sonne –Jubel!‘

Oder in umgekehrter Reihenfolge das Schlafengehen nach Sturm und Regen, oder Darstellungen aus dem Reich der Märchen und Sagen u. dgl. – also ganz der kindlichen Vorstellungswelt entnommen. Und da ist es rührend zu sehen, mit welcher Inbrunst, Verklärung und Tiefe die Kleinen und Kleinsten das Erlebnis dieser Blume aus sich heraus, also schon in absolut eigenschöpferischer Weise, gestalten. Vom fließenden Wechsel des Gesichtsausdruckes über das sinnvoll gelebte Spiel der Arme und Hände bis zur phantasievollen und plastischen Mitarbeit der kindlichen Körper entsteht ein lebendiges Bild der seelischen Eindrücke, deren Kraft und innere Geschlossenheit zu Bewunderung zwingt.

Bei den Fortgeschrittenen und Reifeklassen kommen dagegen mehr dramatische Elemente der Darstellung, wie etwa: Knechtschaft, Gefangenschaft, Das Meer, Die Welle, Der Geiz, Die Hexe, Eine schreckliche Vision u. a. m. Rasche Zurufe der Lehrerin verbessern die Haltung, die Führung der Arme, den Ausdruck der Züge, auf den sie besonderes Gewicht legt. Oft läßt sie nur die Hände ‚sprechen‘ oder die Körperhaltung einen Begriff veranschaulichen.

Da ist ein kleines Dirnlein wie ein Meißner Figürchen, voll Hingabe, Beseeltheit und Ausdrucksfähigkeit, die rührt und ergreift. Das Knirpslein tanzt schon vor, frei, sicher und selbstschöpferisch nach eigener Phantasie. In der Reifeklasse ist es ein schlankes, wie eine Gerte gewachsenes Mädel, das in eigenwillig-prägnanter Form seine Impressionen tänzerisch gestaltet, impulsiv, phantasiereich, ausdrucksstark und von prachtvoller Gelöstheit und Beherrschung der Glieder.

In einer anderen Gruppe wieder ist ein Geschwisterpaar, dem mehr die lyrisch-romantische Note liegt und aus dessen Tanz starkes inneres Erleben und Konzentration sprechen. In jeder Klasse arbeiten sich so Talente in die Spitzengruppe, die der Nachwuchsfrage für die Bühnenlaufbahn eine fühlbare Entlastung bringen könnte.

Der Großteil der Schülerinnen ist natürlich berufstätig oder im Studium angestrengt und empfindet diese wenigen wöchentlichen Tanzstunden als willkommene Erholung und Entspannung, Auflockerung des inneren und äußeren Menschen, und manche, die müde und abgespannt den Saal betritt, verläßt ihn mit einem heiteren Lachen, beschwingten Schrittes und mit frohen Augen, denn Heiterkeit und Frohsinn sind bei Lehrerin und Schülern ein ungeschriebenes, aber tonangebendes Gesetz des Unterrichtes.

Die Weckung der Lebensfreude, des inneren Auftriebes und das Bewußtwerden des eigenen gesunden Körpers ist allein schon ein Erfolg, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und das klassische Ideal: Mens sana in corpore sano zur Grundlage hat.

Eingeleitet und beschlossen werden diese Tanz- und Ausdrucksstudien stets mit Atemübungen, rhythmischer Gymnastik und Lockerungsübungen der Gliedmaßen, die eine wichtige Voraussetzung für die gewissenhafte und eingehende Durchbildung des Körpers sind.

‚Aus eigener Kraft‘ steht als Leitsatz über Fini Pointners Lebenswerk, dessen Leistungskurve steil nach oben strebt, und der Ruf, dessen sich ihre Schule schon heute weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus erfreut, ist ein Beitrag zur kulturellen Leistung unseres Gaues im Schaffen des Gesamtreiches.“


Musikerziehung

Im Rahmen der Veranstaltungen zum 6. Landesschießen fand im Juli 1943 auch ein einwöchiger „Lehrgang für Musikererzieher“ in Innsbruck statt. Die vorrangige Intention dabei war, den Musikerziehern des Gaues die grundsätzliche Bedeutung von Volksmusik als probates Instrumentarium ideologisch fundierter Gemeinschaftspflege erneut zu verdeutlichen. Demgemäß waren Experten der spezifischen Materie wie Norbert Wallner, Karl Horak und Wilhelm Ehmann die Hauptreferenten der Tagung:

„Die Musikerzieher des Gaues Tirol-Vorarlberg, die im Musikschulwerk zusammengeschlossen sind, waren während des Landesschießens zu einem achttägigen Lehrgang unter Leitung des Gaubeauftragten für Musikerziehung, Prof. Dr. W. Ehmann, in Innsbruck versammelt. In der feierlichen Eröffnung, die durch einen Streichquintettsatz von W. A. Mozart, gespielt von Musiklehrern der Innsbrucker und Kufsteiner Musikschulen, eingeleitet wurde, begrüßte Regierungsdirektor Schneider die Musikerzieher im Auftrag des Gauleiters und Reichsstatthalters und wies auf die Volksmusik als den Ausgang einer bodenständigen Musikerziehung hin. Darauf ergriff Prof. Ehmann das Wort zu längeren Ausführungen über das Thema Musikerziehung im Wandel der Geschichte, wobei er die verschiedenen musikalischen Erziehungsideale der Vergangenheit herausarbeitete und daraus die Folgerungen für unsere Gegenwart zog.

Im Laufe der Arbeitswoche wurden folgende Themen in Vorträgen und Arbeitsgemeinschaften behandelt: Das gaueigene Volkslied (Schulrat N. Wallner), der Volkstanz (Dr. K. Horak), Aufbau einer Musikschule (Musikdirektor T. Grad), Musikalische Feiergestaltung, Musikgeschichte des Gaues, Chorische Stimmbildung (Prof. W. Ehmann). Darüber hinaus nahm der Lehrgang an mehreren Arbeitsgemeinschaften der Hitler-Jugend teil, um ein lebendiges Bild von der Arbeit der Jugend zu gewinnen. In den zahlreichen Aussprachen stand[en] die Frage der Volksmusikarbeit an den Musikschulen und das Verhältnis der Musikschulen zur musikalischen Erziehungsarbeit der Hitler-Jugend im Vordergrund. Besuche des Landesschießens, der verschiedenen Ausstellungen und zahlreicher Veranstaltungen der Volkskulturtage vermittelten weitgehende Anschauungen. In einem Schlußappell entwickelte Gauleiter Hofer den Musikerziehern und den Führern der Hitler-Jugend sein Kulturprogramm. Mit einer Aussprache über organisatorische Fragen fand die Arbeitstagung in Gegenwart von Regierungsdirektor Schneider und Hauptkulturstellenleiter [Fritz] Engel ihren Abschluß. Musikdirektor Professor [Fritz] Bachler, Kufstein, brachte in lebhaft empfundenen Worten den Dank aller Tagungsteilnehmer an Veranstalter und Dozenten für die vielfältigen Arbeitsanregungen zum Ausdruck. Die Musikerzieher des Gaues haben mit dieser Tagung einen gemeinsamen Weg beschritten, der sie zu aktiven Trägern einer volksgebundenen Musikpflege machen wird, wodurch sie zugleich der hohen Kunst den notwendigen breiten Boden wieder bereiten helfen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1943, Seite 3; gleichlautend im Tiroler Volksblatt vom 21. Juli 1943, Seite 3).

Dieser das Festprogramm des 6. Landeschießens komplettierenden Zusammenkunft der Musikerzieher war bereits im April 1943 eine Tagung der Gau-Musikschulleiter vorausgegangen mit dem ideologisch vorgeschrieben Ziel der Intention von Musikerziehung, nämlich das „Gemeinschaftsmusizieren“ zu stärken und darum auch den „bodenständigen Volksmusikinstrumenten“ vermehrte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Leiter dieser Tagung, Prof. Wilhelm Ehmann, der vom Gauleiter mit der Funktion der „Führung des Musikschulwerkes“ betraut worden war, erläuterte diese Grundsätze, die in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. April 1943, Seite 3 für die Allgemeinheit zugänglich gemacht sind:

„Gegenstand eingehender Besprechungen waren Fragen der Musikerziehung innerhalb des Standschützenverbandes und der Hitler-Jugend durch die im Musikschulwerk Tirol-Vorarlberg zusammengefaßten Musikschulen. In klarer Erkenntnis der gaueigenen Möglichkeiten und der kulturpolitischen Richtlinien des Gauleiters und Reichstatthalters fördern die Musikschulen neben den auch in Bauernkapellen gespielten Blas- und Streichinstrumenten in erster Linie die noch lebendigen bodenständigen Volksmusikinstrumente wie Harfe, Klampfe, Zither, Holz auf Stroh, Hackbrett und Handharmonika und sorgen für deren Verbreitung bis in das letzte Dorf. Das gleiche gilt auch für das Volkslied und den chorischen Volksgesang.“

Entsprechend der Parteivorgabe, die Gemeinschaft prinzipiell über den Individualismus zu stellen, wird dieses ideologische Grundprinzip auch auf den Musikunterricht übertragen. So sollte an die Stelle einer „starren, nur auf die Hochzüchtung von Einzelleistungen gedachten, konservatorischen Musikerziehung“ eine „fachlich einwandfreihe, von Anfang an aber auf das Ziel des Gemeinschaftsmusikers eingerichtete Ausbildung“ treten. Die Musikausbildung war somit vollständig Dienst an der Partei geworden: „Das Zusammenspiel in der Dorfgemeinschaft, in Parteiveranstaltungen und in der Familie ist ihre [der Musikausbildung] Erfüllung.“

Als weiterer Referent fungierte „Parteigenosse“ Toni Grad in seiner Funktion als „Direktor der Musikschule der Gauhauptstadt Innsbruck“ und „Gebietsmusikreferent“ der Hitler-Jugend. Er befasste sich mit „praktischen Fragen der Schulführung“, wobei er „insbesondere auf die notwendige Lenkung der Schüler zu gemeinschaftsbildenden Instrumenten hinwies“. Von „ausschlaggebender Bedeutung“ sei „die Heranbildung des starken Bläsernachwuchses“ für die Musikkapellen des Standschützenverbandes. Um eine konsequente Musikausbildung nach Parteirichtlinien auch in den Städten und Dörfern des Gaues zu gewährleisten, müsse die Ausbildung von geeigneten Lehrkräften durch die Innsbrucker Musikschule noch intensiviert werden. Sich seiner Mission bewusst erklärte Toni Grad, seine Institution sei mit allen nötigen Ressourcen ausgestattet, um dies zu ermöglichen, so dass keine Notwendigkeit bestünde, „zur Vervollständigung einer musikalischen Berufsausbildung eine ‚anerkannte Musikstadt‘“ in Erwägung zu ziehen. „Die Musikschule der Gauhauptstadt Innsbruck wird als Vorbild und Strahlungspunkt innerhalb des Musikschulwerks die vollständige Berufsausbildung geben können.“ Die Musikschulen in den Kreisen hätten als Hauptaufgabe die „Förderung des Gemeinschaftsmusizierens, vor allem aber der bodenständigen Instrumente“ zu leisten.

Der „Hauptkulturstellenleiter“ im Gaupropagandaamt, „Parteigenosse“ Fritz Engel, schloss die Tagung „mit einem eindringlichen Appell, den er im Auftrag des Gauleiters an die Musikschulleiter richtete, innerhalb des totales Kriegseinsatzes alle Kräfte einzusetzen, um die in unserem Gau gestellten Aufgaben restlos zu erfüllen“.

Der Schulunterricht als „Erziehung zum Gemeinschaftsmenschen“ war Gegenstand einer weiteren Tagung:

„In der ersten Julihälfte fand in Innsbruck ein Reichslehrgang für die Leiter und Mitarbeiter der schulpraktischen Ausbildung der Volksschullehrer an der Lehrerbildungsanstalt statt, zu dem das Reichserziehungsministerium über 70 Teilnehmer berufen hatte. Der Lehrgang diente u. a. der besonderen Methodik der Fächer, die durch die Einordnung der Schule in die Aufgaben der Erziehung zum Gemeinschaftsmenschen erforderlich ist.

Die Richtlinien für eine gegenwartsgemäße Unterrichtsgestaltung legte Ministerialdirigent Staatsrat Schmidt-Bodenstedt dar, außerdem sprachen Oberschulrat Dr. Houlabek und Professor Witt, Dezernent im Reichserziehungsministerium. Den Abschluß des Lehrganges bildete eine Ansprache des Gauleiters und Reichsstatthalters Hofer, der die Aufgaben einer sinnvollen Brauchtumspflege und die Bedeutung des Bergbauerntums behandelte und auf den verantwortlichen Auftrag des deutschen Erziehers von heute hinwies“ (Tiroler Volksblatt vom 21. Juli 1943, Seite 3).


Männerchor

Die Männerchöre hatten schon im 19. Jahrhundert das deutschnationale Lied bevorzugt und waren daher infolge mit der Idee des Nationalsozialismus aufs Engste verbunden. Im Rahmen der Feier zum „hundertjährigen Bestand“ des Wiener Männergesangvereins am 14. November 1943 in der Wiener Staatsoper sprach als Festredner und „Bundesführer“ des Deutschen Sängerbundes der Würzburger Oberbürgermeister Theo Memmel von der „politischen Sendung des deutschen Liedes“. Deutsche Sänger hätten zu Breslau das Wort „Ein Reich, ein Volk, ein Führer“ geprägt. Sein Vortrag kulminierte in der Feststellung: „Das deutsche Lied war ein guter Bundesgenosse des Führers in seinem Kampf um die deutsche Seele.“ Den Höhepunkt des Festaktes bildete die Rede des Gauleiters Baldur von Schirach, der emphatisch das deutsche Lied „als ein Ewiges“ pries, das in allen lebe und dessen Pflege sich der „Jubelverein zur Hauptaufgabe gemacht“ habe (Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1943, Seite 4).

Trotz der kriegsbedingten Schwierigkeiten – die zahlreichen Einberufungen zum Wehrdienst hatten natürlich auch die Männerchöre dezimiert – sollten die Chorvereinigungen weiter im Dienst der Partei aktiv bleiben. So wurde bei einer eigens im März 1943 vom Bundesbeirat des Deutschen Sängerbundes durchgeführten Arbeitstagung in Luxemburg diskutiert, wie das Männerchorwesen künftig im Rahmen parteiorientierter Kulturpflege eingesetzt werden könne. Mit der Überschrift „Neue Aufgaben des Männerchorgesanges“ berichten die Innsbrucker Nachrichten vom 27. März 1943 auf Seite 5 von dieser Initiative:

„Im alten moselländischen Grenzraum trat der Bundesbeirat des deutschen Sängerbundes unter dem Vorsitz seines neuen Bundesführers, Oberbürgermeister Theo Memmel, Würzburg, in Luxemburg zu seiner diesjährigen Arbeitstagung zusammen, um neben vielen wichtigen Fragen auch die der Aktivierung der deutschen Männerchöre für einen recht vielseitigen Einsatz zu besprechen.

Gerade den deutschen Männerchören ist durch die Gründung des nationalsozialistischen Kulturwerkes eine reiche Fülle von Aufgaben für die Feierabendgestaltung der NSDAP. zugefallen. Den Singgemeinschaften wird zur Förderung dieses Gedankens in Zukunft auch eine ausreichende und reichhaltige Literatur zur Verfügung stehen. Wesentlich ist ferner, daß die Männerchöre in noch weit größerem Maße, als das bisher der Fall gewesen ist, im Rahmen ihres Kriegseinsatzes zur Betreuung der Verwundeten sowie für die Zwecke des Kriegs-Winterhilfswerkes und des Deutschen Roten Kreuzes herangezogen werden sollen. Als weitere wichtige Maßnahme wird die verstärkte Fürsorge für die deutschen Chöre im Ausland in die Tat umgesetzt werden.

Die Beiratssitzung ergab das erfreuliche Bild, daß der Deutsche Sängerbund und nicht zuletzt die deutschen Männerchöre willens und entschlossen sind, auch im Kriege ihre Arbeit nicht nur nicht ruhen zu lassen, sondern diese vielmehr noch zu verstärken, um auch weiterhin während des Krieges wertvolle kulturelle Arbeit zu leisten.“

Über die Situation des Männerchorwesens in Innsbruck gibt ein Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Juni 1943, Seite 3 Aufschluss:

„Wie in ungezählte gesellige und künstlerische Vereinigungen, hat der Krieg selbstverständlich auch in das harmonische Gefüge der Sängervereinigung Die Wolkensteiner eingegriffen und die Mehrzahl ihrer Mitglieder im Laufe der Zeit zum Waffendienst gerufen. Infolgedessen war es naturgemäß nicht mehr möglich, die sonst so oft und gern gehörten Gesangsvorträge dieser Meister des heimatlichen Volksliedes, die heute wie einst dieses kostbare kulturelle Volksgut im Geist ihres unvergesslichen Chormeisters Josef Pöll pflegen, zu veranstalten.

Nun hat heuer Pfingsten durch das Zusammentreffen mehrerer glückhaften Zufälle die an verschiedenen Frontabschnitten stehenden Wolkensteiner zu kurzem oder längeren Urlaub wieder in die Heimat geführt, so daß zum erstenmal seit drei Jahren die Freundes- und Sängerrunde der Wolkensteiner wieder so gut wie vollzählig beisammen war. Diese während des Krieges so seltene Gelegenheit hat unsere Sänger veranlaßt, sich wieder ihrer geliebten Kunst zu widmen und zur Feier ihres Wiedersehens unseren verwundeten Soldaten einige Perlen des Volksliedes zu Gehör zu bringen. In Ausführung dieses Vorsatzes boten kürzlich unsere Wolkensteiner in einem Innsbrucker Reservelazarett unseren verwundeten Frontsoldaten einen Liederabend, in dessen Verlauf die schönsten der Pöll-Liedln in klassischer Reinheit aufklangen.

Um an diesem Abend das Heimatliche nicht nur im Lied, sondern auch in der mundartlichen Dichtung zu Wort kommen zu lassen, luden die Wolkensteiner in alter Verbundenheit Schriftleiter Karl Paulin zur Mitwirkung ein, der zwischen den einzelnen Liedervorträgen heitere mundartliche Gedichte und Geschichten zum Vortrag brachte.

Unsere Verwundeten nahmen die Darbietungen dieses Heimatabends mit Begeisterung auf und bedankten die Mitwirkenden mit jubelndem Beifall.“

Auch der Deutsche Männergesangverein beteiligte sich an der Wehrmachtsbetreuung. Mit der Schlagzeile „Lieder und Humor für unsere Verwundeten“ bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 21. Mai 1943, Seite 3 dazu folgende Nachricht:

„Als der Deutsche Männergesangverein Innsbruck am Mittwochabend [19. 5. 1943] wieder einmal mit neuen Liedern zu den Verwundeten des Reservelazarettes II kam, begrüßten ihn viel erwartungsvolle Soldatenaugen als guten alten, wenn auch lange nicht mehr gehörten Freund. Sie ließen die Freude an den zu erwartenden Darbietungen erkennen, mit denen die Männer des Vereines – wie ihr Führer in einer kurzen Einleitung versicherte – ein kleines Zeichen des Dankes an unsere tapferen Soldaten auszudrücken versuchten. Es ist anerkennenswert, daß dieser Chor auch jetzt unter erschwerten Umständen eine gut durchgearbeitete, gediegene, künstlerische Leistung zu bieten vermag. Sei es bei den getragenen Liedern zu Beginn, dann bei den leichteren, munteren, sei es endlich bei dem heiteren Italienischen Salat, einem Singspiel, das seiner schwierigen Einsätze wegen strenge Anforderungen an die Sänger stellt – immer erfreute man sich aufs neue an dem reinen vollen Zusammenklang der Stimmen. Besondere Freude erregten auch die zur Auflockerung des Programmes gebotenen lustigen Mundartvorträge des Sangesbruders Prisner. Begeisterter Beifall, der schon während der Vorträge manche Wiederholung erzwungen hatte, dankte den Sängern für ihre schönen Darbietungen.“


Symphoniekonzerte

Die Reihe der Symphoniekonzerte der Saison 1942/43 wurde am 21. Jänner 1943 im Großen Stadtsaal in Innsbruck fortgesetzt. Veranstaltet von der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude brachte das Reichsgau-Symphonieorchester unter der Leitung von Kapellmeister Hans-Georg Ratjen ein national betontes Programm mit Werken von Carl Maria von Weber, Wolfgang Amadé Mozart und Franz Schubert. Karl Senn berichtet in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Jänner 1943, Seite 6:
„[…] Den vielfältigen Reiz der Oberon-Ouvertüre wußte Kapellmeister Ratjen durch prägnantes Herausarbeiten rhythmischer und dynamischer Belange, wie durch belebende Melodieführung zu erhöhen.

Die Flöte als Soloinstrument ist selten im Konzertsaal zu hören. Professor Rudolf Niedermayer ein ganz ausgezeichneter Beherrscher seines Instrumentes [und Erster Soloflötist der Wiener Philharmoniker], hat uns mit seinem flüssigen, silbernen Ton das Mozartsche Flötenkonzert in D-dur, Köchel-Verz[eichnis] 314, sehr zu Dank gespielt […].

Schuberts 7. Symphonie in C-dur, überreich an Erfindung und Fülle der Tongedanken wie an Schönheit der Klangfarben, voll überströmender Phantasie, bildetet den Abschluß […].

Das Orchester hatte einen besonders glücklichen Tag und spielte mit vollster Hingebung. Die freudige Anteilnahme der Zuhörer war an dem reichen Beifall zu erkennen.“

Beim fünften Symphoniekonzert Ende Februar 1943, das wiederum ausschließlich „deutschem Musikschaffen“ gewidmet war, konnte sich zu Beginn Robert Nessler als lokales Komponistentalent präsentieren. Der Zeit entsprechend fügte er sich den kulturellen Erwartungen in der inhaltlichen Thematik und Stilistik seiner Komposition. Über das Konzert informiert Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 27. Februar 1943, Seite 5:

„Im 5. Symphoniekonzert, das Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjen leitete, kamen drei wesenhaft verschiedene Werke zur Aufführung, die von der Vielfalt deutschen Musikschaffens beredtes Zeugnis ablegten. Eingangs ein Concertino im alten Stil von Robert Neßler, einem jungen hochbegabten Innsbrucker Komponisten, der zur Zeit den Soldatenrock trägt. Schade, daß der Große Stadtsaal nicht gerade der Rahmen war für das kammermusikalisch fundierte Werk, das in Inhalt und Formung an alte Vorbilder gemahnt […].

Die acht Variationen Johannes Brahms’ über den ‚Chorale St. Antoni‘, einer Haydn’schen Feldpartie entnommen, zeigten den norddeutschen Meister bereits als den kommenden Symphoniker und gaben dem Orchester und seinem Dirigenten stellenweise heikle Aufgaben zu lösen. Kapellmeister Ratjen entfaltete denn auch den auf Farbe und Bewegung abgestellten Klangzauber der Partitur.

Noch mehr kann die Wiedergabe der Fünften von Anton Bruckner nach der Originalfassung als ein für das Innsbrucker Musikleben bedeutsames Ereignis gebucht werden […]. Unser Orchester verstärkt durch einzelne Mitglieder des Bayrischen Staatsorchesters, zeigte sich mit voller Hingabe am Werke. Man verdankte ihm diesmal einen von aller Tünche befreiten, echten Bruckner […].

Ein besonderes Fazit dieser Brahms-Bruckner-Darbietung: Opernkapellmeister Ratjen zeigte sich auch symphonischen Aufgaben vollends gewachsen. Mit sicherem Formempfinden und seinem Ohr erschloß er uns das monumentale Meisterwerk. Das von sichtlicher Spielfreude getragene Orchester, das in all seinen Gruppen den Intentionen des Dirigenten Folge leistete, wurde zum Schlusse in die begeisterten Ovationen der Zuhörerschaft miteinbezogen und aufs herzlichste gefeiert.“

Auch beim sechsten Symphoniekonzert wurde dem Publikum mit Werken Robert Schumanns ausschließlich deutsche Kunst geboten, wie es die Partei wünschte, um den einzigartigen Stellenwert der nationalen Kulturleistung propagandistisch zu verwerten. Das Programm enthielt die Manfred-Ouvertüre, das Klavierkonzert in a-Moll op. 54 (mit dem jungen Berliner Pianisten Hans Priegnitz) und als krönenden Abschluss nach der Pause die Symphonie in B-Dur die sogenannte Frühlingssymphonie. Das Reichsgau-Symphonieorchester leitete Hans-Georg Ratjen. Zu seiner Leistung schreibt Hermann Josef Spiehs:

„Das Orchester [befand sich] fast durchwegs in vorbildlicher Disziplin und Uebereinstimmung mit dem Dirigenten, der sich das einem Richterschen Gemälde vergleichbare Frühwerk des damals in seinem Lebensfrühling stehenden Komponisten so sehr zu eigen gemacht [hatte], daß er es ohne Zuhilfenahme der Partitur dirigierte und darüber hinaus mit wohlabgestuftem Klangkolorit und mit den bei Schumann unerläßlichen dynamisch-agogischen Besonderheiten erfüllte. Anteilnahme und Beifall der Zuhörer waren von begeisterter Zustimmung getragen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 29. März 1943, Seite 4).

Natürlich fügte sich auch das siebte Symphoniekonzert am 23. April in das Motto nationaler Kulturdemonstration. Diesmal dirigierte Intendant Max Alexander Pflugmacher selbst sein Reichsgau-Symphonieorchester mit Werken von Richard Wagner (Ouvertüre zu Lohengrin), Max Büttner (Konzert für Harfe und Orchester) und Anton Bruckner (2. Symphonie in c-Moll):

„[…] Aetherisch fein erklang das Vorspiel zu Lohengrin von Richard Wagner […]. Das anschließend gespielte Konzert für Harfe und Orchesterließ die Klangschönheiten des königlichen Instrumentes in reichem Ausmaße zur Geltung kommen und bestätigte den Ruf Max Büttners als Harfenisten in vollem Umfange. Musikalisch, kompositionstechnisch vermochte das Werk allerdings nicht zu überzeugen, es fehlte ihm vor allem an der Durchformung der nur angedeuteten motivischen Gedanken und strukturellen Formen.

Anton Bruckners 2. [Symphonie] in c-moll bildete den wirkungssicheren Abschluß dieses Konzertes. M. A. Pflugmachers äußerlich beherrschte, dafür kultivierte Art des Dirigierens wurde gerade diesem Opus in hohem Maße gerecht […]“ (Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 27. April 1943, Seite 4).

Im Mittelpunkt des achten Symphoniekonzerts am 19. Juni stand Professor Wolfgang Schneiderhan, dessen Interpretation von W. A. Mozarts Violinkonzert in A-Dur KV 219 mit „stürmischen Beifall“ gefeiert wurde. Zu Beginn spielte das „verstärkte“ Reichsgau-Symphonieorchester unter Dirigent Hans-Georg Ratjen die Opertüre zu Mozarts Oper Die Hochzeit des Figaro, als wirkungsvollen Abschluss des Abends Ludwig van Beethovens begeisternde 7. Symphonie in A-Dur op. 92 (Innsbrucker Nachrichten vom 22. Juni 1943, Seite 3).

Beim ersten Symphoniekonzert der Saison 1943/44 kam die Partita für Solovioline und Orchester des Innsbrucker Komponisten Emil Berlanda zur Uraufführung. Als Solist wirkte Prof. Bernhard Leßmann, Konzertmeister der Berliner Oper. Über das wiederum national dominierte Konzertereignis am 7. Oktober berichtet Albert Riester im Völkischen Beobachter. Münchener Ausgabe. Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands vom 15. Oktober 1943:

„Mit den festlichen Klängen des Meistersingervorspieles von R. Wagner wurde der symphonische Winter 1943/44 eröffnet. Die Durchführung der Symphoniekonzerte liegt bei der NS.-Gem[einschaft] Kraft durch Freude und dem Reichsgautheater Innsbruck. Mit Spannung wurde die Uraufführung der dreisätzigen Partita für Solovioline und Orchester des Tiroler Komponisten Emil Berlanda erwartet. Berlanda, durch seine Mozartvariationen und seine Ballettmusik in weiten Kreisen bekannt geworden, hat neuerdings sein gediegenes satztechnisches Können und seine starke Erfindungsgabe unter Beweis gestellt. Polyphon gearbeitet, ergibt sich ein oft wunderbar schönes Wechselspiel zwischen Sologeige und den solistisch gehaltenen begleitenden Instrumentalgruppen. Besondere Tiefe und Innerlichkeit atmet der langsame 2. Satz. Eine Passacaglia mit strahlenden Höhepunkten beschließt das Werk, das das Wollen der alten Meister glücklich mit modernem Empfinden verbindet und ungemein farbig und klanglich differenziert orchestriert ist. Professor Bernhard Leßmann, Berlin, war dem Werk ein virtuoser und verständnisvoller Wegbereiter. Der Komponist und seine Mithelfer konnten einen starken Beifall buchen. M[ax] A[lexander] Pflugmacher, der Dirigent des durch Mitglieder der Bayerischen Staatskapelle verstärkten Reichsgau-Symphonieorchesters, beschloß den schönen Abend mit Anton Bruckners 3. Symphonie.“

Es erscheint geradezu grotesk, wie die Symphonien des tief religiösen Anton Bruckner die Programme der Konzerte in der NS-Zeit dominierten. Dies folgert sich wohl weniger aus der Verehrung seiner überragenden Künstlerschaft, sondern war vermutlich vielmehr eine symbolische Referenz an den „Führer“, der wie Bruckner aus Oberösterreich stammte. Beide verband zudem ihre große Bewunderung Richard Wagners.
Abermals durch Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters verstärkt brachte das Reichsgau-Symphonieorchester am 13. November 1943 im Rahmen des zweiten Symphoniekonzerts mit Werken Ludwig van Beethovens und Richard Wagners ideologisch folgerichtig eine Apotheose der deutschen Tonkunst. Auf Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, op. 72a folgten Wagners Wesendonk-Lieder („Der Engel“, „Schmerzen“, „Träume“) und der Schlussgesang „Liebestod“ aus Tristan und Isolde mit Kammersängerin Anna Konetzny von der Wiener Staatsoper als überragender Solistin, die insbesondere in den Wesendonk-Liedern „feinste ätherische Stimmungen und eine völlige Verklärtheit des Ausdrucks, aber auch wahrhaft-heldische Größe offenbarte“ (Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. November 1943, Seite 4). Beethovens grandiose 3. Symphonie bildete in „heroischer Erhabenheit“ den wirkungsvollen Abschluss des Konzertabends.

Über das dritte Symphoniekonzert berichtet Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943, Seite 5:

„Im Mittelpunkt des 3. Symphoniekonzertes, das am Freitag, den 3. d[ieses] M[onats Dezember], unter Leitung von Kapellmeister H[ans] G[eorg] Ratjen im Großen Stadtsaal in Innsbruck stattfand, stand Franz Liszt, der Vertreter der Neudeutschen Richtung, die gerade im Revolutionsjahr 1848 (Entstehungsjahr des gespielten A-dur-Klavierkonzertes) von Weimar aus den musikalischen Fortschritt propagierte. Den Niederschlag dieser Richtung, zu der ja auch die großen Klavierwerke Franz Liszts zählen, bildet die sogenannte Programmusik.

Professor Josef Pembaur [jun.] spielte, vom Reichsgau-Symphonieorchester begleitet, das vorzitierte Klavierkonzert A-Dur, das im Gegensatz zu den anderen Klavierkonzerten mehr die lyrische und hymnische Art Lisztscher Musik betont. Der legendäre Ruf, den unser Landsmann gerade als ‚Liszt-Spieler‘ genießt, bewahrheitete sich wieder hervorragend. Man empfand das Konzert wirklich als ‚Tonpoesie‘ […].

Der Beifall des Publikums war demgemäß auch Ausdruck größter Herzlichkeit und Verehrung.

Umrahmt wurde dieses Klavierkonzert von zwei Werken bekenntnisverwandter Komponisten: Friedrich Smetana und Anton Dvorak. Aus dem sinfonischen Zyklus Mein Vaterland von Smetana hörten wir Werk 2, betitelt Die Moldau […].

Anton Dvoraks ‚Symphonie in e-moll, op. 95‘ (Aus der neuen Welt), ebenfalls ein Beispiel für jene Einheit von Kunst- und Volksmusik, und darüber hinaus gesunde Programmusik, gab mit ihren solistischen Details und den ungewohnten synkopierten Rhythmen den Spielern und Zuhörern erhöhten Anreiz. Die beschwingte, von Musizierlust getragene Wiedergabe der Symphonie wurde ebenfalls reichlich bedankt.“

Es ist bemerkenswert, wie der Rezensent bemüht ist, das Programm ideologisch zurechtzurichten, indem er die Komponisten Smetana und Dvorak zu künstlerischen Gefolgsleuten Franz Liszts erklärt. Bei Dvoraks Symphonie wird deren Amerika-Bezug bewusst unterschlagen, ihre Stilistik im Sinne nationalsozialistischer Idealvorstellungen als Einheit von Kunst- und Volksmusik deklariert und dabei verschwiegen, dass die „ungewohnten synkopierten Rhythmen“ auf musikalische Traditionen der amerikanischen Urbevölkerung Bezug nehmen.


Kammerkonzerte – Serenaden-Konzert blinder Künstler

Für die von der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude veranstalteten Kammerkonzerte wurden hauptsächlich heimische Interpreten herangezogen. Als besonders engagiert erwies sich dabei der „Konzertmeister des Innsbrucker Konservatoriums“ Roman Wisata, der sich auch wiederholt an ausgedehnten Tourneen im Rahmen der Wehrmachtbetreuung beteiligte. Mit einem für solche Unternehmungen typischen Programm, das eine musikhistorische Tour d’Horizon vom Barock bis in die Gegenwart anbot und mit einem Stück von Robert Nessler auch Lokalkolorit aufwies, bestritt Roman Wisata zusammen mit der Innsbrucker Pianistin Herta Reiß am 25. Jänner 1943 im Großen Stadtsaal einen Violinabend. Karl Senn berichtet:

„Wisata, der erst vor kurzem wieder bei seinen Konzertreisen sehr schöne Erfolge erzielt hatte, bewies an diesem Abend neuerdings großes Können und reife Künstlerschaft; seine brillante Technik, ein süßer Ton von eigenartigem Schmelz und Zauber, vor allem auch sein temperamentvolles Spiel zeigten ihn als Geiger von großem Format. Von A. Corelli, dem Klassiker innerhalb des italienischen Barock, spielte er die berühmte Variationenfolge La Folia, groß im Ausdruck, beseelt im Ton und brachte sie damit zu eindrucksvoller Wirkung. Eine ganz ausgezeichnete, klanglich gesättigte, tief empfundene Wiedergabe erfuhr die dritte Violin-Klaviersonate in d-moll, Werk 108 von Johannes Brahms […]. Die dankbare Romanze in G-dur von Beethoven wirkte nach dieser Sonate wie eine in zartesten Pastellfarben gehaltene wunderbare Idylle.

Eine Neuheit brachte Wisata mit der Aria des Innsbrucker Komponisten Robert Neßler. Mit ihrer eigenartigen Thematik und ihren harmonisch wechselvollen Bildern, die oft geheimnisvoll Geigen- und Klavierton mischen, klingt sie wie aus mittelalterlicher Mystik geboren. Es folgten dann noch Mazurka von Sibelius, Romanza Andaluza von Sarasate, Aus der Heimat von Semetana, wie eine Reihe von Zugaben, mit denen Wisata für den reichen Beifall seiner Zuhörer danken mußte. Herta Reiß war ihm eine sorgsame, seine künstlerischen Absichten bestens unterstützende Begleiterin, die namentlich auch in der Brahms-Sonate ihren Klavierpart mit Virtuosität beherrschte. Besonders fiel ihr weicher, schmiegsamer Anschlag auf, der auch im Forte voll edlen Glanzes und sinnvoller Kraft war“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Jänner 1943, Seite 4).

Einen weiteren Konzertabend mit Roman Wisata und Herta Reiß kündigen die Innsbrucker Nachrichten vom 19. November 1943, Seite 5 für den 23. November im Großen Stadtsaal in Innsbruck an. Auch für dieses Projekt hatten die Künstler eine Uraufführung von Robert Nessler vorbereitet:

„Konzertmeister Roman Wisata, in Innsbruck aber auch in vielen großen Musikzentren, wie Wien, Prag, München, längst als Geiger von hoher Klasse geschätzt, gibt auch in dieser Saison einen Konzertabend. Das Programm ist besonders sorgfältig und abwechslungsreich gewählt. Den Beginn macht eines der schönsten altitalienischen Geigenstücke – die Ciaccona von Vitali; die edle A-dur-Sonate von Mozart (K.V. 305) führt in schöner Gegenwirkung ins Land der deutschen Musikseele; auch die vielgespielte, melodiöse, Herz und Ohr erfreuende A-dur-Sonate des (Deutsch-) Vlamen Cäsar Franck gehört in diese Bezirke. Besonders verdienstvoll ist das Eintreten für heimische Begabungen: als Neuheit spielt der Künstler ein dreisätziges Concertino des schon öfter bedeutsam hervorgetretenen Innsbruckers Robert Neßler. Den Abschluß bilden virtuose Stücke von Paganini, Suk und de Falla (Spanier). Als oft bewährte Helferin von hohem Rang steht dem Künstler wie im Vorjahre die heimische Pianistin Herta Reiß zur Seite.“

Zur nächsten kammermusikalischen Veranstaltung informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 3. Dezember 1943 (Seite 4) in einer Vorschau auf das Programm eines Klavierabends des jungen schwedischen Konzertpianisten Hans Leygraf, der erst kürzlich zum Leiter der „Klavierausbildungsklasse“ des Innsbrucker Konservatoriums berufen worden war:

„Den Eingang bildet eine der prächtigen, vielsätzigen Suiten von J. S. Bach, dem als kurzes Zwischenstück Josef Haydns selten gehörtes Andante con variazioni f-moll folgt. Beethovens ausgedehnte, jugendliche Sonate A-dur, op. 2/2. beschließt den ersten Teil. Als willkommene Neuheit steuert der Künstler eine viersätzige Sonatine seines schwedischen Landsmannes Lars-Erik Larsson bei. Den Schluß bildet die selten gespielte dritte Sonate in h-moll, op. 58, von Chopin, die vom Künstler den vollen Einsatz seines pianistischen Könnens verlangt. Hans Leygraf ist im Reich und auch im Ausland durch viele Konzerte als einer der begabtesten jungen Pianisten bekannt geworden.“

Die Konzertbesprechung von Hermann Josef Spiehs enthält in der abschätzigen, vermutlich rassisch begründeten Beurteilung der Musik Debussys und de Fallas auch polemische Elemente, die in dieser widerlichen Art seinem Vorgänger als Konzertkritiker Karl Senn wohl niemals in den Sinn gekommen wären:

„Der Leiter der Klavierausbildungsklasse des Innsbrucker Konservatoriums Hans Leygraf veranstaltete am 9. Dezember im Stadtsaal ein Klavierkonzert, das sehr gut besucht war […].

Der Pianist erntete für sein aus dem Gedächtnis gespieltes Programm reichen Beifall, der ihn zu mehreren Zugaben veranlaßte. Auch solch mehr modernen Piecen eines Debussy, de Falla usw. scheint der Pianist sein Interesse zuzuwenden, hoffentlich in nicht allzu starkem Ausmaß, denn sein Können und seine evident wirksame Musikbegabung verdienen Besseres! Verschiedene Eigenkompositionen, bereits erfolgreich uraufgeführt, und Kompositionsaufträge durch die Münchner Philharmoniker, bestätigen einem die durch dieses Klavierkonzert gezeigte allgemeine musikalische Könnerschaft Hans Leygrafs und berechtigen zu ganz großen künstlerischen Hoffnungen.“ (Innsbrucker Nachrichtenvom 11. Dezember 1943, Seite 5).

Die mittlerweile zur Tradition gewordenen Serenaden im Hof des Volkskunstmuseums fanden 1943 mit drei Konzertabenden ihre Fortsetzung. Initiator wie Veranstalter war das Reichsgau-Symphonieorchester. Die erste Serenade wurde am 25. Juni mit einem von Hans-Georg Ratjen gestalteten stimmigen Programm mit eingänglicher Klassik durchgeführt (Innsbrucker Nachrichten vom 23. Juli 1943, Seite 4):

Joseph Haydn, „Symphonie in G-Dur“ – Robert Volksmann, „Serenade Nr. 3 in d-Moll“ – Hugo Becker, „Largo für Violoncello und Streichorchester“ (Solist Max Becke), schließlich als stimmungsvoller Abschluss Franz Schuberts „Ouverture und Ballettmusik“ ausRosamunde.

Den Verlauf der zweiten Serenade mit einem besonders bunten Programm musikalischer Pretiosen, offensichtlich bewusst ausschließlich aus deutscher Musiktradition, hält Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juli 1943, Seite 4, fest:

„Unter der bewährten Leitung des Opernkapellmeisters Hans-Georg Ratjen fand am Dienstag, den 6. Juli, im Rahmen der Festwochen [des 6. Landesschießens] unter Mitwirkung des beliebten Tenors unseres Reichsgautheaters Rudolf Christ im Hofe des Tiroler Volkskunstmuseums die zweite vom Reichsgau-Symphonieorchester ausgeführte Serenade statt. Ein bald nach Beginn der Serenade einfallender Regen legte sich wie ein leichter Schleier über die akustischen Vorgänge, konnte aber die Stimmung der Zuhörer nicht stören. Eröffnet wurde der Abend mit Johann Sebastian Bachs viersätziger Suite in D-dur. Dann spielte Herbert Berberich, Mitglied des Reichsgau-Symphonieorchesters, derzeit bei der Wehrmacht, den ersten Satz aus dem Konzert für Oboe und Orchester von Josef Haydn […]. Fein ausgefeilt kam Mozarts Ouvertüre zur Oper Titus zum Vortrag. Eine seltene Gabe war Beethovens Oktett in Es-dur, Werk 103, für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte […].

Das inzwischen stärker gewordene Rauschen des abendlichen Regens wirkte für die Vorträge Rudolf Christs recht störend. Er sang mit seiner schönen lyrischen Stimme vier Lieder mit Harfenbegleitung: Beethovens Ich liebe dich, Schuberts An den Mond, Brahms’ Wie Melodien zieht es mich und Hugo Wolfs Gesang Weilas, an der Harfe von Elisabeth Bayer ausgezeichnet begleitet.

Den Schluß des Abends bildete die Serenade für Orchester, Werk 48, von Clemens von Frankenstein, ein an klanglichen Wirkungen reiches, in der Erfindung eigenartiges Werk […].

Die die Arkaden voll besetzt haltenden Zuhörer spendeten allen Darbietungen reichen Beifall.“

Die dritte Serenade am 19. Juli brachte als Reprise der erfolgreichen Darbietung des Vorjahres Johann Wolfgang von Goethes Schäferspiel Die Laune der Verliebten, das wiederum von Schülerinnen der Opern- und Schauspielschule in Szene gesetzt wurde (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Juli 1943, Seite 4).

Über ein Solistenkonzert erblindeter Künstler berichtet Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Mai 1943, Seite 4:

„Am 9. Mai musizierten im Stadtsaal zu Innsbruck drei erblindete Künstler aus dem benachbarten Bayern. Ihre Programmzusammenstellung ließ nebst dem technischen Können auf wirkliche Musikalität und Verantwortlichkeit gegenüber den darzubietenden Werken schließen.

Der Cellist Josef Dohlus spielte die Gesangsszene von Hugo Kaun, die Suite für Violoncello undKlavier von Yrjö Kilpinen, ferner ein Adagio von Franz Schubert und ein Rondo von Boccherini mit stärkster innerer Anteilnahme und fast durchwegs idealer Klanggebung. Saubere Bogentechnik, ein modellierfähiger, kantilenenhafter Ton, eine klare Gliederung der einzelnen Themen und Sätze zeigten ihn als den vollendeten Meister seines Fachs. Dasselbe gilt vom Pianisten Max Hohner, der Chopin (Nocturne und Impromptu in Ges-dur) und Liszt (Waldesrauschen) mit Geist und Bravour zu gestalten wußte; der überdies als Begleiter staunenswerte Sicherheit und Sachkenntnis bewies. Frau Viktoria Fischer besitzt einen warm und weich ansprechenden Sopran. Mich echt fraulicher Empfindung weiß sie die einzelnen Liedtexte zu beseelen. Ihre Aussprache und Tonschattierung sind völlig untadelig; die oft zu Unrecht gerühmte ‚große Stimme‘ weiß sie durch Ausgeglichenheit des Vortrags durch die mustergültige Textbehandlung geschmackvoll zu ersetzen. Daß sie nebst Richard Strauß, Hugo Wolf und Max Reger auch zeitgenössische Tonsetzer zu Worte kommen läßt, diesmal Dr. Mixa, Graz, mit vier anspruchsvollen, dabei wirklich ansprechenden Liedern, verdient ein Sonderlob.

Die drei Künstler ernteten für ihre Darbietungen großen Beifall. Ganz besonders erfreute die Anteilnahme der jugendlichen Kreise Innsbrucks an dieser musikalisch vollwertigen Veranstaltung.“


Gast- und Meisterkonzerte

Das Veranstaltungsprogramm der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude vermittelte neben den lokalen Konzertinitiativen auch eine Vielzahl von Gastkonzerten mit zum Teil renommierten Künstlern. Hier kamen die Vorzüge einer bestens organisierten überregional wirksamen Verwaltungsstruktur zu idealer Geltung. Bereits für Anfang Jänner konnte der Pianist Erik Then-Bergh, „Nationalpreisträger“ des Jahres 1940, für einen Klavierabend im Großen Stadtsaal gewonnen werden. Er hatte bereits im Vorjahr sein Innsbrucker Debüt gegeben. Den Verlauf der Veranstaltung schildert Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Jänner 1943, Seite 4:

„Sein überaus sauberes, technisch in allen Belangen vollkommen ausgeglichenes Spiel ließen in dem Künstler wieder den feinen Gestalter von großer Musikalität erkennen.

Zu Beginn spielte er fünf einsätzige Sonaten von Domenico Scarlatti […]. Die fünf, von Then-Bergh gespielten Sonaten kamen in bravouröser Weise, auf ihre elegante Spielfreudigkeit hin angelegt, zu ausgezeichneter Wirkung.

Als interessantes Gegenstück hörte man Schuberts sechs Moments musicaux, Werk 94, romantische Charakterstücke vielfältiger Stimmungen, technisch und tonlich sein ausgewoben gespielt.

Johannes Brahms’ fis-moll-Sonate, Werk 2, noch vor der als Werk 1 erschienen C-dur-Sonate entstanden, ist trotz ihrer wild-phantastischen Anlage, die am wenigsten dankbare seiner Sonaten; sie verlangt vom Spieler besonderes Gestaltungsvermögen und übersichtliches Abwägen der vielfachen Bilder, die bald Riesen aus der nordischen Sage, bald Märchengestalten zu gleichen scheinen. In überzeugender Weise hat Then-Bergh den Charakter des Werkes zum Ausdruck gebracht.

Chopins 24 Préludes, Werk 28, bildeten in ihren schlackenreinen, alle Wirkungen herausholenden Wiedergabe den Schluß und zugleich den Höhepunkt des Abends. Seinen beifallsfreudigen Zuhörern dankte Then-Bergh dann noch mit Zugaben.“

Wenige Tage nach diesem pianistischen Event bot die Konzertunternehmung Johann Groß mit dem Auftritt des Geigers Franz Bruckbauer im Rahmen des „dritten Meisterkonzerts“ am 14. Jänner im Großen Stadtsaal dem Innsbrucker Publikum eine weitere Begegnung mit einem herausragenden Interpreten: Wiederum ist Karl Senn der berufene Berichterstatter (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Jänner 1943, Seite 4):

„Professor Bruckbauer gehört wohl mit zu den in Innsbruck am meisten geschätzten Künstlern. Er überrascht immer wieder durch seine große Meisterschaft, mit der er alle Probleme des Violinspiels spielend bewältigt und seine Höchstleistungen immer wieder zu steigern scheint; sei es sein energiegeladener Rhythmus, sein kraftvoll männlicher Ton, sein in samtener Weiche blühendes Piano oder sei es sein idealer, von künstlerischer Strenge getragener Ausdruck, immer wird man in ihm den begnadeten Künstler erkennen, der heute zu den ersten Größen unter den Geigern zählt […].

Nach der Pause spielte der junge Meister Stücke mehr virtuosen Charakters: Satyr und Dyrade von Nandor Zsolt, Rumänischer Tanz von Georg Dinicu, Pantomime und Spanischer Tanz von Manuel de Falla, denen er noch eine Reihe von Zugaben folgen lassen mußte. Kurt Neumüller war ein ausgezeichneter Mitarbeiter am Flügel, der das Bild künstlerischer Vollendung abrundete und damit den großen Erfolg des Abends mitbestimmte.“

Das Programm des ersten Konzertteils enthielt die Teufelstriller-Sonate von Tartini, Beethovens Violinsonate in c-Moll, op. 30/2 und Richard Strauss’ Jugendwerk, seine Sonate für Violine und Klavier in Es-Dur (vgl. Konzertvorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Jänner 1943, Seite 4).

Auf Einladung der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude unternahm im Februar 1943 der bulgarische Cellovirtuose Slavko Popoff eine Tournee durch das Gaugebiet. Stationen seiner Gastspielreise waren u. a. Innsbruck, Bregenz, Feldkirch und Kitzbühel (vgl. Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Jänner 1943, Seite 3).

Vom Innsbrucker Auftritt des Virtuosen berichtet Hermann Josef Spiehs, wobei die kritischen Anmerkungen zum Programm und dessen Interpretation im selbstgefälligen Tonfall überwiegen (Innsbrucker Nachrichten vom 10. Februar 1943, Seite 4):

„Der bulgarische Cellist Professor Slavko Popoff spielte am 7. Februar im Rahmen der KdF.-Veranstaltungen in Innsbruck. Seine Vortragsfolge enthielt Werke (zumeist Bearbeitungen für das Violon-Cello) fast aller musikalischer Stilgattungen von J. S. Bach bis Chopin und Cassado, war mithin virtuos und konzertant abgestimmt im guten wie im schlechten Sinne. Sehr zu begrüßen wäre es jedenfalls, wenn gerade Solisten von Rang diesen internationalen Habitus von gestern ablegen wollten, um im Sinne einer zeitgemäßeren Musikauffassung ihr Programm zu gestalten. Die Devise ‚Für jeden etwas‘ mag ja in vielem gut und recht sein, es hieße aber den Zweck der KdF.-Konzerte verkennen, wollte man sie uneingeschränkt dominieren lassen.

Gespielt wurde brillant und sauber, unter Ausnutzung aller technischer Kenntnisse und Finessen; manchmal, insbesondere was die deutschen Komponisten anbelangte, mit etwas zuviel Tempo und Charm, auf bloße Wirkung berechnet […]. Eine Bearbeitung echter bulgarischer Volksweisen anstelle der nur auf Farbe bedachten, im übrigen belanglosen Chopin-Bearbeitungen wäre uns volkskulturell bedeutsamer erschienen.

Gerhard Bunk am Flügel hatte an dem reichlich gespendeten Beifall verdienten Anteil.“

Als eine Veranstaltung, „die den Stempel des Außergewöhnlichen trägt“, wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Februar 1943 auf Seite 4 der Auftritt des Pianisten Willy Hülser mit Bachs Wohltemperiertem Klavier angepriesen. Die Ausführung dieses auch das Durchhaltevermögen begeisterter Bachverehrer in Anspruch nehmende Projekt schildert wiederum Hermann Josef Spiehs (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Februar 1943, Seite 5):

„Der Düsseldorfer Pianist Willy Hülser hat es sich seit langem zur Aufgabe gestellt, aktiv für Johann Sebastian Bach zu werben. In bereits mehr als zwanzig KdF.-Konzerten spielte er Bachsche Klavierwerke. Die beiden Innsbrucker Abende am 13. und 14. Februar im Saal der Städtischen Musikschule galten der Gesamtdarstellung des Wohltemperierten Klaviers, dem bedeutendsten Präludien- und Fugenzyklus aus der Feder des Großmeisters der deutschen Musik. Hülser hielt sich in seiner Darbietung nicht an die gedruckte chromatische Werkfolge (C-dur, Cis-dur usw.), sondern stellte eine teils harmonische, teils werklich-formale Bindung der einzelnen Stücke durch Mischung der Tonartenfolge her. Er vermied so die gewissermaßen starre, rein akustisch gedachte und auf den Werktitel abgestellte Aneinanderreihung innerlich wesensfremder oder allzuverwandter Formen.

Hülser spielte seinen Bach, so wie er ihm durch jahrelanges Studium geläufig und vertraut geworden […]. All dessen wurde man sich beim Bachspiel Willy Hülsers beglückt bewußt, das seine Stärke in gründlicher Werkkenntnis und in einer scheinbar bereits angeborenen Musikalität erweist. Kleinere technische Mängel fielen bei der ehrlichen, gradlinigen Darstellungsweise weniger ins Gewicht, das Werk als solches stand für den ausübenden Künstler und für die mit viel Lerneifer und Verständnis ausharrende Zuhörerschaft weit im Vordergrund. Ob man die Vortragsfolge aber nicht doch besser auf drei Abende verteilt und durch andersartige Klaviermusik Bachs (Suiten, Fantasien, Tokkaten) bereichern hätte sollen, bleibt eine andere Frage – manchmal schien es des Guten fast zu viel!“

Vom bereits traditionellen Gastspiel des Violinvirtuosen Vasa Prihoda berichtet einmal mehr Hermann Josef Spiehs und drängte Karl Senn als Musikkritiker nach und nach in den Hintergrund:

„Der in Innsbruck stets gern gehörte Meistergeiger Vasa Prihoda spielte am Donnerstag, den 18. d[ieses] M[onats März 1943], im Stadtsaal. Erwies er im ersten Teil seiner Vortragsfolge hohe Musikalität gegenüber den darzubietenden Werken, so entfaltete er im zweiten außerdem sein ganzes technisch-virtuoses Können und schlug damit wie immer das übervolle Haus in seinen Bann.

Anton Dvoraks vielgespielte viersätzige Sonatine in G-dur und Johannes Brahms’ Sonate in d-moll gaben dem Abend so recht das geigerisch bedeutsame Gepräge, zumal der Künstler darin vorbildliche Genauigkeit in Auffassung und Interpretation anstrebte […].

Geigerische Urkraft, volkshaft gebundenes Temperament und Musikempfinden offenbarte der gefeierte Künstler in den virtuosen Kleinwerken eines Friedrich Smetana (Aus der Heimat; zwei Duos für Violine und Klavier in A-dur und g-moll), Vasa Prihoda (Slawische Melodie), Pablo de Sarasate (Jata Raparra), unter denen das [!] Air von J. S. Bach aufleuchtete wie der Weihegesang eines Skalden. Eine werkgemäße Modellierung des Tones, ein Pizzikato von kristallklarer Prägung und ein blitzblankes Flageolett nebst der spielerisch gelungenen, vielgriffigen Akkordik übten auch diesmal wieder den bei Vasa Prihoda längst sprichwörtlich gewordenen und durch seine Künstlerpersönlichkeit noch verstärkten Spielzauber aus.

Unsere heimische Konzertpianistin Herta Reiß hatte an Stelle von Prof. Graef die Klavierbegleitung übernommen. Sie löste diese Aufgabe mit staunenswerter Gründlichkeit und Sicherheit, beide Künstler wurden für ihre Darbietungen reichlich bedankt und mußten sich zu mehreren Zugaben entschließen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 20. März 1943, Seite 4).

Auch in dieser Besprechung kommt Spiehs’ nationalbetonte Voreingenommenheit und ideologische Fixierung deutlich zur Geltung, indem er Bachs Air den offensichtlich minderwertigeren Musikstücken nichtdeutschen Ursprungs als deutsches Paradestück mit seelischem Tiefgang gegenüberstellt.

Ein in Innsbruck durch wiederholte Konzertauftritte längst vertrauter Gast war Elly Ney. Von ihrem Klavierabend am 30. März im Großen Stadtsaal auf Einladung des Reichsgautheaters berichtet Karl Senn voll begeisterter Anteilnahme (Innsbrucker Nachrichten vom 1. April 1943, Seite 5):

„Die ob ihrer tiefen Innerlichkeit viel verehrte und wegen ihrer Eigenart voll Empfindsamkeit hochgeschätzte deutsche Meisterpianistin hat auch an ihrem Innsbrucker Abend ihren vielen Zuhörern eine große Freude bereitet. Die Künstlerin begann mit einem gütigen Lächeln in ihrem ausdrucksstarken Gesicht zu lesen. Briefe von Soldaten über Musik, über Bach, Beethoven, an sie geschrieben. Damit erreichte sie bei ihren Zuhören eine besinnliche Stimmung. Dann spielte sie Bach, ihren Bach: breit, massig den Choral, weich fließend das B-moll-Präludium, endlich die Chromatische Phantasie und Fuge voll tiefster Gläubigkeit an das Wunder dieses, in seiner formalen und geistigen Haltung monumentalen Werkes. Mozart folgte mit einem seiner zierlichsten und leuchtendsten Klavierwerke, der Variationen-Sonate in A-dur, von Professor Elly Ney in dem ihr eigenen breiten, vielfach ins Träumerische gleitenden Vortragsstil. Zuerst, auch ganz ins Traumhafte eingesponnen, aus den Nebeln des ersten Satzes geboren, erwuchs die Phantasie-Sonate in cis-moll, Werk 27/II, die Mondscheinsonate Beethovens in den weitgesponnenen Schlußsatze mit seinen lapidaren Explosionen zu gewaltiger Höhe. Visionäre Klänge schöpfte die Künstlerin aus Beethovens As-dur-Sonate, Opus 120, einem Werk von reichster Mannigfaltigkeit des Inhalts, den auszudeuten nur tiefste Versenkung in dieses Spätwerk des großen Meisters vermag.

Professor Elly Ney wurde von ihren zahlreichen Zuhörern außerordentlich gefeiert und dankte mit mehreren Zugaben.“

Wenige Tage nach diesem herausragenden Musikereignis kam am 5. April 1943 das Kölner Kammerorchester zu einem Gastspiel erstmalig mit einem stilistisch ungewöhnlich vielfältigen Programm nach Innsbruck. Hermann Josef Spiehs informiert (Innsbrucker Nachrichten vom 7. April 1943, Seite 4):

„[…] Der Adel ihrer Instrumente und eine vollendete Spielweise befähigten dieses Ensemble zu wahrhaft künstlerischer Höchstleistung.

Schon bei Nummer 1 der Vortragsfolge (Giovanni Gabrieli: Canzone zu zehn Stimmen) wurde dies offenbar. Der Mythos von der Musik als Göttergeschenk erschien einem nahegerückt, das hohe Ethos jener Musikauffassung um 1600 verwirklicht. Prunkhaft, dabei hoheitsvoll und ernst wie ein Orgelpräludium kam dieses Musterbeispiel venetianischer Satzkunst zur Geltung. Nicht weniger formklar und thematisch abgestuft das Ricercare zu sechs Stimmen von J. S. Bach (aus dem Musikalischen Opfer), das viel häufiger als Cembalo-Musik gebracht wird und darum in dieser instrumentalen Zusammensetzung besonders interessierte. Ganz in Weihe und Klangschönheiten getaucht J. S. Bachs Konzert in d-moll für zwei Violinen und Streichorchesterbegleitung und Vivaldis Concerto L’estro armonico. Riele Queling und Fr. v. Hausegger konnten in dem d-moll-Konzert ihre solistischen Fähigkeiten in bestes Licht rücken und starken Beifall ernten.

Der zweite Teil des Abends brachte fünf Gesänge im Volkston für Sopran und Kammerorchester nach Originalliedern von Johannes Brahms (Schwesterlein), Peter Cornelius (Ein Ton), Max Reger (Wiegenlied), Franz Schubert (An die Laute), W. A. Mozart (Komm lieber Mai). Mag man auch im Prinzip mehr der Originalfassung (Singstimme und Klavier) zuneigen, so bot doch die selten zu hörende Begleitung der Gesänge durch einen auserlesenen Streicherkörper ihre besonderen klanglichen Reize. Die Sopranistin Gisela Derpsch schöpfte den Inhalt der an sich anspruchslosen Lieder mit Maß und Geschmack aus und erntete mit dem fälschlich Mozart zugeschriebenen Wiegenlied (Schlafe mein Prinzchen) von Bernhard Fries ganz besonderen Erfolg.

Das Divertimento F-dur (K.V. 138), ein echter, springlebendiger Mozart mit einer Prachtkantilene im Mittelsatz, das bereits den Stilwechsel zur Klassik anzeigt, wenn auch unter Beibehaltung der alten dreisätzigen Form, beschloß die Vortragsfolge. Der rauschende Beifall, den Erich Kraack als Dirigent für sich und sein Orchester entgegennahm, erzwang als Zugabe das mit Sordinen delikat gespielte Boccherini-Menuett.“

Der deutsche Meistergeiger Georg Kulenkampff gastierte am 14. April 1943 im Rahmen eines von der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freudeinitiierten Konzerts in Innsbruck. Er spielte im Großen Stadtsaal ein erlesenes Programm, wie Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 16. April 1943, Seite 5, wissen lässt:

„[…] Eine viersätzige Solosonate in g-moll, Werk 27, des 1931 verstorbenen berühmten flämischen Geigers Eugen Ysaye gab ihm Gelegenheit, alle seine technischen Künste glänzen zu lassen […]. Das A-dur-Duo, Werk 162, von Franz Schubert war in seiner schwingenden Melodik und sinnvollen Gedankentiefe, besonders auch im völlig ausgeglichenen Zusammenspiel beider Instrumente von höchstem Reiz. In kleineren, aber gehaltvollen Werken von Max Reger, Anton Dvorak, Manuel de Falla und Pablo de Sarasate bewährte sich Professor Kulenkampffs überragendes technisches Können, wie seine eigenartige, geläuterte Interpretationskunst in schönstem Ebenmaß klassisch anmutender Haltung. Johannes Schneider-Marfels [am Klavier] war ihm ein anschmiegsamer, rücksichtsvoller Begleiter.“

Am 17. April folgte ein Gastspiel des Zilcher Trios in der seltenen Besetzung Klavier, Violoncello und Klarinette. Das nach seinem Leiter Hermann Zilcher benannte Trio brachte durchwegs Bearbeitungen von Barockmusik sowie von Tänzen W. A. Mozarts, zum Abschluss als Originalwerk Beethovens Trio in B-Dur, op. 11. Ebenfalls programmiert war eine ideologisch fundierte Komposition von Hermann Zilcher, das Trio in a-Moll, „das aus der Versenkung in Stoff und Geist der Edda entstanden und darum erfüllt ist von nordischer Wesenhaftigkeit; grüblerisch und gedankenschwer, als wollte es den Sinn des Lebens zutiefst ergründen. Ein aus nur drei Tönen geformtes runenhaftes Urthema (a, e, d) beginnt den Gedankenlauf, der in freier Variationsform einem wie Erkenntnis und Verklärung anmutenden Adagiosatz zuströmt, um dann lebensbejahend, ‚tänzerisch beschwingt‘ zu verklingen“ (Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. April 1943, Seite 5).

Das Konzert war in einer Vorschau der Innsbrucker Nachrichten am 15. April auf Seite 4 schwärmerisch angekündigt worden:

„Mit Geheimrat Prof. Dr. h. c. Hermann Zilcher kommt am 17. April eine der interessantesten und bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten erstmals nach Innsbruck. Erst im Vorjahre erfuhr der Künstler anlässlich seines 60. Geburtstages höchste Ehrungen: Für seine großen Verdienste um zeitgemäße Mozartpflege verlieh im der Führer die Goethe-Medaille, das Mozarteum Salzburg die goldene Mozart-Plakette. Zilchers Mozart-Feste in der Würzburger Residenz sind seit Jahren weitberühmt. Der Künstler selbst ist ein feinsinniger Pianist und Komponist von Rang, seine Triogenossen Prof. Steinkampf (Klarinette) und Prof. Faßbender (Cello) hochkultivierte Solisten und Kammermusikspieler. Die Vereinigung hat in fast allen großen Städten des Reiches mit größtem Beifall musiziert […].“

Vom „Konzert der sechs Solisten“ weiß Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten am 3. Mai 1943, Seite 4:

„Mit einer bunten Vortragsfolge gastierten am Freitag, den 30. April, im Konzertsaal des Konservatoriums in Innsbruck sechs Solisten unter Führung des Pianisten Hubert Giesen in einem von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude veranstalteten Konzert. Die Wiener Meister-Harfenistin Ilse Charlemont-Zamara, Lehrerin einer Meisterklasse in Wien und an der neugegründeten Musikschule in Metz, zeigte sich sowohl im kammermusikalischen Zusammenwirken wie als Solistin als brillante Spielerin ihres Instrumentes, das sie mit vollendeter Meisterschaft beherrscht. Sie ist als Künstlerin eine Persönlichkeit von ausgeprägter Eigenart, der alles, seien es die rauschenden Glissandi und Arpeggien oder duftige, wie hingehaucht klingende melodische Linien in edelster Klangschönheit, gerät. Eine vortreffliche Geigerin ist die junge, vielversprechende Alice Schönfeld aus Berlin, groß im Ton, ausdruckskräftig und sehr sicher im Spiel. Christia [!] Kolessa aus Wien, die Schwester der großen Pianistin Lubka Kolessa, ist eine fein empfindende Cellistin mit sauberer Technik und biegsamen, nuancenreichem Ton. Fritz Jungnitsch, Kammervirtuose vom Stuttgarter Staatstheater, ist ein Flötist von Rang mit ungewöhnlichem virtuosen Können. Mit dem Carneval von Venedig des als Flötist berühmt gewesenen Italieners Giulio Briccialdi brachte er einen der virtuosen Höhepunkte des Abends. Ein fanatischer Rhythmiker, sich aber an Klangorgien überbietend, ließ Hubert Giesen bedeutende pianistische Fähigkeiten erkennen. An Stelle der absagenden Sopranistin Ruth Herell sang die Berlinerin Gustava Kirchberg mit schöner, kultivierter Stimme die bekannte Mozartsche Arie mit obligater Violine aus Il re pastore.

Die Vortragsanordnung brachte im ersten Teil volkstümliche Kammermusik, eingeleitet mit der gut klingenden, interessanten Galanten und amüsanten Unterhaltung zwischen Flöte, Violine, Cello und Harfe von dem Franzosen Gabriel Guillemain, dem kleinere Kammermusiksätze von Mozart, Beethoven und Spohr folgten. Im zweiten Teil hörte man Virtuosenmusik von Briccialdi, Granados, Goenß, Semetana, Sarasate und Chopin, die den Mitwirkenden Gelegenheit gab, ihr technisches Können bestens zur Geltung zu bringen.“

Wie im vergangenen Jahr kam auch 1943 wiederum der junge Pianist Adrian Aeschbacher auf Einladung der Konzertunternehmung Johann Groß nach Innsbruck. Sein Programm am 1. Juni im Großen Stadtsaal brachte mit der Partita in c-Moll von Johann Sebastian Bach, Beethovens A-Dur-Sonate op. 2/2, im zweiten Teil mit Schuberts Moments musicaux op. 94 sowie den Symphonischen Etüden op. 13 von Robert Schumann ein national betontes Programm, wie es die NS-Kulturpolitik goutierte (Innsbrucker Nachrichten vom 28. Mai 1943, Seite 4). Karl Senn widmete dem Abend in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Juni 1943, Seite 4 eine wohlmeinende Besprechung.

Die Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1943 (Seite 4) informieren in einer Vorschau auf ein von der KdF organisiertes Konzertevent mit den Münchner Philharmonikern. Die Konzerte waren für 24. und 25. Juli im Großen Stadtsaal geplant, das zweite bei einer ungewöhnlichen Anfangszeit, nämlich 10 Uhr vormittags:

„[…] Das Programm der beiden Konzerte, die wiederum von Generalmusikdirektor Oswald Kabasta geleitet werden, ist dieses Mal in einem streng klassischen Rahmen gehalten. Der erste Abend wird eingeleitet durch Ludwig van Beethovens monumentale Egmont-Ouvertüre, ein Werk, hinter dessen tragischer Geballtheit sich des Meisters Kampf und Auflehnung gegen ein unerbittliches Schicksal merkbar abzeichnet. Die Entlastung nach diesem dramatischen Auftakt bringt Wolfgang Amadeus Mozarts Haffner-Serenade […]. Als Abschluß des ersten Abends hat Generalmusikdirektor Oswald Kabasta Johannes Brahms’ dramatisch aufgewühlte 1. Symphonie c-moll, op. 68, gewählt, ein Werk, das in seiner großen Bewegtheit einzigartig im Schaffen [von] Brahms dasteht.

Das zweite Konzert ist als geschlossene Beethoven-Veranstaltung gestaltet. Mit der F-dur-Symphonie op. 93, der ‚kleinen, innigen, heiteren‘, der Symphonie, die man mit tiefer Berechtigung als ‚bezauberndes Spielwerk‘ bezeichnet hat, nimmt die Veranstaltung ihren Anfang. Die mit ihm entfesselten guten Geister finden sich dann zu strahlender Lebens- und Liebesbejahung in der großen dritten Leonoren-Ouvertüre, um schließlich in der 5., in der Schicksalssymphonie, einen heroisch-eindringlichen Abschluß zu gewinnen.“

Das Musikprogramm nationaler Ausrichtung wurde am 21. August 1943 mit einem Konzert im Großen Stadtsaal fortgesetzt, das ausschließlich Werken von Johann Sebastian Bach gewidmet war. Interpreten waren Edwin Fischer und sein „von ihm zusammengestelltes und geleitetes Kammerorchester“. Auch diese Initiative zur Festigung des kulturellen Überlegenheitsanspruches stand unter Obhut der KdF (Innsbrucker Nachrichten vom 17. August 1943, Seite 5).

Explizit drückt sich diese Intention aus in der Schlagzeile „Lob der deutschen Musik“, mit der Hermann Josef Spiehs seine Besprechung des Konzerts eines Leipziger Kammermusikensembles einleitet (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Oktober 1943, Seite 4):

„Unter diesem Titel [‚Lob der deutschen Musik‘] bot ein Leipziger Ensemble am Sonntag, den 10. d[iese] M[onats Oktober], im Musikvereinssaal in Innsbruck allerlei Hörens- und Sehenswertes. Man fühlte sich bei der zwanglosen Folge der Darbietungen in die intimen Zirkel eines Hausmusikbetriebes versetzt. Inge Rahm als Sprecherin wußte mit Scharm und Geschmack ihre verbindenden Worte zu sagen. Ihre Gedichtvorträge nach Goethe, Mörike, Ebner-Eschenbach, Seidl, Lilienkron und Weinheber, denen durchwegs musikalische Stoffe zugrunde lagen, zeigten von guter Sprechtechnik und starker Einfühlung.

Ihre beiden Kunstkameradinnen: Philine Fischer (Gesang) und Erika Weynert (Tanz) boten ebenfalls prächtige Leistungen. Philine Fischer sang unter anderem aus den Schlichten Weisen von Max Reger und ein nachgelassenen, äußerst ansprechendes Lied (Die Kleine) von Hugo Wolf; ferner die Mozart-Arie: Il Ré Pastore und zwei Frühlingsweisen von H[ermann] Zilcher. Man freute sich dieser jugendlich-schönen Sopranstimme voller Schmelz und Wärme, die schon jetzt sehr expansionsfähig erscheint, und empfand beglückt die Unbeschwertheit und Hingabe der auch in Erscheinung und Wesen gar anmutvollen Künstlerin. Erika Weynert tanzte nach barocken und klassischen Stücken. Ein schönes Ebenmaß des Körpers und der Bewegung befähigt sie zu bereits persönlich ausgeprägten Leistungen. Insbesondere offenbarte sie bei den Deutschen Tänzen von Schubert und im Volksliedhaften Können und Stilgefühl.

Den instrumentalen Teil besorgten: Dr. Hans Mlynarczyk (Violine), Fritz Schertel (Violoncello) und Klaus von Axelson (Klavier). Auch sie hatten sich in den Dienst gutdeutscher Musikgeister gestellt. Nebst Gluck, Beethoven, Schumann, Brahms, Liszt kamen auch weniger bekannte Meister, wie Goldermann (Allegro für Violoncello und Klavier), Xaver Hammer (Klaviersonate) zu bedeutsamer Wiedergabe. So erhielt der Abend neben den beschwingten Leistungen der jugendlichen Partnerinnen auch eine mehr gewichtigere Note. Wieder einmal hatte man bei dem rasch gefundenen und anhaltenden Kontakt mit den Zuhörern das angenehme Gefühl: es geht auch ohne ausgesprochenes Virtuosentum!“

Am 28. September 1943 hatte im Großen Stadtsaal ein Gastspiel des Cellovirtuosen Ludwig Hölscher stattgefunden, Ehrentraud Straffner-Pickl dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. September 1943 auf Seite 4 eine Vorschau gebracht:

„Der Reigen der Konzerte, für den auch in diesem Jahre die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude eine Reihe namhafter Solisten verpflichtet hat, nimmt seinen Anfang mit einem Soloabend des deutschen Meistercellisten Professor Ludwig Hoelscher am Dienstag, den 28. September, im Großen Stadtsaal.

Professor Hoelscher, der zu den markantesten Künstlerpersönlichkeiten Großdeutschlands zählt, hat sich auch in Innsbruck als Solist in mehreren Symphoniekonzerten viele begeisterte Freunde und Verehrer erspielt. Dementsprechend ist die Erwartung gesteigert, mit der die Innsbrucker Musikfreunde dem Soloabend dieses großen Künstlers entgegensehen.

Die Vortragsfolge des Abends, die, wie es der künstlerischen Persönlichkeit Hoelschers entspricht, jeden billigen Effekt vermeidet, sieht vor: Johannes Brahms, Sonate für Violoncello und Klavier F-dur, op. 99, ein in seiner leidenschaftlichen Bewegtheit interessantes und fesselndes Musikstück, dann ein Rondo von Anton Dvorak und eine Sizilienne mit Variationen von Carl Maria von Weber und im zweiten Teil alte Meister, von Johann Sebastian Bach, dessen Interpretation durch Hoelscher besonders gerühmt wird, die Solosuite für Violoncello Nr. 3, C-dur, und von dem Schüler Corellis Pietro Locatelli eine Sonate im alten Stil D-dur. Die Begleitung hat Professor Martin Theopold übernommen“ (vgl. die Konzertbesprechung von Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. September 1943, Seite 5).

Mit Walter Gieseking kam im Oktober wiederum ein Ausnahmekünstler auf Einladung der KdF nach Innsbruck. Hermann Josef Spiehs meinte in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Oktober 1943, Seite 5:


„Professor Walter Gieseking, der Meisterpianist, bildet für die Musikbetrachtung schon lange kein Problem mehr. Man anerkennt allgemein solche Könnerschaft und freut sich allein schon über die ideale Programmgestaltung. Diesmal war der Kreisleriana des Romantikers Robert Schumann der Platz zwischen zwei Spätwerken der Wiener Großmeister Beethoven und Schubert eingeräumt worden; Tonschöpfungen, die entwicklungsgeschichtlich bereits der Romantik zuzuzählen wären. Oder war es nicht wie eine Offenbarung der nachfolgenden Romantik, erklangen nicht Schumannsche Harmonien aus dem ersten Satz der A-dur-Sonate von Beethoven, die ja den ‚fünf Letzten‘ angehört, die alle bereits einen Uebergang bedeuten? […]

Mannhafte Impulse und fraulich-weiche Stimmungen kennzeichneten den Vortrag der Kreisleriana, op. 16, von Robert Schumann […].

Franz Schuberts Sonate B-dur bedarf keiner Deutung. Ein Frühvollendeter hat sie uns als ‚Opus posthumum‘ hinterlassen. Walter Gieseking hat ihr den künstlerischen Odem eingehaucht, der entflammte, aber auch wehmutsvoll stimmte: bei dem blühenden Reichtum an Melodien, dank der Fülle an poetischen Stimmungen, die der Meisterpianist aus dem Instrument hervorzauberte.

Die begeisterten Konzertbesucher erzwangen eine Reihe wertvoller Beigaben.“

Ebenfalls Ende Oktober 1943 stellte sich der junge Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Georg Taschner, dem Innsbrucker Publikum vor. Wie vielfach üblich bei solchen Programmen enthielt der erste Teil „seriöse“ Standardwerke wie eine Chaconne für Solovioline von Bach oder Mozarts Violinkonzert in A-Dur, während nach der Konzertpause der Solist mit virtuosen Stücken von Paganini und Sarasate sein technisches Können in den Vordergrund stellte. Zur Eröffnung des Abends spielte er zusammen mit seinem Klavierbegleiter Otto Alfons Graef César Francks A-Dur-Sonate. Hermann Josef Spiehs bemüht sich mit Effekt in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Oktober 1943, Seite 3, den flämischen Komponisten als Deutschen zu präsentieren:

„Ist es doch so, daß Jahrzehnte vergehen mußten, ehe man diesen Flämen [!] (er war weder Belgier noch Franzose!) niederdeutscher Herkunft zu würdigen verstand. Und erst heute steht es unumstößlich fest, daß Cäsar Franck in seiner Wesensveranlagung und in seinem Schaffen zeitlebens ein Deutscher gewesen und geblieben ist, der Bach und Beethoven als seine Leitsterne hoch verehrte. Gerhard Taschner bot uns mit dieser Violinsonate eines der besten Werke des zu Lebzeiten [(1822 Lüttich-1890 Paris)] sehr verkannten Meisters […].“

In einer Vorschau der Innsbrucker Nachrichten am 27. Oktober 1943, Seite 4, wird auf einen Klavierabend aufmerksam gemacht:

„Mit Georg Elias, der am 1. November, 19.30 Uhr, im Konzertsaal der Musikschule in Innsbruck ein Klavierkonzert gibt, kommt einer der führenden Pianisten des Protektorates erstmals nach Innsbruck. Das Programm stellt an das Können des Künstlers hohe Anforderungen: nach der einleitenden Sonate, op. 26, von Beethoven spielt der Künstler als Hauptgruppe Chopins Präludien, op. 28, und die Etuden, op. 10 und op. 25; Schuberts Impromptu [in] G und die virtuose Tokkata, op. 7, von Robert Schumann beschließen den ersten Teil. Den zweiten Teil füllen kleinere Stücke von Smetana, Johann Strauß und eigene Werke des Pianisten. Im ganzen ein sehr fesselndes und abwechslungsreiches Programm, wie man es selten zu hören bekommt.“

Das Wiener Streichquartett (Wilhelm Hübner, Armin Kaufmann, Günter Breitenbach, Nikolaus Hübner) brachte bei seinem Auftritt am 26. November im Konzertsaal der Innsbrucker Musikschule nach dem Streichquartett in D-Dur, op. 20/4 von Joseph Haydn als Novität das Streichquartett in H-Dur von Eduard Lucerna (1869 Klagenfurt-1944 Gries/Bozen). Hermann Josef Spiehs schreibt dazu und über das weitere Programm in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. November 1943, Seite 5:

„[…] Diese Arbeit des greisen Tondichters, der seit über vierzig Jahren in Gries bei Bozen in aller Stille schafft, verbindet Originalität des Einfalls mit geradezu vitalem Klangsinn und polyphonem Könnertum, was sich in der Vielfalt und Farbigkeit der musikalischen Gedanken und in der motivisch aufgelockerten Akkordik ausspricht […]. Bei so viel musikalischer Substanz, bei solcher Könnerschaft in der Führung der Stimmung kann der Werkcharakter nur dahin beurteilt werden: kühn, persönlich, überzeugend, gesund modern!

Bedauerlich, daß der Komponist, dessen Werke (mehr als hundert an der Zahl) nun endlich Würdigung erfahren, dieser Innsbrucker Erstaufführung nicht beiwohnen konnte. Er hätte an der vorbildlich guten Wiedergabe durch das Wiener Streichquartett seine helle Freude gehabt. Der allerbeste Gradmesser für das Werk: es fiel auch nicht ab trotz des nachfolgenden, klassisch schön geformten ‚Beethoven‘ (Streichquartett f-moll, op. 95), der einem nur die Vielfalt im deutschen Musikschaffen, den Reichtum an Genie und persönlichen Schaffensstilen beglückend einhämmerte.

Die Wiener Gäste erspielten sich gerade mit diesen beiden Werken rauschenden Beifall. Daß sie den Dank und die Begeisterung des Publikums mit dem letzten Satz aus dem Es-dur-Quartett von Franz Schubert quittierten (welch sinnvolle Geste!), bedeutete zugleich einen Triumph jener alten Tradition des Streichquartetts, die auch hier in Innsbruck einstmals beheimatet gewesen und hoffentlich wieder auflebt: vielleicht an Stelle der allzu vielen, sich stofflich oft wiederholenden Solistenkonzerte, die den Mangel an kammermusikalischem Ensemblespiel nur doppelt fühlbar werden lassen. Das verdiente, erfreulich-große Interesse, das die Innsbrucker Musikfreunde diesen beiden Aufführungen des Wiener Streichquartetts (Hölderlin-Feier, eigener Abend) entgegenbrachten, erfordert jedenfalls diese Feststellung.“

Am 13. Dezember 1943 kam im Großen Stadtsaal noch ein Kammerkonzert mit drei renommierten Solisten zustande, die sich zu einem Trio zusammengefunden hatten. Das Programm enthielt mit dem Klaviertrio in H-Dur op. 8 von Brahms, dem Dumky-Trio op. 90 von Dvorák und Schuberts B-Dur-Trio op. 99 durchwegs Meisterwerke des Genres. Dass allein die herausgehobene Künstlerschaft der Interpreten nicht schlüssig das harmonische Zusammenspiel eines eingespielten Ensembles ersetzen kann, legt die Konzertbesprechung von Hermann Josef Spiehs nahe (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Dezember 1943, Seite 4):

„[…] Die genial zupackende Virtuosität Prihodas, oft sehr temperamentvoll, die abgeklärte, akademisch genaue Spielweise [Paul] Grümmers [Violoncello] und die noch allzu selbstherrliche Handhabung des Klavierpartes durch [Hans-Erich] Riebensahm [Klavier] waren jedenfalls nicht immer unter einen Nenner zu bringen. Sehr viel Typisches und gedanklich Zusammengehöriges zerflatterte darob in solistische Details oder ging im harten Klavierklang unter. Dabei kann Riebensahm eminente Technik und zeitweise guter Pianissimo-Anschlag nicht abgesprochen werden, ein Beweis, daß es ihm nur an Ensemble-Spielerfahrung mangelt, wie ja das ganze Trio als solches noch im Aufstieg begriffen ist. Der volle Saal erwiderte die Darbietungen der Künstler mit starkem Beifall.“


Liederabende

Als drittes ihrer Meisterkonzerte bot die Konzertunternehmung Johann Groß am 2. Februar 1943 im Großen Stadtsaal dem Publikum einen Liederabend mit dem Mainzer Bariton und Generalmusikdirektor des Mainzer Staatstheaters Karl Maria Zwissler (1900-1984). Auf dem Programm stand Franz Schuberts Liederzyklus Die Winterreise. Hermann Josef Spiehs schildert seine Eindrücke in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Februar 1943, Seite 5:

„[…] Die Art und Weise, wie Zwißler hiebei Schubert interpretierte, hatte mit der allgemein üblichen Singweise von dessen Liedern nicht viel gemein. Zwißler ist allvoran Gestalter. Er stellte in der Winterreise das ‚Menschlich-Tragische‘ zur Schau und beeindruckte damit die Zuhörer mit geradezu visionärer Kraft […].

Karl Maria Zwißler erwies sich aber auch rein stimmlich als ein Phänomen. Sein fülliger, in Tiefe und Höhe leicht ansprechender Bariton zeigte zum Schluß denselben elastischen Ansatz und Schmelz, dieselbe Tragfähigkeit der Stimme wie eingangs. Nicht zu verwundern, daß der ausverkaufte Saal nach Zugaben verlangte und diese ebenso bedankte, wie den Gesamtzyklus selber. Theo Mölich, Mainz, am Flügel war mehr als ein Begleiter. All die in den Liedtexten teils ausgedrückten, teils angedeuteten Stimmungen und Spiegelungen naturhafter und seelischer Art klangen unter seinen Händen als echteste, von Schubertschem Geist erfüllte Romantik auf.“

Auf Einladung der KdF folgte am 10. Februar 1943 im Großen Stadtsaal ein Lieder- und Arienabend mit dem Bariton Kammersänger Willi Domgraf-Faßbaender, begleitet am Flügel von Kapellmeister Rudolf Wille. Von der Buntheit des Programms und seiner begeisterten Akzeptanz durch das Publikum weiß Karl Senn (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Februar 1943, Seite 5):

„[…] Die meisten der zahlreichen Besucher kannten den Gast wohl schon von seinen Rundfunkvorträgen und bereiteten ihm deshalb einen warmen Empfang […]. Die Art seines Vortrages, sein Gestalten, sein dramatischer Ausdruck ließen in ihm vor allem den Bühnensänger großen Formats erkennen. Dies bewies schon einleitend Rezitativ und Arie ‚Atem der blauen See‘ aus Händels Oper Julius Cäsar, dann aber auch in der ausgezeichnet gebrachten Arie ‚Ach, öffnet eure Augen!‘ aus Mozarts Figaros Hochzeit, wie die Arie ‚Erhebe dich!‘ aus Verdis Maskenball, ganz besonders aber die Kavatine des Figaro aus Rossinis Der Barbier von Sevilla: Ich bin das Faktotum der schönen Welt. In dieser zeigte sich der Meister in seinem Rollenfach im Gestalten, im überlegenen Formgefühl, in der Leichtigkeit und Flüssigkeit seiner Aussprache am vollendetsten. Dem gegenüber traten die kleinen Formen des Liedes mit einer Innerlichkeit, dem zarten Gefühlston mehr zurück. Zu den schönsten Gaben unter den Liedern zählte unter anderem Juchhe! von Brahms, Siehe, ach ich lebe von Yrjö Kilpinen Biterolf und Hermanns Abschied von Hugo Wolf, die an Größe und Kraft des Ausdrucks dem alles beherrschenden Können des Gastes entsprechend auf hoher Warte standen. Reichster Beifall erzielte schon in der ersten Abteilung, besonders aber am Schluß eine Reihe von immer wieder bejubelten Zugaben.

Kapellmeister Rudolf Wille war ein ausgezeichneter Begleiter am Flügel“.

Auch beim Lieder- und Arienabend der Ersten Altistin der Münchner Staatsoper Georgine von Milinkovic am 3. März 1943 im Großen Stadtsaal erwies sich Karl Senn als der kundige und einfühlsame Berichterstatter (Innsbrucker Nachrichten vom 5. März 1943, Seite 5):

„[…] Die prachtvolle Stimme von makelloser Reinheit und ihre technisch vollendete Gesangskunst sind es vor allem, die die Vorträge der Künstlerin zu einem Ereignis werden lassen. Ihr großer Stimmumfang und besonders auch ihre glänzende Höhe veranlassen sie wohl, sich mehr dem Sopranfach zuzuwenden, das auch ihrem eminent dramatischen Gestalten mehr entgegenkommt, wenngleich der Wohllaut ihrer Stimme in den tiefen Lagen am schönsten ist. Eigenartig war ihr und ihres Begleiters Tempo rubato in den Schubert-Liedern, von denen sie An die Musik, Auf dem Wasser zu singen, Nacht und Träume und Frühlingsglaube sang. Ganz auf Wohlklang und Tonschönheit eingestellt gelangen die vier vielgesungenen Brahms-Lieder Feldeinsamkeit, Alte Liebe, Wie Melodien zieht es mir und Der Schmied. Besonders in der Feldeinsamkeit und in dem als Zugabe gesungenen Wiegenlied war ihr Pianissimo von zartestem Hauch. Sehr gut waren ihr auch die drei zu vornehmsten Ausdruck gebrachten Hugo-Wolf-Lieder gelegen: Was soll der Zorn, mein Schatz?, Erstes Liebeslied eines Mädchens und Ich hab’ in Penna einen Liebsten wohnen. Zu großer Wirkung gesteigert, hörte man als letzte Liedvorträge Richard Strauß’ Heimkehr, Morgen undBefreit. Das Bravouröse ihrer Gesangskunst zeigte sich vollends in ihren dramatischen Gesängen der Arie des Adriano aus Richard Wagners Rienzi, der Arien der Santuzza aus Mascagnis Cavalleria rusticana und der Arie der Eleonore aus Verdis Macht des Schicksals.

Staatskapellmeister Heinrich Hollreiser war der Künstlerin ein technisch ausgezeichneter, in seinen breiten Zeitmaßen und seinem nuancenreichen Gestalten ganz auf Romantik eingestellter Begleiter.“

Für „Liebhaber schöner Stimmen“ ergab sich bereits am 15. März 1943 eine weitere Gelegenheit zu einem Konzertbesuch: „Kammersängerin Margarethe Teschemacher und Kammersänger Marcel Wittrisch von der Berliner Staatsoper singen nach einer Reihe beliebter Lieder von Schubert, Schumann, Wolf, Liszt und Richard Strauß Arien von Puccini und Leoncavallo und vereinigen sich am Schluß zum Liebesduett aus der Oper Madame Butterfly. Am Flügel begleitet Staatskapellmeister Dr. Franz Hallasch von der Münchner Staatsoper“ (Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. März 1943, Seite 5).

Das ungemein vielfältige Angebot an Kulturereignissen wurde mit einem Lieder- und Balladenabend des Bassisten der Wiener Staatsoper Herbert Alsen bereichert. Sein Programm enthielt „seltener gehörte Schubertlieder“ und vor allem als seine Paradestücke Balladen von Carl Loewe, die seinen „sehr umfangreichen und aller Schattierungskünste fähigen Stimmitteln“ besonders entsprachen (Innsbrucker Nachrichtenvom 7. Mai 1943, Seite 4). Am 4. Oktober 1943 kam der Sänger, „einer der stimmgewaltigsten Künstler der deutschen Oper“, wiederum nach Innsbruck. In einer Vorschau teilen die Innsbrucker Nachrichten am 29. September 1943, Seite 4, das Programm mit:

„[…] Schon im Vorjahre fand er in Innsbruck besonders mit dem Vortrag von Loewe-Balladen und Opernarien großen Beifall. Das neue Programm bringt neben Schumann-Liedern – der frischen Frühlingsfahrt und dem kecken Hidalgo – wieder große Opernarien, darunter die berühmte Hallenarie aus [der] Zauberflöte und die herrlichen Loewe-Balladen Der Nöck und Spirito santo. Zum Schluß endlich auf vielfachen Wunsch eine Reihe von Volksliedern. – Generalmusikdirektor Prof. Leopold Reichwein (Wien) ist der musikalische Helfer am Steinwayflügel.“

Auch Julius Patzak beehrte, wiederum auf Einladung der KdF, mit einem exklusiv der Liedkunst deutscher Komponisten gewidmeten Programm Innsbruck, das in den Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1943 auf Seite 4 angekündigt wird:

„Der berühmte lyrische Tenor der Staatsoper München, Julius Patzak, eröffnet seinen Liederabend mit dem selten zu hörenden Liederkreis von Beethoven An die ferne Geliebte. Es ist dies wohl Beethovens persönlichste Liedschöpfung, in der die Sehnsucht nach der Geliebten bald ergreifend, bald stürmisch zum Ausdruck kommt […]. Die weitere Folge enthält eine prächtige Auswahl bekannter und unbekannter Lieder von Schubert (Sehnsucht, Die Liebe hat gelogen u. a.), Hugo Wolf (die trinkfrohen, west-östlichen Divanlieder von Goethe und den übermütigen Abschied), Josef Marx und Richard Strauß. Den Klavierpart hat der bekannte Pianist Hubert Gießen übernommen.“

Zwei vor allem aus dem Rundfunk bekannte Sänger stellten sich auf Initiative der KdF dem Innsbrucker Publikum im November und Dezember 1943 persönlich vor, am 15. und 16. November der Bassbariton Wilhelm Strienz. Beide Abende waren ausverkauft, was Hermann Josef Spiehs als „ein Zeichen der volkstümlichen Beliebtheit dieses Künstlers“ sieht (Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1943, Seite 4). Der erste Abend brachte übliches Repertoire in einer Abfolge von Liedern aus deutscher Tradition (Schubert, Schumann, Loewe) und Opernarien von Komponisten des Bündnispartners Italien, so von Amilcare Ponchielli und Giuseppe Verdi. Als besondere Attraktion wird hervorgehoben die „Erstaufführung“ dreier Lieder von Otto Nikolai. Am zweiten Abend präsentierte sich Wilhelm Strienz von der volkstümlichen Seite: „Aeltere und neueste Soldaten-, Heimat- und Liebeslider, alle gern gehört und mit viel Gemüt vorgetragen, schufen jene Publikumsstimmung, wie sie an Hörfreudigkeit und Herzlichkeit kaum mehr zu überbieten ist.“ Der Pianist Hans Günter Andersch erwies sich als „idealer“ Liedbegleiter. Beide Künstler wurden mit Blumen und „nimmer endenwollenden Beifall“ verabschiedet.

Anfang Dezember 1943 kam der „uns allen aus dem Rundfunk als Liedgestalter hervorragenden Formates bekannte Kammersänger“ Karl Schmitt-Walter zu seinem Innsbruck Debüt. Sein Programm enthielt neben „wenig gesungenen und zum Teil in der Innsbrucker Oeffentlichkeit fast völlig unbekannten Liedern von Franz Schubert“ auch „selten gehörte Lieder von Johannes Brahms“. Eine völlige Novität bedeutenden vier Lieder des „zeitgenössischen Tonsetzers“ Armin Knab (1881-1851), der sich vor allem mit „Liedern im Volkston“ einen Namen gemacht hatte. Seine Hinwendung zur musikalischen Volkskultur hatte das ausdrückliche Wohlwollen der NS-Machthaber gefunden, was sich zum Beispiel mit der Verleihung des Max-Reger-Preises durch den Würzburger Gauleiter Otto Helmuth im Jahr 1940 kundtat. Armin Knab „gehört zu jenen Komponisten, die bewußt an die Überlieferung guter Volksmusik anknüpfend, ein neues deutsches Kunstlied geschaffen haben, das, ohne die Forderung der Allgemeinverständlichkeit zu verletzen, auf die Ebene klassisch musikalischen Schaffens erhoben scheint“, so die Charakterisierung seines ideologiegerechten Wirkens in der Vorschau auf den Liederabend von Ehrentraut Straffner-Pickl (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Dezember 1943, Seite 5).


Tag der Hausmusik

Das häusliche Musizieren wurde von den NS-Ideologen als probates Mittel von Identitätsstiftung betrachtet und folglich nach Kräften gefördert. Das Musizieren sollte neben der Gemeinschaftspflege die Wertschätzung der eigenen Kulturtradition, somit auch das Nationalbewusstsein stärken und festigen. Äußeres Zeichen dieser kulturpolitisch-ideologischen Zweckorientierung des privaten kammermusikalischen Musizierens im NS-Staat war der alljährlich im November deklarierte Tag der Hausmusik. Im ganzen Reich gab es eine Vielzahl entsprechender Veranstaltungen, die jeweils mit einem Motto verbunden im Rahmen öffentlicher Vorführungen auch zu häuslichem Musizieren anregen sollten. Im Jahr 1943 galt der Tag der Hausmusik besonders dem Andenken Max Regers (1873-1916).

Wie sehr diese Aktion dem Gedanken der durch Musik repräsentierten nationalen Identität mit dem Ausschluss des Fremden verbunden war, zeigt drastisch der Bericht vom Tag der Hausmusik in Kufstein im Tiroler Volksboten vom 15. November 1943 (Seite 3), besonders in der Rede des Parteigenossen und Musikdirektors Fritz Bachler:

„Die städt[ische] Musikschule in Kufstein veranstaltete am 13. November in der Aula der Oberschule ihren Tag der deutschen Hausmusik. Die Reichsmusikkammer hatte diesen Tag vor allem dem Gedenken eines unseres bedeutendsten und fruchtbarsten Komponisten, Max Reger, aber auch unseren anderen großen Komponisten, gewidmet. Der 1873 geborene Lehrersohn Max Reger hinterließ bei seinem Tode (1916) eine reiche Fülle von Kompositionen der verschiedensten Art. Der städt. Musikdirektor Pg. Fritz Bachler umriß in einem am Beginn der Veranstaltung gehaltenen Vortrag die Bedeutung des genialen Musikers für die deutsche Jugend.

Dem Gedanken ‚Hausmusik‘ war sowohl durch die Auswahl der Vortragsstücke wie auch durch die Verwendung der für Hausmusik hauptsächlich in Betracht kommenden Instrumente Rechnung getragen. In bunter Reihe wechselten nun die Darbietungen der fast ausnahmslos in Tracht erschienenen Musikschüler. Unter den vortragenden Schülern ließ sich manch vorhandenes Talent und Begabung schon heute erkennen.

Der zweite Teil der Veranstaltung galt der Tiroler Volksmusik. Direktor Bachler wies auf die hohe soziale Bedeutung der Hausmusik in der Familie, sowohl wie auch im öffentlichen Leben hin. Gerade unsere gegenwärtige Zeit ist berufen, altes Erbgut wieder aufleben zu lassen und aufzuräumen mit jener entarteten Musik, die sich seit Jahrzehnten unter dem Namen Jazz auch in unser deutsches Leben eingeschlichen hatte. Amerikanische ‚Kultur‘ war es, die mit ihren Negertänzen und Rhythmen fast zu einer Gefahr werden sollte, wenn nicht das nationalsozialistische Deutschland mit diesem Spuck aufgeräumt hätte.

War nun der erste Teil der Veranstaltung mehr ernsteren Charakters, so kam im zweiten Teil die heitere Muse zu Wort. Eine gemischte Spielschar, zusammengestellt aus Geigen, Klavier, Harmonika, Blockflöten und Kniegeige, eröffnete den bunten Reigen, an dem sich Vorträge auf der Zither, und als für die hiesige Schule neues Instrument die Harfe anschlossen. Gauleiter Hofer hatte in Würdigung der Bedeutung der Hausmusik der Musikschule eine herrliche Harfe zum Geschenk gemacht.

Den Abschluß der gelungenen Veranstaltung bildeten mehrere von den zahlreichen Jungen und Maiden mit Begeisterung und in größter Disziplin gesungene Tiroler Lieder, die allgemeines Entzücken hervorriefen. Wenn man berücksichtigt, daß der Lehrkörper der Musikschule durch die Kriegsverhältnisse Lücken aufweist, muß dem Gelingen der Veranstaltung größte Anerkennung gezollt werden.

Der Tag der Hausmusik soll aber nicht allein ein Tag im Laufe des Jahres sein. Wo immer es möglich ist, sei es in der Familie vor allem, sei es in der Gemeinschaft mit Nachbarn oder in der Schule, überall möge dieser herrliche Gedanke Fuß fassen und damit unser so sanges- und musizierfreudiges Volk zurückfinden in eine Zeit, in der es neben Tanz, Film sowie modernen Auswüchsen auch bleibende Kulturwerte gab.

Das zahlreich erschienen Publikum – größtenteils in heimischer Tracht – zollte den beiden Aufführungen aufrichtigen, wohlverdienten Beifall.“

Der Tag der Hausmusik am 16. November 1943 im Claudiasaal Innsbruck hielt sich nicht an das Motto Max Reger, sondern brachte nach einer Idee des Komponisten Josef Eduard Ploner unter dem Motto Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen ein ausschließlich heimatbezogenes Programm. In einer Konzerteinführung erklärte Ploner sein Vorhaben und „stellte in einleitenden Worten die dreiklanggebundene, verhältnismäßig junge Aelplermusik der älteren, harmonisch reicheren, tonleitergebundenen und inhaltlich tief schürfenden Kunstmusik unserer Heimat gegenüber“. Albert Riester berichtet weiters über dieses nationalbetonte ideologisch geprägte Ereignis (Innsbrucker Nachrichten vom 20. November 1943, Seite 5):

„Der Abend war ausschließlich der letzteren [‚Kunstmusik‘] gewidmet und brachte Beispiele zu Gehör, die aus einem Zeitraum von sechs Jahrhunderten herausgegriffen waren. Umrahmt waren die Darbietungen vom Kehrreim aus der Plonerschen Kantate Walther von der Vogelweide mit den Trimburgschen Worten ‚Herr Walther von der Vogelweide, wer des vergäß, der tät mir leide‘. Vom Minnesänger selbst wurden das Gedicht Deutschland über alles und die Hofweise vorgetragen. Sie gehört zu den drei heute noch erhaltenen Weisen Walthers und zeigt deutlich Verbundenheit mit gregorianischen Stilelementen.

Breiter Raum war dem Schaffen Oswald von Wolkensteins [!] gegeben. Im Satz von Josef Pöll, dem verdienten Wiedererwecker dieser prachtvollen Weisen, hörten wird den Reigen. J[osef] E[duard] Ploner hatte vier Lieder des Tiroler Minnesängers für Tenor und Klavier gesetzt. Ploners Klaviersätze lassen erstaunt aufhorchen. Fast ist es, als ob sie als Ankündigung eines neuen Schaffensstils des Komponisten zu werten wären. Archaismen ziemlich aus dem Wege gehend, untermalen sie pastos, reich an dramatischen Impulsen und tonmalerisch das Wort voll auskostend, ja vor Dissonanzen nicht zurückscheuend, die in reichen Melismen ausschwingende Singstimme.

Toni Schiechtl, noch immer an die Glanzzeiten seiner vorbildlichen Hugo-Wolf-Abende erinnernd, war den schönen Liedern mit stark ausgeprägter Einfühlung ein ausgezeichneter Gestalter. Die anspruchsvollen Begleitungen lagen bei Prof. H[ermann] J[osef] Spiehs in guten und verständnisvollen Händen.

Drei weitere Meister waren mit Proben aus ihrem Schaffen vertreten: Heinrich Isaak mit seinem berühmten Innsbruck ich muß dich lassen, zweistimmig vorgetragen, der Hofkomponist Paul Hofhaimer mit zwei Orgelstücken, auf Altflöte, Geige und Bratsche, bzw. Bratsche und Klavier übertragen, und der Sterzinger [!] Leonhard Lechner mit seinem polyphon gehaltenen Chorwerk Lob der Musik.

Die Südtiroler Hochzeitsmusik, in kleiner Instrumentalbesetzung gespielt, beschloß den anregenden Abend, an dessen Gelingen die Sing- und Spielschar der NS.- Frauenschaft wesentlichen Anteil hatte.“

Die Innsbrucker Nachrichten hatten schon am 19. November 1943 auf Seite 5 die Wiederholung des Konzerts angekündigt:

„Das große Interesse, das der Veranstaltung zum Tag der deutschen Hausmusik entgegengebracht wurde, ließ auf mehrfache Anregung den Gedanken einer Wiederholung des Abends aufkommen, die nun am Montag, den 22. d[ieses] M[onats November], im Claudiasaal stattfindet. Das Programm umfaßt alte Tiroler Chor- und Instrumentalmusik aus sechs Jahrhunderten, angefangen bei Walther von der Vogelweide über Oswald von Wolkenstein, Heinrich Isaak, Paul Hofhaimer bis herauf zu Leonhard Lechner. Josef Eduard Ploner spricht die erklärende Einführung, so daß jeder Besucher des Abends zu dieser nicht ganz leichten, aber absolut reinen Musik in rechte Beziehung treten kann.“

Am 27. November 1943 veranstaltete die „Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt Innsbruck“ im Saal des Laurinkinos ein Konzert zum Tag der Deutschen Hausmusik, wobei im abwechslungsreichen Programm das Werk Max Regers besondere Berücksichtigung fand:

„Die klar gegliederte Vortragsfolge brachte als erste Gruppe Werke von G[eorg] Ph[ilipp] Telemann. Josef Haydn, W[olfgang] A[madeus] Mozart und L[udwig] v[an] Beethoven. Das Anstaltsorchester unter Leitung von Hermann J[osef] Spiehs spielte alle diese Stücke mit sichtlicher Liebe in anerkennenswerter Sauberkeit, worauf Professor Spiehs einen Vortrag über Wesen und Zweck der Hausmusik hielt, der ähnliche Gedankengänge und Folgerungen wie sein an dieser Stelle kürzlich veröffentlichter Aufsatz enthielt [siehe Innsbrucker Nachrichtenvom 23. November 1943, Seite 5]. Ein Concertino im alten Stil des Anstaltslehrers Toni Kratz für zwei Klaviere, das die unbelastete und musikantische Schreibweise des Autors in das beste Licht rückte, beschloß diese Werkgruppe. Ein Sonderlob gebührt den vier Spielern dieser Klaviersuite.

Nun folgte eine dem Andenken Max Regers gewidmete Mittelfolge. Reger wäre heuer 70 Jahre alt geworden. Die Reichsmusikkammer ehrte diesen deutschen Tonsetzer dadurch, daß sie den heurigen Tag der Hausmusik dem Schaffen Regers zudachte. Lehrer und Schüler brachten Klavierstücke und Vokalstücke aus der Feder dieses Meisters zu Gehör, und zwar: Burletta, Moment musical und Capriccio sowie Versöhnungaus den Klavierstücken für die Jugend, den Frauenchor Waldesstille aus op. 111 und zwei Sololieder. Den Beschluß machten zwei Walzer aus dem op. 22 für Klavier zu vier Händen. Noch mehr entsprach die Schlußfolge der Veranstaltung Junges Volk musiziert dem gesunden Empfinden der vielen jugendlichen Zuhörer. Die Schüler der 3a spielten sauber und schmissig Aufzug, Menuett und Schützenmarsch in heimatlicher Spielbesetzung. Der kleine gemischte Chor der Anstalt errang dann mit drei Liedern alpenländischer Art einen Höhepunkt, worauf der instrumentale Abzug der Stände folgte. Der Musici-Kanon, von allen gesungen, setzte den Schlußpunkt zu dieser Hausmusikstunde, die von der erfolgreichen Musikerziehung der Anstalt auf heimatlicher und volksverbundener Grundlage zeugte.“ (Josef Eduard Ploner in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. November 1943, Seite 4).


Konzerte von Musikkorps der Wehrmacht und SS

Musikformationen militärischer Einheiten traten wiederholt öffentlich in Erscheinung, sei es mit repräsentativen Konzerten, wo sie ihr hohes Ausbildungsniveau demonstrierten und neben dem Spiel mit Blasinstrumenten auch in Streicherbesetzung beeindruckten, sei es im Rahmen sozialer Aktionen oder bei Einsätzen zu festlichen Anlässen der Partei und ihren Organisationen.

Im Rahmen der 7. Reichsstraßensammlung im März 1943 gab „das Musikkorps einer Gebirgsdivision“ im Großen Stadtsaal zwei Konzerte. Die Militärkapelle befand sich „zum Lohn für Frontbewährung“ auf einer Tournee durch Deutschland. Details wie Informationen zum Programm bringt Marie Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. März 1943, Seite 4:

„[…] In den letzten Monaten erfreute es [das Musikkorps] unsere Gebirgsjäger in Nordfinnland und an der ostkarelischen Lapplandfront, um nun auch dem Alltag der Volksgenossen in der Heimat durch sein ausgezeichnetes Spiel schöne Feierstunden einzuflechten. Für die Besucher der Innsbrucker Konzerte bedeutete es einen reinen Genuß, dieses rhythmisch-straffe und doch so musikantisch beschwingte, wie aus dem unerschöpflichen Born starker Herzen quellende Spiel zu hören, das dem Musikmeister wie allen Mitwirkenden alle Ehre machte. Man staunte, wie diese Männer im feldgrauen Rock, im Kampfe bewährt, in tadelloser Beherrschung ihrer Instrumente die Ouvertüre zu [Emil Nikolaus von] Rezniceks Oper Donna Diana als Blasorchester in feiner Modulation herausarbeiteten oder den Amphitryon-Walzer so weich und wiegend erklingen ließen, daß man sich wie vom Dreivierteltakt davongetragen fühlte. Dann schmetterte wieder das Lied der Jungen Soldaten durch den Raum, zukunftgläubig, sieghaft, getragen vom vollen strahlenden Glanz der Blasinstrumente. Dieselben Männer, die sich als Bläser so vortrefflich eingeführt hatten, boten im zweiten Teil des Abends als Streichorchester vertraute Weisen aus alter und neuer Zeit, wobei Solisten auf der Geige, auf der Ziehharmonika und auf dem Saxophon – der Innsbrucker Gefreiter Sepp Traxl führte eine stürmisch belachte Uebermut-Polka an – hervortraten. Es gab Beifall über Beifall. Gaukulturhauptstellenleiter P[artei]g[enosse] Fritz Engel, der die Gäste auch im Namen des Kreisleiters begrüßte, gab dem Dank und der Anerkennung aller Zuhörer in herzlichen Worten Ausdruck. Nur zögernd nahm man Abschied von den Gästen, deren Spiel als Gruß unserer Gebirgsjäger an der Nordfront doppelt freudigen Widerhall in den Herzen aller fand.“

Im Mai 1943 veranstaltete die deutsche Luftwaffe in Innsbruck eine Propagandaaktion, um mit Flugveranstaltungen, unter diesen auch mit dem Einsatz von „Jagdmaschinen“, den „Gedanken der Luftfahrt und der Luftkriegführung in den Innsbruckern wach [zu] halten“. Teil dieser Präsentation waren außerdem Konzerte eines Luftwaffen-Musikkorps vor dem „Gauhaus“, im Hofgarten, während der Flugvorführungen am Adolf-Hitler-Platz, schließlich im Großen Stadtsaal mit einem Festkonzert (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Mai 1943, Seite 3). Ehrentraut Straffner gab zum Festkonzert eine Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Mai 1943, Seite 4:

„Sonntag, den 23. Mai, abends 20 Uhr, konzertiert im Großen Stadtsaal im Rahmen der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude ein Musikkorps der Luftwaffe, das sich durch seine volkstümlichen Konzerte schon in vielen deutschen Groß- und Mittelstädten unzählige Freunde erworben hat. Wir weisen auf Rang und Art dieses Abends besonders deshalb hin, weil es sich bei der Veranstaltung nicht nur um ein in den Konzertsaal verlegtes Standkonzert, sondern um eine volkstümliche, leicht beschwingte Konzertveranstaltung besonderen Ranges handelt. Dementsprechend ist auch die Besetzung des Musikkorps stärker als üblich, es ist ein Streichchor beigegeben, der in einem eigenen Teil der Abendfolge beschwingte Musik, vor allem Musikstücke von Johann Strauß zum Vortrag bringt.

Weiter enthält die Abendfolge Opern- und Operettenouvertüren, die Finlandia von Sibelius, ferner Zigeunerweisen, in denen sich U[ntero]ff[i]z[ier] Herchenhan, begleitet von Uffz. Kupfer, als virtuoser Violinspieler vorstellen wird. In einer dritten, wiederum für Blasmusik vorgesehenen Abteilung hören wir den Kaiserjägermarsch von [Karl] Mühlberger [(1857-1944)], ein Soldatenliederpotpourri von [Carl] Robrecht [(1888-1961)] und zum Abschluß den schneidigen bayrischen Defiliermarsch von [Adolf] Scherzer [(1815-1864)]. Das Musikkorps wird sich durch drei Standkonzerte am Samstag und Sonntag, den 22. und 23. Mai, sicherlich Freunde erwerben, die seinem hohen Rang entsprechen.“


Siegfried Laviat gibt seiner Konzerteindrücke in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. Mai 1943, Seite 5 wieder:

„[…] Ein Musikkorps des Luftgaues VII, München, veranstaltete in Anwesenheit des Standortältesten ein Großkonzert von künstlerischem Rang. Musikmeister Heinrich Kupfer unternahm den eigenwilligen Versuch, von der Ebene der reinen Programmusik aus mit einer Bläserinstrumentation von Mozart und Wagner auch in den höheren Bereich der Musik, mit dem Ziel einer möglichst volkstümlichen Wirkung, vorzustoßen. An Stelle der Geigenfiguren brachten Klarinetten das Hauptthema in der Ouvertüre zu Don Juan, das feierliche Eröffnungsmotiv in Rheingold trugen die Hörner und Trompeten charakterisierend. In der Finlandia, dem großen finnischen Tongemälde von Sibelius, verströmte das klangschwere Blech die ganze gewaltige Wucht von Wasser und Wogen. Nach dem ersten, ernsteren Teil des Konzerts verwandelten sich die gleichen Bläser in ebenso vorzügliche Streicher – nicht nur Zeugnis für die technische Vielseitigkeit, sondern auch für die Qualität dieses Musikkorps. Dann trat mit Johann Strauß und Bizet die gehobene, beschwingte Muse an. Ein Virtuosenstück gab dabei das Violinsolo von Unteroffizier Herchenhahn, einer der Geiger der Münchner Philharmoniker, der Sarasates Zigeunerweisen in schillerndem Tonschmelz aufblühen ließ. Der Schluß brachte noch einige bekannte schmissige Militärmärsche, die dem Abend den großen Erfolg sicherten.“

„Ein Musikkorps der Wehrmacht“ spielte zum Beispiel am 6. Juni 1943 bei einem Konzert im Hofgarten (11-12 Uhr) das folgende Programm (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juni 1943, Seite 3): „1. Liza-Marsch von Siebentritt; 2. Ouvertüre zur Oper Peter Schmoll von C. M. Weber; 3. Fesche Geister, Walzer von Ed[uard] Strauß; 4. Ungarische Rhapsodie von Reindel; 5. Von Wien durch die Welt, Melodienfolge von [Viktor] Hruby; 6. Flieger-Marsch von [Hermann] Dostal.“

Am 10. Juni 1943 von 20 bis 21 Uhr) unterhielt wiederum „ein Musikkorps der Wehrmacht“ das Publikum im Hofgarten mit einer neuen „Spielfolge“ (Innsbrucker Nachrichten vom 10. Juni 1943, Seite 3):

1. Durch Kampf zum Sieg; Marsch von Franz v. Blom. 2. Ouvertüre zur Operette Dichter und Bauer von Franz v. Suppé. 3. Mondnacht auf der Alster, Walzer von Oskar Fetras. 4. Unter der lachenden Sonne, Wanderliedermarsch von K[arl] Eisele. 5. Südlich der Alpen, Suite in vier Sätzen von Ernst Fischer: a) In einer Hafenstadt, b) Terrasse am Meer (Serenade), c) Blumen-Korso (Walzer), d) Tarantella, 6. Zwölf Minuten Peter Kreuder, von Josef Rixner. 7. Einzug der Gladiatoren, Marsch von Julius Fucik.“

Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude beging 1943 das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens als effiziente Kultur- und Unterhaltungsorganisation der Deutschen Arbeitsfront. Diesen Anlass feierte die örtliche Sektion mit einem eindrucksvollen Festkonzert am 27. November im Großen Stadtsaal. Das Programm, das mit Werken von Richard Wagner, Richard Strauss und besonders Franz Liszts ideologisch adaptierter Symphonischer Dichtung Les Préludes in hohem Maß parteikonforme Klangwelten repräsentierte, wurde bezeichnenderweise vom Musikkorps der Leibstandarte SS Adolf Hitler realisiert. Auch der „Soldatenchor“, gebildet aus Mitgliedern des Musikkorps, hielt sich natürlich an das Konzept national animierender Kulturbeglückung: Beethovens schon wiederholt missbrauchter Chor „Die Himmel rühmen“ war zu hören, ebenso Webers „Du Schwert an meiner Linken“ oder der „Jägerchor“ aus seiner Oper Der Freischütz. Richard Wagner war präsent mit dem „Lied des Steuermanns“ und dem „Matrosenchor“ aus dem Fliegenden Holländer. Mit Heinrich Isaaks „Innsbruck ich muss dich lassen“, einer klingenden Reverenz an das Publikum, „verabschiedete sich der bei der Innsbrucker Bevölkerung längst beliebt gewordene Soldatenchor“ (Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. November 1943, Seite 5). Den Konzertschlusspunkt setzte wohl in Gedenken an den „Führer“ der von ihm so geschätzte Badenweilermarsch. Resümierend formuliert Spiehs: „Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude hat ihr Jubiläum durch diese Veranstaltung sinnvoll begangen und damit die Bande zwischen Front und Heimat nur noch enger geknüpft.“

Informationen zu Konzerten des Collegium musicum siehe unten im Absatz Deutsche Alpenuniversität Innsbruck.


Konzerte außerhalb Innsbrucks

Das lokale Musikprogramm, besonders der Kreisstädte und größeren Ortschaften, wurde mit vielfältigen Kulturaktionen der NS-GemeinschaftKraft durch Freude beträchtlich erweitert. Nahezu das gesamte Reservoire an lokalem Kulturpotential vom Reichgautheater abwärts wurde eingesetzt, um die Bevölkerung mit zahlreichen Aktionen bei Laune zu halten. Als besonders rühriger Künstler erwies sich dabei Roman Wisata. Der unternehmungsfreudige Geigenvirtuose, der schon wiederholt vor allem im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung überregionale Einsätze hinter sich hatte, startete zum Beispiel eine Konzerttournee zusammen mit seiner Klavierpartnerin Hertha Reiß am 15. Februar 1943 in Schwaz. Weitere Stationen waren am 18. Februar Kufstein, am 20. Februar „Solbad“ Hall, am 24. Februar Kitzbühel. Das Programm präsentierte „klassische wie auch virtuose Violinmusik“ (Innsbrucker Nachrichten vom 9. Februar 1943, Seite 5). Ein weiteres Gastspiel absolvierten beide Künstler am 7. Oktober im Stadtsaal von „Solbad“ Hall mit Violinsonaten von Mozart, César Franck, virtuoser Literatur von Paganini, Josef Suk und Manuel de Falla. Hervorgehoben wird in der Vorankündigung (Innsbrucker Nachrichten vom 2. Oktober 1943, Seite 4) die „Erstaufführung eines Concertino des jungen Innsbrucker Musikers Robert Nessler“.

Vom Kitzbüheler Auftritt Roman Wisatas erschien ein kurzer Bericht von Lokalreporter Viktor Jalowczarz in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. März 1943, Seite 5:

„Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude hat uns wieder einen schönen Abend geschenkt. Roman Wisata versteht seinen großen Ton meisterhaft zu verwerten und vereinigt technische Meisterleistung mit tiefsten seelischem Empfinden. Das Programm brachte Corelli, Brahms und Beethoven, dem sich der heimische Komponist Nessler anschloß: mit Sibelius und Sarasate fand die Vortragsfolge den erwarteten brillanten Abschluß. Smetanas Aus der Heimat hätte das Programm beendet, wenn der Künstler nicht zu mehreren Zugaben herausgerufen worden wäre. Frau Herta Reiß paßte als Begleiterin am Flügel in den Rahmen und trug zu diesem Erfolg einen wesentlichen Teil bei.“

Ebenfalls veranlasst durch die KdF unternahmen im März die beiden Sänger des Reichsgautheaters Rudolf Christ und Björn Forsell eine Tournee im Gaugebiet mit Stationen in „Solbad“ Hall, Schwaz und Imst. Am Flügel begleitete sie Hans Moltkau, der erste Kapellmeister des Reichsgautheaters. Das Programm umfasste „wieder beliebte Lieder und Arien deutscher, nordischer und italienischer Komponisten, um zum Abschluß beide Stimmen zu Duetten zu vereinen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. März 1943, Seite 5).

Zugunsten des Winterhilfswerks traten einheimische Musiker wie die Pianistin Ilse von Tschurtschenthaler-Hindelang, der Tenor Franz Lechleitner und der Dirigent Walter Hindelang zusammen mit dem Badischen Staatsorchester bei einem Konzert Anfang Dezember in Reutte auf. „Den Darbietungen der Künstler wurde reicher Beifall zuteil“ (Tiroler Landbote vom 10. Dezember 1943, Seite 6).


Am 22. März 1943 feierte das neu formierte Innsbrucker Streichquartett Premiere in Bludenz. Die Ensemblemitglieder waren Musiker des Reichsgau-Symphonieorchesters: Konzertmeister Josef Drevo als Primarius, Hans Kollarz, 2. Violine, Emil Wrba, Viola und Max Becke, Violoncello. Über das geplante Programm informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 18. März 1943, Seite 5 in einer Vorschau:

„[…] Die neue Vereinigung tritt zum ersten Male im Rahmen der ständigen Konzertreihe am 22. März in Bludenz auf. Es werden dabei zwei Streichquartette zum Vortrag kommen: ein frisch zupackendes Jugendwerk in D-dur von Franz Schubert und ein anderes Jugendwerk Opus 18/1 in F-dur von Ludwig van Beethoven mit dem angeblich durch die Grabesszene aus Romeo und Julia inspirierten Adagio. Zur Bereicherung der Vortragsfolge singt Fritzi Heinen, die erste Altistin unseres Reichsgautheaters, eine Händelsche Arie und je zwei Lieder von Schubert und Brahms, denen der pastose Alt der Sängerin zustatten kommen wird. Die Begleitung am Flügel hat Hans-Georg Ratjen übernommen.“

Einen Liederabend mit Franz Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin gaben der Bariton Bert Neurauter, „derzeit bei der Wehrmacht“ und seine Klavierbegleiterin Anni Rauter-Pfund am 19. April im Haller Stadtsaal (Innsbrucker Nachrichten vom 17. April 1943, Seite 5).

Ebenfalls in „Solbad“ Hall trat die ukrainische Cellistin Chrystija Kolessa einen Tag nach ihrem am 6. November in Innsbruck gegebenen Gastspiel auf. Sie spielte im ersten Teil Sonaten von Sammartini, die d-Moll-Solosonate von Bach sowie Beethovens A-Dur-Sonate. Der zweite Teil enthielt, wie so oft bei solchen Gastauftritten, virtuose Stücke. Die Künstlerin, eine Schwester der berühmten Pianistin Lubka Kolessa, wurde von Egon Kornauth am Flügel begleitet (Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1943, Seite 5).

Über Kulturveranstaltungen der KdF in Landeck wird in einer Notiz „Verschiedene Veranstaltungen in Landeck“ im Tiroler Landboten vom 3. Dezember 1943, Seite 6, mitgeteilt: „Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude zeigte in der letzten Woche in drei verschiedenen Veranstaltungen ihre Vielseitigkeit. Unmittelbar auf ihre Jubiläumsveranstaltung – ein Konzert des Musikkorps der Leibstandarte Adolf Hitler – folgte nämlich ein Kammermusikabend des Wiener Streichquaretts. Endlich brachte noch die Klingenschmied-Bühne Anzengrubers SchauspielDer ledige Hof. Alle in ihrer Art so unterschiedlichen Veranstaltungen erweckten bei den Zuhörern reges Interesse und brachten ihnen Freude und Entspannung.“

Bereits im Februar 1943 hatte die KdF mit der Einladung des Städtischen Orchesters Bludenz unter der Leitung des Schwazer Komponisten Josef Prantl in Landeck für einen Kulturevent gesorgt (Innsbrucker Nachrichten vom 10. Februar 1943, Seite 4):

„Ein bedeutsames Ereignis im Landecker Musikleben steht bevor: Das Städtische Orchester von Bludenz gibt am Freitag, 12. d[ieses] M[onats Februar], abends 8 Uhr, im Saal der Kreisleitung im Rahmen der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude in Landeck ein Konzert. Das Orchester wird aus diesem Anlaß durch auswärtige Kräfte verstärkt. Es steht unter der bewährten Stabführung von Musikdirektor Josef Prantl, der hiebei als Schlußnummer eine eigene Komposition, das Vorspiel zur Oper Yara zur Aufführung bringt. Eröffnet wird der Abend durch Beethovens Ouvertüre zu Goethes Schauspiel Egmont und setzt sich mit Schuberts Unvollendeter Symphonie fort. Als viertes Werk steht Max Bruchs Konzert in g-moll für Violine und Orchester auf der Vortragsfolge. Der Solopart wird betreut von Konzertmeister Josef Drevo.“

Im Kitzbüheler Musikleben wirkte engagiert vor allem Musikdirektor Professor Erik Digli mit seinem vom ihm gegründeten Kammerorchester. In einen Konzertabend Ende Jänner 1943 war auch Albert Riester als Harfenist einbezogen und spielte seine Solo-Suite für Harfe. Die Veranstaltung war Teil des von der KdF organisierten „Konzertrings“ der Stadt Kitzbühel. Das weitere Programm umfasste Lullys Suite im alten Stil, ein Streichquartett von Joseph Haydn, das Streichquintett mit Harfe von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann und ein Concerto grosso von Francesco Geminiani (Innsbrucker Nachrichten vom 26. Jänner 1943, Seite 4).

Mit ähnlichen Programmen beteiligte sich das Kitzbüheler Kammerorchester an sozialen Aktionen wie dem Kriegs-Winterhilfswerk (Tiroler Landbote vom 26. Jänner 1943, Seite 4).

Erik Digli trat im Auftrag der KdF mit seinen Musikern auch in der näheren Umgebung auf, etwa Ende Februar in Kössen (Tiroler Landbote vom 2. März 1943, Seite 4):

„Erstmalig gastierte in unserer Gemeinde ein Kammerorchester. Das Kitzbüheler Kammerorchester unter der Leitung Musikdirektors Professor Digli brachte Musik von Mozart, Haydn und Strauß. Der Erfolg war groß. Die Kössener sind der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude für die Veranstaltung dieses Abends besonders dankbar und hoffen, daß sie das Kitzbüheler Kammerorchester bald wieder mit schöner Musik beschenken möge.“

Natürlich engagierte die KdF auch auswärtige Gäste für ihren Konzertzyklus in Kitzbühel: Viktor Jalozczarz berichtet über ein solches Gastspiel in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Mai 1943, Seite 4:

„Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude setzte den Konzertring mit diesem einzigartigen Konzertabend des Strubquartettes fort. Mit tadelloser Präzision, Wärme und Tongebung klang Schuberts d-moll-Quartett (Der Tod und das Mädchen) auf. Beschwingtes Spiel und abgrundtiefe Mystik wechselte, unbeschwertes Ineinanderklingen der Instrumente und bravoureuse Technik hielten die Besucher in Bann. Josef Haydns Streichquartett C-dur, opus 76, wohl das volkstümlichste durch sein Adagio, löste den gleichen Beifall der dankbaren Hörer aus, die dem virtuosen Können mit gespannter Aufmerksamkeit folgten. Titanisch brauste Beethovens e-moll-Quartett, als Abschluß ebenso meisterhaft intoniert wie ausgeführt, durch die bis auf den letzten Platz gefüllten Saal.

Begeisterten Beifall erzwang sich Hugo Wolfs italienische Serenade, die in ihrer modernen Art wieder vollkommen andere Register verlangt und doch von diesem Vierspiel meisterhaft ausgeführt, die Zuhörer aufs neue begeisterte.“

Bereits im April 1943 war Hans Pfitzner auf Initiative der KdF in Kitzbühel zu Gast gewesen. Von diesem nicht alltäglichen Ereignis steht in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. April 1943, Seite 5:

„Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude hat es im Zusammenwirken mit Kunstfreunden möglich gemacht, daß wir den deutschen Tondichter Prof. Dr. Hans Pfitzner erleben durften. Der Meister hat sich unserer kleinen Kunstgemeinde in seinen tiefsten Gedanken erschlossen. Ein Sänger wie Anton Gruber-Bauer, der in allen Lagen weich ansprechen kann und eine wunderbare Modulationsfähigkeit besitzt, bringt auch diese Kompositionen für den Laien in das rechte Licht. Der Erfolg liegt in dem tiefen Empfinden und im ungekünstelten Vortrag ohne Effekthascherei – deutsche Kunst in allem. Das Programm brachte durchwegs romantische Textdichter, die der Komponist auswendig vortrug, bevor er ebenso aus dem Gedächtnis alle seine Lieder am Klavier begleitete. Wir sind dem Komponisten Prof. Dr. Hans Pfitzner und dem Sänger [Anton] Gruber-Bauer dankbar für dieses Erlebnis.“

Am 6. April 1943 hatte Hans Pfitzner mit seinem Liedinterpreten Anton Gruber-Bauer, Bariton, im 4. Abonnementkonzert Kufstein die Ehre gegeben. Der Liederabend in der Aula der Oberschule stand entsprechend seinem herausgehobenen Renommee unter dem Ehrenschutz von Kreisleiter Hans Ploner. Der Kufsteiner Musikdirektor und Parteigenosse Professor Fritz Bacher kündigt dieses für die Kreisstadt sensationelle Kulturgeschehen entsprechend plakativ im Tiroler Volksblatt vom 2. April 1943 auf Seite 3 an:

„[…] Damit vollzieht sich im kulturellen Leben unserer Stadt ein Ereignis, das im Hinblick auf die schwere geschichtliche Zeit einerseits und auf die Prominenz des Gastes andererseits nicht hoch genug gewertet werden kann. Der nunmehr 74jährige Meister zählt unbestritten zu den bedeutendsten lebenden Tonschöpfern, zu jenen volksbewußten Kündern deutschen Wesens, die berufen sind, die Weltgültigkeit der deutschen Musik zu festigen und deren Name und Lebenswerk über Jahrhunderte hinaus erklingen wird […].

Wir heißen den Meister und seinen Sänger herzlichst willkommen und blicken seinem Abend mit Spannung und Dankbarkeit entgegen.“

Neben Musikdirektor Fritz Bachler konnte sich vor allem Cyrill Deutsch als weitere musikalische Kapazität in Kufstein positionieren. Er war als Südtiroler Umsiedler in die Kreisstadt gekommen und hatte sich dort als vielseitiger Musiker bald einen Namen gemacht. Er betreute insbesondere musikalisch die Hitlerjugend und avancierte zum Kapellmeister der Standschützenmusikkapelle Kufstein, die während der Sommermonate auf dem Adolf-Hitler-Platz in Kufstein samstags regelmäßig „Standkonzerte“ spielte. Wie sehr er das Niveau dieser aus Laienmusikern bestehenden Blaskapelle steigern konnte, zeigen die engagierten Programme dieser öffentlichen Auftritte. Bei einem Standkonzert am 3. Juli in Kufstein (20-21 Uhr) waren folgende Stücke zu hören, laut Tiroler Volksblatt vom 2. Juli 1943, Seite 4:

[Heinrich] Steinbeck: In alter Frische, Marsch [op. 21];
[Johann] Strauß [jun.]: O schöner Mai, Walzer [op. 375];
[Walter Noack] Novack [!]: Ouvertüre Fest im Elysium;
[Hanns] Löhr: Murzel und Purzel, Konzert-Polka für zwei Solo-Klarinetten (Gschwentner und Schmieder);
[Carl] Robrecht: III. Walzer-Melodienfolge;
[Anton] Rosenkranz: 76er-Regimentsmarsch.

Am darauffolgenden Samstag, den 10. Juli 1943, galt die folgende Vortragsfolge (Tiroler Volksblatt vom 9. Juli 1943, Seite 3):

[Anton] Holzmann: Feuert los!, Marsch [op. 103];
Josef Strauß: Auquarellen-Walzer;
[Paul] Linke Ouvertüre zur Oper Im Reiche des Indra;
[Franz] Lehar: Potpourri aus der Operette Die lustige Witwe;
[Hans] Kliment: Der Gaukler, Intermezzo;
Herms Niels: Erika, Marschlied.

Von der besonderen Atmosphäre dieser beliebten Konzerte gibt ein Bericht im Tiroler Volksblatt vom 2. August 1943, Seite 3 eine gute Vorstellung:

„Kufstein. Die samstägigen Platzkonzerte der Standschützen-Musikkapelle auf dem Adolf-Hitler-Platz erfreuen sich so großer Beliebtheit, daß sie zum Stelldichein von alt und jung wurden. Die wenigen Bänke auf dem Platz und auf dem Aufgang zur Festung sind schon lange vor Beginn der Konzerte besetzt, und eine bunte Menge schiebt sich aneinander vorbei, in ihr vorherrschend die Uniform der Soldaten unserer Garnison. Und wenn dann Kapellmeister [Cyrill] Deutsch auf der Terrasse des Hotels Egger seinen Dirigentenstab schwingt und die Standschützenmusiker beweisen, daß sie mit jugendlichem Schmiß zu spielen vermögen, obwohl ihre Haare das Eis des Alters zeigen, dann sind alle Sorgen des Tages vergessen. Mit den flotten Märschen, der vergnüglichen Musik aus alten Operetten oder wie am vergangenen Samstag der fröhlichen Wiener Musik werden auch die Menschen froher. Manches Liebespaar schmiegt sich enger aneinander, der Großvater drückt der Großmutter die Hand und meint, ‚solange wir unseren Humor nicht verlieren, kann uns nichts geschehen!‘ Zwischendurch suchen viele Augenpaare einander, und manches glückliche Paar dürfte dieses samstägige Platzkonzert der Standschützen-Musikkapelle schon für’s ganze Leben zusammengeführt haben. Wir stillen Zuschauer aber erkennen, daß um uns eine Fülle freudiger Begebenheiten ist, man muß sich nur richtig umzusehen verstehen und nicht immer mit verdrießlichem Gesicht auf die ‚schlechten Zeiten‘ schimpfen, so wie es schon – unsere Väter getan haben.“

Im Veranstaltungsreigen zugunsten des Kriegs-Winterhilfswerks waren in Kufstein vor allem musikalische Unternehmungen vorgesehen, als Spendenanimation für die Reichsstraßensammlung. Im Tiroler Volksblatt vom 24. September 1943 werden auf Seite 3 die diesbezüglichen Vorhaben aufgelistet:

„Samstag, den 25. September: Um 8 Uhr früh Aufmarsch des Musikzuges der Hitler-Jugend. – Ferner Liedervorträge der BDM.-Singschar. – Als weitere Veranstaltung am Samstag ein Platzkonzert der Standschützenmusikkapelle unter Leitung des Kapellmeisters Cyrill Deutsch von 17 bis 18 Uhr auf dem Adolf-Hitler-Platz mit nachstehender Spielfolge: 1. Fr[anz] von Blon: Mit Eichenlaub und Schwertern, Marsch. 2. Franz Lehar: Walzer aus der Operette Der Graf von Luxemburg. 3. Franz Springer: Ouvertüre Rautendelein. 4. Max Rhode: Vom Rhein zur Donau, Potpourri. 5. Franz Schubert: Melodienfolge. 6. Josef Jurek: Deutschmeister, Marsch.

Sonntag, den 26. September: Ab 10 Uhr vormittags zieht ein Musikkorps der Gebirgsjäger mit klingendem Spiel durch die Straßen Kufsteins, und zwar von der Kaserne über die Kinkstraße – Adolf-Hitler-Platz – Platz der SA – Südtirolerplatz, von dort auf den Franz-Josef-Platz – Kreuzgasse – Maximilianstraße – Adolf-Hitler-Platz und zurück zur Kaserne. – Weiters gibt es ein Fußballwettspiel auf dem Sportplatz zwischen einer Mannschaft der Sportvereinigung Kufstein und einer Soldaten-Fußballmannschaft. Beginn 16 Uhr.“


Musik im sozialen Einsatz


Eine Spezifikum Kufstein waren die zahlreichen Gastkonzerte auf der Heldenorgel. Dieses mächtige Orgelwerk, das in Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet worden war und seine weihevollen Klänge ausgehend von Festung Kufstein über die ganze Stadt hinbreitete, zog viele Organisten an, sich auf diesem ungewöhnlichen Instrument zu versuchen. In der Reihe der alljährlichen Gastkonzerte spielte am 15. August 1943 der sudetendeutsche Organist, Komponist und Musikdirektor Rudolf Engel aus Brüx. Im Tiroler Volksblatt vom 18. August 1943 findet sich dazu auf Seite 3 ein Bericht, aus dem auch hervorgeht, wie sehr die Kufsteiner Heldenorgel bereits überregionale Bekanntheit erlangt hatte:

„Welche Bedeutung und Wertschätzung unsere Heldenorgel unter den namhaften deutschen Organisten schon gefunden hat, geht daraus hervor, daß [Rudolf] Engel für die Heldenorgel eine Helden-Suite und eine Alpen-Suite komponierte, die er der Stadt Kufstein gewidmet hat, und neben [Robert] C[urt] von Gorrissen schon der zweite Komponist ist, der diesem Werke eigene Kompositionen schenkte [vgl. die Kompositionen der Tiroler Komponisten Josef Eduard Ploner und Artur Kanetscheider für die Heldenorgel]. Sein virtuoses Spiel, das von berufener Seite schon vielfache Anerkennung fand, entzückte auch bei uns die zahlreiche Zuhörerschaft bei seinem diesjährigen Konzert, in welchem er – neben den genannten beiden Kompositionen – nur eigene Werke zum Vortrag brachte.

So beweist unsere Heldenorgel auch im 12. Jahre ihres Bestehens die große Anziehungskraft auf Künstler aus allen Teilen des Reiches, wie auch den großen ideellen Wert – vor allem in der gegenwärtigen Zeit – durch die hohe Besucherzahl aus allen Bevölkerungsschichten.“

Zum Jahresende gaben am 11. Dezember 1943 Musikdirektor Fritz Bachler und Linde Vill, eine seiner Lehrkräfte an der Kufsteiner Musikschule, ein Konzert im Rahmen der „Ständigen Konzertreihe der gemeinsamen Einrichtung der Deutschen Arbeitsfront – NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude – und der Stadt Kufstein“. Es war dies das 5. „Anrechtskonzert“ der Saison mit Werken für Violoncello und Klavier von Johann Sebastian Bach, Benedetto Marcello, Luigi Boccherini und Ludwig van Beethoven. Für Klavier solo trug Linde Vill eine Partita von Händel und ein Impromptu von Schubert vor. Zu diesem Konzert schrieb Josef Heitzinger im Tiroler Volksboten vom 10. Dezember 1943 (Seite 3) einen Vorbericht, in dem er kaum auf den Abend selbst eingeht, sondern sich vielmehr anbiedert in Phrasen und Gedanken ideologiegerechter Formulierungsoffensive, als liniengetreuer, unschwer durchschaubar nach Anerkennung buhlender Parteigünstling:

„In den letzten zwei Jahrzehnten vor der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus verflachte unser Musikleben immer mehr und wurde schließlich von einer abwegigen Ueberkultur durchsetzt, die dem deutschen Volk die klaren Quellen der Musik mit seltsamen Sensationen, fremdartigen Ueberreizungen atonaler Lautanhäufungen und jüdischer ‚Kultur‘ trübte. Erst der Nationalsozialismus schuf die Voraussetzung für die innere Neugestaltung des Musiklebens durch dessen liebevolle, fürsorgliche Betreuung und Pflege im Rahmen der deutschen Kulturpolitik. Mit der Ausrichtung der Musikpflege im neuen Geist wurden in allen deutschen Gauen die Musikschulen beauftragt.

Auch in Kufstein wurde die städtische Musikschule auf die neue Aufgabe ausgerichtet, mit deren künstlerischer Leitung seit dem Jahre 1938 Musikdirektor Fritz Bachler beauftragt ist. Die Arbeit der Musikerziehung mußte in mancher Hinsicht von den bisherigen Formen der öffentlichen und privaten Gestaltung abweichen, weil nunmehr das gesamte deutsche Musikgut – einschließlich des Volksliedschatzes und der Musik mit volkstümlichen Instrumenten – zu erfassen ist. Man ist aber auch darauf bedacht, beachtliche Einzelleistungen zu fördern und der Gemeinschaft dienstbar zu machen. Die große Aufgabe, das wahre Wesen der Musik in die Herzen des deutschen Volkes zu pflanzen und das Volk mit musikalischer Kultur vertraut zu machen, erfüllt die städtische Musikschule in Kufstein in weitem Maße […]“.

Die Künstler, vor allem Musiker und Schauspieler, wurden immer mehr von der Obrigkeit „verpflichtet“, im Rahmen von Tourneen, oft im Bereich der Truppenbetreuung und für KdF-Aktivitäten, die Kulturarbeit bestmöglich aufrecht zu erhalten. Ihren Einsatz erklärte man als Kriegsdienstleistung. Die Innsbrucker Nachrichten vom 16. August 1943 melden auf Seite 5, dass die Reichskulturkammer „vor kurzem“ ermächtigt worden sei, frei schaffende Künstler zu „Kriegsdiensten“ heranzuziehen. Aus diesem Grund wurde bei der Reichskulturkammer die besondere Dienststelle „Künstler-Einsatz“ geschaffen. Sie hatte die Aufgabe, „zunächst einmal alle für die künstlerischen Kriegsaufgaben geeigneten Kräfte zu erfassen und dann ihren Einsatz bei der Truppenbetreuung oder der Gemeinschaft Kraft durch Freude zu organisieren“.

Während der Sommermonate musizierte die Standschützenmusikkapelle Speckbacher unter der Leitung von Kapellmeister Alois Fintl (1903 Hall in Tirol-1988 ebd.) samstags von 20.15 bis 21.15 im Kurpark von „Solbad“ Hall (Innsbrucker Nachrichten vom 7. August 1943, Seite 4).

Von einem „Betriebskonzert“ in Stans wissen die Innsbrucker Nachrichten am 18. Jänner 1943, Seite 3:

„Ein gewerblicher Betrieb in Stans bei Schwaz veranstaltete ein Betriebskonzert, zu dem Verwundete der Lazarette in Schwaz eingeladen waren. Als Vertreter des Gauleiters und Reichsstatthalters war Gaupropagandaleiter P[artei]g[enosse] Margreiter erschienen, der die Grüße des Gauleiters an die Verwundeten und die Gefolgschaft überbrachte. Der Betriebsführer Pg. Doktor Jahn begrüßte die Gäste, darunter Kreisleiter Pg. Aichholzer und als Vertreter der Wehrmacht den Standortältesten von Schwaz Oberstleutnant Haselwanter, und forderte unter anderem die Gefolgschaft auf, weiterhin in treuer Arbeitsgemeinschaft zusammenzustehen, indem er den Betriebsappell als Zeichen der Gemeinschaft zwischen Betriebsführung und Gefolgschaft bezeichnete. Der musikalische Teil des Betriebskonzertes, der besonderen Anklang fand, wurde von der Kapelle eines Gebirgsjägerregimentes bestritten.“

Diese Unternehmung einer an sich lokalen Betriebsveranstaltung wurde zu einer propagandistischen Paradeaktion ausgestaltet mit der Einladung führender Repräsentanten der Partei und verwundeten Soldaten, folglich bekam sie mediale Ausstrahlungskraft.

Das Reichsgauorchester Innsbruck absolvierte im Jänner 1943 ein Gastspiel in Schwaz. Das Konzert im Saal der Kreisbauernschaft Schwaz stand unter dem Ehrenschutz des Kreisleiters Pg. Aichholzer: „Das vollbesetzte Haus“, in ihm der Ortsgruppenleiter, Vertreter der Wehrmacht sowie der Schwazer Bürgermeister, „dankte für die Darbietungen klassischer Musik von Wagner, Weber, Haydn und Mozart mit begeistertem Beifall“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Jänner 1943, Seite 3).


Komponistenjubiläen

Im Jahr 1943 feierten Josef Messner und Josef Gasser runde Geburtstagsjubiläen. Für beide Jubilare gab es aus diesem Anlass Erwähnungen in der Lokalpresse. Für Josef Gasser verfasste Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten eine Laudatio, mit der er auch seine persönliche Wertschätzung des Komponisten glaubwürdig zum Ausdruck brachte (24. März 1943, Seite 4):

„Am 24. März 1943 wird der Senior der Tiroler Komponisten, Josef Gasser, 70 Jahre alt. So manche der Innsbrucker Konzertbesucher, aber auch der Orchestermitglieder werden sich noch seiner als Violaspieler erinnern. Nur wenige mochten damals ahnen, daß in dem begeisterten Kunstjünger eine hohe kompositorische Begabung steckte, die im Lauf der Jahre zu einer wahrhaft schöpferischen Reife gelangen würde […].

1873 zu Lienz im Pustertal geboren, wandte sich Josef Gasser vorerst dem Lehrerberufe zu und wirkte nach Absolvierung der Innsbrucker Lehrerbildungsanstalt durch vier Jahre als Volksschullehrer in Haringsee im Marchfeld […]. Nach einer gründlichen Fachausbildung in der Musikstadt Regensburg betätigte er sich als ausübender Musiker, Chormeister u[nd] d[er]gl[eichen]. In Nord- und Südtirol bezog er musikalische Wirkungsstätten, um schließlich in Brixen am Eisack bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Dort entstanden der Reihe nach seine Tonschöpfungen: allvoran die vier Streichquartette […], des weiteren ‚Bühnenmusiken‘ zu Raimunds Zauberspiel Alpenkönig und Menschenfeind und zu Die letzten Tage von Pompeji, endlich die Vertonung des Operntextes Die Banditen, die ihn neben dem Musiklehrberuf als Gesangslehrer des Gymnasiums auf Jahre hinaus beschäftigte, leider ohne den erhofften und verdienten Erfolg zu bringen […].

Daß Josef Gasser sich auch um die Erforschung unseres heimischen Liedguts bemühte, insbesondere als Sammler heimatlicher Volksliedtexte und Weisen, verdient besondere Erwähnung, zumal er auf diesem Gebiete geradezu Pionierarbeit geleistet hat. Noch mehr aber gilt uns sein Vorbild als ausübender Musiker und Musikerzieher. In aber Dutzende junger Menschen hat er die Begeisterung für das deutsche Lied hineingetragen, landaus, landein weiß man vom Musikmeister Josef Gasser Rühmliches zu berichten, allvoran die Jugend ist über ihn als ihren Lehrer voll des Lobes. Als ein getreuer Eckart hat er somit im volksdeutschen Grenzraum seine Lebensaufgabe erfüllt. Frau Musica mag ihn getrost zu einem ihrer treuesten Vasallen zählen. In diesem Sinne beglückwünschen wir den jubilierenden Senior der Tiroler Komponisten!“

Otto Kurz gedenkt in einer Notiz in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. März 1943 auf Seite 5 des 50. Geburtstages von Josef Messner:

„Der Komponist Prof. Josef Meßner feierte kürzlich seinen 50. Geburtstag. In Schwaz geboren, Schüler von [Friedrich] Klose und [Josef] Becht in München, gehört er zu den bedeutenden süddeutschen Vertretern einer Neuromantik, die alle Gebiete der modernen Formenwelt umfaßt und im Klangkolorit, harmonischer Gestaltung und melodischem Bau den gedanklichen Reichtum des süddeutschen Barocks wieder auferstehen läßt. 1922 als Domkapellmeister nach Salzburg berufen – auch als Orgelimprovisator entwickelte Meßner eine vielseitige Tätigkeit – schrieb er Symphonien, Chorwerke (darunter Das Leben), Lieder und vieles andere. Als Leiter des Salzburger Domchores hat sich Meßner auch Verdienste um die Ausgestaltung des Musiklebens Salzburgs erworben.“


Volkskultur

Die Volkskultur, substanziell mit der Volksgemeinschaft verbunden, bildete die Hauptzielrichtung nahezu aller ideologiebedingten Kulturbestrebungen der NSDAP.

Volkslied, Volksmusik, Sitte und Brauchtum sowie die Tracht waren alle wirksam als Konstituenten zur Formung eines nationalen Bewusstseins. Die NS-Kulturpolitik machte sich diese Ingredienzien einer den individuellen Ausdruck nivellierenden und so vereinheitlichenden Wirkungsmacht zur ideologischen Prämisse. Mit planvoller Strategie und Taktik wurden überlieferte Formen der Volkskultur einer ideologischen Zweckbestimmung zugeführt. Einerseits gab es Bestrebungen, das noch traditionell Vorhandene zu erhalten und teilweise ideologiegerecht zu adaptieren, andererseits wurden anhand konzentrierter Aktionen, etwa im Rahmen der „Dorfgemeinschaftsabende“, bereits verschollene volkskulturelle Erscheinungsformen reaktiviert. Diesen konservatorischen Bestrebungen galten auch die Brauchtumsschulungen mit der Zielrichtung einer im ganzen Gaugebiet zu installierenden einheitlichen Lebensform der Bevölkerung, die als „artgemäß“ von der Obrigkeit vorgegeben und kontrolliert wurde. Alle diese Bemühungen der funktionellen Umwidmung von Volkskultur als eminente Stütze der Machtlegitimation und -erhaltung der Partei fanden ihre organisatorische Umsetzung im Standschützenverband, den Gauleiter Franz Hofer wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Oktober 1938 institutionalisiert hatte. Im Standschützenverband waren die Schützen sowie ihre Musikkapellen, Volkstänzer, Laienschauspieler und alle weiteren Träger volkskultureller Ausdrucksformen zu einem von der Partei gelenkten Interessenverband zusammengeschlossen. Die Volkskultur stand so im Reichsgau Tirol-Vorarlberg vollständig und ausschließlich unter der Kontrolle der NSDAP, die sich insbesondere deren identitätsstiftende Eigenschaft zur Schaffung des ideologischen Fundaments „Volksgemeinschaft“ zu Nutze machte.

Um die Gemeinschaftskultur zu beleben, wurden von den NS-Kulturstrategen sogenannte Dorfgemeinschaftsabende initiiert, die im Gaugebiet seit 1941 mit zunehmender Anteilnahme vor allem von den Ortsgruppenleitern forciert wurden. Neben der konzentrierten Darstellung der dörflichen Ressourcen im Bereich der Volkskultur mit Lied, Tanz und Laienschauspiel sowie Erzählungen von Begebenheiten aus der Dorfgeschichte oder Verlesen von Soldatenbriefen wurden diese Gemeinschaftstreffen oftmals für Propagandazwecke benützt, insbesondere um die Ortsbevölkerung zum Durchhalten zu animieren. „Die Dorfgemeinschaft soll der Born sein, aus dem immer wieder neue Kraft für die schaffenden Volksgenossen auf dem Lande strömt. Die Dorfgemeinschaftsabende stellen deshalb den Mittelpunkt aller ländlichen Kulturpflege dar“, so lautet die Botschaft von ihrer ideologisch begründeten Bestimmung in einem Artikel in der Neuesten Zeitung vom 16. März 1943, Seite 4. Wie sehr diese Intention tatsächlich realisiert werden konnte, zeigen einzelne Beispiele von Dorfgemeinschaftsabenden im Jahr 1943.

Bereits Anfang Jänner veranstaltete die Ortsgruppe Elmen im Lechtal einen Dorfgemeinschaftsabend. Einleitend gab der Ortsgruppenleiter Parteigenosse Wechner „einen Rückblick auf das abgelaufene Jahr und eine Überschau über die Aufgaben des neues Jahres“. Dann zeigte die Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes, die durch einige Wehrmachtsurlauber verstärkt war, ihr Können. „Besonderen Beifall fand die erstmalige Wiedergabe eines in Elmen selbst entstandenen Liedes, das eine wertvolle Bereicherung der Heimatlieder darstellt, die im Lechtal nicht besonders zahlreich sind. Der Abend zeigte einen schönen Erfolg der Pflege volkstümlicher Musik, für die das Interesse durch den Standschützenverband in den letzten Jahren auch dort wieder geweckt wurde, wo es in der Zeit des Niederganges der Systemzeit vollkommen verloren gegangen war“ (Tiroler Landbote vom 8. Jänner 1943, Seite 5).

Ende Februar 1943 wurde von der NSDAP ein Dorfgemeinschaftsabend in Ellbögen organisiert, der wohl vor allem dazu bestimmt war, dem „Gauhauptstellenleiter Pg. Buembeger“ die Möglichkeit für einen Auftritt zu geben, bei dem er wortgewaltig „über den Einsatz im totalen Krieg“ aufklärte. Wie sehr diese Propagandafunktion der eigentliche Anlass war, zeigt das Faktum, dass mit der Musikkapelle Bacher und den Sängerinnen Lexel aus Innsbruck der volkskulturelle Anteil an der Veranstaltung von auswärts kam. Die Notiz im Tiroler Landboten vom 23. Februar 1943, Seite 4, endet mit der von der Partei gewünschten Botschaft: „Der Abend bot ein Bild schönster Gemeinschaft“.

Einen Dorfgemeinschaftsabend ganz anderer Art veranstalteten Ende März die „Arbeitsmaiden“ in Ebbs. Die Arbeitsmaiden, die aus dem ganzen Reichgebiet stammten, waren für mehrere Monate bei Bauern als Hilfskräfte eingesetzt. Mit diesem Dorfgemeinschaftsabend verabschiedeten sie sich von ihren Dienstherren und auch von der ganzen Dorfbevölkerung in origineller Weise. Für das Tiroler Volksblatt vom 2. April 1943 verfasste eine der Arbeitsmaiden dazu einen ausführlichen Bericht (Seite 5):

„Fünf Monate waren die Maiden nun schon in Ebbs. Sie hatten ihre Arbeit freudig und gerne bei den Bauern geleistet, und ein wenig fühlten sie sich gar schon als Zugehörige der Dorfgemeinschaft. Jetzt stand der Abschied bevor. Nicht nur unser Kreis froher Kameradinnen sollte auseinandergerissen werden; nein, auch der Abschied von Ebbs und seinen Leuten erschien uns nicht nebensächlich. Wir hatten einen Dorfgemeinschaftsabend geplant, an dem wir noch einmal fröhlich beieinander sein konnten und dessen Ertrag dem Kriegs-WHW. zugeführt werden sollte. Gern hatten wir etwas Freizeit geopfert, um unser[en] Teil an dem Gelingen des Abends beizutragen.

Der große Tag kam heran. Morgens waren sieben Maiden und eine Führerin als Sprechchor durchs Dorf gezogen, um die Bauern einzuladen. Gleich guckten die Bauern zum Fenster [he]raus, und als sie sahen, daß es Arbeitsmaiden waren, kamen sie freudig aus ihren Häusern.

Rechtzeitig hatten wir Maiden uns beim Oberwirt eingefunden. Als Gastgeber mußten wir doch früh genug an Ort und Stelle sein. Einige ‚Spähtrupps‘ bewachten den Saal von der Bühnenseite aus und unterrichteten uns triumphierend, wie rasch er sich füllte. Die Maid an der Kasse hatte viel zu tun, um Herr des Geldes zu werden, das sich in den Bastkörbchen häufte. Und schließlich saßen unsere Gäste erwartungsvoll auf ihren Plätzen. Der Abend konnte seinen Verlauf nehmen. Zu unserer großen Freude nahm auch Kreisleiter Pg. [Hans] Ploner an unserem Abend teil.

Christl, der hoffnungsvolle Meister der Ziehharmonika, hatte sich uns zur Verfügung gestellt, und unter seinen Klängen marschierte ein Trupp Maiden in blauem Kleid und weißer Zierschürze ein. Nach einem Lied begrüßte unsere Lagerführerin Kreisleiter Pg. [Hans] Ploner und die anderen Gäste, anschließend entbot der Kreisleiter der Dorfgemeinschaft und den Maiden ein herzliches Willkommen. Er betonte, daß wir gerade jetzt im Kriege über ein paar frohe, sorglose Stunden uns freuen, und daß wir Maiden, die wir Ebbs verlassen, um unsere Pflichten im nächsten halben Jahr im Kriegsdienst zu erfüllen, Brauchtum und Volkstum bewahren. Dann sangen sie Tiroler Mundart-Lieder. Für einige von uns, die wir nicht aus den Alpen- und Donaugauen sind, ist es gar nicht so einfach, die Texte echt und unverfälscht zu sprechen; aber nach langem Ueben klappte alles zu unserer Zufriedenheit.

Im weiteren Verlauf unseres Programms kam ein Volkstanz, das Hirtenmadl, an die Reihe. Natürlich gibt man sich vor den Augen so vieler kritischer Zuschauer besonders viel Mühe, und trotzdem passierte es Liesl durch ein Versehen, daß sie plötzlich ihre Partnerin verloren hatte. Doch schon hatte sich aus den Reihen der Ehrengäste der Kreisleiter erhoben und tanzte mit ihr, als hätte er alles von Anfang an mit eingeübt. Nach Beendigung des Tanzes holte sich eine Maid einen Dorfbewohner, und nun begann ein fröhlicher Volkstanz. ‚Nichttanzenkönnen‘ oder Schüchternheit war kein Entschuldigungsgrund. Die verborgensten Leutchen wurden aus ihren Winkeln geholt. Unsere Lagerführerin hatte, trotzdem sie auf hohem Thron stand und einen Spazierstock in der Luft schwang, viel Mühe, ihre ‚Schüler‘ in die Künste des Volkstanzes einzuweihen. Beim zweiten Volkstanz, der Kreuzpolka, war das schon leichter Ordnung in die Gesellschaft zu bringen.

Und dann kam die große Nummer des Abends: Das Theaterstück! Im Saal wurde es finster; auf der Bühne erschienen Herr und Frau Sedlbauer. Es war sehr nett, die Mienen der Zuschauer zu beobachten, ein Schmunzeln wechselte oft mit herzlichem Gelächter. Daß das Mädchen Ursula in ihrer Rolle stecken blieb und daß man die Stimme der Souffleuse mit entsetzter Deutlichkeit im Saale hörte, das war eine menschliche Schwäche, die wohl alle unsere Zuhörer gern verziehen haben. Sie hat im Gegenteil die Heiterkeit noch gesteigert. Als am Ende der Simmerl seine eigenhändig ausgesuchte Braut heimführte und die beiden anderen zerknirscht einen Rückzug antreten mussten, da dankte ein stürmischer Beifall unseren ‚Schauspielern‘.

Der Abend endete mit einer Polonnaise, an der alle Ehrengäste und Dorfbewohner teilnahmen. Wir gingen dann heim mit der frohen Gewissheit, unseren Bauern ein paar heitere und frohe Stunden bereitet zu haben. Wir waren stolz, als wir unsere Einnahme von 140 RM. dem Kriegs-WHW abliefern durften.“

Am 25. September 1943 veranstalteten die Arbeitsmaiden des Reichsarbeitsdienstlagers in Kundl einen „Dorfabend“, bei dem sie die „zahlreichen Besucher mit schönen Liedern und Märchenspielen erfreuten“. Auch hier kam der finanzielle Ertrag des Kriegs-Winterhilfswerk zugute (Tiroler Volksblatt vom 29. September 1943, Seite 4; vgl. Tiroler Landbote vom 1. Oktober 1943, Seite 6).

Der neuen Belegschaft des Maidenlagers des Reichsarbeitsdienstes in Prutz erklärte der Landecker Kreisleiter Bernard, nachdem er die Maiden vereidigt hatte, ihre ideologisch fundierten Aufgaben: „Sie sollen Trägerinnen des Nationalsozialismus sein, Künder des Glaubens an unseren Führer und unseren Sieg und treue Helferinnen der schwerarbeitenden Bergbäuerinnen“ (Tiroler Landbote vom 3. Dezember 1943, Seite 6).


Details zu den Arbeitsmaiden


Bei einem Dorfgemeinschaftsabend in Hopfgarten Ende Februar 1943 beteiligten sich ebenfalls die Arbeitsmaiden an der Gestaltung, indem sie „Reigen“ aufführten. Die Ortsgruppe der NSDAP hatte diese Veranstaltung für die Teilnehmerinnen des zu Ende gehenden Webkurses organisiert. „Die Bauernmädel, die an diesem Kurs teilgenommen hatten, sangen schöne Volkslieder“. Beteiligt war zudem die „Frauenschaft“ mit Gedichten und Liedern. Für Abwechslung sorgte die Standschützenkapelle Hopfgarten. „Der Ortsbauernführer erläuterte in einer Ansprache den Zweck des Webkurses in dem Sinne: ‚Bauern vom Land, tragt auch das Gwand vom Land‘“, womit er die Bemühungen der Trachtenpflege verbal unterstützte (Tiroler Landbote vom 26. Februar 1943, Seite 6).

Mit der praktischen Ausbildung der Bauernmädel war neben der Vermittlung von Kenntnissen für den bäuerlichen Haushalt „Volks- und Brauchtumsarbeit“ verbunden, beispielsweise während eines zehntätigen Schulungslagers am Vomperberg für Mädel aus den Standorten Westendorf und Umgebung (Tiroler Landbote vom 23. Februar 1943, Seite 4).

Zugunsten des Kriegwinterhilfswerks fanden sich die besten Spiel-, Tanz- und Singgruppen der Arbeitsmaiden des Bezirkes XX im „vollbesetzten“ Innsbrucker Stadtsaal zu einem „fröhlichen Abend“ zusammen. „Sie gaben damit zugleich einen Querschnitt durch das Kulturschaffen der Arbeitsmaidenlager im vergangenen Sommer und ließen erkennen, wie dort Gutes und Wertvolles auch auf diesem Gebiet neben der Arbeit in Haus und Feld geleistet worden ist“, schreibt Hildegard Ostheimer in ihrem Bericht über die Veranstaltung in den Innsbrucker Nachrichten vom 22. Oktober 1943 auf Seite 3. Zum Programmverlauf teilt sie mit:

„Eingeleitet von einer klar und sauber gespielten Streich[er]suite von F. Witt und einem Begrüßungslied der Radstädter Arbeitsmaiden, wechselten in bunter Reihe Lied, Gymnastik und Tanz. Schöne alte Volksweisen aus unserer Alpenheimat bildeten die rechte Umrahmung zu dem lustigen Roseggerstückl von den dreimal abgeschnittenen ‚Stadtherrnhosen‘, das voll feinen Humors das Lob des guten alten ‚Bauerngewandes‘ singt und dem die Spielerinnen in drastischer Charakteristik zu vollem Erfolg verhalfen. Zwei Mädeltänze und ein Musikstück leiteten über zu dem zweiten Spiel des Abends, der ganz entzückenden Spitzbubenkomödie von Cordes, in der sich tiefe Weisheit und das feine Lächeln des Andersenmärchens Von des Kaisers neuen Kleidern geschickt in das Gewand einer kleinen Komödie gekleidet sind […]. Mit zwei schönen Liedern der Radstädter Maiden – deren gepflegtes und klares Singen besondere Erwähnung verdient – und endlich einem gemeinsamen Schlußlied, klang der frohe Abend aus.“

Bei einem Dorfgemeinschaftsabend in Arzl bei Imst waren auch die „Pimpfe“ des dortigen Lagers der Kinderlandverschickung Gäste der Veranstaltung und „ernteten für ihre Darbietungen reichen Beifall“. Diese Unternehmung der Ortsgruppe wurde alljährlich abgehalten. „Der Saal konnte kaum die Volksgenossen fassen, die sich eingefunden hatten, um einige Stunden der Entspannung in kameradschaftlichem Beisammensein zu erleben. Die Grüße des Kreisleiters, der an der Teilnahme dienstlich verhindert war, überbrachte Kreispresseamtsleiter Pg. Schenk. Von der Verbundenheit zwischen Front und Heimat gab die Verlesung einiger Soldatenbriefe Zeugnis. Der Heimatdichter [Jakob] Kopp aus Imst las Dichtungen aus eigenen Werken. In bunter Reihe wechselten dann Gesang, Volkstänze und Schuhplattler“ (Tiroler Landbote vom 14. Mai 1943, Seite 6).

Dorfgemeinschaftsabende beschlossen mitunter auch Parteiveranstaltungen in der gelösten Atmosphäre vertrauter Emotionalität, so zum Beispiel eine Kreisarbeitstagung in Silz Anfang September 1943: Die Veranstaltung „unter stärkster Anteilnahme der Bevölkerung“ stand „im Zeichen des heimischen Brauchtums und der Ortsgeschichte“. Den volkskulturellen Beitrag lieferten „Vorführungen von Tanz- und Singgruppen“, wobei sich die Brauchtumsgruppe Haiming besonders hervortat (Tiroler Landbote vom 10. September 1943, Seite 6).

Anlass für einen Dorfgemeinschaftsabend in Kramsach gab die Ehrung eines mit dem Ritterkreuz ausgezeichneten Soldaten der Ortsgruppe. Diese Veranstaltung wurde selbstverständlich auch für Zwecke der Kriegspropaganda genützt:

„Die Ortsgruppe Kramsach der NSDAP. veranstaltete Samstag, den 25. September, zu Ehren des Ritterkreuzträgers SS-Unterscharführer in einer Panzerkompanie der SS-Division Das Reich Hans Thaler einen von etwa 400 Volksgenossen besuchten Dorfgemeinschaftsabend, an dem auch Kreisleiter Pg. [Hans] Ploner und Landrat Dr. Walter erschienen.

Ortsgruppenleiter Pg. Gutmann eröffnete den Abend, begrüßte den Ritterkreuzträger und dessen Eltern sowie die anwesenden Fronturlauber und Gäste. Anschließend sprach Kreisleiter Pg. Ploner zu den Versammelten von den übermenschlichen Leistungen unserer Soldaten an der Front, die täglich und stündlich ihr Leben für die Heimat einsetzen. Diese Leistungen und Opfer verpflichten die Heimat, alle Kräfte für die Erringung des Endsieges einzusetzen. Nach dem Appell an alle, noch eifriger als bisher die uns in dieser großen Zeit auferlegten Arbeiten zu erfüllen, schloß Pg. Ploner mit dem Gruß an den Führer.

Der folgende gemütliche Teil des Dorfgemeinschaftsabends, den die Standschützen-Musikkapelle und die BDM.-Gruppe Kramsach, die Mädelgruppe Alpbach und die Radfelder Jodlergruppe durch Musikstücke, Volksgesänge und Volkstänze verschönten, verlief in heiterster, kameradschaftlicher Stimmung.“ (Tiroler Landbote vom 27. September 1943, Seite 4).

Neben den Dorfgemeinschaftsabenden gab es natürlich eine Vielzahl weiterer Unternehmungen, bei denen Volkslied und Volksmusik mit vertrauten Klängen im Ambiente von Tracht die Atmosphäre gemütvollen Gemeinschaftserlebens prägten. Beispiele dafür sind volkstümliche „Liederabende“ der Kitzbüheler Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg in Kitzbühel und Westendorf (Tiroler Landbote vom 26. Jänner 1943, Seite 4) oder ein vom „Kreisamtsleiter“ Parteigenossen Norbert Wallner programmatisch geformter Volksliederabend, der gestaltet von der Junglehrerinnen-Singschar „in vielen Liedern und Jodlern das gesamte Bauernleben“ detailreich illustrieren sollte.

Beliebt waren auch die von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude organisierten Veranstaltungen, in deren Rahmen „Lautensänger“ Robert Berchtold „Heimatweisen“ von Josef Pöll und anderen Autoren darbot und Karl Paulin zumeist originelle und humorvolle Beispiele aus Tirols Literatur präsentierte. Im April wurde ein solcher Abend sogar im Salzburger Mozarteum vor „einer zahlreichen Zuhörerschaft“ veranstaltet. „Der reiche Beifall, vor allem auch der vielen in Salzburg lebenden Landsleute der Gäste forderte Zugaben und baldiges Wiederkommen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. April 1943, Seite 4).


Tiroler Land - Tiroler Leut


Das von Fritz Engel initiierte öffentliche Volksliedersingen wurde von der Gausachbearbeiterin für Musik und Feiergestaltung Bertl Steiger fortgeführt (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juni 1943, Seite 3):

„Am 3. Juni fanden sich im Claudia-Saal zahlreiche Sangesfreudige zum offenen Singabend ein, der von der Volksbildungsstätte Innsbruck und der NS.-Frauenschaft durchgeführt wurde. Unter der Leitung von P[artei]g[enossi]n Bert[l] Steiger wurde ein heimatliches Volkslied nach dem anderen erlernt, so daß im zweiten Teil des Abends die Mundartgedichte, die der Heimatdichter Jakob Kopp vortrug, bereits mit den eben erlernten Liedern und Jodlern umrahmt werden konnten.“


Trachtenpflege und Trachtenerneuerung

„Nun ist die Zeit gekommen, daß das Trachtenwesen wieder voll und ganz in den Dienst der Gemeinschaft gestellt werde“ hatte Gauleiter Franz Hofer mit seinem Artikel „Brauchtum und Trachten“, den er gewissermaßen als Geleitwort zum 1. Landesschießen in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. September 1938 (Seite 6) veröffentlichte, die Richtung unmissverständlich vorgegeben. Die Trachten seinen „Ausdruck reinen Volkstums“ und das äußere Zeichen der „Verbundenheit mit der ewigen Geschlechterfolge“; darum sei es „das Bestreben der nationalsozialistischen Staatsführung, die überlieferten heimatlichen Trachten zu erhalten“. Die Trachten waren als „Ausdruck der Eigenart und der Gemeinschaft des Volkes“ essenzielles Potential der äußeren Kennzeichnung der Volksgemeinschaft und so deren konsequente Wiederbelebung substanzielles Programm der Ideologie. Gauleiter Hofer hatte in seinem Bestreben, die Tracht wieder allgemein verbindlich zum „artgemäßen“ Ehrenkleid der Heimat zu erheben, in Gertrud Pesendorfer, der politisch verlässlichen Geschäftsführerin des Tiroler Volkskunstmuseums, eine überaus tüchtige und auch talentierte Mitstreiterin. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte sie im September im Rahmen der von ihr konzipierten Ausstellung Tiroler Volkskunst und Handwerk auch den Trachten großes Augenwerk gewidmet und damit Einblick in ihre bereits jahrelangen Forschungen auf diesem Gebiet vermitteln können.


Details


Diese Aktivität stand auch in Verbindung mit dem Trachtenwettbewerb der Musikkapellen im Anschluss an das Landesschießen, bei dem Gertrud Pesendorfer als Jurorin beteiligt war. Im dem von Karl Paulin herausgegebenen „Familienkalender für Stadt und Land“
Alpenheimat 1939 veröffentlichte sie erstmals ihre Gedanken zu einer effizienten Strategie in der Wiederbelebung der Volkstrachten. Die Grundlage zu dieser Initiative ist ihre Erfüllung ideologischer Prinzipien. Bei der „Trachtenpflege“ gehe es „nicht um ein Aufwärmen alter, abgelebter Dinge“, sondern darum, „aus dem Schatz unseres Vätererbes und das wirklich zu erwerben, was vor Überfremdung bewahrt und uns aus der Gedanken- und Gefühllosigkeit der letzten Jahrzehnte herausführt zu neuem Gemeinschaftssinn und echter Volksverbundenheit“ (Seite 123). Vor allem dem Bauernstand „als dem Kraftquell allen echten Volkstums“ sei die Aufgabe zugewiesen, in diesem Bestreben „eine ebenso ehrenvolle wie verantwortungsreiche Aufgabe“ zu erfüllen.

Es gehe dabei nicht darum, „die alten Formen einfach“ zu übernehmen, „wie sie unseren Voreltern gedient haben“, sondern „frei und leicht in gesunder Kleidung wird sich das neue Bauerngeschlecht bewegen. Seine Tracht wird der Ausdruck neuen Lebenswillens und der stolzen Gemeinschaft sein“. Für die „Wiederaufnahme der Tracht“ als „bodenständige Kleidung“ erteilt Gertrud Pesendorfer folgende Ratschläge: „Wenn ein Werktagsgewand nottut, dann kann aus den guten Druckstoffen, die nach bodenständigen Mustern wieder hergestellt werden, ein Gewand gefertigt werden, das ebenso praktisch und bequem wie kleidsam ist und in seinen Grundformen seit altersher das deutsche Frauenkleid war: für den Sommer das ärmellose Leibchen mit angenähtem Rock, dazu das weiße Ärmelleibl, die gereihte Bundschürze; für den Winter das Arbeitskleid aus Barchent in der gleichen Art, mit langen Ärmeln aus dem gleichen Stoff. Diese uralte Form ist uns heute in guten und schlechten Beispielen als Dirndl bekannt“ (Seite 122).

Die größte Gefahr für Tracht seien die Verführungen der Mode. „Wir wollen jedoch kein Dirndl, wie sie uns in Dutzenden von Arten die Mode zeigt […], wir wollen selber teilhaben an der Gestaltung unserer Tracht, sonst verdient das Kleid, das wir tragen, diesen Namen nicht.“ Im Unterschied zu den billig hergestellten Modeprodukten sollten für die Trachtenfertigung „die besten bodenständigen Stoffe“ gewählt werden und die Formen entsprechend der Traditionen „für Tal und Ort“ nachgebildet sein. Die Wertschätzung des eigenen Kleides würde sich noch vertiefen, wenn die Stoffe durch Handarbeit idealerweise zumindest teilweise selbst hergestellt würden (Seite 123). Mit Leidenschaft setzt sich Pesendorfer daher dafür ein, die „winterlichen Spinnabende“ wieder aufleben zu lassen, damit es erneut möglich wird, „aus selbstgebauten Flachs“ wieder „selbstgesponnenes Leinenzeug“ zu trachtigem Kleidungszubehör zu formen. Neben dem Bestreben um Originalität und Authentizität führt Pesendorfer in ihrem Engagement um die Wiederbelebung der Tracht auch ein praktisches Argument ins Treffen: „Modische Kleider, enge Röcke, Blusen usw. sind auch zur ländlichen Arbeit nicht praktisch. So ein Kleidungsstück sieht nie gut aus, nie ist es wesensverbunden mit ihr. Das eben ist der Unterschied zwischen Allerweltmode und Tracht. Die Tracht kann in ihrem langsamen Wachstum sich mit der Wesensart der Menschen, die sie tragen, verbinden“ (Seite 125).

Das besondere Augenmerk Pesendorfers in ihrem Bestreben, die Volktrachten wieder zu aktivieren, galt ihrer allgemeinen Verwendung als „Arbeitstracht.“ Die Tracht sollte nicht nur zu Festtagen vorgeführt werden, sondern als ideologisch wirksames Kleidungsstück möglichst die ganze Bevölkerung als eine in politischer Übereinstimung mit den Machthabern verbundener Gemeinschaft auch im Alltag kennzeichnen. Aus diesem Ansinnen veröffentlichte sie im Volkskalender Alpenheimat 1944 unter dem Titel „Unsere Arbeitstracht“ ihre diesbezüglichen Ideen und Ratschläge. Einleitend bringt sie grundsätzliche Ausführungen über ihr Konzept einer erfolgreichen Vorgehensweise zur Aktivierung der Arbeitstracht:

„Soll sich der überall auftauchende Wille zur Erneuerung der Tracht wirklich durchsetzen, so daß sie lebendig in unserer Volksgemeinschaft steht, dann müssen Arbeits- und Festtracht sich wieder zu einem harmonischen Ganzen verbinden. Wo also nur mehr die Festtracht getragen wird, muß die ihr entsprechende Arbeitstracht in erneuerter Art wieder in Brauch kommen, sonst stirbt die Tracht allmählich ab. Denn gerade über das Arbeitsgewand, für das nach dem Aufhören der Eigenerzeugung die billigsten Stoffe gekauft wurden, haben sich in vielen Gegenden die städtischen Formen eingeschlichen. Und wenn auch im Festbrauch noch am Alten in Ehrfurcht festgehalten wurde, so schien doch für die Arbeit die billige Konfektionsware gut genug. Das ist aber keineswegs richtig, denn auch im Alltag soll der Mensch ein seiner würdiges Gewand tragen. Alltagskleid und Festgewand sollen in einem inneren Zusammenhang und Einklang stehen. Wo Festtracht noch getragen wird, im Alltag sich aber schon städtische Formen breitgemacht haben, die der Art unserer Menschen nicht zu Gesicht stehen, muß vor allem mit der Erneuerung der Arbeitstracht begonnen werden. Auch dort, wo Tracht überhaupt nicht mehr getragen wird – und auch in unserem Gau war dies in einzelnen Tälern der Fall – geht die Erneuerung der Arbeitstracht einem Wiederaufleben der Festtracht voraus. Nicht nur zu Festen sollen Trachten wieder in Erscheinung treten, sondern unser ganzes Leben – und die Kleidung des Menschen drückt Art und Leben aus – soll in der Gediegenheit der eigenen Tracht seinen Ausdruck finden“ (Seite 99).

Als ideologiebegründete Zielsetzung ihrer Bestrebungen formuliert Gertrud Pesendorfer zum Abschluss ihres Beitrags: „Auch an unserer Alltagstracht wollen wir ständig weiterwirken, sie schön und sorgfältig ausarbeiten. Denn wenn wir uns bei der Arbeit richtig kleiden, wenn wir auch da in unserer äußeren Erscheinung zeigen, welcher Art wir sind, dann wirkt das auf die Gemeinschaft, in der wir leben, wohltuend und ordnend. Und auch auf das Wesen des Einzelnen strahlte [!] diese Haltung zurück“ (Seite 100).

Bei ihrer Arbeit vertraute Pesendorfer auf die Wirkungsmacht der Tradition: „In unserem Volksstamm ist die Kraft, Tracht zu bilden, nicht erloschen. Was sich in den Schützentrachten von der Tracht unserer Täler lebendig erhalten hat, bildet den Kern, aus dem die neuen Trachten wieder sich entfalten […]. Wir müssen mit tätigem Anteil, mit Sinn und Verstand an dem weiterwirken, was uns als Erbe anheimgegeben ist. Da wir in Tirol-Vorarlberg ein so reiches Erbe an all dem unser Eigen nennen, was wertvolles Volksgut ist, sind wir doppelt dazu verpflichtet, es zu hüten und zu mehren“ („Warum tragen wir Tracht?“, in: Alpenheimat 1945, Seite 97). Neben den traditionellen Schützentrachten waren für Gertrud Pesendorfer Vorbilder für ihre Trachtenrenaissance auch ikonographische Quellen wie Genredarstellungen im ländlichen Milieu und historische Trachtenbilder, vorrangig aus dem 19. Jahrhundert sowie rezente Überlieferungsformen, wie sie im Gaugebiet noch vielfach anzutreffen waren, etwa im Tiroler Unterland, im Montafon, Bregenzerwald oder bei Südtiroler Umsiedlern insbesondere aus dem Sarntal.

Die Intention der Trachtenpflege sei aber nicht ein starres Festhalten ohne Berücksichtigung einer organischen Weiterentwicklung. „Dem zeitgemäßen Wandel, jener großen Strömung steter Entwicklung blieb auch die Tracht niemals verschlossen. Auch sie ändert sich stets auf unmerkliche Weise. Sie nimmt von dem, was wir den Zeitstil nennen, auf, was der Art der Gemeinschaft gemäß ist. Eingeordnet in den Brauch des Alltags oder der Feste verwächst das Neue mit dem Älteren und wird zur Tracht, die als ein Teil lebendigen Brauches einen tiefen Wert hat für den einzelnen wie für das ganze Volk. Jung und alt, Mann und Frau, Bursch und Mädel, Bauer und Knecht, Bäuerin und Magd, alle zeigen sich in der Tracht als eine volks- und bodenverbundene Gemeinschaft. Fest und Feier haben ihre besonderen Zeichen. Jeder trägt, was ihm nach der Ordnung der Arbeits- und Blutsgemeinschaft, in der er steht, zukommt“ (Seite 98). Der Einfluss der „von internationalen Kräften gelenkten Mode“ hingegen wirke sich auf den „Volkscharakter“ „zersetzend“ und „zerstörend“ aus. Pesendorfer warnt ihre Leser vor dem lasziven Einfluss der Mode: „Vieles an der Mode wirkt gefällig, es kommt dem Trieb nach Abwechslung, nach Absonderung entgegen. Mode ist in ihrer Art bequem, sie verpflichtet zu nichts. Doch ist sie tyrannisch im raschen Wechsel launischer Formen“ (Seite 98). Die Tracht wäre hingegen nicht nur das beständige, sondern auch gemeinschaftsbildende Kleidungsstück, das zudem in seiner Ausstrahlung den Modeprodukten überlegen sei. „Es ist schon so, daß die Tracht ganz anders kleidet, daß sie stattlicher, schmucker, ja einfach schöner wirkt als die städtische Kleidung.“ Um der Suggestionskraft der Mode wirkungsvoll zu begegnen, seien aber auch Adaptierungen im Sinn behutsam vorzunehmender Trachtenerneuerung notwendig. „Sicher haben sich auch in unseren Trachten manche Formen überlebt. Sie entsprechen oft nicht mehr unseren heutigen Begriffen von Gesundheit und Freiheit der Körperhaltung.“ Darum sei es das Bestreben, in enger Anlehnung an die traditionellen Vorbilder, die Trachten für die Gegenwart anzupassen. „Die erneuerten Trachten sind keine Schöpfungen der Willkür, sondern entwickeln sich auf eine natürliche Weise aus den schönsten Erbstücken, die uns die Trachten unserer Voreltern bieten. Sie schließen sich auch unmittelbar an das bis heute getragene an. Der kaum abgerissene Faden wird so aufgenommen und weitergesponnen. Allmählich mag daraus das Gewebe einer wieder allgemein getragenen Volkstracht entstehen.“

In Gertrud Pesendorfers Verständnis ist die Tracht als Schöpfung des Volkes mystifiziert. In ihrem Artikel „Zu unserer Volkstracht“ in der von Gauleiter Hofer herausgegebenen repräsentativen Kulturzeitschrift Tirol-Vorarlberg. Natur, Kunst, Volk, Leben 1943, Heft 2/3, Seite 15 ff. erklärt sie diese Ansicht wie folgt:

„Vom Modischen unterscheiden sich [die jeweiligen Formen der Volkstracht] jedoch in einem Wesentlichen: Sie entstehen und wandeln sich, eingeordnet in das Leben einer stammes- und landschaftsverbundenen Gemeinschaft. Alles, was von außen in die im Brauch stehende Tracht aufgenommen wird, wird ihr auf eine besondere Weise verbunden, in sie einverleibt und stört nicht ihre Geschlossenheit. Das Neue ist nur frischer Lebensstoff, der nach dem der Gemeinschaft innewohnenden Gesetz auf die ihr eigene Weise verarbeitet wird. Dabei scheinen in der Entwicklung der deutschen Trachten in ihrer Gesamtheit große gemeinsame Züge auf, die sich je nach Art und Landschaft zeitlich ineinanderschichten. Die trachtlichen Besonderheiten der einzelnen Gegenden, das Stammesmäßige, das sich in den deutschen Trachten so reichhaltig ausdrückt, ist ein Zeichen des vielfältig Schöpferischen in unserem Volk.“ Dieser organische Prozess sei jedoch schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts brüchig geworden. Zwar habe es Bestrebungen diverser Trachtenvereine gegeben, die Volkstracht am Leben zu erhalten, doch gingen ihre diesbezüglichen Aktivitäten „am Wesentlichen vorbei“, weil sich ihre Trachtenpflege nur auf den Vereinszweck beschränkte und keine allgemein wirksame, sondern vor allem lokal betonte folkloristische Intention hatte. „Es gab Vereine in unseren Städten, die sich unter dem Namen eines bestimmten Tales oder sonst unter einem romantischen Vereinstitel, wie D’ Inntaler, D’ Schneetaler, Trachtenerhaltungsverein Edelweiß und ähnliche etwa die Wipptaler Tracht oder Zillertaler Tracht als Vereinstracht anschafften. Die Vereinstrachten waren zum Teil den bäuerlichen Besitzern abgekauft (es handelte sich fast immer um die alten Festtrachten aus der ersten Hälfte des vorigen [19.] Jahrhunderts), zum Teil waren es mehr oder weniger getreue Nachahmungen.“ Im Unterschied zu den jetzigen Bestrebungen im Zuge der Trachtenerneuerung kümmerte sich damals niemand „um ihre wirkliche Erhaltung im Leben der betreffenden Gemeinschaft“ (Seite 18). Für eine erfolgreiche Abwicklung ihrer Trachtenarbeit formuliert Gertrud Pesendorfer folgende Grundsätze:

„Wir stehen in unserer Arbeit drei Dingen gegenüber: Der Pflege der bestehenden Trachten einzelner Landschaften, wie etwa der Tracht der Bregenzerwälderinnen, der Festtracht der Montafonerin oder der Unterländerin, der Arbeits- und Sonntagstracht der Sarner und Eisacktaler; dem Wiederaufleben der Tracht in Gegenden, die außer ihrer Schützentracht alles Trachtige abgelegt haben; schließlich die Verdrängung von Trachtenkitsch und Trachtenmode. Für dies alles muß eine Grundlage geschaffen werden, d. h. die Trachtenpflege muß aus dem Boden unseres volkstümlichen Erbes den Samen ziehen für ein erneutes Wachstum unserer Tracht. Alles, was wir heute an Zeugnissen der Vergangenheit sammeln, aufzeichnen und bewahren, darf nicht nur das wissenschaftliche Interesse allein befriedigen, wenn auch gerade die Ergebnisse der Trachtenforschung einen sehr wertvollen Beitrag bilden für die Volkstumskunde in ihrer Gesamtheit. Alle Arbeit dieser Art soll dem Ganzen dienen, die Rückschau soll sich sofort umsetzen in lebendiges Schaffen für Gegenwart und Zukunft.“ (Seite 23).

Wie sehr Gertrud Pesendorfer diesen Zielsetzungen in engagierter Weise gefolgt ist, zeigen ihre zahllosen Aktivitäten. Sie beteiligte sich als die berufene Expertin bei unzähligen Brauchtumstagungen mit Vorträgen, Präsentationen von Trachten, zum Teil wie bei heutigen Modeschauen üblich, unter Mitwirkung von Modellen und Filmvorführungen ebenso wie als versierte Jurorin bei Trachtenwettbewerben, so etwa beim Brixentaler Flurritt oder mit Beiträgen in diversen Publikationen. Überall setzte sie sich als leidenschaftliche Kämpferin für die Volkstracht ein. Als Leiterin der Mittelstelle Deutsche Tracht, die im Tiroler Volkskunstmuseum im März 1939 eingerichtet worden war und als Reichsbeauftragte für das Trachtenwesen fungierte sie als die zentrale Auskunftspersönlichkeit für alle Fragen zur Tracht. Unermüdlich wirkte sie darauf hin, dass die vereinende identitätsstiftende Funktion der Tracht der Ideologie zur Festigung der Volksgemeinschaft dienstbar gemacht werden konnte.

Zum Festprogramm des 6. Landesschießens, das die Vielfalt der kulturellen Initiativen im Gau in komplexer Form insbesondere als Demonstration der konsequenten Arbeit des Standschützenverbandes im Dienst der Partei vermitteln sollte, gehörte auch eine von Gertrud Pesendorfer gestaltete, optisch attraktive und informative Trachtenausstellung. Als Zeichnerin von historischen Trachtenmodellen und gegenwärtigen Entwürfen im Rahmen der Trachtenerneuerung wirkte Erna Piffl mit einer Vielzahl entsprechender Darstellungen mit.

„Die Arbeiten dieser Künstlerin [Erna Piffl] sind viel mehr als nur getreue Wiedergaben besonders schöner und bezeichnender Trachten: sie zeigen in unübertrefflich lebensvoller Darstellung Menschen unserer Berge in der harmonischen Vollkommenheit, die ihnen das Arbeits- und Festkleid der Heimat verleiht und runden das sachliche für jeden Freund heimischen Volkstums interessante Material als mit den Augen der Künstlerin gesehene Ausschnitte aus dem unendlichen volkskulturellen Reichtum unserer Heimat wirkungsvoll ab“ (Tiroler Volksblatt vom 12. Juli 1943, Seite 3).

Eine weitere treue Begleiterin der Initiativen Gertrud Pesendorfers im Bereich der Trachtenpflege war die Innsbrucker Künstlerin Gretl Karasek, die mit einer Vielzahl herausragend qualitätvoller Trachtenzeichnungen diese Bestrebungen wirkungsvoll unterstützte. Über die Ausstellung erschien im Tiroler Landboten vom 15. Juli 1943 auf Seite 6 ein ausführlicher Bericht:

„Die Veranstaltungen zum 6. Landesschießen in Innsbruck sind in ihrem äußeren Bild bestimmt durch eine Fülle farbenbunter Trachten. Dadurch werden die erfolgreichen Bemühungen sichtbar, die in den letzten Jahren in der Brauchtumspflege im Gau Tirol Vorarlberg angestellt wurden. Die Oeffentlichkeit mit dem Trachtenwesen und seinen völkisch tiefliegenden Ursachen vertraut zu machen, ist der Zweck der Ausstellung Trachtenerneuerung im Gau Tirol-Vorarlberg, die im Rahmen der Kulturschau aufgebaut ist. Man findet hier in sorgsamer Zusammenstellung die bildliche Wiedergabe alter Trachten, die ein Vierteljahrtausend umfassen und nach einzelnen Talschaften geordnet, ein Entwicklungsbild der einzelnen Trachten geben. Farbige Zeichnungen und Wiedergaben alter Gedenkbilder lassen erkennen, wie die Vorfahren die Trachten getragen haben und wie diese im Laufe der Jahrhunderte von einem Gebiet ins andere wanderten. Zahlreiche lebensgroße Figuren zeigen als Gegenstück dazu die erneuerten, den heutigen Lebensbedingungen entsprechenden Trachten. In dieser Darstellung zeigt uns die Schau die Früchte der Arbeit, die im Volkskunstmuseum unter der Leitung von P[artei]g[enossi]n Gertrud Pesendorfer seit Jahren geleistet und noch dauernd fortgesetzt wird, seither auch schon weit über die Grenzen des Gaues Tirol-Vorarlberg hinausgegriffen hat: einerseits die Trachtenforschung, die in die Vergangenheit gerichtet ist und die teilweise verschütteten überlieferten Grundlagen freilegt und sicherstellt, andererseits die Trachtenerneuerung, die, auf diesen Grundlagen aufbauend, in schöpferischer Leistung lebensnahe Formen gestaltet und damit die für den Erfolg der gesamten Trachtenarbeit entscheidende Voraussetzung schafft.

Es verlohnt sich wirklich, diesen mannigfaltigen Darstellungen, die nicht nur Gesamttrachtenbilder, sondern auch Skizzen und Zeichnungen zahlreicher Einzelteile und ihre Entwicklung umfassen, eingehende Aufmerksamkeit zuzuwenden. Man versteht dann, warum es durchaus nicht gleichgültig ist, wenn die Trachtenschneiderin oder das Mädel, das seine Kleiderkartenpunkte in ein Trachtengewand umsetzt und sich dieses selbst anfertigt, an ganz bestimmte Schnittmuster, Stoffe und Farben gebunden ist. Trotz der Erneuerung oder vielfach gerade deshalb, weil es sich um eine Erneuerung überlieferten Formengutes handelt, unterliegt die Anfertigung einer bestimmten Taltracht strengen Richtlinien, die schon deshalb notwendig sind, um eine Wiederholung von Verirrungen in Modetorheiten zu vermeiden von ähnlicher Art, wie solche während einer vergangenen, nun endgültig überwundenen Zeitspanne das ganze Trachtenwesen zu verderben drohten.

Es muß der Aufmerksamkeit des Beschauers überlassen bleiben, auf die zahllosen Einzelheiten dieser Schau einzugehen, die übrigens bewußt sich auf einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt der Trachtenarbeit durch das Herausgreifen einzelner charakteristischer Talschaftsentwicklungen beschränkt und dadurch ermüdende Wiederholungen gleichartiger Darstellungen vermeidet. Ein Umstand jedoch fällt durchgehend auf und muß daher auch hier Erwähnung finden: gerade die ältesten Trachtenbilder zeigen, daß die alten Trachten in Form- und Farbengebung bedeutend reicher und praktischen Anforderungen besser angepaßt waren, als die späteren, etwa im Laufe des 19. Jahrhunderts üblich gewordenen Ausführungen. Als Gipfelpunkt dieser Entwicklung sind Frauentrachten anzusehen, die den natürlichen Körperformen geradezu Gewalt angetan haben. Wir erinnern uns an ein altes Lichtbild, das walserische Frauentrachten zeigt, bei denen der Rockbund etwa eine Handbreit unter dem Adamsapfel liegt!

Auch die ausgesprochene Farbenfreudigkeit früherer Trachten weicht im Laufe der Zeit einer fortschreitenden Eintönigkeit. Die Ursachen für diese Entwicklung sind nicht ganz leicht zu erforschen. Einen Schlüssel dafür dürfte jedoch eine Reihendarstellung bieten, die nach einer alten Vorlage ebenfalls in der Ausstellung wiedergegeben ist und aus der hervorgeht, daß Einflüsse am Werke waren, welche z. B. die Volksmusik und den Volkstanz als einen Weg zur sittlichen Verderbnis und ewigen Verdammnis zu bezeichnen sich bemühten. Dieser Geistesrichtung war es selbstverständlich angemessen und ihren Trägern erwünscht, wenn sich die Trachten zu unförmigen Gebilden entwickelten, deren Alltagsgebrauch sich von selbst verbot; sie waren so geradezu auf dem Wege, zu Bußgewändern zu werden. Ueberlegungen über diese Zusammenhänge offenbaren uns weltanschauliche Hintergründe und bestätigen die Tatsache, daß wir die Vorliebe unserer heutigen Jugend für die Trachtenkleidung als ein Anzeichen für die Abkehr von muffiger Weltabgewandtheit und für die Zuwendung zu der diesseits gerichteten Lebens- und Arbeitsfreude betrachten dürfen, deren unser Volk für sein Bestehen im Schicksalskampf bedarf.

Die großen Erfolge im Gau Tirol-Vorarlberg in der Trachtenforschung und Trachtenerneuerung sind das Ergebnis innerer Haltung. Die Tracht ist Bekenntnis zur Gemeinschaft, zu den Ueberlieferungswerten der Heimat, zum Kulturgut der Vorfahren und zur Lebensbejahung.“

Dieser in der NS-Zeit der Tracht zugewiesene Bedeutungsgehalt hat sich kaum geändert. Erst unlängst, am 1. August 2014, erschien in der Tiroler Tageszeitung auf Seite 39 eine Vorankündigung von einem „Schwazer Stadtfest“ mit dem Motto „Die Stadt trägt Tracht“. Hierfür wurden alle Besucher „aufgefordert, in Tracht zu erscheinen“. Ob sich die Festgemeinde dabei mit Traditionen der „Heimat“ identifizierte oder sich als exklusive „Gemeinschaft“ darstellen und damit gesellschaftlich herausheben wollte oder ob schließlich alles nur ein Werbegag war, lässt sich gegenwärtig im Gegensatz zur klaren Funktionszuweisung der NS-Zeit allerdings nicht entscheiden.

Auch beim Werbeplakat für den Rumer Schützenball am 25. Oktober 2014 mit dem Motto Dirndl trifft Lederhose werden die Besucher eingeladen, in Tracht zu erscheinen: „Jeder in Tracht bekommt ein Freigetränk“ (mehrere Plakatanschläge in Rum, Oktober 2014). Die Zusammengehörigkeit bildende und identitätsstiftende Kraft der Volkskultur wird aber heute nicht mehr für ideologische Zwecke missbraucht, sondern steht im Dienst der Traditionspflege und ist Ausdruck eines unpolitischen Patriotismus und Heimatgefühls.

Im Zuge der Straßensammlung für das Winterhilfswerk wurden im Jänner 1943, vermutlich auf Initiative von Gertrud Pesendorfer, als Werbehilfe kleine Heftchen mit Trachtendarstellungen und Volksliedern hergestellt (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Jänner 1943, Seite 3):

„Bei der bevorstehenden gaueigenen Straßensammlung bieten die Politischen Leiter und die Mitglieder des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg den gebefreudigen Volksgenossen sechs verschiedene kleine Heftchen an. Diese Heftchen enthalten Trachtenbilder aus den verschiedensten Gegenden unseres heimatlichen Berggaues und eine Erläuterung über den Wert unserer Volkstrachten, ihrer Erhaltung und Erneuerung. Außerdem enthält jedes Heftchen Melodien und Texte bekannter heimatlicher Volkslieder, die vorzugsweise in den Gegenden gesungen werden, wo die im gleichen Heft abgebildeten Trachten zu Hause sind. So stellen die einzelnen Heftchen – und noch vollkommener alle sechs in ihrer Gesamtheit – einen Querschnitt durch eines der wichtigsten volkskulturellen Arbeitsgebiete unseres Gaues dar und einen Ueberblick über die wertvollen Güter unserer heimatlichen Volkskultur, das Volkslied und die Volkstracht.“

Die Bedeutung Innsbrucks und seines Volkskunstmuseums als Zentrale der Trachteninnovation für das ganze Reich kommt auch 1943 wiederum mit einer überregional besetzten Arbeitstagung der Mittelstelle Deutsche Tracht der Reichsfrauenführung im November 1943 zur Geltung. Mit der treffenden Schlagzeile „Trachtenarbeit – eine völkische und politische Aufgabe“ erschien im Bozner Tagblatt (23. November 1943, Seite 3) dazu ein ausführlicher Bericht, der auch für den soeben in Gang gekommenen „Kulturaufbau“ in Südtirol richtungsweisend sein sollte:

„Die Reichsfrauenführung rief kürzlich die Abteilungsleiterinnen Kultur-Erziehung-Schule und die Abteilungsleiterinnen Landfrau nach Innsbruck, um ihnen durch Gertrud Pesendorfer, die Leiterin der Mittelstelle Deutsche Tracht am Tiroler Volkskunstmuseum, eine grundsätzliche Einführung in die Trachtenarbeit zu geben.

Es war wohl das fruchtbarste Ergebnis des Beisammenseins, daß auch den Teilnehmerinnen aus fernen Gauen die völkische und politische Bedeutung und der erzieherische Wert der Trachten richtig klar wurde[n]. Im Gau Tirol-Vorarlberg ist diese Überzeugung dank der Arbeit Frau Pesendorfers, vor allem aber des fördernden Verständnisses des Gauleiters schon seit langer Zeit selbstverständlich.

In richtungsweisenden Vorträgen gab Frau Pesendorfer zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Trachtenarbeit und der Mittelstelle. Es wurde ersichtlich, daß eine Lenkung in dieser Richtung in Anbetracht der vielen sich mit der Erhaltung der Tracht befassenden Bestrebungen – angefangen bei Trachtenvereinen, heimatkundlichen oder sonstigen kulturellen Verbänden bis zu den Moderichtungen – unbedingt erforderlich geworden war. Notwendigkeit und lebendiger Wille wirkten zusammen, daß es (1939) zur Errichtung der Mittelstelle kam. Die Erneuerungsbewegung hatte gerade im Gau Tirol-Vorarlberg besonders günstigen Boden gefunden. Hier sind ja die Fäden der Überlieferung noch lange nicht in dem Maße abgebrochen wie in so vielen anderen deutschen Landschaften. Der Auftrag der Mittelstelle war zunächst auf die Bearbeitung der Alpen- und Donaugaue gerichtet, – wie rasch aber stellten sich Wünsche und Anforderungen aus allen Teilen des Reiches ein, die genau dasselbe Verlangen nach einer organischen Erneuerung der Trachten zum Ausdruck brachten. Die zu leistende Arbeit wurde immer umfassender und forderte immer mehr ein planmäßiges System, das auf einer sehr sorgfältigen Bestandsaufnahme ruht. Sie schafft die Anknüpfungspunkte für die Erneuerung. Keine Standestrachten sollen neu aufleben, sondern allgemein getragene Arbeits- und Festtrachten. Wie stark eine ernsthafte Arbeit in dieser Richtung gebunden ist an das Wiederaufleben gediegenen Handwerks und vieler Handfertigkeiten, stellte sich dabei immer mehr heraus. Wenn der Rückhalt am Altüberlieferten auch entscheidend ist, so darf doch niemals alles, was je getragen wurde, als trachtlich gut und richtig angesehen werden. Verschiedenen Einflüssen und modischen Wandlungen ist ja auch die Tracht stets ausgesetzt gewesen. Hier in der Übernahme mit Fingerspitzengefühl das richtige Maß zu finden, das niemanden, der am Alten noch hängt, verletzt, gehört mit zu den schwierigen Aufgaben der Mittelstelle.

Vor allem aber stellte Frau Pesendorfer stets heraus, daß die Erneuerung und das Tragen der Tracht niemals Selbstzweck sein dürfe, sondern nur ein Mittel und ein glücklicher Weg, um den deutschen Menschen zu Selbstbesinnung und Selbstbewußtsein zu bringen. Was er, besonders der deutsche Bauer, verloren hatte, als er die Tracht gegen billiges städtisches und modisches Gewand eintauschte, das muß wieder wettgemacht werden. Eine unumgängliche Forderung und Notwendigkeit müsse die Tracht aber in völkisch umkämpften Gebieten allen als Kennzeichen der Volkszugehörigkeit werden.

Auch über den inneren Zusammenhang der deutschen Trachten sprach Frau Pesendorfer. Sie wußte überzeugend darzulegen, daß, so reichhaltig und vielfältig die Formen der Trachten in allen Landschaften auch sein mögen, ihnen allen doch eine gemeinsame Haltung eigen ist, die sie klar vom Nichtdeutschen scheidet. Bis in Einzelformen geht diese Gemeinsamkeit, sie wird aber schlagend bei der Beachtung der Farbenzusammenstellungen. Sorgfältig in mühsamer wissenschaftlicher Kleinarbeit aus Jahrhunderten zusammengetragenes Quellenmaterial vergegenwärtigte im Bild die Entwicklung der Trachten, den gegenwärtigen Stand, wies Einzelzüge und auch Abirrungen auf, zeigte aber doch im Ganzen, wieviel Klarheit und Sicherheit des Gefühls und Geschmackes aus diesen Gewändern spricht.


Zur Trachtenarbeit


Im weiteren Verlauf der Tagung sprach dann aus dem Hauptkulturamt der NSDAP. Pg. Rehm über die ‚kulturelle Aufrüstung des deutschen Dorfes‘. In der Darlegung der Fragen der Kulturarbeit auf dem Lande betonte er die Tatsache, daß der Nationalsozialismus erstmalig das Bauerntum nicht nur als wirtschaftliche und auch nicht nur als biologischen Hauptfaktor im völkischen Dasein erkannt, sondern vor allem in seiner kulturellen Bedeutung ermessen hat und damit den richtigen Weg begeht, um es aus der Gefährdung der vergangenen Jahrzehnte herauszuführen. Im Zusammenhang damit sah Pg. Rehm in der Trachtenarbeit in besonders hohem Maße eine Kraft zur Aktivierung des bäuerlichen Menschen.

Eine Reihe von Aussprachen mit lebhaftem Gedanken- und Erfahrungsaustausch und Einzelbesprechungen mit Frau Pesendorfer gaben den Teilnehmerinnen eine Fülle von Anregungen mit für ihren eigenen Arbeitskreis.

Wie durch das Volkslied und durch die Pflege des Brauchtums – so sprach Frau Pesendorfer wohl am treffendsten das Ziel der Trachtenerneuerung aus – werde auch durch das Tragen der Tracht die innere Wehr des deutschen Volkes gestärkt, deren jeder einzelne heute besonders bedarf und daher könne in keiner besseren Zeit als in dieser, in der wir wissen, was wir zu verteidigen haben, der Grund zu dieser volkspolitisch wichtigen Arbeit gelegt werden.“

Dieser Artikel im Bozner Tagblatt (23. 11. 1943, S. 3, signiert „Dr. M. S.“) ist die Übernahme eines Beitrags der Autorin Marianne Strasser aus den Innsbrucker Nachrichten vom 20. November 1943, Seite 4, wobei mit dem Texttransfer nach Südtirol außer dem Hinweis auf den Veranstaltungsort der Fortbildung, den Ahrnhof als „BDM-Führerinnenschule des Gebietes“, jedoch folgende Passagen aus Innsbruck weggelassen worden waren:

„Wie erfreulich ist es doch, daß uns in den erneuerten Trachten, die nun doch schon das Bild der Straßen und Dörfer unseres Gaues beherrschen, ganz dieselbe Grundhaltung anspricht!

Frau Pesendorfer ging dem Problem: Großstadt, Mode und Tracht nicht aus dem Wege. Es liege nicht im Sinne der Sache, einige Menschenalter zurückzuschrauben und alles andere und Neue zu verwerfen. Es soll nur auch der Großstädter eine schlichte Tracht – zum Beispiel die Hausfrau bei der täglichen Arbeit – tragen können und tragen wollen, ohne dies aus Sensationslust oder falscher Romantik zu tun. Das städtische Kleid, die Mode, muß neben der Tracht bestehen können, sie darf ihrem Charakter nach nichts Entgegengesetztes sein.

Die Mitarbeiterinnen von Frau Pesendorfer sprachen über ihre Arbeitsgebiete und rundeten damit das Bild. Lo Eylmann führte die Abteilungsleiterinnen in ihren Wirkungskreis ein und zeigte praktische Wege zur Trachtenerneuerung. Lebendig und anschaulich war ihr Bericht über die Ansätze und Versuche, welche die Voraussetzung für das Werden der Tracht bilden. P[artei]g[enossi]n Irene Garbislander erläuterte die Fertigung der Tracht, die selbst für eine tüchtige Schneiderin keine ganz einfache Aufgabe ist, da mit außerordentlicher Sorgfalt gearbeitet werden muß. Pgn Dr. [Erika] Hubatschek machte die Gäste in ihrem Lichtbildervortrag mit Land und Menschen unserer Heimat vertraut, deren Art und Gesittung wir es verdanken, daß so viel lebendig erhalten blieb, was in anderen Landschaften längst verschüttet ist. Die Arbeit der Malerinnen, die wertvolle Helferinnen an Frau Pesendorfers Werk sind, lernen die Frauen bei der Besichtigung des Tiroler Volkskunstmuseums und der Arbeit der Mittelstelle kennen.“

Wie engagiert Gertrud Pesendorfer ihre Mission der Trachtenerneuerung betrieb, erweist auch ein Bericht im Tiroler Landboten vom 9. Mai 1944 auf Seite 3:

„Kreisleiter Pg. Pesjak besuchte in den letzten Tagen mehrere Ortsgruppen, die in der Beschaffung und Anfertigung von Trachten beachtliche Fortschritte gemacht haben. Zahlreiche Frauen und Mädchen in ihren schmucken Trachten fanden sich in den einzelnen Ortsgruppen vor dem Kreisleiter ein, der von der Berauftragten des Gauleiters für die Trachtenarbeit und Leiterin der Mittelstelle Deutsche Tracht Pgn. Pesendorfer begleitet wurde. Sie bewiesen, daß auf diesem Gebiete der Brauchtumsarbeit sehr reges Interesse vorhanden ist. Die Besichtigungsfahrt brachte neue Anregungen, die in der Machart und Bereicherung der Trachten Verwirklichung finden werden. Der Kreisleiter wies auf die Notwendigkeit der Brauchtumspflege hin und forderte die Frauen und Mädchen auf, das Trachtenwesen auch weiterhin zu pflegen und für seine Ausgestaltung zu werben. Pgn. Pesendorfer hielt fachliche Vorträge über Trachten.“


Weitere Details zur Trachtenerneuerung und -pflege


Tiroler Trachtenbuch (1938)


Trachtenmodelle


Wiener Mode


Kreisschießen

Wie das Tragen der Tracht gehörten im Verständnis der Nationalsozialisten auch die alljährlich durchgeführten Kreisschießen zum Bestand des Brauchtums. Diese Zuordnung betraf nicht nur die vielfach üblichen volkstümlichen Aktionen im Rahmen dieser mehrtätigen Schießwettbewerbe, sondern die ganze Unternehmung selbst galt als eminentes Beispiel an Traditionspflege und Volkstumstreue.

Den Reigen der Kreisschießen 1943 des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg eröffnete am 25. April der Kreis Schwaz. Gauleiter Franz Hofer traf in den Vormittagsstunden beim Hauptschießstand in Jenbach ein. Zu seiner Begrüßung waren „Politische Leiter der NSDAP“ mit ihren Fahnen angetreten, ebenso Repräsentanten „der Gliederungen und Formationen“ der Partei sowie „eine große Menge von Volksgenossen“. Die Standschützenmusikkapelle Jenbach sorgte für die repräsentative Klangaura. „Kreisleiter und Kreisschützenmeister Pg. Aichholzer und Landrat Pg. Dr. Schnee hatten den Gauleiter bereits an der Kreisgrenze empfangen.“ Der Gauleiter nützte die Gelegenheit seiner Anwesenheit im Kreis Schwaz, den neu ausgebauten Schießstand in Buchau am Achensee zu eröffnen, der vor allem der Schießausbildung der Hitler-Jugend dienen sollte. Eine Folge der immer mehr problematischen Situation des Kriegverlaufs war die verstärkte Einbeziehung der Jugend in die Praxis der „Wehrertüchtigung“, besonders auch im Rahmen der Unternehmungen des Standschützenverbandes.

„Aus diesem Grunde wurde auch der Schießstand der Ortsgruppe Maurach des Standschützenverbandes in Buchau am Achensee in letzter Zeit ausgebaut, um den Bedürfnissen der beiden benachbarten Wehrertüchtigungslager der Hitler-Jugend zu entsprechen. Die Jungen, die in diesen Lagern eine umfassende vormilitärische Erziehung genießen, haben nun Gelegenheit, sich während ihrer Lehrgänge in der praktischen Handhabung der Pistole, sowie des Kleinkaliber- und Wehrmanngewehres zu üben. Zur Eröffnung des umgebauten Schießstandes gab Gauleiter Hofer einige Serien auf die Scheiben ab, nachdem er vorher dem Wehrertüchtigungslager Buchau, in dem soeben ein Lehrgang zu Ende ging, einen Besuch abgestattet hatte. Der Gauleiter und seine Begleiter konnten sich dabei davon überzeugen, daß in dem Lager alle Erfordernisse zur vormilitärischen Erziehung gegeben sind. Von der Waffenlehre, über den Gebrauch von Karte und Kompaß bis zur Motorenlehre und Fahrschule werden hier die Jungen unter Leitung von Soldaten, die an der Front ihre Erfahrung gesammelt haben, in allem unterwiesen, was sie später in den Reihen des großdeutschen Volksheeres brauchen werden.

Nach der Eröffnung des Schießstandes in Buchau wartete die Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes mit einer Reihe von Gesangs- und Tanzdarbietungen auf, deren Schauplatz unter freiem Himmel, inmitten der prächtigen landschaftlichen Umrahmung von See und Bergen gelegt war. Auch in Jenbach fanden nach der Rückkehr des Gauleiters vom Achensee Brauchtumsvorführungen statt. Hier waren besonders die Maiden des Arbeitsdienstes für die weibliche Jugend, die in ihrer frischen und munteren Art Volkslieder zu Gehör brachten.

Das Kreisschießen des Kreises Schwaz, das einen so erfolgversprechenden Anfang nahm, wird am 1., 2., 3., 8., 9., 15. und 16. Mai fortgesetzt und am 17. Mai beschlossen, während der Kreis Kitzbühel sein Kreisschießen am 1. Mai beginnt.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. April 1943, Seite 3).

Auch die Eröffnung des Kreisschießens in Kitzbühel nützte Gauleiter Hofer als „Landesoberstschützenmeister“ zu einer nachfolgenden umfangreichen Informationstour durch den Kreis, die mancherorts einer wahren Triumphfahrt glich, wobei sich überall der Standschützenverband mit zahlreichen Aktivitäten von seiner besten Seite präsentierte. Die verschiedenen Ortsgruppen suchten sich zu übertrumpfen in der Originalität und Vielzahl ihrer Unternehmungen, somit den hohen Gast zu beeindrucken. Gauleiter Hofer wurde wie üblich an der Kreisgrenze begrüßt. Das Empfangskomitee bestand aus Kreisleiter Pg. Merath, dem Landrat Pg. Dr. Wersin sowie Abordnungen der Standschützen, der Hitler-Jugend, des Bundes Deutscher Mädel, der Formationen der Bewegung und der Standschützenmusikkapelle Going.

„[…] Auf seiner Fahrt durch den Kreis machte der Gauleiter in St. Johann, Oberndorf, in der Kreisstadt Kitzbühel, in Kirchberg, Brixen im Tal, Westendorf und Hopfgarten Halt. In allen diesen Orten wurde dem Gauleiter ein festlicher Empfang bereitet. Der Standschützenverband, dem in unserem Gau die Pflege des Brauchtums anvertraut ist, zeigte im Kreis Kitzbühel wieder einmal, daß er seine Aufgaben trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten meistert. Wo immer die ersten Stutzen knallen, herrscht an den Schießständen ein solcher Andrang der Schützen, daß sich die Anzahl der Schußbahnen heute schon als zu gering erweist. Aber auch die Arbeit auf dem Gebiete des Volksliedes und des Volkstanzes hat durchwegs Fortschritte aufzuweisen, die jeden, der die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt, stets aufs neue befriedigen muß. Dies ist zielbewußter Führung zu danken, die die Bedeutung der Arbeit des Standschützenverbandes voll erfaßt hat und aus dieser Erkenntnis außergewöhnliche Einsatzbereitschaft folgert. Diese Aufwärtsentwicklung ist aber auch der Mitarbeit der breitesten Kreise der Volksgenossen aller Stände zu verdanken, die für die Wehrertüchtigung und Brauchtumsarbeit die feste Grundlage und unerschöpflicher Kraftspeicher sind.

Ein Beispiel dafür sind unter anderem die Musikkapellen in den einzelnen Ortsgruppen des Standschützenverbandes. Der Stamm ihrer aktiven Mitglieder ist durch Einberufungen zur Wehrmacht immer mehr und mehr zusammengeschmolzen. Die wenigen Zurückgebliebenen der älteren Jahrgänge haben es aber verstanden, für den Ausfall Ersatz zu schaffen. Sie haben die Jugend, oft kleinste Buben, für ihre Sache begeistert und ihnen die Fertigkeit in den verschiedenen Instrumenten soweit beigebracht, daß die Kapellen zahlen- und leistungsmäßig spielfähig geblieben sind und sich wohl hören lassen können. Auch die Brauchtumsgruppen lassen sich in ihrer Arbeit nicht beirren und was sie zeigen ist mustergültig, von welcher Seite aus immer man es betrachten mag. Hier sei besonders auf die Brauchtumsgruppen der HJ. und des BDM. in Westendorf und Kirchberg hingewiesen.

In der Gestaltung der Veranstaltungen rund um den Schießstand wetteiferten die einzelnen Ortsgruppen. In der grünen Frühlingslandschaft leuchtete das Rot der Hakenkreuzfahnen, schöne, nach altem Herkommen geschmückte Maibäume ragten in den Himmel der Bergheimat, Wolken weißen Pulverdampfes stiegen über krachenden Pöllern auf und für den Maitanz waren Bretterbühnen errichtet oder auf den frischgrünen Wiesen Vierecke abgegrenzt. In Kirchberg holte der Kreisbauernführer den Gauleiter in einer Kutsche, von zwei schweren Pferden heimischen Schlages gezogen, zum Schießstand ein, der an diesem Tage zum Festplatz der Dorfgemeinschaft wurde.

Gauleiter Hofer hat der Arbeit des Standschützenverbandes und der Hitler-Jugend sowie des BDM. im Kreis Kitzbühel vor allem dadurch Anerkennung gezollt, daß er dort, wo die örtlichen Möglichkeiten nicht ausreichten, seine Unterstützung und Hilfe angedeihen ließ. Nach seiner Rundfahrt durch den Kreis wurde der Gauleiter in Itter vom Kreisleiter, den Politischen Leitern und den Formationen sowie den Standschützen mit ihrer Itterer Kapelle und der HJ. feierlich verabschiedet.

Die Kreise Schwaz und Kitzbühel setzen ihre Kreisschießen am kommenden Wochenende fort. Bregenz eröffnet das seinige am 8. Mai.“ Neben den ortsansässigen Schützen beteiligten sich zudem Gäste von auswärts, so vor allem von den Nachbargauen München-Oberbayern und Salzburg, „um im kameradschaftlichen Wettstreit um die Preise und um die Kreisleistungs- und Meisterzeichen zu schießen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Mai 1943, Seite 3).

Das Kreisschießen in Kufstein begann am Samstag, den 15. Mai 1943, nachmittags mit einer feierlichen Zeremonie. Landesschützenmeister Bereichsleiter Karl Margreiter legte in Begleitung von Kreisleiter Hans Ploner am Spieltisch der Heldenorgel auf der Feste Geroldseck in Würdigung der Gefallenen einen Kranz nieder, worauf der von ihm abgegebenen erste Schuss das Kreisschießen offiziell eröffnete. Laut Innsbrucker Nachrichten vom 18. Mai 1943, Seite 3, war die Beteiligung schon zu Beginn der Veranstaltung enorm, wenngleich dieser Mitteilung wohl vor allem propagandistische Absicht zuzuschreiben ist: „Obwohl diese Eröffnung erst am Nachmittag vor sich ging und also am 15. Mai nur halbtägig geschossen wurde, zeigte doch die Beteiligungsziffer von 411 Schützen allein auf dem Stande der Kreisstadt die Anziehungskraft, die die Kreisschießen überall in wachsendem Maße ausüben.“

Am Sonntag, den 16. Mai 1943, kam dann Gauleiter Franz Hofer zu seiner Visite nach Kufstein. Er wurde an der Kreisgrenze bei der Zillerbrücke in Brixlegg von Kreisleiter Ploner und Landrat Dr. Walter empfangen „und fuhr dann durch das festlich beflaggte Rattenberg und die anderen an der Straße gelegenen Orte, die ebenso geschmückt waren, gegen Kufstein. In Brixlegg gab es kurzen Aufenthalt, während dessen die Ortsgruppe der NSDAP., die Standschützen mit ihrer Musik und die Jugend des Führers dem Gauleiter einen herzlichen Willkomm boten. In Kufstein selbst war auf dem Adolf-Hitler-Platz eine große Menge zur Begrüßung des Gauleiters zusammengekommen, in deren Mitte in einem großen Geviert die Jungschützen von Kufstein mit ihrer Jungschützenmusik in strammer Ordnung sowie Trachtengruppen des BDM. Aufstellung genommen hatten. Hier entbot Ortgruppenleiter und Bürgermeister Dr. Dillersberger den Gruß der Kreisstadt.

Durch ein Spalier von Jungvolk begab sich der Gauleiter dann zum Schießstand, auf dem schon in den Vormittagstunden der Betrieb noch lebhafter als am Vortage war. Vor dem Schießstand selbst erwarteten eine Abordnung der Wehrmacht mit dem Standortältesten, Oberstleutnant Faukal an der Spitze, weiter Abordnungen des Reichsarbeitsdienstes, der Standschützen mit ihrer Kapelle, Brauchtumsgruppen und Feuerwehr den Gauleiter, dem hier erst vom Kreisschützenmeister und dann vom Ortschützenmeister Meldung erstattet wurde.“

Eine besondere Attraktion wurde dem Gauleiter mit einem „Singwettstreit“ bereitet, an dem sich acht Singscharen des Bundes Deutscher Mädel „in ihren schmucken Trachten beteiligten. Folgende Standorte hatten für den Wettbewerb Gruppen gestellt: Alpbach, Angath, Ellmau, Söll-Leukental, Thiersee (zwei Gruppen, und zwar BDM. Thiersee und Landdienstlager Thiersee), Scheffau und Radfeld. Sieger wurde BDM. Alpbach und in der Anfangsgruppe BDM. Scheffau. BDM Söll-Leukental errang den zweiten Platz. In den Anlagen unterhalb des Schießstandes herrschte auch noch nach dem Wettkampf buntes Treiben. Die Standschützenkapelle spielte dort ihre Märsche und Tanzgruppen der Hitler-Jugend führten Plattlertänze vor.“

Wie im Kreis Kitzbühel nütze der Gauleiter auch in Kufstein seine Anwesenheit im Kreis zu einer Rundfahrt, wobei ihm überall mit den von ihm so geschätzten volkskulturellen Darbietungen aufgewartet wurde:

„Von Kufstein aus fuhr der Gauleiter zu kurzem Besuch nach Oberau-Wildschönau und fand sich am Nachmittag mit seinen Begleitern auf dem Schießstand in Kundl ein, wo ihn ebenfalls der Ortsgruppenleiter mit seinen Mitarbeitern, die Standschützen mit ihrer Kapelle und verschiedene Brauchtumsgruppen empfingen, die auch hier wieder die Gäste und eine große Anzahl von Volksgenossen, die vor dem Schießstand versammelt waren, mit Darbietungen von Volksliedern und Volkstänzen erfreuten. Ebenso wie am Vormittag in Kufstein und anderswo, trat auch hier wieder die Auswirkung der vom Gauleiter ganz besonders geförderten zielbewußten Trachtenarbeit in unserem Gau in Erscheinung. Ueberall machten sich neben den alten schweren Festtagstrachten die leichteren, erneuerten Trachten bemerkbar, die im Material leichter und für die Träger bequemer, doch unter Beibehaltung der altüberkommenen Grundzüge geschaffen worden waren.“

Die Akzeptanz dieser speziellen Form von Volksfesten wird mit einer Erfolgsbilanz propagandistisch verwertet:

„Bisher liegen Beteiligungsziffern und Ergebnisse des Kreisschießens Kufstein nur für den Schießstand der Kreisstadt und für die ersten eineinhalb Schußtage vor. Diese Zahlen sind aber erfreulich hoch. Gezählt wurden insgesamt 912 Schützen, davon 574 auf dem Kleinkaliberstand und 284 auf dem Weitstand sowie 54 auf dem Stand der Scheibenstutzen. Das schmucke Kreismeisterabzeichen konnte neben einer großen Anzahl von goldenen, silbernen und bronzenen Kreisleistungszeichen bisher allein an 133 Schützen ausgegeben werden. Es hat also auch im Kreis Kufstein schon der Auftakt nicht nur die Zugkraft des Kreisschießens, sondern auch die Tüchtigkeit unserer Schützen erwiesen.“ (Innsbrucker Nachrichten 18. Mai 1943, Seite 3).

Vom Kreisschießen im Außerfern bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 3. Juni 1943, Seite 3 einen ausführlichen Bericht, in dem ebenfalls besonders die jährlich zunehmende Beteiligung als Beweis der ungebrochenen Attraktivität dieser schon volkstümlichen Veranstaltungen hervorgehoben wird. Die Kreisschießen, die außer auf dem Hauptkreisschiessstand in Reutte in nahezu allen Ortsgruppen des Kreises stattfanden, seien vor allem „Rechenschaftsberichte über die Arbeit, die im Laufe des Jahres auf dem Gebiete der Wehrertüchtigung und Brauchtumsarbeit im Standschützenverband“ geleistet wurde. Sie dienten aber auch der „Gemeinschaftsvertiefung“ und der damit verbundenen Leistungssteigerung in den Dörfern:

„In diesem Sinne ist auch das Kreisschießen im Kreis Reutte aufzufassen, das, wie die Veranstaltungen anläßlich der Eröffnung und der Anwesenheit des Gauleiters im Kreis sowie der Verlauf der ersten beiden Schießtage zeigten, im Zeichen beachtenswerter Erfolge steht. Im Vorjahr sind mehr als 3600 Schützen zum Kreisschießen angetreten; die Beteiligung an den ersten beiden Schießtagen, am letzten Samstag und Sonntag, am Kreishauptschießstand Wängle bei Reutte und an den 25 Ortsschießständen läßt mit Sicherheit erwarten, daß heuer die Vorjahrsziffer erheblich überschritten wird, trotzdem seither ein großer Teil der Schützen zum Dienst in der Wehrmacht eingerückt ist. Einzelne Ortsgruppen haben bereits am Sonntag, der dort der erste Schießtag war, höhere Beteiligungsziffern zu verzeichnen als im vergangenen Jahr während der gesamten Schießdauer. Auch die Schießleistung ist, wie der Zahlenvergleich der herausgeschossenen Leistungszeichen erkennen läßt, heuer wiederum verbessert worden. Am Kreishauptschießstand in Wängle sind schon in den ersten beiden Tagen außer den Schützen aus dem eigenen Kreis auch viele auswärtige, die aus anderen Kreisen des Gaues Tirol-Vorarlberg und aus Nachbargauen kamen, zum Wettstreit angetreten.

Was auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Leistungssteigerung im Kreis Reutte im abgelaufenen Jahr erzielt wurde, ist bei der Anwesenheit des Gauleiters im Kreis anläßlich der Eröffnung des Kreisschießens in einer Reihe von Ortsgruppen zum Ausdruck gekommen, so vor allem in Bichlbach und Grän, wo die bereits durchgeführten oder noch in Ausführung begriffenen Maßnahmen zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Leistung, verbunden mit der planmäßigen kulturellen und wirtschaftlichen Festigung der Bergbauern, bereits beachtliche Erfolge aufzuweisen haben und vor allem die praktischen Auswirkungen der auf dem erstarkten Gemeinschaftsgedanken beruhenden Selbsthilfe in den Dörfern zeigen.

Als tragfähige Grundlage dieser Wiedererweckung des Gemeinschaftswillens hat sich die Brauchtumspflege mit dem Ortsschießen als Mittelpunkt auch in diesem Kreis neuerdings erwiesen. Sie bestimmt auch hier das äußere Bild der Veranstaltungen durch das Vorhandensein der schönen farbenfrohen Trachten, die in ihrer praktischen und kleidsamen erneuerten Formen von Jahr zu Jahr mehr Verbreitung finden. Als Höhepunkt der Brauchtumsveranstaltungen kann aber wohl der Dorfgemeinschaftsabend in Grän angesprochen werden, der so gut wie alle Volksgenossen aus Grän und viele aus der Umgebung in den Gemeinschaftsräumen des Schießstandes zusammenführte und einen außerordentlich einprägsamen Ueberblick über die Pflege von Volkslied, Volkstanz und Volksmusik im Kreis Reutte vermittelte.

Auch am kommenden Sonntag werden auf allen 25 Schießständen des Kreises Reutte die Fahnen hochgehen und Pöllerschüsse den neuerlichen Beginn des Schießens anzeigen. Ueber die Pfingsttage aber wird sich alles auf dem Hauptschießstand Wängle vereinigen. Die Schützen stehen dann für dieses Jahr im letzten Wettkampf um die schönen Ehren- und Geldpreise, die Brauchtumsgruppen werden ihre Volkslieder singen und ihre Tänze vorführen und der Brauchtumsabend in Reutte wird den Abschluß des diesjährigen Kreisschießens bilden, das als neuer Beweis stolzen Volksbewußtseins und ungebrochener Wehrbereitschaft im vierten Kriegsjahr gelten kann.“

Als letztes im Zyklus der Kreisschießen vor dem großen Auftritt der ganzen Volksgemeinschaft, repräsentiert besonders durch Schützen, Musikkapellen und weitere folkloristischen Vereinigungen im vertrauten Miteinander mit den Gliederungen und Verbänden der Partei beim 6. Landesschießen in Innsbruck, nahmen am 13. und 14. Juni 1943 die Kreisschießen in Imst und Landeck ihren Anfang. Auch zu diesen Partei-Unternehmungen, die volkskulturelle Traditionen für machtpolitische Intentionen missbrauchten, erschien in den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juni 1943, Seite 3 f., eine ausführliche Darstellung. Am Anfang bringt der Autor den ideologischen Wert solcher Veranstaltungen auf den Punkt:

„Um die Schützenarbeit kristallisieren sich heute in unserem Gau Arbeitsgebiete, die unsere Volksgenossen in eine gemeinsame Marschrichtung weisen und sie auf das Ziel ausrichten, das uns der Führer vom ersten Tage der Gründung seiner Bewegung an gewiesen hat: eine Volksgemeinschaft, die entschlossen ist, in stetiger Anstrengung ihre überlieferten und ererbten Werte zu pflegen und mit ihnen das Schicksal der Gesamtheit gegen jede Widerwärtigkeit und gegen jeden Gegner zu behaupten.“

Zahlreiche volkskulturelle Aktivitäten, bei denen sich der Standschützenverband in seiner ganzen Wirksamkeit präsentierte, prägten einmal mehr den Verlauf des Imster Kreisschießens. Neben den Auftritten der Schützen und Musikkapellen gab es Volksliedvorführungen, einen Volkstanzwettbewerb und mit Hermann Josef Spiehs’ Volksstück Der Imster Vogelhändler zudem eine Initiative des Laienschauspiels. Das Bild vollkommener Gemeinschaft wurde augenscheinlich in den Trachten:

„Gauleiter Hofer, der am Sonntag den Kreis Imst besuchte, eröffnete, nachdem er an der Kreisgrenze von Kreisleiter Pg. Pesjak und Hauptabschnittsleiter, Landrat Pg. Allrecht empfangen worden war, auf den Ortschießständen von Stams und Silz das Kreisschießen und verweilte am Nachmittage des gleichen Tages, begleitet von einer Anzahl von Ehrengästen aus Partei, der Wehrmacht und des Staates, auf dem vorbildlichen Kreisschießstand in Imst, der schon durch seine Lage und seine Anlagen als der gegebene Mittelpunkt der Schützenarbeit des Kreises geschaffen erscheint. In Stams erwarteten vor dem Schießstand die Abordnungen der Partei, die Standschützen mit ihrer Kapelle und die Südtiroler Umsiedler des Heimes Stams den Gauleiter, der nach einer Reihe von gesanglichen und Tanzdarbietungen der Jugendgruppen das Schießen eröffnete und dann nach Silz weiterfuhr, wo ihm auf dem Schießstand ebenfalls ein freudiger Empfang bereitet wurde. Als Angebinde wurde hier dem Gauleiter eine Kassette mit einem Werke des Ortsschulungsleiters Pg. Gruber 500 Jahre Silzer Standschützen, überreicht, das einen wertvollen und aufschlußreichen Beitrag zur Geschichte unseres heimischen Standschützenwesens darstellt.

Ein farbenbuntes und überaus eindrucksvolles Bild bot am Nachmittag der Kreisschießstand Imst. Aus dem ganzen Kreisgebiet waren hier Schützen und Musikkapellen, Mädel und Jungen in Tracht zusammengekommen, um hier in eifrigem Wettbewerb ihre Leistung zu zeigen. Während der Schießbetrieb auf allen Schußbahnen schon den ganzen Tag über seinen pausenlosen Fortgang nahm und das Gedränge an den Ständen oft geradezu beängstigende Formen annahm, traten vor dem Schießstand die zehn besten Gruppen aus verschiedenen Orten des Kreises zum Volkstanz-Wettbewerb an.

Am Abend des Sonntags fand dann im Gemeinschaftssaal des Imster Kreisschießstandes eine Veranstaltung statt, in dessen Mittelpunkt das Auftreten der Laienspielgruppe des Standschützenverbandes stand, die bereits vor geraumer Zeit beachtliche Beweise ihres Eifers und ihrer Darstellungskraft gegeben hatte. Damals hatten sie sich u. a. an drei Einaktern aus Kranewitters, des großen heimatlichen Dramatikers, Die sieben Todsünden erprobt und sich dabei mit Erfolg auch an den Totentanz gewagt, der in seiner Schwierigkeit auch für Berufsschauspieler sehr wohl einen Prüfstein bedeutet. Dieses Mal brachte die Laienspielgruppe ein Stück, Der Imster Vogelhändler von Hermann J[osef] Spiehs, zur Aufführung, das Motive aus der Ortsgeschichte und der bekannten Vogelhändlerepoche im Volksstückton dramatisiert. Für die Rahmendarbietungen des Abends sorgten ein kleines Mädel und ein kleiner Junge mit Volksliedern, eine gemischte Singgruppe und vor allem eine stramme Jungschützenkapelle von über 20 Buben, die auch am nächsten Morgen dem Gauleiter bei seiner Weiterfahrt nach Landeck an der Straße unterhalb des Schießstandes einen fröhlichen und kräftigen Abschied bliesen.“

Zu Beginn des Landecker Kreisschießens fand im Festsaal der Kreisleitung eine „schlichte Morgenfeier“ statt, die von den Politischen Leitern und den Jugendgruppen gestaltet wurde und an der die Ortsgruppenleiter, Bürgermeister und Frauenschaftsleiterinnen teilnahmen. Sie bildeten auch das Auditorium für die der Morgenfeier folgenden Rede des Gauleiters, mit der er besonders das Wirken des Standschützenverbandes im ideologischen Dienst herausstellte:

„[…] Im Zuge des materiellen und ideellen Aufbaus galt es zuvörderst, unser blutmäßiges Ahnenerbe zu erhalten, ja vielfach neu zu erwecken. Unser Brauchtum, das in den letzten hundert Jahren völlig verschüttet worden war, mußten wir aus Trümmern herausholen. Wir mußten es in letzter Stunde davor bewahren, der Vergessenheit anheimzufallen, wir mußten ihm wieder zu kräftigem Leben verhelfen, denn dieses Brauchtum bedeutet Gemeinschaft, und Gemeinschaft ist der Ausdruck der Lebenshaltung des Nationalsozialismus, der wir uns verschworen haben.“

Die Seele dieser Gemeinschaft sei das Bauerntum:

„Als Grenzgau hat Tirol-Vorarlberg gegenüber dem Reiche eine besondere Verpflichtung, hier muß ein Wall gesunden Bauerntums wachen und von hier muß bäuerliche Kultur auch in andere Gebiete unseres deutschen Lebensraumes ausstrahlen […]. Wir wollen, daß in unserem Berglande ein Geschlecht von Herrenbauern lebt, die stolz auf freier Scholle für ihre Heimat und für die ganze Nation stehen. Wir wissen, daß das Volkstum überall dort, wo es zum Väterbrauch stand und an ihm festhielt, sich kräftig und gesund erhalten hat. Darum wollen wir uns auch in unserer äußeren Lebensgebarung stets zu diesem Volkstum bekennen. Aus diesem Grunde wollen wir ja nicht, daß die Menschen in den Bergen irgendwelche billige Ramschware am Leibe tragen, wir wollen, daß sie die Tracht des Heimattales tragen. Unsere Arbeit und unser Kampf sind vor allem aufbauend, wir kämpfen nicht gegen etwas, sondern wir kämpfen für etwas. Darum sage ich, wenn ich an eure Mithilfe appelliere, nicht, ich bitte euch, haltet aus, denn dies ist wohl für einen anständigen Deutschen überhaupt keine Frage, sondern ich sage euch, helft mir aufzubauen!“

Nach diesem leidenschaftlichen Höhepunkt seiner Rede erklärte Gauleiter Hofer den Sinn des Kreisschießens als alljährlichen Abschlussbericht der Arbeit des Standschützenverbandes und gleichzeitig als hoffnungsvollen Auftakt zum neuen Arbeitsjahr. Seine Ansprache schloss mit einem hoffnungsvollen und beschwörenden Ausblick in die Zukunft:

„In diesem kommenden Jahr wissen wir, wie im vergangenen, um was es für uns geht. Wir wissen, daß Schwierigkeiten kommen werden, haben aber die Gewißheit, daß wir diese überwinden werden, weil wir den festen Willen dazu in uns tragen. Und so können wir heute dem Führer stolz das Gelöbnis geben: Führer, du wirst uns jeden Tag nur stärker finden!“

Wie in Imst wurde Gauleiter Hofer auch in Landeck eine Ehrengabe überreicht, hier mit dem von „Pg. Dr. Plangg“ verfassten Buch Burgen im Kreis Landeck. Zum üblichen Singwettstreit „trat eine Reihe von Jugendgruppen an“. Die besondere Attraktion im Rahmenprogramm des Landecker Kreisschießens war die „Haflinger-Ausstellung“. In Anwesenheit des Gauleiters und seiner Gäste führten die Veranstalter die preisgekrönten Hengste und Stuten vor. Als Höhepunkt gab es nach Gesangs- und Tanzeinlagen der Jugendgruppen auf dem Landecker Sportplatz ein Haflinger-Rennen. „Vor der Preisverteilung, die der Gauleiter vornahm, hielt der Leiter des Gauamtes für das Landvolk, Hauptabschnittsleiter Pg. Lantschner eine Ansprache, in der er feststellte, daß das Oberland der Schwerpunkt der Haflinger-Zucht im Gau sei und daß es dank der Arbeit der Züchter und vor allem durch die Hilfe des Gauleiters möglich war, den Haflinger-Bestand im Kreis Landeck seit 1938 auf mehr als das Zehnfache zu steigern. Wenn sich zu unserer systematischen Arbeit und zu den natürlichen Voraussetzungen des Landes noch das Züchterglück geselle, so werde es uns beschieden sein, die Stellung unseres Gaues als Haupt- und Hochzuchtgebiet des Haflingers zu festigen und zu erhalten.“

Den Abschluss des festlichen Tages bildete ein „großer Brauchtumsabend“, an dem sich der Standschützenverband vor „über eineinhalbtausend Volksgenossen“ in aller kulturellen Vielfalt darstellte (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juni 1943, Seite 3 f.; Tiroler Volksbote vom 18. Juni 1943, Seite 5).


Landesschießen

Im Volkskalender Alpenheimat 1944 veröffentlichte „Obergemeinschaftsleiter“ Paul Kinz unter dem Titel „Wehrbereit allezeit“ einen Rückblick auf das 6. Landesschießen im Juli 1943 in Innsbruck. Er beginnt seine Darstellung mit einer Erläuterung von Tätigkeit und Parteigebundenheit des Standschützenverbandes als Hauptträger dieser einzigartigen Demonstration von Gefolgschaftsverhalten, im Dienst der nationalsozialistischen Machthaber. Was die Partei an Vorhaben initiiere, resultiere in eine „Geschichte des Aufbaues und Aufschwunges“. Dies gelte besonders für den Standschützenverband Tirol-Vorarlberg, „der, von Gauleiter Hofer im Jahre 1938 neu gegründet, aufs engste der Partei angegliedert und ihren Hoheitsträgern als örtlichen Schützenleitern in allen Kreisen und Ortsgruppen des Gaues unmittelbar unterstellt, in der Zeit seines nunmehr fünfjährigen Bestehens nicht nur im äußeren Umfang, sondern auch in seinen Arbeitsergebnissen Erfolge ohnegleichen aufzuweisen hat“. Die Intention der Gründung des Standschützenverbandes folgere sich organisch aus „der inneren Wesenart der Menschen in unserem Gau, die ihrem bergbäuerlichen Kern auch dann treu bleiben, wenn sich Freude und Frohsinn entfalten. Denn ein Abgleiten in platte Spielereien sagt ihnen nicht zu, ihre Freizeit widmen sie am liebsten der mannhaften Übung mit der Feuerwaffe, und selbst im Tanz und Spiel, im Lied und im Gesang der Jugend und in der Freude am Farben- und Formenreichtum der Trachten schwingen die Ehrfurcht vor dem völkischen Wert alter Überlieferung und das Bewusstsein der Verpflichtung, mit ihnen wertvollstes Volksgut zu erhalten und weiterzutragen, in voller Stärke mit“. Der Standschützenverband spiegle so in all seinen Aktivitäten und besonders bei seinem Hauptfest, dem jährlich abgehaltenen Landesschießen, ideal diese Willensäußerungen und Charaktereigenschaften des Volkes wider. So stünde der Standschützenverband einerseits „unmittelbar im Dienst der Wehrertüchtigung und wehrgeistigen Erziehung“ im Rahmen der „Waffenübung am Schießstand“, andererseits widme er sich der „Pflege des gesamten Volksbrauchtums in allen seinen Formen“. Im Grunde wären aber diese beiden Aufgabenbereiche lediglich „zwei verschiedene Erscheinungsformen einer durchaus einheitlichen und untrennbaren Sache“, denn „das Schießwesen, wie es hierzulande aufgefaßt und betrieben wird“, sei selbst nichts anderes „als altverwurzeltes Brauchtum und als solches die Grundlage aller brauchtümlichen Lebensgestaltung einschließlich des volkskünstlerischen Schaffens in jeder Form“.

Die Funktion des Landesschießens wird als „Rechenschaftsbericht einer Jahresarbeit im Standschützenverband“ erklärt. Die „Aufwärtsentwicklung dieser Veranstaltungen“ sei daher „der untrügliche Maßstab für den Arbeitserfolg“. Um diese positive Tendenz zu belegen, bringt Paul Kinz nun einen ausführlichen statistischen Vergleich des Landesschießens 1943 mit jenem von 1942:

„Die Dauer des Landesschießens wurde heuer von 9 auf 14 Tage verlängert. Nur dadurch war es möglich, die von 21.914 auf 30.432 gestiegene Zahl der aktiven Teilnehmer am Schießen organisatorisch zu bewältigen. In dieser Gesamtteilnehmerzahl, die der Zahl der Schützen am Kleinkaliberstand gleich ist, waren 13.259 (im Vorjahr 7.513) Pistolenschützen und 7.609 (im Vorjahr 4.562) Schützen an den Weitständen enthalten; die Gesamtzahl der Schützen ist also um 39, die der Feuerschützen am Weitstand um 67 und die der Pistolenschützen gar um 77 v[on] H[undert] gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Unter den Feuerschützen befanden sich im Vorjahr 278, heuer 985 Jungschützen; ihre Zahl ist gegen das Vorjahr um 255 v. H. gestiegen und betrug, um noch einen besonders aufschlußreichen Vergleich mit früheren Jahren heranzuziehen, genau gleich viel als im Jahre 1939 überhaupt Feuerschützen an die Weitstände getreten sind. – Mit nicht geringem Stolz haben wir vor zwei Jahren verzeichnet, daß die Zahl der beim Landesschießen abgegebenen Schüsse nahe an eine Million herankam; im Jahre 1942 wurde diese Zahl um etwa ein Drittel überschritten, und heuer wurden nicht weniger als 2,065.270 Schüsse abgegeben.“

Weiters liefert Paul Kinz im Volkskalender Alpenheimat 1944 eine Übersicht über die Beteiligung auswärtiger Schützen, von denen sich trotz der „kriegsbedingten Erschwerung der Verkehrsverhältnisse“ im Vergleich zum Vorjahr fast doppelt so viele am Innsbrucker Hauptschießstand eingefunden hätten. „Dabei sind fast alle Gaue Großdeutschlands von Baden-Elsaß bis zum Warthegau und von Steiermark bis Hamburg vertreten; kaum ein Gau ist zu finden, aus dem nicht nach vereinzelten Zufallsbesuchern in früheren Jahren nunmehr größere Gruppen anwesend waren; die Nachbargaue haben in mehrfacher Stärke ihre Schützen nach Innsbruck gesandt, so Salzburg mit 107, München-Oberbayern mit 436, Schwaben mit 112, Kärnten mit 55 Teilnehmern; vor allem aber konnten wir die Südtiroler, von denen im Vorjahr 229 Schützen gekommen waren, heuer in der beachtlichen Stärke von 519 Mann willkommen heißen.“

Die nun folgende Auflistung der Preise gibt einen guten Einblick in die Vielfalt der Schießwettbewerbe. Die höchste Auszeichnung war das „Gaumeisterschützenzeichen“:

„Dieses Zeichen, das den Erwerb des Goldenen Meisterzeichens mit Eichenlaub mit drei Waffen (Kleinkaliber, Wehrmachtsgewehr und Pistole) voraussetzt, erhielten im Vorjahr 1.276, heuer 2.189 Schützen; das ist ein Zuwachs von 72 v. H. Auch hier fallen wieder die Jungschützen besonders auf, denn vor zwei Jahren waren sie mit 45, im Vorjahr mit 70, heuer aber mit 200 Erwerbern dieser schönen Auszeichnung beteiligt.“

Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass im Zug der Wehrertüchtigung der Hitler-Jugend die Schießübungen immer mehr intensiviert wurden (vgl. oben im Kapitel Kreisschießen den Bericht über das Kreisschießen im Kreis Schwaz mit der Mitteilung der Eröffnung des ausgebauten Schießstandes in Buchau am Achensee speziell für die Schießausbildung der HJ).

Als neue Auszeichnung wurde zum 6. Landesschießen das Sonderzeichen Drei Jahre Gaumeisterschütze ausgegeben, „und zwar an solche Schützen, die dreimal das Gaumeisterschützenzeichen erworben haben. Nicht weniger als 390 Schützen erfüllten die Voraussetzungen dafür“. Auch Frauen und Mädchen beteiligten sich erfolgreich an den Schießständen, so dass 1943 neun von ihnen diese herausfordernde neue Auszeichnung erringen konnten. Daneben waren für besondere Leistungen Ehren- und Geldpreise ausgesetzt. „Nachdem im Vorjahre 4.184 Preise im Werte von 87.164 Reichsmark an erfolgreiche Schützen ausgefolgt wurden, hat das 6. Landesschießen 1943 auch in dieser Hinsicht mit 8.428 Preisen im Gesamtwert von 164.911 Reichsmark wohl alle Schießen übertroffen, die je im deutschen Raum stattgefunden haben.“


Wehrbereit allezeit


Das Landesschießen 1943 in Innsbruck wurde wie üblich mit einer „Großkundgebung“ auf dem Adolf-Hitler-Platz eröffnet. Der Innsbrucker Kreisleiter Dr. Primbs meldete dem Gauleiter „über 30.000 Partei- und Volksgenossen“, die sich zu diesem feierlichen Anlass versammelt hätten, um den „Aufmarsch der Partei, der Wehrmacht und der Standschützenkapellen mitzuerleben“ (Tiroler Volksblatt vom 6. Juli 1943, Seite 4):

„Zuletzt zog unter klingendem Spiel das Musikkorps unserer Gebirgsjäger und ein Fahnenzug mit den alten Regimentsfahnen der Kaiserjäger aus dem ersten Weltkrieg und den Fahnen der jungen Regimenter des Führers auf. Dann folgten, von den Massen stürmisch begrüßt, die vier Musikkorps des Heeres, der Luftwaffe und der Kriegsmarine sowie der Waffen-SS mit einem Ehrenzug unter Gewehr. Nachdem die langen, schier endlosen Kolonnen der Hitler-Jugend angerückt gekommen waren und die Anmarschstraße füllten, nahm der Gauleiter das Wort.“

Der Gauleiter beginnt seine Rede, die in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juli 1943 auf Seite 3 aus Propagandagründen ausführlich zitiert ist, mit einem Lobpreis der Heimatfront:
„Der Fleiß und die Tüchtigkeit unserer Bauern und Arbeiter hat dem deutschen Volk wiederum die Ernährung und die weitere Aufrüstung gesichert. Ebenso wie Bauer und Arbeiter haben alle schaffenden Deutschen voll und ganz ihre Pflicht erfüllt.“ Besondere Wertschätzung verdiene die Opferbereitschaft der Frauen, die nicht nur die psychologischen Belastungen der Kriegssituation zu tragen hätten, sondern auch in vielen Arbeitsbereichen die Stelle ihrer eingerückten Männer einnehmen müssten. „Das gilt in unserem Berggau vor allem für tausende braver Bäuerinnen, die zu ihrer normalen Tagesarbeit zusätzlich die schwere Arbeitslast des eingerückten Bauern mit übernommen haben, beseelt von dem Willen, den Besitz zu führen, daß er den heimkehrenden Siegern [zu]mindest so übergeben werden kann, wie er übernommen wurde.“ Der Zweck der Kriegsführung wird zu einer Rettung Europas verklärt: „Der Gauleiter sprach dann über die Bedrohung Europas durch den Bolschewismus und durch die Plutokratien. Gegen diese Bedrohung hat sich Europa nun zur entschlossenen Abwehr zusammengefunden.“ Ein Beispiel für den „unbeugsamen Lebensmut“ und den „absoluten Siegeswillen“ sei ja gerade durch die Tatsache der Realisierung des 6. Landesschießens evident, wenn es möglich ist, „daß unserer Heimat im 4. Jahr dieses Krieges so viel einsatzbereite, gläubige und auch frohe Menschen zur Begehung eines alten Brauches vereinen kann“. In der weiteren Folge und zum wirkungsvollen Abschluss kommt der Gauleiter auf seine Herzensthemen Kultur und Brauchtum zu sprechen:

„Vor allem aber haben wir Nationalsozialisten uns nicht nur mit Erfolg bemüht, der Bevölkerung eine Verbesserung der materiellen Lage zu bringen, sondern wir sind unablässig bemüht, den kulturellen Verfall unserer Heimat aus früherer Zeit aufzuhalten und an seine Stelle den bewußten kulturellen Aufbau zu setzen. Was gerade hier in diesem Gau zur Förderung des Brauchtums geschehen ist, das wißt ihr, meine Volksgenossen, am besten. Wir haben das alte Brauchtum wieder zu Ehren gebracht. Wir haben Volkstracht, Volkstanz, Volkslied, Volksmusik, das Laienspiel und vieles andere in reinster Form wieder lebendig werden lassen.

Die bewusste und planmäßige Förderung unseres Brauchtums erhält das, was gut und wertvoll aus der Vergangenheit uns von unseren Vorfahren überantwortet wurde. Sie sorgt dafür, daß die ureigensten Kräfte dieses Gaues nicht verloren gehen.

Wenn Sie heute 70 Musikzüge mit den dazugehörigen Einheiten unter Waffen an sich vorbeimarschieren sehen werden, wenn Sie bedenken, daß kriegsbedingt aus den entfernter liegenden Kreisen nur Abordnungen marschieren, so ist doch dieser Aufmarsch in einer Stärke, wie er noch nie war, ein eindeutiger Beweis der Wehrbereitschaft und des Glaubens unserer Heimat.“

Gauleiter Franz Hofer beendete seine Ansprache mit der eindringlichen Mahnung, dass es in diesem Krieg „um Sein oder Nichtsein“ gehe und einer pathetischen Hinwendung an den Führer: „Ich kann hier von dieser mächtigen Schau des Wehrwillens und der Wehrbereitschaft an der Südgrenze des Deutschen Reiches in eurem Namen dem Führer nur eines melden: Jeder Tag des Kampfes wird uns kampfbereit finden. Je länger der Kampf dauert, um so härter und um so entschlossener werden wir für unseren Führer und unser Deutschland zu arbeiten und zu kämpfen wissen.“

Auf der Ehrentribüne war eine erlesene Ansammlung von NS-Größen zugegen, die auf Einladung des Gauleiters sein Werk Standschützenverband bestaunen und bewundern konnten, wie es sich in aller Vielfalt im mächtigen Umzug von Schützen, Musikkapellen und weiteren Vertretern des Tiroler Volkstums, alle optisch vereint im Trachtengewand, präsentierte. Neben Reichspostminister Dr. h. c. Wilhelm Ohnesorge und dem Korpsführer des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps Erwin Kraus waren der SS-Obergruppenführer Dr. Ernst Kaltenbrunner, Generalforstmeister Friedrich Alpers, die Staatssekretäre Herman Esser und Dr. Hans Fischböck und zahlreiche weitere Vertreter der Wehrmacht im Generalsrang sowie führende Repräsentanten aus Partei und Staat Festgäste der gigantischen Inszenierung in der Verbrüderung von Volk und Partei, wie sie insbesondere im Vorbeimarsch als Huldigung der Machthaber und Versicherung von Gefolgschaftstreue durch die Identitätsträger der Volksgemeinschaft symbolisch zum Ausdruck kam. Der Vorbeimarsch vermittelte aber auch mit den Einheiten des Militärs und den Formationen der Partei und ihrer Gliederungen einen demonstrativen Akt der Macht.

„Der nun schon zum sechsten Male wiederholte Vorbeimarsch der Partei und ihrer Gliederungen, der Wehrmachtabteilungen und der Standschützen übertraf, so schwierig auch die Voraussetzungen dafür im vierten Kriegsjahr sein mochten, mit 19.120 Marschteilnehmern alle seine Vorgänger an Stärke der Beteiligung und an Eindruckskraft. Hie[r]zu trug im hervorragenden Maße die Beteiligung von vier Wehrmacht[s]musikzügen, die ganz hervorragende Haltung der Waffen-SS und einer starken Abteilung des Reichsarbeitsdienstes bei. Die Partei und ihre Gliederungen traten, obwohl mit Rücksicht auf die kriegsmäßig eingeschränkten Verkehrsverhältnisse aus den Kreisen des Gaues außer Innsbruck nur Abordnungen herangezogen waren, in achtunggebietender Stärke auf. Wiederholten lebhaften Beifall fanden Haltung und Auftreten der Formationen der Hitler-Jugend.

Auch von den Standschützenkompanien, ihren Musikkapellen und Trachtengruppen muß festgestellt werden, daß aus den auswärtigen Kreisen und aus Südtirol nur einzelne nach Innsbruck gekommen waren. Wenn trotzdem mehr als 70 Musikkapellen ihren Kompanien voranmarschierten, so zeigt schon diese Ziffer, daß aus dem Kreis Innsbruck tatsächlich auch das letzte Bergdorf seine Schützen gesandt hat. Auch die Zusammenstellung der Schützenkompanien und der Musikkapellen, in denen weißhaarige Alte neben Jungen marschierten, wies darauf hin, daß besonders die kleineren Ortsgruppen im Kreis das letzte aus sich herausgeholt haben, um in marsch- und spielfähiger Stärke zur Stelle zu sein. Gerade im Hinblick auf diese Umstände vermittelte dieser Aufmarsch ein einzigartiges Bild der Geschlossenheit des Willens und der Bereitschaft zur Erfüllung aller Aufgaben der Heimat.

Die Südtiroler wurden mit besonderem Beifall begrüßt. Eine Ueberraschung brachten die Jungschützen, deren Kompanien eine erhebliche Vermehrung aufwiesen und die heuer erstmals mit eigenen Musikkapellen zum Vorbeimarsch antraten. Den Schluß des Vorbeimarsches bildete ein Aufmarsch der Jungschützenkompanien vor dem Gauleiter. Die Gewehrsalven wurden mit überraschender Genauigkeit ausgeführt, die Abgabe der Salve durch die Matreier Jungschützen war musterhaft, die Meldung und überhaupt die ganze Haltung dieser Nachwuchsschützen weckte helle Begeisterung bei den Zuschauern. Der Aufmarsch konnte keinen besseren und sinnvolleren Ausklang finden, als das Auftreten der Jungschützen: ein Fingerzeig in die Zukunft, um die uns wahrhaftig nicht bange zu sein braucht.“ (Tiroler Landbote vom 6. Juli 1943, Seite 4).


Farbfilm vom 6. Landesschießen


Der Eröffnungstag am 4. Juli 1943 zum Landesschießen hatte folgendes Programm:

Er begann mit einem „Weckruf einer Standschützenmusikkapelle zu früher Morgenstunde. Um 7.45 treten die Politischen Leiter und Gliederungen des Kreises Innsbruck der NSDAP. am Tivoli-Sportplatz zum Appell an. Um 9 Uhr beginnt der Aufmarsch zur Großkundgebung auf dem Adolf-Hitler-Platz, die voraussichtlich bis etwa 11 Uhr dauern wird; um 12 Uhr beginnt der Vorbeimarsch ebenfalls auf dem Adolf-Hitler-Platz. Der volle Schießbetrieb am Hauptschießstand wird um 14 Uhr aufgenommen. Im Laufe des Nachmittags bringen Brauchtumsgruppen des Standschützenverbandes am Hauptschießstand ihre Vorführungen, und Standschützenkapellen spielen auf. Eine festliche Aufführung der Oper
Der Freischütz [von Carl Maria von Weber] im Reichsgautheater und ein heimatlicher Brauchtumsabend für Südtiroler im Großen Stadtsaal (beides um 20 Uhr) bilden den Abschluß des Tages. – Die Gauhauptstadt erwartet zum Landesschießen Gäste aus vielen Gauen des Großdeutschen Reiches und aus dem Gau Tirol-Vorarlberg.“ (Tiroler Landbote vom 2. Juli 1943, Seite 5).

Bereits am Vortag war als Auftakt zum Landesschießen insbesondere mit zahlreichen Ausstellungseröffnungen durch den Gauleiter ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm eingeleitet worden, das „noch mehr als in früheren Jahren eine umfassende Ueberschau über die gesamte wehrgeistige und kulturelle Leistungen des Gaues Tirol-Vorarlberg bieten sollte“.

So eröffnete Gauleiter Franz Hofer am 3. Juli 1943 um 9 Uhr vormittags im Taxishof die Ausstellung Wehrhafte Burgen im Alpenraum und um 10 Uhr vormittags in der Alten Universitätsbibliothek die Gaukunstausstellung.

„Im Tiroler Landesmuseum werden zur gleichen Zeit wie diese beiden Ausstellungen Aquarellnachbildungen ältester Fresken aus unserer Heimat gezeigt. Am Hauptschießstand Innsbruck werden am Samstag [3. Juli], beginnend um 10 Uhr vormittags, die Jugendmeisterschaften des Standschützenverbandes und die Gebietsmeisterschaften der Hitler-Jugend durchgeführt. Um 15 Uhr eröffnet der Gauleiter in der Ausstellungshalle die Kulturschau des Gaues Tirol-Vorarlberg, die folgende Ausstellungen umfasst: Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen, Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg und seine Neugestaltung, Der nordische Bauernhof im Alpenraum und Trachtenerneuerung im Gau Tirol-Vorarlberg. Für 20 Uhr ist ein Brauchtumsabend im Großen Stadtsaal und zur gleichen Stunde im Reichsgautheater eine Aufführung von Wenters Kanzler von Tirol angesetzt. Die Teilnahme daran ist vorzugsweise auswärtigen Schützen vorbehalten.“ (Tiroler Landbote vom 2. Juli 1943, Seite 5).

Bereits am 22. Juni 1943 hatten die Innsbrucker Nachrichten auf Seite 3 unter dem Titel „Gesamtschau der Kulturarbeit unseres Gaues“ einen detaillierten Überblick über die Vielzahl der geplanten Veranstaltungen geboten. Diese Vorschau widmete sich vorab der primär ideologiebestimmten Funktion der Landesschießen:

„Wie in den Vorjahren wird auch heuer das bevorstehende 6. Landesschießen als größte Veranstaltung im Gau Tirol-Vorarlberg den Rahmen für eine Reihe kultureller Veranstaltungen geben. Die Tage des Landesschießens, das wie kein anderer Anlaß des Jahres Gäste aus dem ganzen Reich in der Gauhauptstadt zusammenführt, sind schon aus diesem Grunde in hervorragender Weise geeignet, die Kulturleistungen des Gaues gesammelt herauszustellen. Mit der Pflege der wehrhaften Tradition und der Wehrertüchtigung im Standschützenverband stehen ferner dessen Aufgaben als Betreuer von Brauchtum und Volkskunst in untrennbarem Zusammenhang; das Landesschießen soll daher eine Ueberschau und Rechenschaftsbericht über beides sein und einen geschlossenen Eindruck davon vermitteln, was der Gau an der Südgrenze des Reiches für dieses in wehrgeistiger und kultureller Hinsicht beizutragen vermag. Eine erhebliche Bereicherung der Veranstaltungsfolge gegenüber früheren Jahren geht mit der Vergrößerung des Landesschießens selbst Hand in Hand und zeigt auch auf diesen Gebieten Erfolge der Aufbauarbeit, die im 4. Kriegsjahr umso bemerkenswerter sind, als sie den ungebrochenen Willen und die ungeschmälerde Kraft zur kulturellen Leistung trotz aller Erschwernisse und Belastungen der Kriegszeit dartun.

Die Eröffnung des Landesschießens steht auch heuer wieder im Rahmen einer Großkundgebung auf dem Adolf-Hitler-Platz, die am Sonntag, den 4. Juli vormittags mit nachfolgendem Aufmarsch der Partei und ihrer Gliederungen und der Standschützen-Musikkapellen und -Kompanien stattfindet […].

Bereits am Tag vorher, Samstag, den 3. Juli, eröffnet der Gauleiter die Gaukunstausstellung 1943 in der Alten Universitätsbibliothek. Diese Ausstellung, die den Reichtum des Gaues an bildenden Künstlern und die starken schöpferischen Kräfte des Volksstammes unserer Heimat ebenso überzeugend vor Augen führen wird wie ihre Vorgängerinnen in den früheren Jahren, wird auch in starkem Maße von Südtiroler Künstlern beschickt. Sie bleibt bis 1. August täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet, womit erreicht wird, daß auch berufstätige Volksgenossen Gelegenheit finden, sie zu besuchen […, vgl. unten Kapitel Bildende Kunst].

Die Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen, die im September vorigen Jahres zum erstenmal veranstaltet wurde, ist heuer ebenfalls zeitlich mit dem Landesschießen zusammengelegt worden und findet ihren Platz in der großen Ausstellungshalle in der Ing.-Etzel-Straße.

Der offensichtliche Erfolg der vorjährigen Ausstellung und das außergewöhnlich weitgehende Interesse der Bevölkerung haben zu einer erheblichen Vergrößerung der Ausstellung im heurigen Jahr Anlaß gegeben. Auch die Gruppeneinteilung des Ausstellungsgutes ist nach den vorjährigen Erfahrungen weiter durchgebildet worden. Die Bewertung im Wettbewerb, der mit der Ausstellung verbunden ist, erfolgt nach zwei Hauptgruppen, und zwar nach Einrichtungen in talgebunderer und nach solcher in gaugebundener Form und Bearbeitung. Die erstgenannte Gruppe umfaßt Möbel, die in ihrer Ausführung der überlieferten Handwerksarbeit bestimmter Täler (z. B. Montafon, Zillertal, Alpbach usw.) entsprechen, die zweite solche Ausführungen, die, ohne an eine bestimmte Talform anzuknüpfen, allgemein den im Gau üblichen bodenständigen Formen angepaßt sind. Beide Gruppen sind wieder nach den Preislagen der Einrichtungen unterteilt. Der Zweck der Ausstellung und des Wettbewerbes ist ganz allgemein die Herausarbeitung von Handwerksleistungen, die sich der landschaftlichen Eigenart harmonisch einfügen und zugleich den Anforderungen der heutigen Lebens- und Wohnverhältnisse voll gerecht werden […, vgl. unten KapitelAusstellungen].

Ein dem Gegenstand dieser Ausstellung naheliegendes Gebiet der Volkskultur behandelt die ebenfalls in den Räumen der Ausstellungshalle aufgebaute Schau Nordischer Bauernhof im Alpenraum. In zahlreichen Bildern und Modellen wird hier das artgemäße Bauernhaus gezeigt, das in seinen Formen die Besiedlungsgeschichte unseres Gaues getreu widerspiegelt. Trotz der Verschiedenheit der Bauweisen im Gau ist der auschließlich nordisch-germanische Ursprung allen gemeinsam und in allen Einzelheiten nachzuweisen. In diesem Zusammenhang interessiert besonders die bevorstehende Veröffentlichung eines Werkes von Professor Alwin Seifert Das echte Haus im Gau Tirol-Vorarlberg, worin die Frage der Herkunft der bodenständigen Bauformen gründlich untersucht und klargestellt wird. Die Ausstellung selbst schärft durch ihr Anschauungsmaterial den Blick für richtige, den artgemäßen Vorbildern entsprechende Bauweisen und für ihre Freihaltung von Verzerrungen, die ein heute endgültig überwundenes Zeitalter verirrter Baugesinnung hervorgebracht hat. Im Rahmen der kulturellen Festigung des Bauerntums im Grenzgau spielt die Aufklärung über diesen Fragenbereich eine ausschlaggebende Rolle […, vgl. unten Kapitel Ausstellungen].

Zur Abrundung dieser, wesentliche Werte heimischen Volkstums hervorhebenden Ausstellungen ist ihnen eine weitere Schau angegliedert, die einen umfassenden Einblick in die Arbeit der Trachtenerneuerung gewährt. Die im Laufe der letzten Jahre im Volkskunstmuseum nach den alten Vorlagen entwickelten erneuerten Trachten werden in Zeichnungen und übersichtlichen farbigen Tafeln gezeigt. Am Ende dieser Arbeit steht genau dasselbe Ziel wie bei den Möbeln und schließlich bei den Bauernhäusern: ebenso wie diese sollen auch die Trachten das echte alte Volksgut bewahren, dabei aber zu Formen weiterentwickelt werden, die der Lebensart und dem Lebensgefühl von heute angemessen sind […, vgl. oben Kapitel Trachtenpflege und Trachtenerneuerung].

Zwei weitere Ausstellungen im Taxishof in der Maria-Theresien-Straße zeigen in Bildern und Grundrißplänen deutschen Burgen im Alpenraum und in Aquarellnachbildungen älteste Fresken aus dem Schaffen alter Zeiten im Gebiet unserer engeren Heimat.

Das heimatliche Brauchtum kommt in Brauchtumsabenden am 3. und 4. Juli, 20 Uhr, im Großen Stadtsaal sowie bei einem Brauchtumsnachmittag am 11. Juli, 14.30 Uhr, am Hauptschießstand zur Geltung; auch mit dem Beginn des Landesschießens am Nachmittag des 4. Juli sind Brauchtumsvorführungen verbunden. Standschützenmusikkapellen spielen am Hauptschießstand täglich während der ganzen Dauer des Landesschießens […].

In besonders weitgehendem Maße wird beim heurigen Landesschießen die Jugend ihre Mitarbeit an der Brauchtumspflege herausstellen. Ihre Begeisterungsfähigkeit und ihr Arbeitseifer ist ja in erster Linie dazu berufen, mitzuhelfen, wenn der Standschützenverband bestrebt ist, die volkskulturellen Güter der Vergangenheit der Vergessenheit zu entreißen, sie zu neuem Leben zu führen und in die Zukunft weiterzutragen. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit dem Standschützenverband gestaltet, daher die Hitler-Jugend des Gaues Tirol-Vorarlberg im Rahmen des Landesschießens zum erstenmal ihre Volkskulturtage, die am 9. Juli beginnen und am 15. Juli abgeschlossen werden. Etwa sechzig Spieleinheiten, darunter Singgruppen des BDM. [Bundes Deutscher Mädel] und der Jungmädel, gemischte Chöre, Musikzüge, Volksmusik- und Volkstanzgruppen werden in verschiedenen öffentlich zugänglichen Veranstaltungen ihr Können zeigen, während gleichzeitig in Arbeitsgemeinschaften durch Sonderschulungen und Referate die Ausrichtung für die weitere Arbeit vermittelt wird. Die allgemein zugänglichen Veranstaltungen sind: Am 10. Juli 10 bis 12 und 15 bis 17 Uhr, sowie am 12. Juli 10 bis 12 und 14.30 Uhr öffentliche Wertungssingen im Großen Stadtsaal, am 11. Juli, 19 Uhr, ebendort ein Volkstanzlehrabend; am 13. Juli, 18 Uhr, ein öffentliches Wertungsspiel der Fanfarenzüge und am 14. Juli, 18.30 Uhr, Volkstanzvorführungen, beide am Adolf-Hitler-Platz; am 14. Juli, 20.30 Uhr, Abendmusik im Hof des Volkskunstmuseums, endlich am 15. Juli, 19.30 Uhr, zum Abschluß dieser Veranstaltungsreihe ein großer Volkstumsabend der Hitler-Jugend im Großen Stadtsaal […, vgl. unten Kapitel Aktivitäten der Hitler-Jugend].


Film


Als Verbindungsbrücke von der Volksmusik zu den Bereichen der hohen Kunst ist das Musikschulwerk anzusehen, das in den Tagen vom 8. bis 15. Juli eine Schulungswoche durchführt, deren Hauptthemen lauten: 1. Der volksmusikalische Auftrag in unserem Gau; 2. Die Fest- und Feiergestaltung; 3. Zeitgemäße Lehrplangestaltung. Es ergibt sich schon aus dieser Themengestaltung und aus dem Arbeitsgebiet des Musikschulwerkes überhaupt, daß dieses in enger Zusammenarbeit mit der Hitler-Jugend steht […].

Musikpflege und Musikschaffen im Gau werden durch folgende Veranstaltungen herausgestellt: Am 6. Juli, 20 Uhr, Serenade im Hof des Volkskunstmuseums, ausgeführt von Mitgliedern des Reichsgautheaters; 9. Juli, 20 Uhr, Das Land im Gebirge, eine heimatliche Feierstunde mit Aufführungen der gleichnamigen Kantate von Josef Eduard Ploner und Josef Georg Oberkofler im Großen Stadtsaal; 12. Juli, 20 Uhr, Serenade des Collegium Musicum der Deutschen Alpenuniversität im Hofgarten; 16. Juli, 20 Uhr, Beschwingte Musik, Konzert des Reichsgausymphonieorchesters im Großen Stadtsaal.

Das brauchtümliche Laienspiel, eine Ausdrucksform der Volkskunst, die in unserem Gau auf eine vielhundertjährige Entwicklung zurückblicken kann, aber nach langer Zeit erst in unseren Tagen im Rahmen des Standschützenverbandes wieder eine wirksame Förderung und kraftvolle Verjüngung erfährt, tritt mit der Innsbrucker Heimatbühne des Standschützenverbandes (Leopoldstraße Nr. 44a) beim Landesschießen erstmalig in größerem Maßstabe in Erscheinung. Am 11., 13. und 18. Juli, 20 Uhr, wird dort das Volksstück Die Räuber vom Glockenhofaufgeführt; am 17. Juli zur gleichen Stunde bringt die Stubaier Heimatbühne eine Aufführung anläßlich ihres 40jährigen Bestandes. – Auch die Breinößl-Bühne wirkt durch tägliche Aufführungen in heimatlicher Mundart an der volkstümlichen Ausgestaltung der Bühnendarbietungen mit.

Das Reichsgautheater, als Stätte der hohen Schauspielkunst, hat seinen Spielplan während der Zeit des Landesschießens derart gestaltet, daß durch die Wahl der Bühnenwerke seine Verbundenheit mit Volkstum und Heimatboden zum Ausdruck kommt. Auf dem Spielplan stehen mehrmalige Aufführungen der ‚deutschesten und volkstümlichsten aller Opern‘, C[arl] M[aria] von Webers Freischütz, ferner der Schauspiele von Josef Wenter Der Kanzler von Tirol und Die schöne Welserin, deren Stoffe der Geschichte unserer engeren Heimat entnommen sind; die heitere Muse bringt Karl Zellers klassische Operette Der Vogelhändler und die zeitgenössische Operette Liebe in der Lerchengasse von Arno Vetterling, die für die Aufführungen in Innsbruck besonders bearbeitet wurde und schon seit zwei Jahren ständig auf dem Spielplan des Reichsgautheaters steht. Die Gesamtgestaltung des Landesschießens wird so zu einem getreuen Abbild unseres Gaues und des Lebensgefühls seiner Menschen, das sich über alle Bereiche wehrhafter Einsatzbereitschaft, ernsten Arbeitsstrebens, freudigen Schönheitssinnes und gesunden Frohsinns erstreckt.“

Über den stimmungsvollen Verlauf des Brauchtumsabends im Großen Stadtsaal informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juli 1943, Seite 4 mit einem Bericht, der den Lesern jene klischeehaften Idealvorstellung vermittelt, die Ideologen der Partei mit dem Wesen und der bühnenhaften Präsentation von Volkskultur verknüpften:

„Ein Brauchtumsabend im Großen Stadtsaal vereinte Samstag [3. Juli] zahlreiche Gäste des 6. Landesschießens aus der Gauhauptstadt selbst wie aus allen Kreisen zu froher Gemeinschaft. Kopf an Kopf saßen die Zuschauer. Die Musikkapelle des Standschützenverbandes Bludenz spielte flotte Märsche, bis die Fanfaren der Hitler-Jugend den Einzug der Trachtengruppen ankündigten. Und da kamen sie schon, die Frauen und Mädchen in blütenweißen Hemdärmeln mit feingetönten Halstüchern, farbenschönen Schürzen über weiten Röcken, die Männer in Lodenjoppe und Lederhose, Blumen und Federn auf den Hüten. Den ganzen Abend über konnte sich das Auge nicht satt sehen an dem schönen Bild, das die in weitem Rund um das Podium gruppierten Männer und Frauen, Mädeln und Jungen in der Tracht der Heimat boten. Welch gepflegter Farbensinn, welch sicheres Gefühl für gar schöne Linien und gute Gesamtwirkung, welch reiche handwerkliche Geschicklichkeit verraten diese altüberkommenen und nun mit Liebe neu in unser Fest -wie Werkstagsleben übernommenen Gewänder der Heimat. Und hinter den feinen Handarbeitsspitzen und den sorgsam gefältelten Röcken der Frauen, den federkielgestickten Ledergürteln der Männer und dem Zopfmuster ihrer Strümpfe spürte man förmlich die Atmosphäre ihres Daseins, den ganzen Reichtum einer Kultur, die unser Leben bis in die letzten Alltäglichkeiten durchflutet, es reich und schön macht. Und erst wenn man in die Gesichter schaute, diese gesunden, guten, sauberen Gesichter, wie froh und frei wurde da das Herz! Die Augen der Jungen blitzten nur so, wenn sie im Schuhplattler Kraft und Geschicklichkeit in rhythmischem Spiele maßen oder den kunstvoll verschlungenen Schwertertanz durchführten oder die Landecker Jungschützen schneidig trommelbeherrschte Weisen spielten. Neckisch drehten sich die Mädchen im Tanze und manch handfeste Bäuerin maß sich mit ihnen in taktfester Behendigkeit, und bei den Männern zeigte mancher noch rüstige Alte sprühenden Humor wie helle Freude am tänzelnden Schreiten im figurenreichen Gemeinschaftstanz. Eine schier unendliche Vielfalt alter Volkstänze wurde gezeigt, dazwischen erklangen Harfe und Hackbrett, alte Volksweisen kündigten von Freud und Leid, und Jodler jubelten aus klingender Kehle durch den weiten Saal. Welcher Gruppe der Preis gebührt, ab den „Landecker Moasn“ oder den Alpbacher Mädeln, den Bregenzerwäldern oder den Kufsteinern oder gar dem humorvollen Sprecher, darüber hat niemand nachgedacht. Eine tiefe, schöne Freude erfüllte das Herz, all das reiche Brauchtum so wohl gepflegt, so urlebendig zu sehen, auch jetzt in schwerer Kriegszeit, da uns nichts verloren gehen darf vom Kulturgut der Väter.“

Auch Paul Kinz bringt in seiner zusammenfassenden Beurteilung des 6. Landesschießens im Volkskalender Alpenheimat 1944, Seite 62 f., eine idealisierte, von der Parteiideologie geprägte Sichtweise der Veranstaltungsvielfalt im Gefolge dieses Großereignisses der Selbstdarstellung. Im Grunde dienten diese Unternehmungen vorrangig dem ideologisch fundierten Ziel, den Menschen allein die Macht der Tradition aufzubürden und damit ihren Lebensstil in allen Bereichen noch weiter zu normieren:

„Eine ganze Reihe von Ausstellungen wurde in diesen Tagen gezeigt und hat die volkskulturellen Überlieferungen unserer Heimat, von den verschiedenen Seiten her betrachtet, vielen Tausenden von Besuchern mit größter Anschaulichkeit vermittelt. Darüber hinaus haben insbesondere die Lehr- und Musterschau für bodenständige Wohnkultur, die Trachtenschau und die Ausstellung Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg und seine Neugestaltung die praktische Auswertung dieses Überlieferungsgutes für die heutige Zeit und gegenwärtige Lebenserfordernisse gezeigt und damit dargetan, daß die Pflege von Volkskunst und Volksbrauchtum im Standschützenverband sich keineswegs in der Art eines Museums auf die Bewahrung des Vergangenen beschränkt, sondern dieses für die heutige und zukünftige Lebensgestaltung mit nachhaltigem Erfolg zur Auswirkung bringt. Dies gilt für die Erneuerung der Trachten ebenso wie für die Anwendung landschaftsgebundener Bauformen bei Bauernhäusern und die Innengestaltung von Wohnräumen, die neuzeitlichen Anforderungen entsprechen und doch die vertrauten Formen und die gediegenen Herstellungsgrundsätze altüberlieferter Handwerkskunst aufweisen.“


Parteiveranstaltungen

Eines der Hauptfeste der Partei, der Nationale Feiertag des deutschen Volkes am 1. Mai, das in den frühen Jahren der NS-Herrschaft auch in Tirol mit zahlreichen Veranstaltungen enthusiastisch begangen wurde, hatte im Jahr 1943 im ganzen Reich aufgrund der drastischen Kriegsituation seine ausgelassene Feierstimmung nahezu völlig eingebüßt. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda ließ demnach bekannt geben: „Der Tag, an dem Arbeitsruhe wie an Sonntagen herrscht, dient ausschließlich der Entspannung der schaffenden Bevölkerung. Veranstaltungen finden nicht statt, Beflaggung unterbleibt“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. April 1943, Seite 3).


1. Mai Nationaler Feiertag


Aufgrund der Katastrophe von Stalingrad mit dem Untergang der 6. Armee wurde von Joseph Goebbels verfügt, dass von Donnerstag, 4. Februar bis einschließlich Sonntag, 6. Februar 1943 „alle Theater, Filmtheater, Varietés und ähnliche Unterhaltungsstätten“ geschlossen bleiben. Auch jede weitere „öffentliche Veranstaltung künstlerischer oder unterhaltender Art“ wurde für diesen Zeitraum untersagt (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Februar 1943, Seite 3).

Feiern mit propagandistischem Potential wurden hingegen weiterhin mit großem Aufwand zelebriert, so der Heldengedenktag im März und der Geburtstag des „Führers“ im April.

Für den Heldengedenktag am 14. März 1943 veröffentlichten die Innsbrucker Nachrichten am 8. März reichseinheitliche Richtlinien der Feiergestaltung (Seite 3):

„Das Oberkommando der Wehrmacht hat Anordnungen für die Durchführung des Heldengedenktages am 14. März erlassen. Er wird wieder in allen Standorten und bei allen Truppenteilen mit militärischen Feiern begangen, an denen auch weitere Kreise der Bevölkerung teilnehmen sollen. Mit den Hoheitsträgern der Partei und ihren Gliederungen findet engste Zusammenarbeit statt. Zu den örtlichen Feiern sind neben der Bevölkerung die Hinterbliebenen von Gefallenen des ersten und des jetzigen Weltkrieges bevorzugt heranzuziehen. Durch Wehrmacht[s]angehörige sind sie besonders zu betreuen. Im Rahmen der Feiern findet die Uebertragung eines besonderen Gedenkaktes der Wehrmacht statt. An den Gefallenen-Erinnerungsmalen und auf Ehrenfriedhöfen der deutschen und verbündeten Wehrmachten sowohl in Friedensstandorten wie auch in nur kriegsmäßig mit Truppen belegten Orten werden Kränze der Wehrmacht niedergelegt. Die Truppe wird ferner angewiesen, für einfache, würdige Ausschmückung der Gräber der im ersten Weltkrieg und seit September 1939 gefallenen Kameraden zu sorgen und auf allen Ehrenfriedhöfen der Wehrmacht am Heldengedenktag die Reichskriegsflagge zu hissen. Die Gräber von Wehrmachtangehörigen von Verbündeten werden in gleicher Weise geschmückt. Feindgräber müssen sich in einwandfreiem Pflegezustand befinden.“

Der Heldengedenktag 1943 wurde aber im ganzen deutschen Reich am 21. März begangen. Die zentral dafür verordneten Richtlinien fanden im Gaugebiet die entsprechende Umsetzung und Konkretisierung (Innsbrucker Nachrichten vom 20. März 1943, Seite 3):

„Die Heldengedenkfeiern am Sonntag [den 21. März] werden in Orten mit Truppenbelag von der Wehrmacht unter Beteiligung der Partei, in Orten ohne Truppenbelag von der Partei veranstaltet. Es finden Kranzniederlegungen vor den Kriegerdenkmälern und öffentliche Kundgebungen statt, die durch die stärkste Anteilnahme der Bewohnerschaft des Gaues den Dank der Heimat für das Lebensopfer der gefallenen Kämpfer und die Verbundenheit mit unseren Soldaten zum Ausdruck bringen werden.

Für den Standort Innsbruck findet die Feier auf dem Adolf-Hitler-Platz statt und beginnt um 9.30 Uhr.

Die Angehörigen gefallener und vermißter Soldaten, Verwundete des jetzigen Krieges, Kämpfer des ersten Weltkrieges, Vertreter von Partei und Staat sind als Ehrengäste eingeladen worden. Abordnungen der Partei und ihrer Gliederungen, der Truppenteile und Wehrmachtdienststellen des Standortes Innsbruck treten in geschlossenen Blocks an.

Die Bevölkerung wird die Feier durch stärkste Beteiligung zu einer machtvollen Kundgebung der Heimat gestalten.

Dieser Feier gehen Kranzniederlegungen vor dem Kaiserjägerdenkmal auf dem Berg Isel und am Ostfriedhof in Innsbruck-Pradl voraus.

In Solbad Hall beginnt die Kranzniederlegung mit anschließender Heldengedenkfeier um 9 Uhr vor dem Speckbacher-Denkmal.

Die Teilnehmer werden gebeten, die für sie vorgesehenen Plätze spätestens zehn Minuten vor dem Beginn der Veranstaltungen (also in Innsbruck um 9.20 Uhr, in Solbad Hall um 8.50 Uhr) einzunehmen.“

Vom Verlauf der Zeremonie zum Heldengedenktag in Innsbruck informiert der Tiroler Landbote vom 23. März 1943, Seite 3:

„Vor dem Reichsgautheater hatten sich die Angehörigen der Gefallenen und vermißten Soldaten, Verwundete aus dem gegenwärtigen Feldzug und Kämpfer des ersten Weltkrieges, Vertreter der Partei, Staat und Gauhauptstadt als Ehrengäste sowie Offiziere des Wehrmacht[s]standortes eingefunden; dem Theatergebäude gegenüber waren die Ehrenformationen von Partei und Wehrmacht angetreten. Die übrige Bevölkerung der Gauhauptstadt nahm in großer Zahl an der Feier teil. Nach der Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Berg Isel und am Ostfriedhof in Pradl schritten Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer und der Standortälteste Generalleutnant Freiherr von Waldenfels am Kundgebungsplatz die Fronten ab. Hernach marschierten die Fahnen und Standarten der Bewegung sowie die Fahnenkompanie mit den Feldzeichen der großdeutschen Wehrmacht und der Tiroler Kaiserjäger aus dem Weltkrieg ein.

Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand die Rede des Standortältesten Generalleutnant Freiherrn von Waldenfels, die ein eindrucksvolles Bekenntnis zum Tatenruhm der Toten und zur Pflichterfüllung der großdeutschen Schicksalsgemeinschaft darstellte. Seine einleitenden Worte galten dem Gedenken und dem Dank an alle Soldaten, die auf den Schlachtfeldern Europas, Afrikas und Asiens, auf dem Grunde des weiten Meeres oder in den Grabstätten der Heimat ruhen. Sie werden uns gegenwärtig auf dem Marsch, im Sturm, im Graben – alle die verwegenen Kämpfer ohne Namen, die Jungen mit dem Spaten, die Helden der Lüfte und des Meeres und die Männer der Polizei in ihrem Kampf gegen einen heimtückischen Feind. Einzig und allein aus Liebe zum deutschen Vaterland haben sie gekämpft und sind gefallen. Die Geschichte beider Kriege offenbart ihre heldische Bereitschaft in einer nie dagewesenen Größe, die ihren Gipfelpunkt in Ereignissen findet, wie sie mit dem Namen Stalingrad verbunden sind. Während das Lied vom guten Kameraden [„Ich hatt’ einen Kameraden“, Text: Ludwig Uhland (1809), Melodie: Friedrich Silcher (1825)] aufklang, senkten sich die Fahnen, präsentierte die Truppe das Gewehr, erhoben sich die Hände zum deutschen Gruß und unter dem Donner der Salutschüsse erwies die Kundgebungsgemeinschaft den toten Kämpfern die Ehrenbezeigung.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen ging Generalleutnant Freiherr von Waldenfels auf die gemeinsamen tieferen Ursachen der beiden Weltkriege ein, verwies auf einzelne Beispiele vorbildlicher Haltung und stellte das felsenfeste Vertrauen heraus, das die Heimat den Männern draußen entgegenbringt. Er schloß seine Rede mit dem Gelöbnis: ‚Der Führer mit uns, wir mit dem Führer!‘ Mit dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation [Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied] wurde die Kundgebung beschlossen.“

Einen Überblick über die „Feierstunden für die Gefallenen beider Kriege in allen Standorten und Ortsgruppen“ vermittelt ein Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. März 1943 auf Seite 3:

„Im gleichen Geiste wie in der Gauhauptstadt, wenn auch in kleinerem Rahmen, ehrte die Gemeinschaft der Volksgenossen im Gau Tirol-Vorarlberg am Heldengedenktag die Gefallenen der beiden Weltkriege. In Kufstein legten der Kreisleiter Bereichsleiter Pg. [Hans] Ploner und der Standortälteste Oberstleutnant Faukal auf der Feste Geroldsegg bei der Heldenorgel, deren feierliche Klänge die toten Kameraden grüßten, im Rahmen einer eindrucksvollen Feier Kränze nieder. Die Ortsgruppe Kufstein gedachte der Helden durch eine Kranzniederlegung am Ehrenfriedhof und durch eine Gedenkstunde in der Aula der Oberschule. In Kitzbühel sprach der Kreisleiter Bereichsleiter Pg. Merath zu zahlreichen Volksgenossen; zur gleichen Stunde fanden in allen größeren Ortsgruppen des Kreises Heldengedenkfeiern statt, wobei die Kreisredner in ehrenvollen Worten der Gefallenen gedachten. In Schwaz fanden sich zur Heldenehrung vor dem Gefallenendenkmal der Kreisleiter, Bereichsleiter Pg. Aichholzer, und der Standortälteste Major Mans mit zahlreichen Vertretern von Partei, Staat und Wehrmacht ein; Ehrenformationen der Partei und ihrer Gliederungen waren angetreten und die Bevölkerung der Kreisstadt bekundete durch ihre Teilnahme in großer Zahl ihr volles Verständnis für die Bedeutung des Tages, die Major Mans in einer Ansprache würdigte.

Reutte erlebte eine würdige Gemeinschaftsfeier der Ortsgruppen Reutte, Lech-Aschau und Breitenwang mit dem Kreisleiter Pg. Höllwarth als Redner. Tiefen Eindruck hinterließ, als die Ortsgruppenleiter die Namen der Gefallenen ihrer Ortsgruppen verlasen, während leise das Lied vom Guten Kameraden erklang. Bei der Heldengedenkfeier in Landeck, die mehrere tausend Teilnehmer umfaßte, sprachen der Kreisleiter, Oberbereichsleiter Parteigenosse Bernard, und der Standortälteste Major Hanika. Auch die in den übrigen Ortsgruppen des Kreises veranstalteten Gedenkstunden, deren mehrere in Gegenwart des Kreisleiters verliefen, wiesen stärkste Beteiligung der Bevölkerung auf. In Dornbirn versammelte sich die Feiergemeinschaft der vier Dornbirner Ortsgruppen beim Ehrenmal auf dem Platz an der Sägerbrücke. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Gedenkrede des Ortsgruppenleiters Stadt-Mitte, Parteigenosse Dreher.

In Solbad Hall, wo das Denkmal des Tiroler Freiheitshelden Josef Speckbacher den wirkungsvollen Hintergrund für die Heldengedenkfeier darstellte, ging der Kranzniederlegung durch Vertreter der Wehrmacht, der Partei und der Stadt eine Ansprache von Major Brunner voraus. Die Kranzniederlegung wurde von zwölf Salutschüssen und dem Lied vom Guten Kameraden begleitet. Auch in den kleineren Ortsgruppen des Gaues verliefen die Feiern, die, soweit die Orte keinen Truppenbelag haben, von der Partei veranstaltet wurden, in würdiger Form, die ihrem Wesen angepaßt und vom Ernst der Zeit getragen war, aber auch von der unerschütterlichen Siegeszuversicht, mit welcher die Heimat den Kampf unserer Soldaten begleitet.“

„In der Gauhauptstadt und in allen Kreisstädten des Gaues Tirol-Vorarlberg wurde der Geburtstag des Führers durch festliche Veranstaltungen der NSDAP. würdig gefeiert“, melden die Innsbrucker Nachrichten am 21. April 1943 über die Feierlichkeiten zu Adolf Hitlers Geburtstag (Seite 3). Den „stimmungsvollen Rahmen“ für die „abendliche Feierstunde“ in Innsbruck bot der Platz vor dem Goldenen Dachl, wo sich neben den Parteigrößen, den Formationen der Politischen Leiter und der „Gliederungen der Bewegung“ auch eine Wehrmachtsabteilung eingefunden hatte, ebenso natürlich die „Bevölkerung der Gauhauptstadt“, die in „großer Anzahl ihre Anteilnahme an dieser Feier, die jedem Deutschen besonders zu Herzen geht, kundgab“.

Im suggestiven Ambiente zahlloser Fackeln erklang das Lied „Kameraden, hebt die Fahnen“ (Text: Hans Baumann) von „Hundert Jungen und Mädel der Lehrerbildungsanstalt gesungen“, gefolgt von „Worten eines Sprechers der Hitler-Jugend“ und einem weiteren ideologisch geprägten Liedvortrag „Ein junges Volk steht auf“ (Text und Melodie: Werner Altendorf, ca. 1934/35).

Der Gaumusikzug unter Leitung von Sepp Tanzer „trug wirkungsvoll zur musikalischen Umrahmung der Feier bei, unter anderem durch den Vortrag der Feierlichen Musik des heimischen Komponisten Josef Eduard Ploner“. Ein Fanfarensignal leitete über zur Rede des Gauleiters, der die Taten des Führers in überschwänglichen Worten pries:

„Wir wissen, was wir dem Führer alles verdanken; der Führer soll es wissen, daß nicht nur er für uns alles ist, sondern daß auch wir für ihn alles sein wollen. Er soll auch wissen, daß wir Nationalsozialisten im Gau Tirol-Vorarlberg im vierten Kriegsjahr noch mehr als sonst unseren ganzen Ehrgeiz daransetzen, zu den getreuesten und zuverlässigsten Kämpfern und zu jenen gehören, auf die er sich allzeit blindlings verlassen kann. Dies ist unser Gelöbnis.“

Die beschwörende Rede des Gauleiters kulminierte im emphatischen Ausruf: „Herrgott, erhalte unseren Führer!“

„Mit dem begeistert aufgenommenen Sieg-Heil auf den Führer klang die Rede des Gauleiters aus. Die Lieder der Nation beschlossen die Kundgebung.“ Der darauf folgende „Vorbeimarsch der Formationen“ vor dem Gauleiter in der Maria-Theresien-Straße hatte natürlich propagandistische Effizienz als Machtdemonstration.

Zum Geburtstag des „Führers“ wurden in den Kreisstädten und Ortsgruppen des ganzen Gaues die achtzehnjährigen Hitler-Jungen und BDM-Mitglieder feierlich als Parteimitglieder deklariert Der Parteieintritt war somit nicht mehr freiwillig, sondern eine obligatorische Zwangsmaßnahme zur Festigung der Machtlegitimation. Von dieser neuen Zeremonie in Innsbruck berichtet der Tiroler Landbote vom 20. April 1943, Seite 3:

„In Innsbruck versammelten sich die Jungen und Mädel der Banne Innsbruck-Stadt und Innsbruck-Land am Samstag [17. 4. 1943] im Großen Stadtsaal zu der Feierstunde. Auch die Leiter der Innsbrucker und der umliegenden Ortsgruppen sowie viele Eltern waren erschienen. Nach dem Einmarsch der Fahnen der Bewegung und der Gliederungen der Partei sprach ein Hitlerjunge den Feierspruch. Dann mahnte der Kreisleiter Pg. Doktor Primbs die Jungen und Mädel an die Pflichten, die sie mit dem Eintritt in die NSDAP. übernehmen gegenüber dem Führer, Volk und Reich. Das Heldentum unserer Soldaten müsse ihnen immer als Vorbild vor Augen stehen. Voll Ehrfurcht und Verpflichtung klang die Weise des Liedes vom guten Kameraden auf. Die Jungen und Mädel gelobten dem Führer allzeit Treue. Mit ihrem Handschlag nahm der Kreisleiter als Hoheitsträger der Partei ihr Versprechen der Treue entgegen und überreichte jedem Jungen und Mädel das Parteiabzeichen. Die Feierstunde schloß mit den Liedern der Nation.“

Einen ähnlichen Verlauf nahmen die Aufnahmezeremonien in den Kreisstädten und Ortsgruppen. Der Bericht im Tiroler Landboten vom 20. April 1943, Seite 3, nennt dazu als Beispiele die Feiern in Imst und Kufstein:

„In Imst gab der Festsaal der Landeslehranstalt den Rahmen für die Uebernahme einer stattlichen Anzahl von Mädeln und Jungen; viele von diesen trugen die Uniform des Reichsarbeitsdienstes, dem sie derzeit angehören. Aufnahme und Verpflichtung durch Handschlag mit Ueberreichung des Parteiabzeichens nahm Kreisleiter Pg. Pesjak vor.

In Kufstein wurde die Uebernahme des Jahrgangs 1925 in die Partei auf dem festlich geschmückten Adolf-Hitler-Platz durch den Kreisleiter Pg. [Hans] Ploner durchgeführt. Sie war mit einer Heldenehrung verbunden, die von den feierlichen Klängen der Heldenorgel auf der Feste Geroldseck begleitet wurde.“

Im Zuge der Festivitäten zu Hitlers Geburtstag wurden im ganzen Gaugebiet die Zehnjährigen in die Hitler-Jugend aufgenommen. In Innsbruck geschah dies am Sonntag (18. 4. 1943) im Großen Stadtsaal. „Der Führer des Bannes Innsbruck-Stadt, Oberstammführer [Hermann] Pepeunig, hielt den zehnjährigen Pimpfen und Jungmädel vor Augen, daß sie nun als jüngste Gefolgschaft in die Reihen der Bewegung eintreten und sich damit dem Kampfe des Führers, Volk und Vaterland verschreiben. Er verlas die Botschaft des Reichsjugendführers an die Zehnjährigen. Gemeinsam gesungene Lieder umrahmten die Feier“ (Tiroler Landbote vom 20. April 1943, Seite 3).


Details


Festlichkeiten zu Hitlers Geburtstag


Der Erntedanktag Anfang Oktober hatte die Funktion, die Verbundenheit von Partei und Bauernschaft sowie deren Mitarbeitern mit Festakten öffentlich zu demonstrieren. In den Kreisstädten und Ortsgruppen sprachen dabei im Rahmen einer festgelegten Zeremonie die Hoheitsträger der Partei dem „Landvolk“ für die geleistete Arbeit „Dank und Anerkennung“ aus. Die Bauernschaft, vertreten durch von der Partei ausgewählte Vertrauensleute, versicherte ihrerseits die unbedingte Gefolgschaft und vollen Arbeitseinsatz zur Absicherung der Ernährung der Volksgemeinschaft. Als Wettbewerbsanreiz gab es für besondere Leistungen Verdienstkreuze, Medaillen und andere Ehrengeschenke. Ein Beispiel für den Ablauf einer solchen Festivität bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 5. Oktober 1943 auf Seite 3:

„[…] Von den zahlreichen Berichten über die Erntedank-Feierstunden greifen wir den aus der Landwirtschaftsschule Rotholz heraus. In Gegenwart des Kreisleiters Pg. Aichholzer versammelten sich dort am Sonntagnachmittag im festlich geschmückten Saal zahlreiche Vertreter von Partei, Staat und Wehrmacht, Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter und Landarbeiterinnen. Die Standschützenmusikkapelle Jenbach, die Hitler-Jugend und eine Gruppe von RAD.-Maiden trugen durch ihre musikalischen Beiträge und Sprechchöre zur wirkungsvollen Gestaltung der Feier bei. Kreisbauernführer Pg. Schiestl überreichte dem Kreisleiter den Erntekranz und übergab ihm damit als dem Vertreter der Volksgemeinschaft symbolisch die Ernte des Kreises. Dabei legte der Kreisbauernführer im Namen des Landvolkes im Kreis Schwaz das Versprechen weiterer äußerster Arbeitsleistung im Dienste der Ernährungssicherung ab. Kreishauptamtsleiter Pg. von Ceipek ging dann in seiner umfassenden Rede auf die Leistungen der deutschen Landwirtschaft im allgemeinen, der Bergbauern im Kreis Schwaz im besonderen und auf die Unterschiede der Ernährungswirtschaft im ersten und im jetzigen Weltkrieg ein, setzte die Auswirkungen der politischen Erziehungsarbeit des Nationalsozialismus auf die ernährungswirtschaftliche Sicherung des Reiches auseinander und erläuterte den Wesensinhalt des Wortes ‚Nahrung ist Waffe‘.

Der Kreisleiter, Pg. Aichholzer, brachte seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß das Landvolk in seinem Kreis bisher dem Ruf zur Kriegserzeugungsschlacht in so anerkennenswerter Weise nachgekommen ist. Er forderte zur weiteren Pflichterfüllung als wichtigem Beitrag zum Endsieg auf. Sodann überreichte der Kreisleiter die vom Führer verliehenen Kriegsverdienstkreuze und Kriegsverdienstmedaillen, sprach besondere Anerkennung für hervorragende Leistungen aus und zeichnete Landarbeiter und Landarbeiterinnen für langjährige treue Dienste und die einzelnen Ortssieger im Milchleistungswettbewerb durch Ueberreichung von Urkunden und Ehrengeschenken aus.

In ähnlichem Rahmen verliefen alle die zahlreichen Erntedankfeiern in den anderen Kreisen und Ortsgruppen des Gaues. Wie vorbildlich die Pflichterfüllung unseres Landvolkes ist, konnte schon mehrfach durch Nachrichten über durchweg[s] erhebliche, in vielen Fällen sogar ganz außerordentliche Steigerungen der Erzeugung und Ablieferung von Molkereierzeugnissen, einem der Hauptprodukte unserer Landwirtschaft, dargetan werden. Als äußeres Zeichen der Anerkennung konnten nun am Erntedanktag neben den zahlreichen Ehrengaben und Anerkennungsurkunden zwei Kriegsverdienstkreuze 1. Klasse, 40 Kriegsverdienstkreuze 2. Klasse und 41 Kriegsverdienstmedaillen für besonders vorbildliche Leistungen verteilt werden.“


Verehrung des Bauerntums


Der Gedenktag an die „Märtyrer“ des Putschversuchs der Nationalsozialisten im November 1923 in München hatte im Festeszyklus der Partei eine ungebrochene Tradition. Auch 1943 nützte Gauleiter Franz Hofer diesen Anlass am 9. November zu einem Propagandaauftritt in der verbalen Versicherung von Siegeszuversicht und der Einmahnung unbedingter Führertreue (Innsbrucker Nachrichten vom 11. November 1943, Seite 3):

„[…] So wollen gerade wir im Gau Tirol-Vorarlberg zu jedem, auch zum letzten Einsatz bereit sein und unseren ganzen Glauben an den Sieg in die Worte des Liedes aller Deutschen legen, das unser Treuschwur ist an den Führer und sein Deutschland: Deutschland, Deutschland über alle in der Welt!“ Den feierlichen Festakt begleiteten musikalisch Kompositionen von Fritz Engel, Sepp Tanzer und Josef Eduard Ploner:

„Im Großen Stadtsaal in Innsbruck versammelten sich am Dienstagabend Männer und Frauen, Jungen und Mädel der Gauhauptstadt zu einer Feierstunde, die den abschließenden Höhepunkt der Feiern bildete, mit welchen im Gau Tirol-Vorarlberg die Erinnerung an den schwersten und größten Tag der nationalsozialistischen Bewegung und das Gedenken an die für Großdeutschland gefallenen Kämpfer begangen worden waren.

Der festlich geschmückte Saal war bis zur äußersten Grenze seines Fassungsvermögens gefüllt, als der Kreisleiter Dr. Primbs Gauleiter Hofer die Meldung erstattete. Unter den Klängen der Novemberfanfare von Fritz Engel, die vom Fanfarenzug der Hitler-Jugend ausgeführt wurde, marschierten dann die Fahnen ein. Der Gaumusikzug gab mit der Feierlichen Blasmusik unter der Stabführung des Komponisten Sepp Tanzer der Feierstunde einen würdigen Auftakt. Worte von Kurt Eggers, von Sprechern der Hitler-Jugend vorgetragen, umrahmten das Gemeinschaftslied Der Himmel grau und die Erde braun [Text und Melodie: Werner Altendorf, ca./vor 1934]. Nach einer von Pg. Rüdiger vorgetragenen Orgelimprovisation des Liedes Heilig Vaterland [Text (nach?) Rudolf Alexander Schröder (1914), Melodie: Heinrich Spitta (1933)] ehrte der Kreisleiter Dr. Primbs die Gefallenen, während sich die Fahnen senkten und die Orgel gedämpften Klanges das Lied vom guten Kameraden spielte. Die Bläsermusik von J[osef] E[duard] Ploner Den Helden leitete dann über zur Rede, mit welcher Gauleiter Hofer der Feierstunde den Höhepunkt gab […].“

Über weitere Kundgebungen im Gaugebiet unterrichten die Innsbrucker Nachrichten vom 9. November 1943 mit der Schlagzeile „Der Sieg wird unser sein!“ im Sinn propagandistischer Einflussnahme auf Seite 6:

„Wie in der Gauhauptstadt, fanden am vergangenen Sonntag in den Kreisstädten und größeren Ortsgruppen des Gaues Tirol-Vorarlberg Kundgebungen der Partei statt, die sich unter starker Anteilnahme der Bevölkerung zu rückhaltlosen Bekenntnissen einsatzfreudiger Haltung und unerschütterlicher Siegeszuversicht gestalteten.

In der Kreisstadt Kufstein traten zur Feierstunde die Politischen Leiter und sämtliche Gliederungen der Partei, sowie eine Ehrenkompanie der Wehrmacht vor dem Kreisleiter, Pg. [Hans] Ploner, und dem Standortältesten, Oberstleutnant Faukal, an. Im Mittelpunkt der Feier stand die Rede des Kreisleiters, der auf die Bedeutung des 9. Novembers in den Jahren 1918, 1923 und 1943 hinwies und betonte, daß Deutschland und das deutsche Volk dem jüdischen Vernichtungswillen das Vermächtnis der gefallenen Helden, die ihre Pflicht in Treue bis zum Tode erfüllten, gegenüberstellen. Diese Toten leben im kämpfenden und arbeitenden Deutschland weiter. So wie sie im Glauben an Deutschland starben, so wollen wir auch zum höchsten Einsatz bereit sein und weiterkämpfen bis zum Endsieg.

Vor dem Ehrenmal des Parteigenossen Kantner, der für die Freiheit seiner Heimat und die Größe Deutschlands sein Leben opferte, versammelten sich die Partei- und Volksgenossen der Ortsgruppe Fieberbrunn zu einer Feierstunde, in deren Rahmen der Kreisleiter, Pg. Merath, die Bedeutung des Tages und seiner Erinnerungen würdigte und einen Kranz niederlegte.

Weitere Berichte über die Feierstunden, die gleichermaßen dem ehrenden Gedenken an den Opfertod der Kämpfer, die für Großdeutschland gefallen sind, wie dem Gelöbnis unverbrüchlicher Treue zu Führer und Reich gewidmet waren, liegen uns aus den Ortsgruppen Jenbach, Kirchbichl und Kramsach vor.

Auch die Versammlungen der NSDAP., die am Samstag und Sonntag in zahlreichen Ortsgruppen des Gaues die Gemeinschaft der Volksgenossen zusammenführten, standen im Zeichen des Tages und der großen deutschen Schicksalswende, für die der Opfertod der nationalsozialistischen Kämpfer vor der Feldherrnhalle beispielgebend und richtungsweisend wurde. So ging die Feierstunde, die vor dem Kriegerdenkmal in Kelchsau am Sonntagvormittag durchgeführt wurde, am Samstag einer Versammlung voran, in deren Rahmen Gauredner Pg. Lötgen auf die Probleme unserer Zeit einging und sie zum Gedenken an den 9. November in Beziehung setzte. In der Ortsgruppe Zirl gedachte der Ortsgruppenleiter Pg. Wagner im Rahmen einer großen öffentlichen Versammlung der ersten Blutzeugen der Bewegung und der Toten beider Kriege. Im Anschluß daran sprach Reichsredner Pg. Stachel, ein Frontsoldat des gegenwärtigen Krieges. Er gab unter stärkster Zustimmung dem unerschütterlichen Glauben an den Endsieg Ausdruck.

Durch den ganzen Gau ging in diesen Tagen eine Welle neuer Entschlossenheit, mit unbeugsamer Beharrlichkeit für den Führer und unser nach jahrhundertelangen Kämpfen endlich erstrittenes Heimatrecht im großdeutschen Vaterland jeden Einsatz zu leisten und jedes Opfer zu bringen, das der Kampf um die endgültige Befreiung des deutschen Volkes von uns verlangt.“


Erinnerungsfeste


Die Ortsgruppe Schwendt der NSDAP beging im März 1943 das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens. Die zweitägige Festivität sollte propagandistisch wirkungsvoll die „enge Verbundenheit“ von Partei und Ortsbevölkerung ausdrücken, insbesondere durch einen von der NSDAP initiierten Dorfgemeinschaftsabend, zum Höhepunkt und Abschluss der Feierlichkeiten (Tiroler Landbote vom 12. März 1943, Seite 6):

„Dieser Tage jährte sich zum zehnten Male der Gründungstag der Ortsgruppe Schwendt. Aus diesem Anlaß sprach der Kreisleiter Pg. Merath im Kreise der alten Parteimitglieder. Sonntag vormittags erklangen die Fanfaren der Hitler-Jugend zur Heldenehrung. Der Ortsgruppenleiter legte unter den Klängen des Liedes vom Guten Kameraden einen Kranz am Ehrenmale für die Gefallenen nieder. Anschließend sprach Abschnittsleiter Pg. Dr. Dollinger in einer großen Kundgebung. Den Abschluß bildete ein Dorfgemeinschaftsabend, bei dem der Kreisgeschäftsführer Pg. Hoppichler über die Pflege heimischen Brauchtums sprach. Die Brauchtumsgruppe Schwendt des Standschützenverbandes bot in bunter Folge Lieder, Volkstänze, Einakter und einen Spinnrockhoangert. Die Teilnahme aller Volksgenossen zeigte die enge Verbundenheit in der Ortsgruppe.“

Auch die Muttertagsfeiern blieben weiterhin fester Bestandteil im parteikonformen Veranstaltungsreigen. Der offizielle Teil galt der Mütterehrung. Festredner priesen die Mutterschaft als Ideal, kinderreiche Mütter erhielten Ehrenkreuze als Auszeichnung ihrer vorbildlichen Lebenseinstellung. Danach folgte ein buntes Unterhaltungsprogramm bei Kaffee und Kuchen. Der Tiroler Landbote vom 21. Mai 1943 schildert auf Seite 6 den typisierten Ablauf von Muttertagsfeiern im Kreis Reutte:

„Im Kreis Reutte fanden allenthalben Muttertagsfeiern, zumeist unter Teilnahme von Mitgliedern des Kreisstabes, statt, die durchweg einen sehr schönen Verlauf nahmen. Eingeleitet wurden die Veranstaltungen durch einen feierlichen Teil, der der Ehrung der Mütter galt, und durch die Ueberreichung von Mutterehrenkreuzen seinen Abschluß fand. Der weitere Teil wurde durch Musikvorträge, Volkslieder und durch Stegreifspiele der Jungmädel bei Kaffee und Kuchen ausgefüllt. Der Kreisleiter Pg. Höllwarth war in Tannheim, wo die Standschützenmusikkapelle in Tracht aufspielte, sowie in Reutte bei den Feiern zugegen und überreichte die Mutterehrenkreuze.“

Ähnlich verlief die Muttertagsfeier in Itter im Tiroler Unterland (Tiroler Volksbote vom 19. Mai 1943, Seite 4):

„Zum Muttertag gestaltete die Partei mit der NS.-Frauenschaft bei Doll eine innige Feier. In Vertretung des Ortsgruppenleiters würdigte HJ.-Bannführer Nairz in einer herzlichen Ansprache das deutsche Muttertum, das gerade im Kriege höchste Bewährung findet. Er schilderte das nimmermüde stille Schaffen und die opferbereite Liebe der Mutter. Der Bund Deutscher Mädel verschönte die Feier mit Gedicht- und Gesang[s]vorträgen. Die Feierstunde klang mit einem Treuegelöbnis für den Führer aus. – In einem anschließenden unterhaltenden Teil trugen die Geschwister Wurzrainer heimatliche Lieder vor, begleitet von Zither-, Gitarre- und Zieharmonikaspiel. Ein fröhlicher Einakter, betitelt Der lustige Heiratsantrag, schuf viele humorvolle Augenblicke. Die Mütter erlebten in froher Volksgemeinschaft einige schöne Stunden.“

Eine besonders aufwändige Veranstaltung zu Ehren ihrer Mütter inszenierte alljährlich mit Engagement und Hingabe die Innsbrucker Hitler-Jugend im Großen Stadtsaal. Den Verlauf deklariert Fritz Engel, der Kulturstellenleiter im Gaupropagandaamt, nachdrücklich mit „Soldaten und Mütter, Bürgen des Sieges“ in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Mai 1943, Seite 3:

„Wenn einmal im Jahre neben dem Weihnachtsfest die Sprache des Herzens gesprochen wird, dann erklingt sie klar und rein am Tage der Mutter. Wer aber kann sie überzeugender und mit mehr Liebe sprechen als die Jugend? Die Antwort darauf gab die diesjährige Muttertag[s]feier im Großen Stadtsaal. Zum dritten Male hatte der Führer des Bannes Innsbruck-Stadt, Oberstammführer [Hermann] Pepeunig, seinen Jungen und Mädeln die Aufgabe gestellt, diese Feier zu gestalten. Mit Eifer und Sorgfalt wurde die Feierfolge vorbereitet. Als Ehrengäste hatte die Jugend alle Trägerinnen des Ehrenkreuzes der deutschen Mutter eingeladen. Da war keine, die nicht gleich beim Eintreten einen von den Innsbrucker Jungmädeln mit Liebe und Geschmack gebundenen Feldblumenstrauß bekommen hätte. Gleich darauf drückte ihr ein Pimpf ein in diesem Jahr besonders schön ausgestattetes Muttertag[s]heft mit der Feierfolge und zwei schönen Zeichnungen eines begabten Hitler-Jungen in die Hand und schon hat sie der nächste flink unter dem Arm gefaßt und sicher auf den Platz geführt. Die Pimpfe, die unsere Ehrenkreuzträgerinnen führen durften, gehören dem Fähnlein Langemarck an; es sind die jüngsten und besten Pimpfe des Bannes.

Als die festlichen Fanfaren die Feierstunde einleiteten, bot der geschmückte Saal ein frohes Bild fühlbarer Volksgemeinschaft. Die Jugend hellen Auges, die Mütter, unter ihnen mindestens 400 Ehrenkreuzträgerinnen, mit offenem Herzen und in gespannter Erwartung. Der festliche Marsch, den das Bannorchester unter der Stabführung von Gefolgschaftsführer Werner spielte, leitete die Mütterehrung ein. Und nach dem hymnischen Lied ‚Morgensonne lächelt auf mein Land‘ [Text: Karl Bröger, Melodie: Heinrich Spitta], das gleichsam als Bekenntnis zur Mutter Erde aufklang, sprach eine Mädelführerin zu den Müttern: ‚Wo ihr nicht seid, da kann nicht Heimat werden, wo ihr nicht segnet, bleibt die Erde tot‘ [Text: Hans Baumann, Melodie: Fritz Büchtger]. Alle diese Gedankengänge ertönten zusammengefaßt noch einmal in dem dreistimmigen Mädelchor der Lehrerinnenbildungsanstalt: ‚So singen wir unserer Mutter Lied, das Lied vom heimlichen Haus‘ [Text: Hans Baumann, Melodie: Cesar Bresgen].

In einer kurzen Anrede wandte sich dann der Kreisleiter Dr. Primbs an die Mütter und dankte ihnen mit herzlichen Worten, die in dem starken Glauben ausklangen, daß der deutsche Soldat an der Front und die deutsche Mutter in der Heimat die Bürgen für den Sieg sind, der uns einen langen Frieden in kraftvoller Aufbauarbeit bringen wird.

Mit dem Largo von Händel für Orchester und Orgel wurde der Höhepunkt der Feier, das Spiel Die Mutter von Herta Kramer, vorbereitet. Durch fünf Bilder führt der Weg der Mutter, die dem Tod ihr Kind wieder entreißen will, aber dann doch erkennen muß, daß es kein Zurück mehr geben kann. Sie wird groß und stark in dem unwandelbaren Schicksal und will dem Volke ein neues Leben schenken. Mit großer Aufmerksamkeit folgten die Mütter dem Spiel der Jugendlichen aus der Innsbrucker Laienspielschar der Hitler-Jugend, denen unter der umsichtigen Leitung des Gefolgschaftsführers Thorby Wörndle eine überzeugende Darstellung des anspruchsvollen Spieles gelang. Darauf folgte die festliche Bläsermusik An meine Mutter, die der Musikzugführer Gefolgschaftsführer Josef Thaler schrieb und mit seinen Jungen klangprächtig uraufführte.

War es im ersten Teil die Mutter, der Lieder und Worte galten, so zeigte der zweite Teil eine betont heimatliche Note. Jodler und Volkschöre, von den Singgruppen der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt dargebracht, und eine Liederfolge mit echten heimatlichen Weisen, schneidig gespielt von unseren Jungbläsern, wurden mit herzlichem Beifall bedankt. Zum Schluß trat auch diesmal der Führer des Bannes wieder als letzter Gratulant vor die Mütter. Mit dem Dank an den Führer, der der deutschen Mutter das Ehrenkreuz gegeben hat, klang die Feierstunde aus.“


Details zur Feier des Muttertages


Propagandainitiativen

Durch die angespannte Situation des Kriegsverlaufs im Osten nach der missglückten Sommeroffensive der Wehrmacht kam es im Herbst 1943 wiederum zu organisierten Einsätzen von Propagandarednern, die in den Ortsgruppen für Beruhigung und weiterhin für Siegeszuversicht sorgen sollten. Die Argumente, dass es im jetzigen Kampf „um Sein oder Nichtsein“ gehe und dass die dem „Weltjudentum hörigen Feinde ganz Europa dem Bolschewismus ausliefern wollten“, waren die üblichen von Parteiseite verordneten Angstparolen. Auf einer Versammlung der NSDAP im Saal Windbichl in Niederdorferberg am Sonntag, dem 19. September 1943, informierte (laut Tiroler Volksblatt vom 24. September 1943, Seite 4) „Gauredner Pg. Herold aus Innsbruck über die gegenwärtige Lage. Er stellte besonders unseren Siegeswillen und unseren Siegesglauben heraus, die unbesiegbar sind. Pg. Herold wies insbesondere darauf hin, daß unsere dem Weltjudentum hörigen Feinde ganz Europa dem Bolschewismus ausliefern wollten; unser Führer hat aber diese große Gefahr rechtzeitig erkannt und ist mit dem deutschen Schwert entgegengetreten. Die Ausführungen des Gauredners machten auf die Versammlung tiefen Eindruck. Ortgruppenleiter Pg. Praschberger schloß die Versammlung mit dem Gruß an den Führer“.

Bei einer eigens einberufenen Versammlung der Ortsgruppe der NSDAP in Sautens sprach Parteigenosse Hafner als Gastredner „über die wichtigsten Fragen der Gegenwart und Zukunft“ und beschwor dabei den Endsieg. Dass seine begeisternden Worte auf „aufnahmebereiten Boden fielen“, „bezeugte die lebhafte Zustimmung“ des Auditoriums (Tiroler Landbote vom 3. Dezember 1943, Seite 6).

Von einer ähnlichen Aktion der NSDAP in Reutte berichtet der Tiroler Landbote vom 10. Dezember 1943, Seite 6:

„Hier fand eine Kundgebung der NSDAP. statt. Nach der Eröffnung durch Ortsgruppenleiter Pg. Seitz sprach Reichsredner Pg. Walter Gattermayer. Er gab einen Rückblick über die Politik Deutschlands und der Feindmächte während der letzten drei Jahrzehnte und erläuterte die heutige Kriegslage. Besonderen Nachdruck legte Pg. Gattermayer auf die Feststellung, daß in diesem gigantischen Kampf des deutschen Volkes um Sein oder Nichtsein jeder Volksgenosse seine besten Kräfte zum Endsieg beisteuern müsse. Die Kundgebung schloß mit den Liedern der Nation.“

Eine Demonstration von militärischer Potenz und somit der Verbreitung von Siegeszuversicht sollte eine Flugschau der Luftwaffe in Innsbruck am 22. und 23. Mai 1943 den staunenden Zuschauern vermitteln. In der Vorschau zu diesem Event (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Mai 1943, Seite 3) werden die Leser neugierig gemacht mit den Hinweis auf die besonders eindrucksvoll wirkende Attraktion des Einsatzes von Jagdfliegern, die „über dem Inntal kreisen und mit ihren schnellen und wendigen Flügen eine Illustration ihrer im Wehrmachtsbericht aufgeführten Erfolgsbilanzen abgeben. Das Donnern eines Verbandes fliegender Zerstörer, aus denen sich einer zu Kunstflügen löst, wird zweifellos die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenken“. Verschiedene über das Stadtgebiet verteilte Konzerte eines Luftwaffen-Orchesters gehörten ebenso zum illustren Programm dieser Propagandaaktion, die wohl auch der Werbung junger Männer für den Eintritt in die Luftwaffe diente.

Eine ähnliche Intention optimistischer Kriegsbeurteilung verfolgte ein Lichtbildervortrag über die „Winterkämpfe an der Murmanfront“, gehalten von „Feldwebel Degenhoff“ Mitte Mai 1943 in Prutz. Der Bevölkerung wird resümierend folgende nachdrückliche Botschaft geboten: „Der Vortrag vermittelte einen anschaulichen Eindruck von den Leistungen und dem Heldentum unserer Soldaten und war eine unausgesprochene und doch eindringliche Mahnung, sich auch in der Heimat mit allen Kräften einzusetzen“ (Tiroler Landbote vom 21. Mai 1943, Seite 6).

Zum Zweck der Propaganda und Rückversicherung der Gefolgschaftstreue berief der Innsbrucker Kreisleiter Dr. Primbs in dem von ihm verantworteten Verwaltungsgebiet Dorfgemeinschaftsappelle ein. Die Erfolgsmeldung im Tiroler Landboten vom 22. Juni 1943, Seite 4, sollte auch auf Zeitungsleser beruhigend wirken und erweisen, dass die politische Führung in allen Belangen Herr der Lage sei:

„Die Reihe der Dorfgemeinschaftsappelle, die der Kreisleiter Parteigenosse Dr. Primps im Verlauf von sieben Wochen in 60 Ortgruppen des Kreises durchführte, wurde mit einem Großappell in Solbad Hall abgeschlossen. Trotz der durch den Wehrdienst verursachten zahlreichen Abgänge, sind die Standschützenmusikkapellen und Standschützenkompanien in Trachten in größerer Mannschaftsstärke als je zuvor angetreten. Alte und Junge füllten die entstandenen Lücken. Die überaus starke Beteiligung unserer Bevölkerung bekundete die allseits vorhandene Bereitschaft, durch Pflichterfüllung in der Heimat zum Endsieg beizutragen. Durchweg haben auch Frauen und Mädel in bedeutend größerer Zahl als in früheren Jahren in Trachten teilgenommen, ein Beweis dafür, daß das Verständnis für die bodenständige Kleidung immer mehr zunimmt.“

In ähnlicher Zielsetzung fand eine Kreisarbeitstagung in Silz statt, die mit einem Dorfgemeinschaftsabend die Verbundenheit von Partei und Ortsbevölkerung schlüssig zum Ausdruck brachte:

„Der Beginn des 500-Jahr-Schießens in Silz war mit einer Kreisarbeitstagung verbunden, zu welcher der Kreisleiter Pg. Pesjak sämtliche Ortsgruppenleiter des Kreises Imst mit einem Teil ihrer Mitarbeiter und die Politischen Leiter des Kreisstabes einberufen hatte. Im Rahmen der Kreisarbeitstagung, in deren Verlauf der Gauinspekteur, Bereichsleiter Pg. Stengel, eintraf, standen Anweisungen des Kreisleiters über die Parteiarbeit und fachliche Berichte verschiedener Arbeitsgebiete, besonders über Fragen des Luftschutzes. In einem Schlußwort wies der Kreisleiter auf die wehrgeistige Erziehung durch die Pflege des Schießwesens im Standschützenverband hin und bezeichnete den in unserem Gau durch eine vielhundertjährige Tradition verankerten Wehrwillen als Grundlage der rücksichtslosen Einsatzbereitschaft, die für das siegreiche Bestehen des gegenwärtigen Schicksalskampfes auch in der Heimat erforderlich ist.

Der Kreisleiter und die Tagungsteilnehmer beteiligten sich sodann am Schießen, das am ersten Tage außergewöhnlich viel[e] Schützen an die Stände des Silzer Schießstandes brachte. Den Abschluß des ersten Tages dieser Schießveranstaltung bildete ein Dorfgemeinschaftsabend, der unter stärkster Teilnahme der Bevölkerung im Zeichen des heimischen Brauchtums und der Ortsgeschichte, die in einem umfassenden Ueberblick von Parteigenossen Gruber erläutert wurde, einen anregenden Verlauf nahm. Mehrfache Vorführungen von Tanz- und Singgruppen hatten auch nachmittags am Schießstand stattgefunden, auf dem besonders die Brauchtumsgruppe Haiming wohlverdienten Beifall fand.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 8. September 1943, Seite 3, ebenso Tiroler Landbote vom 10. September 1943, Seite 6).

Zu einem propagandistisch effizienten „Kameradschaftsabend“ lud Anfang Mai 1943 der Landecker „Kreisleiter Oberbereichsleiter Parteigenosse Bernard […] alle jene Bauern“ ein, „die sich durch besondere Leistungen für die Kriegswirtschaft bewährt“ hatten. Die Standschützenmusikkapelle Landeck und die BDM-Singschar sorgten für musikalische Unterhaltung. In seiner Rede sprach Kreisleiter Bernard den Bauern „Dank und Anerkennung für ihre Leistungen aus und appellierte an sie, weiterhin allen anderen beispielgebend so wie bisher voranzugehen“ (Tiroler Landbote vom 11. Mai 1943, Seite 4).

Den Höhepunkt der Propagandaaktivität erreichte eine „Großkundgebung“ im großen Stadtsaal der Gauhauptstadt Innsbruck, die unter der Schlagzeile „Unsere Heimat – ein Wall der Zuversicht“ in den Innsbrucker Nachrichten vom 27. Oktober 1943 auf Seite 3 ausführlich beschrieben ist. Deutlich wird dabei auf die Rede des Gauleiters eingegangen, die vor Ort motivationsstiftend an „Abordnungen von Parteigenossen, Parteigenossinnen und Gliederungen aller Innsbrucker Stadt-Ortsgruppen“ gerichtet war, um im Sinne propagandistischer Effizienz deren suggestiven Inhalt den Lesern im ganzen Gaugebiet bekannt zu machen:

„[…] Der große Stadtsaal, der würdig geschmückt war und von dessen Stirnseite das Bild des Führers in überlebensgroßer Wiedergabe niedersah, war bis zum letzten Platz gefüllt, als der Gauleiter die Meldung des Kreisleiters Pg. Dr. Primbs entgegennahm. Einleitungsworte des Kreisleiters und das alte Trutzlied der Bewegung im Gau Tirol-Vorarlberg Rebellen haben den Auftakt zur Kundgebung. Dann sprach der Gauleiter zu seinen Parteigenossen und Parteigenossinnen.“

Der Gauleiter begann mit einer beruhigenden Einschätzung der „gegenwärtigen politischen und militärischen Lage“ und brachte didaktisch geschickt dazu Beispiele aus der Kampfzeit der „Bewegung“.

„Er erinnerte an die schwere Zeit, die für die Bewegung Ende 1932 entstand, als über zwei Millionen Wähler der NSDAP. von unserer Bewegung abfielen, weil sie nicht mehr an unseren Enderfolg glaubten. Gerade damals aber war es, wie immer, eine Schar treuester Gefolgsleute, die sich im Glauben an den Führer durch nichts erschüttern ließ, sondern solange arbeitete und kämpfte, bis dann doch der Sieg unserer Bewegung errungen war. Heute, im außenpolitischen Bewährungskampf unserer Bewegung, der zugleich der entscheidendste Existenzkampf des deutschen Volkes in seiner ganzen bisherigen Geschichte ist, gibt es natürlich auch nicht nur Erfolge, sondern dazwischen auch Rückschläge. Auch in diesem Kampf gibt es Wellenberge und Wellentäler und ebenso wie in allen früheren, unter der Führung Adolf Hitlers immer wieder siegreich bestandenen Auseinandersetzungen kommt es diesmal darauf an, Treue und Beharrlichkeit zu beweisen, denn der Glaube an den Sieg und die Beharrlichkeit in der Verfolgung des Zieles sind entscheidend.“

Als Vorbild stellte Gauleiter Franz Hofer seinem Auditorium und den Lesern das „Beispiel unserer Soldaten, besonders der Waffen-SS“ vor Augen:

„Auch in der Heimat einen kompromißlosen Kampf als politische Soldaten zu führen und sich damit den Soldaten an der Front würdig an die Seite zu stellen, ist die Forderung der Stunde für jeden Parteigenossen und jede Parteigenossin.“ Die Partei müsse vorangehen, sie sei die Kerntruppe auf die sich der „Führer“ immer und zu jeder Zeit verlassen könne. „Wenn wir so leben, arbeiten und kämpfen, daß wir jederzeit dem Führer offen und mit reinem Gewissen in die Augen blicken können, dann haben wir unsere Pflicht auch richtig erfüllt, dann beweisen wir jene Haltung, die der Führer mit Recht von uns verlangt.“ Am Beispiel dieser Haltung der Parteigenossen, könnten sich jene „Volksgenossen“, deren Vertrauen von „Gerüchtemachern“ und „Meckerern“ verunsichert wurde, wieder aufrichten. Natürlich griff der Gauleiter in seiner Argumentation zudem das bereits allbewährte rhetorische Angstszenario mit jüdischer Schuldzuweisung auf, wobei er wohl auch auf die Begeisterungsbereitschaft eines prinzipiell antijudaistisch gestimmten Auditoriums abzielte:

„[…] Wir wissen, daß es heute nur mehr eine Frage gibt: Deutschland oder Bolschewismus – wir wissen, daß unsere Niederlage auch unser gänzlicher Untergang wäre, denn die jüdische Kampfparole von 1918, wonach zwanzig Millionen Deutsche zuviel auf der Welt seien, ist längst überholt. Unsere Niederlage würde praktisch kein Deutscher überleben, darüber haben uns unsere Feinde keinen Augenblick im Zweifel gelassen. Der Jude hat aus der Entwicklung von 1914 über 1918 und 1933 gelernt. Dieser Krieg darf also nicht verloren gehen, es handelt sich nicht mehr um Krieg oder Frieden, sondern um Sieg oder Untergang“.

Als Kontrapunkt in der dramaturgisch klug aufgebauten Rede bringt Gauleiter Hofer nun Argumente einer positiven Beurteilung der Kriegsentwicklung. Er sucht sein Auditorium gerade auch durch den Hinweis auf die Entwicklung neuer Waffensysteme zu beeindrucken:

„Dazu kommt, daß die Entwicklung unserer Waffen ständig fortschreitet. Gerade auf diesem Gebiet werden unsere Gegner noch manche unliebsame Ueberraschung erleben. Was hier von deutschen Ingenieuren und von deutschen Rüstungsarbeitern alles vorbereitet wird, zeigen z. B. die immer größeren Abschußzahlen bei feindlichen Terrorangriffen, die dem Gegner unerhörte Verluste an Material, an Sachwerten und vor allem an mühsam ausgebildetem fliegerischem Personal kosten.“

Zum Abschluss und Höhepunkt seiner Ansprache beschwört Gauleiter Hofer die unbedingte Treue zum „Führer“ mit einem leidenschaftlichen Appell:

„Wir haben alle Veranlassung, durch unsere Arbeit dem Führer für alles zu danken, was er für uns getan hat. So wollen wir den letzten Parteigenossen und die letzte Parteigenossin aktivieren und dem Führer beweisen, daß unsere Heimat steht und aushält als stahlharter Wall der Zuversicht und Haltung bis zum Tag des Endsieges.“

Die psychologische Wirkung der Rede entsprach ihrer Intention: „Mit steigender Aufgeschlossenheit, die sich in immer wiederkehrenden Zustimmungskundgebungen äußerte, waren die Zuhörer den Ausführungen des Gauleiters gefolgt. Seine letzten Worte gingen in einem begeisterten Beifallssturm von minutenlanger Dauer unter. Als Kreisleiter Dr. Primbs in seinem Schlußwort das Gelöbnis der Treue und Pflichterfüllung Ausdruck gab, sprach er der aufs tiefste bewegten Kundgebungsgemeinschaft aus dem Herzen. Mit dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation klang diese Kundgebung aus, die allen Teilnehmern als Markstein im Einsatz der inneren Front im Gau Tirol-Vorarlberg unvergesslich bleiben wird.“

Um diese positive Stimmung auch nach außen zu tragen, inszenierte die NSDAP in Innsbruck am 7. November 1943 einen „Großappell“, bei dem sich die Partei und ihre Gliederungen in demonstrativer Machtfülle mit einem Umzug durch die Stadt darstellten:

„Am kommenden Sonntag, 7. d[iese]s M[ona]ts [November 1943], treten die Politischen Leiter der Innsbrucker Standortsgruppen, sämtliche Gliederungen des Standortes Innsbruck, der Reichsarbeitsdienst, [die] Technische Nothilfe, Feuerschutzpolizei und der Gaumusikzug zu einem Morgenappell am Flugplatz Reichenau an.

Der Appell beginnt um 7.30 Uhr früh mit der Meldung an den Kreisleiter und einer Morgenfeier. Im Anschluß daran werden wehrsportliche und Exerzierübungen durchgeführt, im besonderen Uebungsfahrten der Motor-HJ. sowie Segelflüge; auch der Reichsarbeitsdienst, dessen Auftreten bei der Eröffnungskundgebung zum 6. Landesschießen noch in bester Erinnerung ist, führt Exerzierübungen durch. Den Abschluß des Appells bildet ein Marsch durch die Stadt. Der Marsch beginnt gegen 11.30 Uhr und führt vom Flugplatz durch die Reichenauer-, Lang- und Gump[p]straße über die Defreggerstraße zum Leipziger Platz, dann weiter durch die Museumstraße, Burggraben und Hofgasse, am Goldenen Dachl vorbei durch die Herzog-Friedrich- und Maria-Theresien-Straße, an der Triumphpforte vorbei zum Landhaus-Erweiterungsbau. Im nördlichen Teil der Maria-Theresien-Straße nimmt der Kreisleiter um die Mittagsstunde den Vorbeimarsch ab.“

Der primäre Propagandazweck dieses aufwändigen Unternehmens zeigt sich im Schlussabsatz der Zeitungsnachricht:

„Der Appell und der nachfolgende Vorbeimarsch, bei welchem mit Tausenden von Teilnehmern zu rechnen ist, werden der Bevölkerung erwünschte Gelegenheit geben, sich von der Stärke und Dienstbereitschaft der nationalsozialistischen Bewegung in der Gauhauptstadt zu überzeugen. Die Partei und ihre Gliederungen stellen mit diesem Appell unter Beweis, daß sie der Verantwortlichkeit ihrer Aufgaben in den Zeiten des großdeutschen Schicksalskampfes voll bewußt und zu jedem zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Einsatz allezeit bereit sind.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 5. November 1943, Seite 3).


Heldenehrung und NS-Totenfeier

Die „Heldenehrungen“ für gefallene Soldaten verliefen in einem weitgehend typisierten Muster.

Sie galten aber nicht nur der Ehrerbietung den Toten gegenüber, sondern als öffentliche Aktion auch den Propagandazwecken. Vor allem die „Gedenkrede“ als Laudatio für die Gefallenen war oft eine unmissverständliche Aufforderung zu „freudiger Einsatzbereitschaft für den künftigen Endsieg“, damit das Opfer der Krieger nicht umsonst gewesen sei, so etwa die Argumentation des Redners Pg. Rudolf Bädrich aus den Hüttenwerken in Jenbach bei einer Heldenehrung der Ortsgruppe der NSDAP in Hart im Zillertal (vgl. Tiroler Landbote vom 22. Jänner 1943, Seite 5).

Die Heldenehrung war ein feierlicher Akt, der in der Regel vor dem örtlichen Kriegerdenkmal nicht nur trauernde Familienangehörige, sondern auch die wesentlichen Repräsentanten der Volksgemeinschaft versammelte. Allgegenwärtig waren die Standschützenmusikkapellen. Während die Musiker das Lied vom Guten Kameraden spielten, wurde von einem Parteifunktionär, meist dem Ortsgruppenleiter, ein Kranz niedergelegt. Die Partei trat mit ihren Politischen Leitern und Vertretern aller Gliederungen machtvoll in Erscheinung.

Als illustratives Beispiel einer Heldenehrung im Jahr 1943 mag deren Schilderung vom Verlauf in Thiersee im Tiroler Volksblatt vom 29. September 1943, Seite 4, dienen:

„Die Ortsgruppe Thiersee der NSDAP. gestaltete Sonntag, den 26. September, vor dem Kriegerdenkmal eine würdige Heldenehrung für den im Kampf gegen den Bolschewismus gefallenen Gefreiten Alois Pirchmoser, SA.-Mann, und den Gefreiten Simon Mairhofer, Parteigenosse, beide mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. An der Soldatenehrung nahmen außer dem Ortsgruppenleiter und den Politischen Leitern Abordnungen der Gliederungen der Partei, des Standschützenverbandes sowie die Standschützen-Musikkapelle, ferner der Bürgermeister und viele Volksgenossen aus Thiersee, Hinterthiersee, Landl und aus der weiteren Umgebung teil. Pg. Ottitsch aus Kufstein würdigte in einer Ansprache den vorbildlichen opfervollen Geist der Gefallenen und nahm mit zum Herzen gehenden Worten von ihnen im Namen der Partei Abschied. Unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden und dem letzten Fahnengruß wurden Kränze der Partei und der Gliederungen am Kriegerdenkmal niedergelegt. Die Heldenehrung klang mit den Liedern der Nation aus.“

Im Mai 1943 verstarb Karl Lapper (1881-1943), der Vater des in Schneeberg bei Rabenstein in Südtirol geborenen Parteigenossen Dr. Karl Lapper, der als Nationalsozialist der ersten Stunde im Propagandaministerium Joseph Goebbels Karriere gemacht hatte. Im September 1941 wurde Karl Lapper jun. vermutlich auf Wunsch von Goebbels in den Gau Tirol-Vorarlberg versetzt, wo er als „Landeskulturwalter“ und Chef des Gaupropagandamtes die höchsten Funktionen im Kulturbereich übernahm, die sein Vorgänger Arthur Lezuo „auf eigenen Wunsch“ zu Verfügung gestellt hatte. Die Partei sorgte für Lappers Vater als „altem Kämpfer“ für eine spektakuläre Beerdigung, die auch im zentralen Presseorgan der NSDAP, den Innsbrucker Nachrichten, entsprechenden verbalen Widerhall fand (18. Mai 1943, Seite 4):

„Am vergangenen Samstag verabschiedete sich die nationalsozialistische Bewegung in Kufstein in einer würdigen Totenfeier von dem kurz vor Vollendung des 62. Lebensjahres nach langer Krankheit verstorbenen Parteigenossen Karl Lapper [sen.]. Kreisleiter [Hans] Ploner, Gaupropagandaleiter Margreiter, Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Dr. Dillersberger, Kreisamtsleiter und Landrat Dr. Walter, die Politischen Leiter und Gliederungen des Bewegung, die Standschützenmusikkapelle Kufstein und die Knappenkapelle Häring gaben ihm das Geleit zur Grabstätte, wo Dr. Dillersberger dem Toten den Dank der Bewegung aussprach und Gefühlen treuen kameradschaftlichen Gedenkens Ausdruck gab. Pg. Karl Lapper, der aus Kitzbühel stammte, kam in jungen Jahren nach Südtirol, später ins Sudetenland und 1919 als Bergkontrollor nach Häring, wo er bald Bürgermeister wurde. Seit 1925 lebte er in Kufstein. Der nationalsozialistischen Bewegung gehörte er schon lange Jahre vor dem Parteiverbot an. Während der Verbotszeit bewies Pg. Lapper kämpferische Einstellung und unerschrockene Hilfsbereitschaft. Diese Hilfsbereitschaft, die eine seiner hervorragenden Eigenschaften war, das soziale Wirken, das er in seiner beruflichen Tätigkeit entfaltete, und seine vielfältigen Gemeinschaftsleistungen insbesondere in der Zeit, als er Bürgermeister von Häring war, sichern ihm ehrenvolle Erinnerung in weiten Kreisen der Bevölkerung. Durch die überaus starke Teilnahme und die zahllosen Kranz- und Blumenspenden bei der Bestattungsfeier kam dies auch sinnfällig zum Ausdruck.“

Anfang November 1943 nahm die NSDAP von ihrem hohen Politfunktionär, „Gauorganisationsleiter“ Parteigenossen Kurt Braunsdorff, mit einer feierlichen Zeremonie Abschied. Die ganze Feier war eine theatralische Zuschaustellung der Partei-Omnipräsenz, die über die Presse in weite Kreise der Bevölkerung propagandistisch nachwirkte (Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1943, Seite 3):

„Der Sarg mit der Leiche wurde vom Westfriedhof eingeholt und vom Stellvertretenden Gauleiter, Befehlsleiter Pg. [Herbert] Parson, dem Standortältesten der Wehrmacht, Generalleutnant Fabre du Faur, vom Beauftragten des Reichsorganisationsleiters, Oberbereichsleiter Pg. Zimmermann, von den Kreisleitern des Gaues, den Gauhauptamts- und Gauamtsleitern, einem Fahnenblock der Bewegung und Marschkolonnen der Politischen Leiter und sämtlicher Gliederungen der Partei zum Landhaus geleitet. Während der Aufbahrung des Sarges in der Eingangshalle des Landhaus-Erweiterungsbaues nahmen die Formationen und der Gaumusikzug im Viereck am Vorplatz Aufstellung. Zwischen flammenden Pylonen, flankiert von Politischen Leitern und bedeckt mit der Hakenkreuzfahne, stand dann der Sarg im Angesicht der Arbeitsstätte, in der der Verstorbene viele Jahre lang im Dienste der Bewegung gewirkt hatte, als sich der Stellvertretende Gauleiter und die Angehörigen des Toten zur Abschiedsfeier einfanden.

Nach einer musikalischen Einleitung durch den Gaumusikzug nahm Befehlsleiter Parteigenosse Parson das Wort und übermittelte dem toten Parteigenossen die Abschiedsgrüße des Gauleiters, der durch unvorhergesehene und unaufschiebbare Dienstgeschäfte, die er als Oberster Kommissar im Rahmen der Militärverwaltung der Provinzen Bozen, Trient und Belluno wahrzunehmen hatte, im letzten Augenblick verhindert wurde, zur Verabschiedung selbst zu erscheinen […].

Nun sei er [Kurt Braunsdorff], so führte der Stellvertretende Gauleiter weiter aus, mitten aus einem Leben der Pflichterfüllung und der Schaffensfreude aus unseren Reihen gerissen worden, bleibe aber in unserem Gedächtnis und in der Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung im Gau Tirol-Vorarlberg als aufrechter und kompromißloser Nationalsozialist lebendig und unvergessen.

Weiters übermittelte Pg. Parson dem toten Gauorganisationsleiter auch die Grüße und den Dank des Reichsorganisationsleiters der NSDAP., des Reichsleiters Pg. Dr. [Robert] Ley, in dessen Aufgabenbereich Pg. Braunsdorff für unsere Bewegung tätig gewesen ist. – Abschließend bezeichnete der Stellvertretende Gauleiter die Abschiedsgrüße der Kameraden und Mitarbeiter als ein Gelöbnis, so weiter zu arbeiten und weiter zu kämpfen, wie der tote Kamerad es in einem Leben voll Pflichterfüllung getan hat, bis das Ziel erreicht ist: Das ewige Deutschland!

Die letzten Worte des Stellvertretenden Gauleiters leiteten zum Lied vom Guten Kameraden über, währenddem gesenkte Fahnen und erhobene Hände den Toten grüßten. Nach dem Spruch eines HJ.-Führers klang die Feierstunde mit den Liedern der Nation aus. Unter Trommelwirbel wurde sodann der Sarg, wiederum geleitet von den Angehörigen des Toten, dem Stellvertretenden Gauleiter und dem Standortältesten, vom Platz getragen.“

Eine ebenso pompöse „Kundgebung ehrenvollen Gedenkens“ war die „Abschiedsfeier“ und Bestattung des Gauamtsleiters Dr. Theodor Ulm Ende März 1943. Der verstorbene hohe Politfunktionär war außerdem Gauführer des NS-Rechtswahrerbundes, Abschnittsleiter der NSDAP und SS-Obersturmbannführer gewesen. Dementsprechend aufwändig und propagandaeffizient wurden die gestenreichen Zeremonien in aller Öffentlichkeit begangen (Innsbrucker Nachrichten vom 29. März 1943, Seite 3):

„Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer erwartete mit seinen Mitarbeitern in Partei und Staat, mit SS-Kameraden des Toten, einer Hundertschaft Politischer Leiter und mit der Standschützenkompanie Solbad Hall den Sarg, als dieser, mit der Hakenkreuzfahne bedeckt, in die geschmückte Eingangshalle des Landhaus-Erweiterungsbaues gebracht wurde. Politische Leiter und SS-Führer hielten dort die Ehrenwache, während am Platz vor dem Landhaus starke Ehrenformationen der Politischen Leiter und sämtlicher Gliederungen der Bewegung, eine Wehrmachtabteilung und die Standschützenkompanie mit der Speckbachermusik in weitem Viereck aufmarschierten. Auf den Stufen des Mittelbaues nahmen die Fahnen der Partei und ihrer Gliederungen Aufstellung, vor ihnen die zahlreichen Ehrengäste. Unter Trommelwirbel wurde der Sarg von Politischen Leitern, SS-Männern und Standschützen aus der Eingangshalle getragen und zu einem gegenüber dem Eingang zwischen Pylonen mit brennenden Opferflammen errichteten erhöhten Podium gebracht. Die Träger zahlreicher Kränze und Blumengewinde flankierten die Längsseiten des Sarges.“

Getragene feierliche Klänge des Gaumusikzugs eröffneten die „Totenfeier“. Auf die pathetische Musikdarbietung folgte ein „Gedenkspruch“, vorgetragen von einem Sprecher der Hitler-Jugend. Dann hielt Gauleiter Franz Hofer seine Gedenkrede für den Verstorbenen, mit der er dessen Verdienste für die Partei noch einmal ausdrücklich würdigte und somit das vorbildhafte Wirken des Verstorbenen propagandistisch verwertete.

„Als nun die Lieder der Nation verklungen waren, setzte sich der Leichenzug in Bewegung. Dem Sarge folgten unmittelbar Gauleiter Hofer, der Stellvertretende Gauleiter Befehlsleiter Pg. Parson, Kreisleiter Pg. Doktor Primbs, SS-Standartenführer Feichtmayer und Oberlandesgerichtspräsident Dr. Stritzl. Ein langer Zug von Trauergästen und sämtliche zur Abschiedsfeier aufmarschierten Fahnen und Ehrenformationen gaben ferner dem Toten das Geleit zum Westfriedhof. Unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden wurde der Sarg ins Grab gesenkt, auf das der Kranz des Gauleiters und Reichsstatthalters, ein Kranz der Wehrmacht und die vielen anderen Blumengewinde niedergelegt wurden. Drei Ehrensalven der Standschützenkompanie rollten als letzter Treuegruß der wehrhaften Heimat über das Grab des Toten, der dieser Heimat, seinem Volk und seinem großdeutschen Vaterland auch in kampferfüllten Zeiten tapfer und herzhaft die Treue gehalten hatte.“

Mit einer erneut propagandistisch strukturierten Zeremonie wurde der ehemalige Ortsgruppenleiter der NSDAP Fulpmes Franz Krösbacher im Jänner 1943 beerdigt. Der Tiroler Landbote vom 22. Jänner 1943 berichtet auf Seite 5:

„Die Partei bereitete diesem vielfach bewährten Mitkämpfer, der nun wegen seines schweren Leidens, dem er nunmehr erlegen ist, vor etwa einem halben Jahr um seine Enthebung als Ortsgruppenleiter bitten mußte, bis zu seiner letzten Stunde aber die vorbildlich mannhafte Haltung eines überzeugungstreuen und weltanschaulich durch und durch gefestigten Nationalsozialisten bewahrte, eine würdige Totenfeier. Kreisleiter Pg. Dr. Primbs, der Gaupropagandaleiter Pg. Margreiter, sämtliche Politischen Leiter, die Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei in der Ortsgruppe Fulpmes, eine Abordnung der Waffen-SS mit Obersturmbannführer Parteigenossen Quirsfeld an der Spitze und eine unabsehbare Masse von Partei- und Volksgenossen gaben dem Verstorbenen das Geleit. Bis von den höchsten Höfen waren die Bergbauern gekommen, um dem Toten Ehre zu erweisen. Im Mittelpunkt der Trauerfeier stand eine Ansprache des Kreisleiters Pg. Doktor Primbs, die Standschützenkapelle Fulpmes, eine Sängerschar und ein Sprecher sorgten für eine würdige Umrahmung der Feier und unzählige Kränze bedeckten das Grab des toten Parteigenossen, mit dem die NSDAP. im Kreise Innsbruck einen ihrer besten und treuesten Gefolgsmänner und die Dorfgemeinschaft Fulpmes eines ihrer persönlich wertvollsten und angesehensten Mitglieder verloren hat.“

Bei der Beerdigung des Obmanns der Kramsacher Standschützenmusikkapelle, des „Parteigenossen“ Josef Widmann, kam die Wertschätzung von Gauleiter Franz Hofer für volkskulturelle Vereinigungen besonders zum Ausdruck. Er ließ durch den Ortsgruppenleiter Pg. Gutmann am Grab Widmanns einen Kranz niederlegen, um den „Dank der Heimat für sein Wirken für das heimische Brauchtum“ symbolisch abzustatten (Tiroler Landbote vom 19. Februar 1943, Seite 6).

Mit dem Titel „Beerdigung einer deutschen Frau“ bringt das Tiroler Volksblatt vom 3. Dezember 1943 auf Seite 3 einen Bericht von der Beerdigung eines Mitglieds der NS-Frauenschaft und engagierten Nationalsozialistin und stuft deren Wirken durch die mediale Darstellung als vorbildhaft ein:

„Mittwoch wurde auf dem Kleinholzfriedhof in Kufstein-Zell die am 29. November im Alter von 58 Jahren verstorbene Volksgenossin Josefine Kieblinger beerdigt. Mit Ortsgruppenleiter Pg. Linderl hatten sich die Ortsfrauenschaftleiterinnen, Abordnungen der SA., der SS., der Hitler-Jugend sowie die Standschützenkapelle und viele Volksgenossen eingefunden, um in einer Totenfeier der NSDAP. von der Verstorbenen Abschied zu nehmen.

Volksgenossin Kieblinger war Mitglied der NS.-Frauenschaft. Als deutsche Frau lehnte sie artfremden Geist ab und erzog ihre Kinder zu tüchtigen Gliedern der Volksgemeinschaft. Ihre beiden Söhne stehen an den Fronten im Kampf um Deutschlands Zukunft. Einer davon war bereits in der Zeit vor dem Umbruch Angehöriger der Hitler-Jugend, später meldete er sich zur SS. Ihre Tochter leistet ihren Einsatz in einer Wehrmachts-Dienststelle.

Die Totenfeier leitete ein Mädel des BDM. mit einem Spruch ein, der die Härte der deutschen Mutter im Kriege und deren Opferbereitschaft pries. Nach der Trauermusik nahm P[artei]g[enossi]n Meng im Namen aller deutschen Frauen von der Verstorbenen Abschied und schilderte das Leben unserer Volksgenossin Kieblinger, das uns Vorbild sein kann. Noch einmal entbot die Trauergemeinschaft der Toten den Deutschen Gruß, dann klang die Totenfeier mit den Liedern der Nation aus.

Der deutsche Geist, den die Volksgenossin Kieblinger in die Herzen ihrer Kinder pflanzte, lebt in diesen fort, erfüllend die Aufgabe eines jeden Deutschen.“

Im Mai 1943 verstarb die Frau des Landecker Kreisleiters, Parteigenossin Else Bernard. Ihre Trauerfeier wurde „zu einer eindringlichen Kundgebung nationalsozialistischer Gemeinschaft“ (Tiroler Landbote vom 25. Mai 1943, Seite 4). Der Verlauf wird folgendermaßen geschildert:

„Der Sarg war im festlich geschmückten Saal des Kreishauses aufgebahrt, wo auch die Verabschiedung selbst durchgeführt wurde. Abschnittsleiter Pg. Venier widmete der allzu früh Dahingegangenen tiefempfundene Abschiedsworte und stellte den Verlust, den ihr Tod für ihren Mann, ihre Familie und die ganze Gemeinschaft bedeutet, das Geschenk gegenüber, das sie mit ihren Kindern dem Volk gegeben hat. Die Ansprache des Pg. Venier war von Musikstücken und Liedvorträgen des BDM. umrahmt. Vom Kreishaus bewegte sich dann der Leichenzug durch die Hauptstraßen Landecks, an der Spitze die Standschützenmusikkapelle, der eine lange Reihe von Kranzträgern folgte. Hinter dem Sarge, der von Politischen Leitern getragen wurde und von Mitgliedern der NS.-Frauenschaft flankiert wurde, schritten die nächsten Anverwandten, anschließend daran die Parteigenossen, an ihrer Spitze Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer, der Stellvertretende Gauleiter, Befehlsleiter Parteigenosse Parson, die Kreisleiter und Gauamtsleiter, sodann eine Abordnung von Offizieren des Wehrmachtsstandortes Landeck, weiter Vertreter der staatlichen und kommunalen Behörden und eine große Anzahl von Partei- und Volksgenossen. In den Straßen bildeten viele Hunderte von Volksgenossen Spalier und entboten der Pgn. Bernard den letzten Gruß.“

Für die 215 Toten, die beim Bombenangriff auf Innsbruck am 15. Dezember 1943 ums Leben kamen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, veranstaltete die Partei auf dem großen Platz vor dem Landhaus-Erweiterungsbau eine eindrucksvolle Verabschiedungsfeier. Außer dem Gauleiter, der sich durch Krankheit an der Teilnahme nicht abhalten ließ, waren sein Stellvertreter, weiters Kreisleiter Dr. Primbs und der Innsbrucker Oberbürgermeister Dr. Egon Denz als höchste politische Repräsentanten anwesend, zudem Vertreter der Wehrmacht, ferner „vollzählig“ die Politischen Leiter des Gau- und Kreisstabes und die Innsbrucker Ortsgruppenleiter der NSDAP, sämtliche Gliederungsführer, die Dienststellenleiter aller staatlichen Behörden der Gauhauptstadt und „eine große Zahl von Volksgenossen“. Unter den Klängen des Liedes vom Guten Kameraden, gespielt vom Gaumusikzug bei gesenkten Parteifahnen und jenen des Standschützenverbandes legte Gauleiter Hofer, nachdem er seine pathetisch-propagandistische Rede beendet hatte, den Kranz des Führers nieder. Die Rede des Gauleiters, die musikalisch vom Gaumusikzug und dem Lied „Wo gen Himmel Eichen ragen“ (Text: Otto Schairer; Melodie: Hans Heinrichs, 1918) vorgetragen vom Deutschen Männergesangverein, endete wirkungsvoll ergreifend mit den Worten des Liedes (vom Guten Kameraden, Verszeilen 3-5 der Strophe 3):

„Kann dir die Hand nicht geben, bleib du im ewigen Leben, mein guter Kamerad“.

„Auf Lastwagen wurden dann die [mit der Hakenkreuzfahne bedeckten] Särge, geleitet von Männern des Reichsarbeitsdienstes, unter den Klängen des Horst-Wessel-Liedes und begleitet vom stummen Gruß der erhobenen Hände, vom Kundgebungsplatz auf den Friedhof überführt“ (Tiroler Volksblatt vom 23. Dezember 1943, Seite 1).

Zur Beerdigung der Opfer des Luftangriffs wird festgehalten:

„Trotz des neuerlichen Angriffs auf Innsbruck in den Mittagsstunden des Sonntags [19. 12. 1943] und trotzdem Bombeneinschläge auch in Friedhöfen erfolgt waren, wurden am Nachmittag die Bestattungen zur festgesetzten Stunde und wie vorgesehen durchgeführt. In den verschiedenen Innsbrucker Friedhöfen gaben die Ortsgruppenleiter mit ihren Stäben den Gefallenen das letzte Geleit und nahmen von ihnen als Begleiter und Betreuer der Angehörigen Abschied. Die Gefallenen, für die keine Familiengrabstätten vorhanden waren, wurden in der neuen Zentralbestattungsanlage im Waldfriedhof am Osterfeld, der Heimaterde übergeben. Dort, wo in Hinkunft alle Verstorbenen der Gauhauptstadt – soweit nicht Familiengräber in den anderen Friedhöfen bestehen – ihre letzte Ruhestätte finden werden, sind die Gefallenen vom 15. Dezember 1943 die ersten stillen Schläfer. Kreisleiter Pg. Dr. Primbs entbot an der Spitze einer Anzahl von Politischen Leitern der Gauleitung und der Kreisleitung den Gefallenen, über deren offenen Gräben die Fahnen der Nation wehten, den letzten Gruß im Beisein jener Angehörigen, die sich den Gang zum Osterfeld nicht nehmen hatten lassen.“

Beim erwähnten zweiten Bombenangriff auf Innsbruck am Sonntag, den 19. Dezember 1943, wurden laut Mitteilung im Tiroler Landboten (23. Dezember 1943, Seite 1) 30 Menschen getötet und 60 verwundet.


Wehrmachtsbetreuung

Die moralische Betreuung der Soldaten erfolgte entweder vor Ort an den Fronten oder in den verschiedenen Lazaretten, meist mit Kulturveranstaltungen. In Atmosphäre und Programm eines „Konzertnachmittags an der Lapplandfront“ in einem Soldatenheim der Gebirgspioniere gibt die Neueste Zeitung vom 15. Jänner 1943 (Seite 2) Einblick:

„[…] Das Licht im Saal verlöscht. Auf der Bühne hat das Musikkorps Aufstellung genommen. Manch einer von ihnen trägt das schwarz-weiß-rote Band im Knopfloch und das Sturmabzeichen. Auch sie waren im Kampf an unserer Seite, heute aber wollen die Kameraden des Musikkorps uns durch ihr flottes Spiel erfreuen. Frontkameradschaft im besten Sinne. Der Obermusikmeister tritt vor und gibt in kurzen Worten das bunte Programm bekannt; Sorgen sollen dabei alle vergessen sein.

Mit einer ungarischen Lustspiel-Ouvertüre beginnt das Konzert im karelischen Urwald. Melodien des unvergänglich schönen Strauß-Walzers Geschichten aus dem Wienerwald klingen auf. Nachdem auch Rumänische Volksmelodien verklungen sind, wird auf der Bühne ein rascher Instrumentenwechsel mit moderner Besetzung vorgenommen. Mit dem Czardas-Fox beginnt der zweite Teil des Konzerts. Weitere flotte Weisen folgen bunt durcheinander. Saxophon, Posaune und Schlagzeug beherrschen mit ihrer Rhythmik das Programm. Ein besonders großer Erfolg wird die Quecksilber-Polka, gespielt von einem Kameraden, der bis zu Beginn des Krieges im Berliner Wintergarten als Solist konzertierte. Auch das Matrosenlied Alo-Ahe, gespielt und gesungen nach der Art eines Tanzorchesters, wird begeistert aufgenommen. Heiter und beschwingt klingen die Melodien durch den Saal, wo das dankbarste Publikum, Soldaten der Front, mit freudigen Herzen zuhört und die Musik ihnen die Heimat nahe bringt. Dies bezeugt geradezu stürmischer Beifall nach den beiden Stücken Rosmarie, vergiß mich nie und Heimat deine Sterne. Musik mit Witz und Laune bringt uns ein Kamerad aus Innsbruck mit seiner Uebermut-Polka, vorgetragen auf Saxophon und Klarinette. Mit dem Tocker-Fox beendet das Musikkorps den heiteren Konzertnachmittag, das mit seinen klingenden Darbietungen die Herzen der Kameraden gewonnen hat […].“

Eine eigene Form der Wehrmachtbetreuung war die Übermittlung von kulturellen Sachgütern wie Schallplatten, Rundfunkgeräten oder Büchern. Die Innsbrucker Nachrichten vom 14. September 1943 veröffentlichten auf Seite 3 einen „Aufruf“ von Reichsleiter Rosenberg zur 5. Büchersammlung der Wehrmacht, die am Wochenende des 18./19. September begann:

„Die Büchersammlung der NSDAP. für die deutsche Wehrmacht ist zu einer ständigen Einrichtung für die Dauer des Krieges geworden. Auch heute, da wir an der Schwelle des fünften Kriegsjahres stehen, wende ich mich wiederum an die deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen mit der Bitte, dieses große Werk der Wehrmachtbetreuung unterstützen zu helfen. Das Lesebedürfnis der Truppen steigt in allen drei Wehrmachtteilen weiterhin an und kann durch die bisher schon in gewaltiger Auswahl gespendeten Bücher, von denen zahlreiche inzwischen durch jahrelange eifrige Benutzung zerrissen und unbrauchbar geworden sind, nicht mehr ausreichend befriedigt werden. Hunderttausende von deutschen Männern sind während des vergangenen Jahres erstmalig zu den Waffen geeilt und haben die Reihen der deutschen Wehrmacht verstärken helfen. Sie und die alten Soldaten, die nun schon vier Jahre lang dem Ansturm der Feinde Europas heldenmütig standhalten, haben ein Anrecht auf unsere ständige geistige Betreuung. Das deutsche Buch soll ihnen Mittel zur Entspannung und Erholung, ein ständiges Bindeglied zur Heimat mit ihrer Kultur und ein Kraftquell ihres geistig-seelischen Widerstandswillens sein […].

Die Büchersammlung der NSDAP. für die deutsche Wehrmacht wird somit von der gesamten nationalsozialistischen Bewegung als eine große Hilfsaktion zur geistig-seelischen Betreuung unserer Soldaten an der Front, in den Lazaretten und in der Heimat getragen. Ihre Durchführung wird wiederum in den Händen vieler Tausender freiwilliger Helfer und Helferinnen liegen, deren Einsatzfreudigkeit über den Erfolg auch dieser Sammlung entscheiden wird.“

Die Singschar der BDM-Gruppe Kirchbichl war im Reichsleistungswettkampf 1941/42 des BDM als gebietsbeste hervorgegangen. Daher erhielt sie als Anerkennung für ihre herausragenden Leistungen vom Reichsjugendführer den „Auftrag“ zu einer „Lazarettfahrt“ durch den Gau Tirol-Vorarlberg. Diese Wohltätigkeitstournee startete im Mai 1943 in Innsbruck. Das Tiroler Volksblatt vom 19. Mai 1943 weiß dazu auf Seite 4:


„Die Fahrt, die unter Leitung der Mädelführerin des Bannes Kufstein, Bannmädelführerin Lisl Mathes, steht, nahm ihren Ausgang in Innsbruck, wo die Mädel am Sonntag abend [16. Mai] im Reichsgautheater der Aufführung der Oper Tosca beiwohnen konnten. Für den Montag vormittag war ein Besuch des Tiroler Volkskunstmuseums vorgesehen, während der Nachmittag sodann ganz dem eigentlichen Zweck der Fahrt gewidmet war. Herzlich wurden die Mädel, die alle einheitlich in ihrer schmucken Tracht erschienen waren, von den Verwundeten der Innsbrucker Lazarette willkommen geheißen, und als dann die frischen Volkslieder erklangen, kehrte überall Frohsinn und Freude ein. Am Dienstag führte die Fahrt weiter nach Ehrwald und von dort auf die Zugspitze, während der nächste Tag dem Besuch der Lazarette in Ehrwald und Berwang galt, wo der frohe Gesang der Mädel ebenfalls bei den Verwundeten viel Freude auslöste.

Auf der Weiterfahrt wurden die Lazarette in Zams, Rankweil und Lochau besucht, von wo die Mädel am Samstag [22. Mai] ihre Heimreise antraten, eine jede in dem Bewußtsein, vielen verwundeten Soldaten einige Stunden Frohsinn gebracht zu haben, wohl die schönste Anerkennung, die den Mädeln für ihre Leistungen zuteil werden kann.“


Musik im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung


Rekonvaleszente Verwundete wurden in verschiedene Gemeinden als Gäste eingeladen. Ende März 1943 waren Angehörige des Lazaretts in Wörgl für zwei Tage auf Einladung des Ortsgruppenleiters und Bürgermeisters Gäste in Langkampfen. Die NS-Frauenschaft besorgte die Bewirtung. Untergebracht waren die Verwundeten bei verschiedenen Bauern. Zum unterhaltsamen Höhepunkt wurde eine Theatervorstellung der örtlichen Laienbühne. Die auch ideologisch relevante Intention solcher Aktionen kommt im Schlusssatz des Berichts im Tiroler Volksblattvom 2. April 1943, Seite 5 zum Ausdruck: „Der zweitägige Aufenthalt der Verwundeten und die gastfreundliche Einladung beweisen wieder einmal das innige Zusammengehörigkeitsgefühl von Soldat und Ortsbevölkerung.“

In Seefeld, „einem der schönsten Erholungsorte unseres Gaues“, hatte Gauleiter Hofer auf Wunsch des Rüstungsministers Albert Speer „für die kommende Zeit laufend eine große Anzahl von Plätzen für die Fertiger und Soldaten unserer Panzerwaffe“ als Erholungsrefugium bereitstellen lassen. Der Reichsminister und der „Generalinspekteur“ der Panzertruppe, Generaloberst Heinz Guderian, informierten sich persönlich über die Durchführung dieser speziellen Initiative der Wehrmachtbetreuung (vgl. Innsbrucker Nachrichten vom 2. Juni 1943, Seite 3):

„Als der Reichsminister und der Generalinspekteur mit dem Stabsleiter, SA.-Obergruppenführer Pg. Liebel, und Ritterkreuzträger Oberst Mahle, geleitet vom Gauleiter und einigen seiner Mitarbeiter in den Nachmittagsstunden [des 31. Mai 1943] in Seefeld eintrafen, hatte sich am Ortseingang zusammen mit den Urlaubern ganz Seefeld eingefunden. Der Ortsgruppenleiter bewillkommte die Gäste unter den Klängen der Seefelder Standschützenmusik. Neben den Politischen Leitern waren auch die Standschützenkompanie und die Jungschützen sowie die Jugend des Kinder-Landverschickungslagers Seefeld angetreten. Mädel des BDM. in schmucker Tracht begrüßten die Gäste hier ebenso, wie bereits in Innsbruck, mit Liedern und Blumen, und Marketenderinnen kredenzten den Willkommtrunk.“

Auf diese Begrüßungszeremonie, die sich im Ablauf kaum von gegenwärtig gebräuchlichen „landesüblichen Empfängen“ in Tirol unterscheidet, folgte am Abend eine Kundgebung unter freiem Himmel, die die ohnehin effektvolle Propagandaaktion durch stimulierende Ansprachen der hohen Politik noch verstärkte. Reichminister Speer verwies, bekannt eloquent, auf die enorme Steigerung in der Fertigung der deutschen Panzerwaffe:

„Die Front soll die zum Endsieg nötigen Waffen in der genügenden Menge und in der bekannten deutschen Qualität haben.“ Auch Generaloberst Guderian ging in seiner Ansprache auf diesen beruhigen sollenden Aspekt ein, wenn er „betonte, daß unsere Konstrukteure und Arbeiter mit dem Tiger den derzeit besten Panzer der Welt geschaffen haben. Während nun dieser Tiger an allen Einsatzstellen seine Ueberlegenheit über die gegnerischen Waffen beweise, seien schon wieder neue Modelle und Verbesserungen in Planung. So geben Front und Heimat in unerschütterlicher Siegesgewißheit ein Beispiel kameradschaftlicher Zusammenarbeit, der der Erfolg nicht versagt sein wird.“

Zu Beginn seiner Rede dankte der Generalinspekteur, „daß viele Panzersoldaten nach den Monaten der schweren Winterschlacht und der Schlammperiode im Osten nunmehr in dieser herrlichen Gebirgswelt, in der jedem das Herz aufgehe, zusammen mit den Kameraden, die ihnen daheim rastlos Tag und Nacht die Waffen schmieden, auf Erholung weilen können.“

An den offiziellen Teil der Kundgebung schlossen sich in verschiedenen Gaststätten Seefelds „Kameradschaftsabende“ an, mit den üblichen „brauchtumsmäßigen Vorführungen“, gestaltet von Mitgliedern des Standschützenverbandes. Volkslieder, „gauübliche“ Tänze und andere Ausdrucksformen heimeligen Charakters im Ambiente bunter Trachten und Parteiuniformen sorgten für ein emotionales Miteinander. „Reichsminister Speer, Generaloberst Guderian, Gauleiter Hofer sowie der Leiter des Erholungswerkes der DAF., Oberdienstleiter Pg. Dr. Lafferentz besuchten der Reihe nach die Veranstaltungen in den einzelnen Gaststätten und verweilten dortselbst eine Zeitlang im kameradschaftlichen Beisammensein mit den Arbeitern und Soldaten.“

Diesem gemeinschaftsdienlichen Zweck zur Aufrechterhaltung der Kampfmoral erfüllten auch von der Partei initiierte „Feierstunden“ zur Weihnachtszeit, wo das emotionale Potential der Seele besonders ansprechbar war. Das Tiroler Volksblatt vom 27. Dezember 1943 veröffentlicht auf Seite 3 einen ausführlichen Bericht über eine solche Feierstunde für verwundete Soldaten im Gemeinschaftsraum des Reservelazaretts Zellerburg, der auch für Zwecke der Parteipropaganda diente:

„Die Kriegsweihnacht 1943 ließ alle Deutschen stärker denn je die innige Verbundenheit und Schicksalsgemeinschaft von Front und Heimat spüren: Millionen deutscher Männer stehen an den Fronten auf Wacht für Deutschland, aber auch weite Teile der Heimat wurden zum Kriegsgebiet durch den Bombenterror der entmenschten Feinde. So haben Front und Heimat gemeinsam an der erbarmungslosen Härte des schweren Kampfes um unseres Volkes Bestand zu tragen. Dieses beiderseitige Opfer bestärkt uns in dem Glauben, daß wir durch Kampf und Leid zu neuem Leben, zu lichtvoller Zukunft und ewiger Freiheit schreiten. Das war der Sinn der Kriegsweihnacht 1943; wir empfinden ihn besonders stark dort, wo Front und Heimat das Weihnachtsfest gemeinsam beging, so auch bei der Weihnachtsfeier im Reservelazarett Kufstein.

Mit Liebe und Sorgfalt war der große Gemeinschaftsraum im Reservelazarett Zellerburg geschmückt, an den Tischen saßen jene deutschen Männer, die für Deutschland ihr Leben wagten und dabei verwundet wurden, Soldaten von allen Fronten. Musik leitete die Feierstunde ein. Chefarzt Stabsarzt Dr. Finke begrüßte die Ehrengäste aus Wehrmacht, Partei und Staat, an deren Spitze der Standortälteste der Wehrmacht, Oberstleutnant Faukal, und in Vertretung des Kreisleiters Kreisstabsleiter Pg. Schwarz befanden. Chefarzt Dr. Finke dankte der NSDAP. für die im Laufe des Jahres durchgeführten zahlreichen Betreuungen und gedachte mit warmen Worten der liebevollen Aufnahme, die den Verwundeten bei Fahrten ins Zillertal und auf das Hafelekar zuteil wurde. Er betonte insbesonders die große Verbundenheit von Front und Heimat, die das deutsche Volk zu einer einzigen großen Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißte, so daß es trotz der Schwere des gegenwärtigen Ringens dennoch möglich ist, die deutsche Weihnacht zu feiern.

Als dann die Lichter im Saal verlöschten und im flackernden Kerzenschein des Weihnachtsbaumes das schöne Lied vom ewig grünen Tannenbaum aufklang, da wurde jedem Soldaten warm ums Herz, noch mehr aber durchströmte sie heimatliches Glücksgefühl, als die Kindergruppe der NS.-Frauenschaft Kufstein-Süd Weihnachtssprüche, Lieder und aufrichtige Glückwünsche der Heimat vortrug. Wohl mancher Verwundete dachte an seine eigenen Kinder, die vielleicht zur selben Stunde einem anderen Verwundeten das gleiche Glücksgefühl der deutschen Familie schenkten. Es war in diesem Augenblick eine einzige Familie, die Weihnacht feierte […].

Anschließend trugen Schwestern in großen Körben die vielen Gaben für die Verwundeten in den Saal. Kreisamtsleiter der NS.-Volkswohlfahrt und der NS.-Kriegsopferversorgung Pg. Widmann, überreichte hierauf den Verwundeten mit herzlichen Worten die Weihnachtspakete, die Näschereien, Gebrauchsgegenstände, Zigaretten und viele andere gute Sachen enthielten, sowie Wein und Sekt. Zwischendurch klangen fröhliche Lieder von der Musikkapelle auf. Inzwischen war auch unter Führung von Frau Kainzner eine Brauchtumsgruppe aus Wörgl eingetroffen, die mit schönen Heimatgesängen, lustigen Vorträgen und mit wahrhaftigen Wiener Liedern die Verwundeten erfreuten, besonders mit ihren richtigen Tiroler Jodlern. Als kleine, aber sehr nette und begabte Mundartsprecherin erwies sich die Junggenossin Else Dalpez, deren launige Vorträge mit viel Heiterkeit und Freude aufgenommen wurden. Lange saßen die Festteilnehmer gemütlich beisammen, bis endlich einer nach dem andern sein Krankenzimmer aufsuchte, beglückt, auch fern seiner Lieben eine frohe Weihnacht erlebt zu haben, im Herzen die Gewißheit, daß die deutsche Volksgemeinschaft nicht zu erschüttern ist, stark durch ihren Glauben an den Führer und damit auch an den Sieg.“


Aktivitäten der Hitler-Jugend

Die Hitler-Jugend wurde 1943 mit einem umfangreichen Aktionsprogramm in die Festesfolge zum 6. Landesschießen demonstrativ eingebunden. Die Intention geht unmissverständlich aus den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juli 1943, Seite 3, hervor:

„Es ist klar, daß im Rahmen der vom Standschützenverband getragenen Pflege der Volkskultur und des Brauchtums der Mitwirkung der Jugend besondere Bedeutung zukommt. Nur dadurch, daß ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Aufnahmebereitschaft und ihr Lerneifer geweckt und in den Dienst der Brauchtumspflege gestellt werden, kann der volle Erfolg dieser Bestrebungen und vor allem die Sicherung ihrer Ergebnisse für die Zukunft erreicht werden. Jetzt schon zeigen sich die Erfolge der Heranführung der Jugend, zum Beispiel an die Blasmusik in der Mitwirkung Jugendlicher in den Standschützenmusikkapellen, die vielfach nur dadurch spielfähig gemacht werden konnten, und in der Aufstellung ganzer Jungschützenmusikkapellen, die beim Vorbeimarsch am letzten Sonntag herzlichen Beifall gefunden haben.

Ebenso wie das Landesschießen im Ganzen, sollen auch die Volkskulturtage der Hitler-Jugend ein umfassender Rechenschaftsbericht über die Arbeit des abgelaufenen Jahres sein. Aus dem ganzen Gau kommen daher die Jungen und Mädel zusammen, um der Oeffentlichkeit zu zeigen, was sie gelernt und erreicht haben.“

Das Programm war dementsprechend vielfältig und umfangreich:

„Nach einem Eröffnungsappell auf dem Adolf-Hitler-Platz am Samstag, den 10. d[ieses] M[onats Juli 1943], um 9 Uhr beginnen sofort die öffentlichen Wertungssingen der BDM.-Singscharen im Großen Stadtsaal in nachstehender Reihenfolge: Samstag, 10 bis 12 Uhr, Landeck, Gauenstein, Reutte, Solbad Hall; 15 bis 17 Uhr, Alpbach, Söll-Leukenthal, Kufstein, Bregenz 2; Montag, den 12. Juli, 10 bis 12 Uhr, Hohenems, Lustenau, Feldkirch, Dornbirn; 15 bis 17.30 Uhr, Innsbruck-Stadt, Schwaz, Bregenz 1, Junglehrerinnen, Südtirolerinnen. Jede Singschar gestaltet aus mehreren Pflichtliedern und Liedern nach freier Wahl eine mit verbindenden Worten bereicherte Folge von etwa halbstündiger Dauer. Bewertet wird nicht nur die musikalische Leistung, sondern auch die äußere Haltung und das Auftreten. Dies gilt übrigens für alle HJ.-Angehörigen, die an den Volkskulturtagen teilnehmen und nicht für die Veranstaltungen, sondern für die ganze Dauer des Aufenthaltes in Innsbruck.

Aus Jungen und Mädeln zusammengestellte gemischte Singscharen treten am Dienstag, den 13. d. M., 8.30 Uhr, im Großen Stadtsaal in den Wettbewerb.

Am Sonntag, den 11. d. M., 11 Uhr, geben die Musik- und Fanfarenzüge auf dem Adolf-Hitler-Platz ein Standkonzert; das Wertungsspiel der Fanfarenzüge findet ebenfalls auf dem Adolf-Hitler-Platz am Dienstag um 17 Uhr statt. Die Volkstanzgruppen zeigen ihr Können am Mittwoch, den 14. d. M., 18.30 Uhr, auf dem Adolf-Hitler-Platz.

Das Großereignis für die Kinder, die hierzu herzlichst eingeladen werden, ist das Kinderfest beim frohen Nachmittag am Sonntag, den 11. d. M., ab 14 Uhr am Hauptschießstand.

Im Hofe des Volkskunstmuseums bietet die Hitler-Jugend am Mittwoch, den 14. d. M., 20 Uhr, eine Abendmusik. Den Abschluß der Volkskulturtage und der Schulungswoche des Musikschulwerkes bildet am 15. d. M., 19.30 Uhr, ein Volkstumsabend im Großen Stadtsaal, bei dem die besten Singscharen, Musik- und Fanfarenzüge sowie Volkstanzgruppen auftreten werden. Zu den beiden letztgenannten Veranstaltungen findet ein beschränkter Kartenverkauf in der KdF.-Dienststelle, Museumstraße 21, statt.“

Von der festlichen Eröffnung der Volkskulturtage der Hitler-Jugend vermelden die Innsbrucker Nachrichten vom 12. Juli 1943 auf Seite 3:

„Aus allen Kreisen unseres Berggaues waren im Laufe des Freitag[s] mehrere hundert Jungen und Mädel, meist in der schmucken Tracht ihres Heimatortes gekleidet, in Innsbruck eingetroffen, um im Rahmen des Landesschießens an den Volkskulturtagen der Hitler-Jugend von Tirol-Vorarlberg teilzunehmen. Eingeleitet wurden die Volkskulturtage mit einem feierlichen Eröffnungsappell am Adolf-Hitler-Platz. Auf den Stufen zum Reichsgautheater hatten die Fanfarenzüge des ganzen Gebietes sowie die Fahnen der Innsbrucker Hitler-Jugend Ausstellung genommen. Vor dem Reichsgautheater waren die Jungen und Mädel in einem großen Viereck angetreten. An der Feier nahmen außerdem zahlreiche Vertreter aus Partei, Wehrmacht und Staat teil. Nach Meldung der angetretenen Jungen und Mädel durch Oberstammführer [Hermann] Pepeunig an den Führer des Gebietes, Hauptbannführer Otto Weber, klang flotte Marschmusik auf, der sich ein Lied der Jugend anschloß, das alle anwesenden Jungen und Mädel mitsangen. Dann sprach der Gebietsführer […].“

Hauptbannführer Otto Weber stellte die Leistungen seiner Jugendorganisation im Bereich der Volkskulturpflege in den Mittelpunkt seiner Ansprache: Trotz der Belastungen des Krieges dürfe der „deutsche Mensch“ nie auf seine Seele und sein Gemüt vergessen, darum sei es substantiell, „auch jetzt mitten im Kriege unsere kulturellen Werte [zu] pflegen und [zu] entwickeln“. Besonders die Jugend sei dabei aufgerufen, „voranzumarschieren und zur Hebung und Entfaltung der kulturellen Werte des Berggaues Tirol-Vorarlberg beizutragen“. Gauleiter Hofer hätte in weiser Voraussicht zur „Wiedererweckung und Stärkung des heimatlichen Brauchtums“ den Standschützenverband geschaffen, als Plattform zur Wehrertüchtigung, jedoch besonders auch zur „Erneuerung und Pflege unserer heimatlichen Volkskultur“.

Als Ergebnis der engagierten Beteiligung und organisatorischen Einbindung der Hitler-Jugend im Rahmen dieser Bestrebungen „entstanden und entstehen überall im Gau Tirol-Vorarlberg unsere Singscharen und Volkstanzgruppen, unsere Musikzüge und Bläserkameradschaften, die Volksmusikgruppen und Laienspielscharen. Und zu vielen Hunderten sehen wir unsere Mädel in der selbstgefertigten Tracht ihres heimatlichen Tales. Gerade im Kriege, so schloß der Gebietsführer seine Ausführungen, soll es eine unserer liebsten Aufgaben sein, die Heimat schöner werden zu lassen bis zu dem Tag, an dem unsere siegreichen Soldaten heimkehren werden. Mit der Erweckung alter Werte, mit ihrer Weiterentwicklung und mit neuem, volksverbundenem Schaffen wollen wir mithelfen, unsere Bergheimat Tirol-Vorarlberg zu einem der schönsten und blühendsten Teile Großdeutschlands zu machen. Die Lieder und Weisen unserer Heimat sollen jedem zeugen von unserer Art. Auf dem starken Grund unserer Heimat werden dann auch um so stärker und froher die gemeinsamen Lieder vom großen Reich erklingen.

Mit dem Fahnenlied der Hitler-Jugend, das alle Jungen und Mädel sagen, wurde der Eröffnungsappell beendet. Ihm schloß sich sofort das Wertungssingen der BDM.-Singscharen im Großen Stadtsaal an. Als erste zeigten die Mädel des Bannes Landeck ihr Können, denen sich die Mädel der Banne Bregenz und Schwaz am Vormittag anschlossen. Weitere Singscharen traten am Nachmittag an. Das Wertungssingen wird am Montagnachmittag beendet. Die Veranstaltungen am Samstag wurden mit einer Volkstanzlehrstunde im Großen Stadtsaal abgeschlossen.“

Wie bei nationalsozialistischen Großereignissen üblich gehörte zur Festesfolge wiederum eine Morgenfeier im „festlich geschmückten“ Großen Stadtsaal am Sonntagvormittag. Zentraler Punkt der Zeremonie war, gewissermaßen wie eine Predigt beim kirchlichen Sonntagsgottesdienst, die programmatische Rede von Hauptbannführer Zander, des Chefs des Kulturamtes der Reichjugendführung „über Kulturarbeit der Hitler-Jugend im Kriege“. Außer den Jugendlichen nahmen hohe Parteifunktionäre wie Kreisleiter Dr. Primbs und Gaupropagandaleiter Karl Margreiter teil. „Eingeleitet wurde die Morgenfeier mit der Gebietsfanfare von Tirol-Vorarlberg, an die anschließend ein Hitler-Jugend-Führer den SpruchRuf in die Zeit von Willi Vesper vortrug. Das verstärkte Orchester des Bannes Innsbruck-Stadt spielte hierauf drei Instrumentalsätze aus dem 17. Jahrhundert, dem sich der Chorsatz Wach auf, du deutsches Land von Johann Walther [(1496-1570)], gesungen von der gemischten Singschar des Bannes Innsbruck-Stadt, anschloß.“ Hauptbannführer Zander betonte, nachdrücklich argumentierend, in seiner Ansprache die psychisch kräftigende Macht von Kunst und Kultur (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Juli 1943, S. 3 f.):

„Trotz Krieg und Bombenterror lassen wir keine Sekunde von unserer Kultur, ja wir schöpfen aus unserer deutschen Kunst und Kultur immer wieder neue Kräfte, die uns auch kein heimtückischer Bombenterror stehlen kann, weil sie in unseren Herzen wohnen. Ja, erst der Krieg hat uns die Kraft ermessen lassen, die in unserer deutschen Kunst und Kultur wohnt. Diese Kraft macht unsere Herzen stark und gesellt sich mit zum unbändigen Willen am Durchstehen dieses Krieges bis zum siegreichen Ende. Es ist darum auch ganz selbstverständlich, daß wir gerade die Jugend zur Kultur und zur Kunst hinführen, damit sie mit ihnen vertraut und gewappnet werde.

Gerade das Wissen um unsere Kunst und Kultur, dieses Kennen ihrer Größe und Herrlichkeit macht den Soldaten draußen an der Front stark und noch mehr widerstandsfähig, denn er weiß nun ja, daß er neben der Heimat, neben dem deutschen Boden und dem deutschen Volk auch die Seele der Heimat, unsere Kultur und Kunst verteidigt. Wenn der deutsche Soldat draußen an den Fronten in der Lage ist, immer wieder fast unmenschliche Leistungen zu vollbringen, wenn er zäh und verbissen seine Aufgaben meistert, wenn er dem Gegner nicht nur durch sein soldatisches Können, seiner Tapferkeit und Beharrlichkeit, sondern auch in seiner geistigen und moralischen Haltung turmhoch überlegen ist, so tragen dazu wesentlich auch bei sein Wissen um die kulturellen und künstlerischen Werte seiner Heimat und der Kraft, die in ihnen wohnt.“

Hauptbannführer Zander bedient sich in seiner Rede wie natürlich des üblichen Überlegenheitsanspruches der deutschen Kulturleistung:

„So besitzen für uns Deutsche im Kriege Kunst und Kultur auch eine politische Kraft, die der Sowjetsoldat nie kennen und besitzen kann, weil man ihm die Seele, das Herz genommen und Kunst und Kultur in den Kot gezerrt hat; die aber auch kein Brite und Amerikaner besitzt, weil sie in ihrem plutokratisch-demokratischen Denken und Handeln gar keinen Platz mehr für Kunst und Kultur haben.“ Kunst und Kultur seien die wesentlichen Indikatoren der Gemeinschaftsempfindung, das „Erlebnis Deutschland“, das es gilt „in die Herzen der deutschen Jugend zu prägen“, damit sie einst auch als Soldaten aus diesem „Erlebnis Deutschland“ die „Kraft und Stärke in harter Stunde holen“.

Es sei daher zu wenig, die Jugend einseitig spartanisch zu erziehen, sondern es sei wesentlich, „ihr neben der Wehrertüchtigung, neben der Stählung und Härtung des Leibes auch jene politische, geistige und seelische Erziehung zuteil werden [zu] lassen, die Körper und Seele harmonisch zusammenführen“. Die Werte der „bodenständigen Kultur, lehren die Jugend Sitte und Brauchtum der Ahnen zu achten, zu hegen und zu pflegen, auf daß sie aus der unmittelbaren geistigen Quelle der Heimaterde ihre Kraft und Widerstandsfähigkeit gegen alles Fremde und Zersetzende schöpfen könne. Darum pflegen wir Lied und Musik, Spiel und Tanz“.

Die nationalsozialistische Bewegung habe dafür Sorge getragen, dass die deutsche Jugend in „harmonischer Ertüchtigung von Körper und Seele heranwächst“. Das Beispiel, „leuchtend und verpflichtend“, wären der Führer und seine „herrlichen Soldaten“. Die Morgenfeier setzte mit dem Gemeinschaftslied: „Nichts kann uns rauben Liebe und Glauben zu unserem Land“ (Text: Karl Bröger, 1923; Melodie: Gustav Schulten und Heinrich Spitta, ca. 1934) einen emotional ergreifenden Schlusspunkt.

Musikalische Wettbewerbe der Hitler-Jugend sind in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. Juli 1943, Seite 3, dokumentiert. Die zahlreichen medialen Darstellungen der Initiative Kulturtage der Hitler-Jugend hatten klarerweise auch die propagandistische Funktion, die intensive Jugendarbeit der Partei im Sinn einer gemeinschaftsbindenen Kulturpflege mit den Schwerpunkten „Heimatlied“ und Tracht herauszustellen, ebenso für die Elternschaft zu begründen:

„Einst führte man sogenannte Sängerwettstreite durch, die den einzigen Zweck hatten, aus einer gewissen Anzahl von Gesangsgruppen die besten zu ermitteln und mit einem Preis auszuzeichnen. Wenn nun die Hitler-Jugend von Tirol-Vorarlberg im Großen Stadtsaal in Innsbruck ein Wertungssingen für die Mädel- und gemischten Singscharen der Banne durchführt, so geschah dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens, um einmal diesen Gruppen Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig kennenzulernen und um zu zeigen, was sie können, und zweitens, um ihnen durch ihre Darbietungen gegenseitige Anregungen für ihre weitere Arbeit zu geben. Jede Singschar hatte aus mehreren Pflichtliedern und Liedern nach freier Wahl eine mit verbindenden Worten bereicherte Folge von rund halbstündiger Dauer zu gestalten. Es zeigte sich dabei gerade in der freien Wahl der Lieder bei allen Gruppen besondere Liebe zum Heimatlied. Die schönsten Lieder unserer Bergheimat aus alter und neuer Zeit klangen auf und die Art des Vortrages kündete von der Liebe unserer Jugend zu Berg und Tal, Dorf und Heim. Dazu kommt noch, daß all diese Mädel und gemischten Singscharen in ihren Heimattrachten zum Wertungssingen antraten und damit nicht nur im Lied, sondern auch in der Kleidung sich zu Sitte und Brauchtum unserer Heimat bekannten. Besonders anerkannt seien die Leistungen der Singscharen aus Kitzbühel, Feldkirch, Söll-Leukental, Schwaz und Bregenz.

Aehnlich verlief auch das Wertungsspiel der Fanfarenzüge, das am Dienstag nachmittags am Adolf-Hitler-Platz durchgeführt wurde. Hier zeigte sich vor allem die Freude unserer Jugend an der Blasmusik, die ja in unseren Bergen besonders gepflegt wird und in den zahlreichen Musikkapellen des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg sichtbar zum Ausdruck kommt. Gerade durch das freudige Mitwirken der Jugend unseres Gaues an der Blasmusik ist es nun im Kriege möglich, die vielen Musikkapellen des Standschützenverbandes spielfähig zu erhalten.“

In den Innsbrucker Nachrichten vom 16. Juli 1943 erschien auf Seite 3 ein Überblick, der neben der Rechtfertigung der Volkskulturtage der Hitler-Jugend und weiteren Hinweisen auf Veranstaltungen ausdrücklich die Ansprache von Gauleiter Franz Hofer beim „Abschlußappell“ im Großen Stadtsaal den Lesern vor Augen führt:

„In einer Zeitspanne von sechs Tagen hat die Hitler-Jugend von Tirol-Vorarlberg im Rahmen des 6. Landesschießens ihre Volkskulturtage durchgeführt und in ihren zahlreichen Veranstaltungen einen Ausschnitt aus ihrer volkskulturellen Arbeit und ihrer Aufbauarbeit im vergangenen Jahr gegeben. Bei all diesen Veranstaltungen konnte die erfreuliche Feststellung gemacht werden, daß unsere Jugend unsere herrliche Volkskultur, unser Brauchtum und Ahnenerbe mit heller Begeisterung und herzlicher Freude pflegt. Aus allen Kreisen unseres Berggaues waren die Jungen und Mädel in ihren schönen Trachten in die Gauhauptstadt gekommen, um an den Arbeitsgemeinschaften für Musikzüge, Bläserkameradschaften, Volksmusik, Singen, Volkstanz, Laienspiel und Fanfarenzüge teilzunehmen.

Ein schönes Bild bot sich vor allem am Mittwochabend am Adolf-Hitler-Platz, als die vielen Volkstanzgruppen der Hitlerjugend in Trachten ihre Gemeinschaftstänze durchführten, die Singscharen die herrlichen Lieder unserer Bergheimat aufklingen ließen und Musikzüge flotte Märsche spielten. Die wunderbare Bergwelt der Innsbrucker Nordkette im Hintergrund gab dazu den trefflichsten Rahmen. Den meisten Beifall erntete die Landecker Jungschützen-Musikkapelle, die im Anschluß an ihre Darbietungen am Adolf-Hitler-Platz noch mit klingendem Spiel durch die Straßen der Gauhauptstadt zog.“

Am selben Tag veranstaltete das Bann-Orchester Innsbruck-Stadt unter der Leitung von Gefolgschaftsführer J. Werner im Arkadenhof des Volkskunstmuseums eine Abendmusik. Das Ensemble war durch Spieler der übrigen Bannorchester des Gaus verstärkt worden. Hildegard Ostheimer resümiert in den Innsbrucker Nachrichten vom 16. Juli 1943, Seite 4:

„[…] Sehr einheitlich und klar und dabei wirklich fein erfaßt klang jedes Stück des geschmackvoll gestalteten Programmes, von dem frischen und lebendigen Auftakt eines Händel’schen Festmarsches bis zur schelmischen Zierlichkeit der Ballettmusik aus Schuberts unvollendeter Oper Rosamunde, mit der der Abend ausklang. Gruppen des BDM. in stilvollen Gewändern lösten mit schönen, weich beschwingten Tänzen das Orchester ab und ließen für kurze Zeit den sonst so stillen, verträumten Hof zu märchenhaftem, fast unwirklichem Leben erwachen.“

Aus den Innsbrucker Nachrichten vom 16. Juli 1943, Seite 3, erfahren wir zum Abschluss der „Volkskulturtage der Hitler-Jugend“ ferner:

„Am Donnerstagvormittag versammelten sich in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste aus Partei, Wehrmacht und Staat alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen an den Volkskulturtagen der Hitler-Jugend und an der gleichzeitig durchgeführten Arbeitswoche des Musikschulwerkes [vgl. oben Kapitel Musikerziehung] zum Abschlußappell im Großen Stadtsaal. Hier trat eine besonders herrlich-bunte Fülle von Trachten aus allen Tälern unseres Gaues in Erscheinung. Nachdem Fanfaren die Ankunft des Gauleiters angekündigt hatten, der Musikzug des Bannes Innsbruck-Stadt einen flotten Marsch aufklingen ließ und ein Hitler-Jugend-Führer einen Spruch vorgetragen hatte, sangen mehrere gemischte Singscharen ein Bergbauernlied, das beim heurigen Brixentaler Flurritt erstmalig gesungen worden war. Die Worte des Liedes stammen von Oberstammführer Roland Wendlik des Gebietes Tirol-Vorarlberg.

Dann nahm Gauleiter Hofer das Wort zu grundsätzlichen Ausführungen über den Sinn und das Ziel der gesamten Brauchtumsarbeit. Er bezeichnete die nun zu Ende gehenden Volkskulturtage als Tage der Arbeit, der Freude und der Kameradschaft, vor allem aber der Wertung und Rückschau auf die Leistungen eines Jahres. Für das, was die Hitler-Jugend im Laufe dieses letzten Jahres erarbeitet hat, sprach ihr der Gauleiter seine Zufriedenheit und Anerkennung aus.“

Wie sonst auch stellte Gauleiter Hofer in seiner Rede die herausragende Bedeutung der Volkstumsarbeit für die Gemeinschaftspflege in den Mittelpunkt seines Argumentierens: Volkslied, Volkstanz, Volksmusik, Volkstracht, Laienspiel „und alles, was sonst noch zur Brauchtumspflege gehört“, seien keine „oberflächlichen Vergnügungen“, sondern „wichtigste Arbeit an der Gemeinschaft und ein Zurückfinden zu unserer Urkraft“. Die Grundlage jeder Kulturentwicklung bis hin zur „hohen Kunst“ seien die im Volk intuitiv verwurzelten Kulturwerte. Alles höher Entwickelte sei der Gefahr des Verfalles und der „Entartung“ ausgesetzt. „Bleibend und unveränderlich sind dagegen die Kulturwerte des bäuerlichen Lebenskreises: die Tracht, das Laienspiel und die Volksmusik. Ewige Lebenskraft, Beharrlichkeit und Sicherung der Art ruht im bäuerlichen Menschen.“ Darum richtete Franz Hofer an die anwesenden Musikerzieher deutlich folgende Mahnung und imperative Aufforderung:

„Aller Musikausbildung fehlt daher die sichere Grundlage, wenn sie nicht aus der Volksmusik und ihrer Pflege herauswächst. Diese muß daher in der Musikerziehung das Erste und Grundlegende sein. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Theater, das Konzert und das Kunstlied gelehrt und gepflegt werden; vorausgehen muß aber diesem Beginnen die Wiedererweckung und Pflege des natürlichen, im bäuerlichen Menschen vorhandenen Formgefühls und Kunstempfindens. Daher muß die Pflege der Volksmusik durch eine umfassende Breitenarbeit bis in das letzte Dorf getragen werden, wobei nicht nur ihre gemeinschaftsbildende Wirkung zum Tragen gebracht wird, sondern auch in der großen Masse der Musikbeflissenen die großen Begabungen auf dem Wege der natürlichen Auslese herausgefunden werden, genau so, wie wir im Standschützenverband die Schießpflege auf die breite Grundlage stellen, um den späteren Spitzenkönnern, deren Ausbildung zu Höchstleistungen dann erst die zweite Aufgabe ist, Gelegenheit zur Entdeckung ihrer Fähigkeiten geben.“

Zuletzt gab der Gebietsführer, Hauptbannführer Otto Weber, Franz Hofer das Versprechen, „daß die Hitler-Jugend von Tirol-Vorarlberg auch weiterhin alles daransetzen wird, um in der Brauchtumspflege im Gau nach dem Willen und den Richtlinien des Gauleiters voranzugehen“. Wie bei Festakten üblich schloss die Feierstunde mit den Liedern der Nation.

Den Schlusspunkt zur bunten Veranstaltungsreihe der HJ-Volkskulturtage bildete am 15. Juli 1943 ein Brauchtumsabend im Großen Stadtsaal, gestaltet von der Jugend. Zu den Festgästen zählten neben Gauleiter Franz Hofer und seinem Stellvertreter Herbert Parson die Gebietsführer der Hitler-Jugend, Hauptbannführer Otto Weber und „Parteigenossin“ Mignon, dazu „viele andere Gäste aus Partei und Stadt“. Die Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juli 1943, Seite 3, informieren:

„Die große Bühne des Stadtsaales bot ein farbenfreudiges Gepräge. Im Viereck saßen die Sing- und Spielscharen und stellten in den Trachten ihrer Talschaften ein buntes und dabei doch geschlossenes Bild, das einen Geist unzertrennlicher Kameradschaft und gesunder Bodenverwurzelung offenbarte. In zügiger Reihenfolge wechselten die Darbietungen der einzelnen Gruppen. Sie tanzten, sangen und spielten mit einer begeisterten Beflissenheit, wie sie nur die Jugend aufzubringen vermag, wenn ihre Aufgabe Herzensangelegenheit ist. Neben den einzelnen Spiel-, Sing- und Klingscharen, die als beste aus den Wettbewerben hervorgegangen waren und darum die Ehre hatten, die große Abschlußveranstaltung zu bestreiten, wirkte auch der Bannmusikzug des Bannes Innsbruck-Stadt mit, für den P[artei]g[enosse Sepp] Thaler den Stab führte, der auch einen von ihm selbst komponierten Walzer, der Motive aus dem bekannten Bodenseelied [‚Auf dem Berg so hoch da droben‘, Liederbuch Hellau, 1942, Nr. 198] benutzt, zur Uraufführung brachte. So verflogen den Mitwirkenden und den Gästen zwei Stunden wie im Fluge, ausgefüllt von Volksliedern, Ländlertänzen, Schuhplattlern, Jodlern, Blas- und Schrammelmusik. Höhepunkte aber waren die von allen Gruppen gemeinsam gesungenen Lieder, so das „Fein sein, beinanderbleiben“ [Hellau Nr. 182] und der aufrüttelnde Chor ‚Wir bauen der Freiheit ein sicheres Zelt‘. Daß aber nicht nur die Mitwirkenden untereinander, sondern mit ihnen auch die Zuhörer eine große Kameradschaft darstellten, wurde dadurch versinnbildlicht, daß zu wiederholtem Mal alle Anwesenden gemeinsam in die vertrauten Heimatlieder einstimmten, wie es besonders am Schluß des Abends beim Gesang des ‚Hellau‘ [‚Hellau! Miar sein Tirolerbuam‘, Liederbuch Hellau, 1942, Nr. 52] geschah.“

Zum Abschluss des Artikels (Innsbrucker Nachrichten 17. 7. 1943, S. 3) wird nochmals das ideologisch fundierte Engagement der Jugend herausgestellt, das sie für die Brauchtumsarbeit im Auftrag und Dienst der Partei zeigt:

„Dieser Brauchtumsabend als festlicher Abschluß der Volkskulturtage der Hitler-Jugend, gab noch einmal Rechenschaft über die Arbeit der vergangenen Monate und ließ dabei eine Leistungshöhe erkennen, auf die alle, die zu dieser erfreulichen Entwicklung beigetragen haben, stolz sein können, die aber auch ebenso gut für die Jugend unseres Gaues eine Verpflichtung darstellen muß, der Brauchtumsarbeit in der folgenden Zeit weiterhin mit größter Hingabe zu dienen, denn diese Brauchtumsarbeit als gestaltende Kraft unserer Heimat ist vor allem auch Aufgabe der jungen Generation, die auf diesem Gebiete für ihre eigene Zukunft schafft.“

Zuletzt werden noch die Sieger aus den Wettbewerben der Volkskulturtage bekannt gegeben. Bei den Jungmädelgruppen waren die Bregenzer Jungmädel erfolgreich, bei den BDM-Singscharen die Innsbrucker Gruppe, bei den gemischten Singscharen die Gruppe aus Kitzbühel.

Zur konsequenten Heranführung der Jugendlichen an die Kultur „hauptsächlich bodenständiger Art“ organisierten Kulturfunktionäre der Partei wie Fritz Engel regelmäßig kulturelle Veranstaltungen. Um diese Unternehmungen zu koordinieren wurde für die Saison 1942/43 im Zusammenwirken von Standschützenverband Tirol-Vorarlberg und Gebietsführung der Hitler-Jugend ein Veranstaltungsring gegründet. Die Initiative brachte beispielsweise einen Abend der Innsbrucker Spielschar mit der Devise Hitler-Jugend singt und spielt, eine weitere Veranstaltung, in deren Verlauf Gedichte Tiroler Autoren mit Volksliedern abwechselten, Konzerte des Kitzbüheler Kammerorchesters sowie Aufführungen einer Laienspielgruppe des Standschützenverbandes. Über eine umfangreiche Tournee des Collegium musicum, das ein für diesen Zweck typisches Programm mit gehobener Kunst aus deutscher Tradition im ersten Teil und Volksmusik im zweiten Abschnitt anbot, berichtet Fritz Engel als Initiator des Veranstaltungsringes in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. April 1943, Seite 3:

„Im Rahmen des Ringes hat nun auch der Fahrtenchor des Collegium musicum der Deutschen Alpenuniversität unter Leitung von Professor Dr. Wilhelm Ehmann eine Spielfahrt durch die Städte Kufstein, Kitzbühel, Innsbruck, Landeck, Feldkirch und Bregenz unternommen. Die aus Studenten und Studentinnen aller Fakultäten bestehende musizierende Gemeinschaft hatte sich die Aufgabe gestellt, Chor- und Instrumentalmusik aus der großen Innsbrucker Zeit Kaiser Maximilians mit ihrer für die große deutsche Musikkultur so bedeutungsvollen Schule der hier wirkenden Meister lebendig zu machen und darüber hinaus eine Brücke zu unseren einheimischen musikalischen Volkskunst zu schlagen. So brachte der erste Teil zunächst zwei Einleitungschöre dieser Zeit: ‚Nun fanget an ein guts Liedlein zu singen‘ von Hassler und ein Lied auf die Musik ‚O Musica, du edle Kunst‘ von Peuerl, die durch eine Einleitungsmusik von Telemann, gespielt von einem kleinen Streichorchester, ergänzt wurden. Von den folgenden Chorsätzen der Innsbrucker Meister Senfl und dem in Südtirol geborenen Leonhard Lechner fiel neben Lechners klangvollem und ausdrucksstarkem ‚Gott b’hüte dich‘ besonders das frisch bewegte, fröhliche ‚Ich soll und muß ein Buhlen han‘ durch seine sehr kunstvolle, vom Volkslied ausgehende Bearbeitung auf. Den Abschluß dieser Gruppe bildete das musikalisch wie textlich köstliche Ständchen eines Landsknechtes, der seine Liebste unter dem Fenster mit der Gitarre ansingt und ihr alle möglichen Versprechungen macht. Die Strophen wurden von Orlando di Lasso, der ebenfalls in jenem Jahrhundert in Innsbruck weilte, durchkomponiert und zu einer sehr wirkungsvollen, fünfsätzigen Chorvariation ausgebaut, in der die begleitenden Gitarrestimmen jeweils durch das immer wiederkehrende diri-diri-don-don angedeutet werden.

Daran schloß sich dann gleich der zweite Teil mit den Volksmusiken und Volksliedern unserer Zeit an, den der Direktor der Musikschule der Gauhauptstadt Innsbruck, Toni Grad, leitete. Eine Ländlervariation für Streicher von Karl Marx, Graz, über das Lied ‚Und jetzt gang i ans Petersbrünnele‘, gleichsam als Rätsel aufgegeben und dann von allen Anwesenden mitgesungen, bildete den beschwingten Auftakt. Im gemischten großen und kleinen Chor erklangen vertraute Weisen: ‚Auf tirolerischen Almen‘, ‚Und mit mein Dianei, da is a Kreuz‘, ‚Im Fruahjahr, wanns grean wird‘ und andere mehr. Einen nie versagenden Erfolg brachte die mit gebührender Andacht von einem Vorsänger und dem psalmodierenden Chor gehaltene Trauerfeier für das Alte Weiberl. Nach einer durch Holz- und Blechbläser belebten Volksmusik rundete sich der Abend mit dem berühmten Tonsatz des Innsbrucker Hofkapellmeisters Heinrich Isaac ‚Innsbruck, ich muß dich lassen‘.

Das Collegium musicum hat schon wiederholt gezeigt, daß es sich nicht auf die trockene Wiedergabe alter Musik beschränkt, sondern in richtiger Erkenntnis der gestellten kulturpolitischen Aufgaben wertvolles, lang verschüttetes Kulturgut mit Leben zu erfüllen und für unsere Zeit brauchbar zu machen vermag. Professor Dr. Ehmann hat sich mit seinem Chor und seinem Orchester ein Instrument geschaffen, auf dem er in allen Schattierungen spielen kann. So vermochte er insbesondere die Chöre in Sprache und Tongebung so eindrucksvoll zu gestalten, daß selbst die jugendlichen Zuhörer in den Bann dieser Kunst gezogen wurden. Dazwischen sang Gertraud Ebers zwei Liedkreise von Schubert und Mozart, die sie durch ihren gut gebildeten Sopran und ihre gesammelte Gestaltungskraft zu ansprechender Darstellung brachte. Die stets feinsinnige Begleitung führte Toni Grad am Flügel aus.

Nachmittag[s] musizierten die Studenten und Studentinnen in den Lazaretten und brachten den Verwundeten auch mit Soldatenchören und einer besonders abgestimmten Spielfolge viel Freude.“

Ebenfalls eine Unternehmung zur kulturellen Erziehung der Jugend mit dem ideologischen Auftrag, ihre nationale Identifikationsbereitschaft zu stärken, bildeten Lesungen mit regionalem Bezug. Unter dem Motto Von Grillparzer bis Wenter veranstalteten Mitglieder des Reichgautheaters, darunter Siegfried Süßenguth, Paul Schmid, Anton Starka, Berthe Waeber und Anny Fuchs im Auftrag der ParteiDichterabende im Rahmen des Veranstaltungsringes der Hitler-Jugend. Am 17. April 1943 gab es eine solche Veranstaltung in Kufstein, bei der „in abwechslungsreicher Vortragsfolge lyrische und dramatische Werke bedeutungsvoller Dichter aus zwei Jahrhunderten“ vorgestellt wurden (Innsbrucker Nachrichten vom 16. April 1943, Seite 5).

Dieselben Protagonisten brachten am 30. Mai 1943 den Jugendlichen in Landeck ein vermutlich erstes Erlebnis in der Begegnung mit nationaler Literatur (vgl. Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Mai 1943, Seite 4).

Auch die Hitler-Jugend selbst hatte in ihren Reihen Sing- und Spielgruppen, die sich aufgrund ihrer künstlerischen Qualität im Rahmen des Veranstaltungsrings präsentierten: So kamen auf Einladung der Gauhauptstadt am 8. Mai 1943 das HJ-Orchester und die BDM-Singschar des Bannes Kufstein mit insgesamt 40 Mitwirkenden für ein Konzert nach Innsbruck. Zu Programm und Leistungen der jungen Musiker informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 12. Mai 1943, Seite 4:

„Unter Leitung des Direktors der Kufsteiner Musikschule, Pg. Fritz Bachler, musizierte das Bannorchester der Hitler-Jugend und die BDM.-Singschar Kufstein in Innsbruck. Der im Rahmen des Veranstaltungsringes durchgeführte Abend brachte Musik für Streichorchester von Händel, Peuerl, Pleyel und Mozart, Liedsätze für dreistimmigen Mädelchor von Gluck, Schubert, Schumann usw., Klavierstücke von Schubert und Schumann und zum Abschluß die Kantate Wacht auf, wach auf [!] von H[erbert] Napiersky. Alle Darbietungen zeigten ein sehr beachtliches Können und haben, wie der Führer des Bannes Innsbruck-Stadt, Oberstammführer [Hermann] Pepeunig, abschließend ausführte, auch den Innsbrucker Spielscharen manche Anregung gebracht.“

Kulturelle Projekte der Hitler-Jugend dienten natürlich auch der Selbstdarstellung ihrer Funktion im Verbund ideologiefundierter Kulturdemonstration. Ein Feierabend für die Mütter auf der Festung Rattenberg im Frühsommer 1943, den Jungmädel und BDM aus Wörgl und die Singschar Söll-Leukenthal im Rahmen der Werbewoche für das BDM-Werk Glaube und Schönheit gestalteten, wird im Tiroler Volksblattvom 5. Juli 1943, Seite 4 folgende Sinngebung zugedacht:

„Schöne alte Volkslieder wechselten mit Abendgedichten großer deutscher Dichter und Tanzvorführungen der Mädel. So wurden die zwei Feierabendstunden allen zum Erlebnis, sie zeigten von dem Willen der Mädel, gerade im Krieg all die stillen Dinge zu hüten und zu wahren, die deutschem Wesen zu allen Zeiten Inhalt und Gepräge gegeben haben.“

Eine ähnlich national stimulierende Intention hatte wohl auch ein Abend für Mütter in Schwaz (Tiroler Landbote vom 9. Juli 1943, Seite 6):

„Kürzlich fand in Schwaz ein Abend des BDM.-Werkes Glaube und Schönheit statt, der bei den geladenen Müttern allgemein Beifall fand. In knapp zwei Stunden brachten die Mädel in bunter Folge Lieder, Tanz, Gymnastik und ein Laienspiel als Abschluß der gelungenen Veranstaltung, die von den flotten Weisen des HJ.-Bannorchesters umrahmt war. Die Leistungen der jungen Spiel-, Sing- und Tanzschar hat allgemein gefallen.“

Mit seiner „Jungen- und Mädelsingschar“ von Kitzbühel bot „Hauptgefolgschaftsführer“ Norbert Wallner ein Abendsingen im Landratshof Kitzbühel, dessen Ertrag dem Winterhilfswerk zugedacht wurde. „Kreisleiter Bereichsleiter“ Merath beehrte die Veranstaltung, die laut dem Tiroler Landboten vom 1. Oktober 1943, Seite 6, „den ungeteilten Beifall aller Zuhörer erntete“. Schon am Nachmittag war ein Auftritt im Reservelazarett in Kitzbühel erfolgt, „wo sich die Verwundeten über die ausgezeichneten Darbietungen der Jungen und Mädel, die in ihrer schmucken Heimattracht erschienen waren, herzlich freuten“.

Die 1941 initiierte Verpflichtungsfeier der Vierzehnjährigen auf den „Führer“ wurde 1943 wiederum in gleicher Weise begangen. Vom Jugendfest in der Gauhauptstadt bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 29. März 1943 auf Seite 3 einen anschaulichen Bericht, der mit seinen weitläufigen, ideologisch fundierten Erklärungen zum aufwändigen Zeremoniell auch im Sinn effizienter Propaganda wirken sollte. Über das Medium Zeitung konnten nämlich die Argumente des Festredners allgemeine Verbreitung finden.

„[…] In Innsbruck bildete der festlich geschmückte große Stadtsaal den feierlichen Rahmen für die Verpflichtung. Außer den Jungen und Mädeln waren deren Eltern und die Ortsgruppenleiter der Innsbrucker Ortsgruppen anwesend. Fanfarenruf leitete die Feierstunde ein. Dann erstattete der Führer des Bannes Innsbruck-Stadt, Oberstammführer [Hermann] Pepeunig, dem Kreisleiter, Bereichsleiter Pg. Dr. Primbs, die Meldung. Unter den Klängen eines Präsentiermarsches erfolgte der Einmarsch der Fahnen der Partei und ihrer Gliederungen. Ein Chor sang das Lied: ‚Wach auf, du deutsches Land‘ [Text und Melodie: Johann Walter (1496-1570); 1. Strophe im Liederbuch Die weiße Trommel, hrsg. v. Wilhelm Cleff, Potsdam: Voggenreiter 1934, 2. Auflage] und ein Sprecher mahnte an die Feierlichkeit der Stunde. Stehend wurde nun von den Jungen und Mädeln das Weihelied Heilig Vaterland gesungen.

Dann sprach der Kreisleiter. In eindringlichen Worten wies er darauf hin, daß sich die zu Verpflichtenden mit dem Eid, den sie nunmehr ablegen werden, dem nationalsozialistischen Deutschland und der Fahne Adolf Hitlers für alle Zeit verschreiben. Gerade nun, da das deutsche Volk im entscheidenden Kampf stehe, müsse die Jugend erst recht zur Fahne stehen und mit gläubigem und einsatzbereitem Herzen in die Zukunft schreiten. Vorbild und Ansporn seien ihr stets unsere Soldaten, die Leben und Sein zu jeder Stunde einsetzen, damit Deutschland endlich für immer seine Freiheit erlange. Die Jugend wird einmal das Erbe dieser Männer antreten und damit die verpflichtende Aufgabe übernehmen, dieser Männer würdig zu sein und das von ihnen Errungene mit reinen Händen weiterzutragen in die Zukunft. Mit Worten des Gedenkens für unsere toten Helden schloß der Kreisleiter seine Ausführungen. Die Weisen des Liedes vom guten Kameraden klangen durch den weiten Raum und ein Sprecher erinnerte an die Verpflichtung, die wir Lebenden den Toten gegenüber tragen.

Dann erfolgte die Verpflichtung der Vierzehnjährigen auf den Führer. Sie wurde vom Bannführer und von der Bannmädelführerin vorgenommen. Mit Handschlag gelobte jeder Junge und jedes Mädel allzeit seine Pflicht zu tun, in Liebe und Treue zum Führer und zu unserer Fahne. Jedem verpflichteten Jungen und Mädel – es waren über 500 – wurde als Andenken an diesen Ehrentag ihres Lebens ein Gedenkblatt überreicht, das den Namen des verpflichteten Jugendlichen und die Verpflichtungsworte enthält. Stehend sangen die Jungen und Mädel das Fahnenlied der Hitler-Jugend. Ein Chor stimmte das Weihelied an: ‚Wo wir stehen steht die Treue‘ [Text und Melodie: Hans Baumann (1914-1988)]. Mit der Führerehrung und den Liedern der Nation schloß die Feierstunde.

Kreisleiter Pg. Dr. Primbs war auch bei der Verpflichtungsfeier in Solbad Hall und in Lans zugegen. Hier wie in vielen anderen Ortsgruppen des Kreises Innsbruck wurden die Vierzehnjährigen aus mehreren Ortsgruppen zur gemeinsamen Verpflichtungsfeier zusammengezogen; sie legten den Weg dorthin auf festlich geschmückten Wagen zurück. Von den Feiern im Kreis Innsbruck ist noch die in Telfs veranstaltete besonders hervorzuheben. Der Führer des HJ.-Gebietes Tirol-Vorarlberg, Hauptbannführer Pg. Weber, sprach dort zu den Jungen und Mädeln.“

Alle Bestrebungen im Bereich der Jugendarbeit waren auf die Erziehung im Geist des Nationalsozialismus ausgerichtet, um die jungen Menschen kontinuierlich und konsequent in das Gefüge des Machtsystems einzugliedern. Mit der Fortdauer und Intensivierung des Krieges zielte neben der kultur-ideologischen Ausrichtung das verstärkte Bemühen in der Jugendarbeit darauf ab, die Jugendlichen auch für den Ernstfall eines Kriegseinsatzes praktisch wie mental vorzubereiten. Infolgedessen wurden die ursprünglich vor allem der sportlichen Ertüchtigung gewidmeten Übungen mehr und mehr zu einem militärischen Training umgewandelt. Mit einem eigens initiierten Tag der Wehrertüchtigung wurden dann die erworbenen kriegstechnischen Fertigkeiten in konzentrierter Form öffentlich zur Schau gestellt. Das Tiroler Volksblatt vom 8. September 1943 schildert auf Seite 3 unter der Schlagzeile „Bekenntnis der Jugend […] für den Endsieg“ diesen Tag der Hitler-Jugend in Kufstein:

„Schon am frühen Morgen zog die Hitler-Jugend mit frischem Gesang durch die Stadt. Ueberall sah man unsere Pimpfe, die zum Uebungsgelände nach Sparchen strömten, um dort den größeren Kameraden zuzusehen. Unterdessen fand in Sparchen die feierliche Flaggenhissung und Eröffnung des Tages der Wehrertüchtigung der Hitler-Jugend statt. Hauptstammführer Kaack verlas eine Botschaft des Reichsjugendführers und einen Aufruf des Stellvertretenden Befehlshabers im Wehrkreis XVIII, Generalleutnant v. Hoeßlin.

Sodann ging es auf das Uebungsgelände, wo unsere Jungen ihr Können im Geländedienst unter Beweis stellten. Das Anlegen von getarnten Feuerstellen, der Gebrauch des Spaten, Entfernungsschätzen, Meldungen und Zeltbau gehörten zu ihren Aufgaben. Ab 10 Uhr herrschte dann auf dem Sportplatz Hochbetrieb. Da war es besonders die Motor- und Nachrichten-HJ., die für ihre ausgezeichneten Leistungen die Anerkennung der Vertreter von Staat, Partei und Wehrmacht entgegennehmen konnten. Der Bau von Leitungen sowie die Nachrichtenübermittlung gehörte hier zu den Aufgaben der Nachrichten-HJ. Die Motor-HJ. bewies ihr Können besonders durch ausgezeichnete Geschicklichkeitsfahrten.

Auf dem Segelfluggelände in Niederndorf war die Flieger-HJ. angetreten. Nach der Meldung an den Führer des Bannes, Hauptgefolgschaftsführer [Anton] Katschthaler, konnte man den Dienstbetrieb unserer Segelflieger kennenlernen. Bereits am Morgen wurden die verschiedenen Prüfungen für den A- und B-Schein abgelegt, und auch am Nachmittag noch hatte man Gelegenheit, einige Uebungsflüge zu sehen. Auch unsere Modellbauer in den Modelbaugruppen des NSFK. [Nationalsozialistischen Fliegerkorps] führten ihre eigenen Modelle vor. Nur sehr ungern verließ man die tadellosen Vorführungen der Flieger-HJ., denen auch Kreisleiter Pg. [Hans] Ploner beiwohnte. Besonders anerkennend sind die Bemühungen des NSFK., einen guten fliegerischen Nachwuchs heranzubilden.“

Aus Propagandagründen wurde der Festakt der Schlusskundgebung in das Stadtzentrum verlegt:

„Fanfaren kündigten die Ankunft der Ehrengäste zur Schlußkundgebung des Tages der Wehrertüchtigung auf dem Adolf-Hitler-Platze an. Die Hitler-Jugend und das Deutsche Jungvolk hatten vor dem Hotel Egger Aufstellung genommen. Nachdem Obersturmführer Winkler dem Kreisleiter gemeldet hatte, erklang das Lied ‚Nur der Freiheit gehört unser Leben‘ [Text und Melodie: Hans Baumann, ca. 1934] als Auftakt dieser Feierstunde. Nach dem Gedicht Heut und morgen sprach Hauptstammführer Kaack zu der angetretenen Jugend. Er betonte unter anderem: Der Tag der Wehrertüchtigung geht nunmehr seinem Ende entgegen. Ihr habt am heutigen Tage euer Können unter Beweis gestellt, zugleich aber auch euren Willen, dem besten Soldaten der Welt bester Nachwuchs zu sein. Genau wie zu Beginn des Krieges kommt heute unsere Einsatzfreudigkeit und unser unerschütterlicher Glaube an den Sieg aus begeisterten Herzen. Wir unterstellen uns restlos der Parole: Einsatz für den Sieg! Der Kriegseinsatz der Hitler-Jugend, unser Landdienst, Werkarbeit, Heilkräuteraktionen, Straßensammlungen – vor allem aber unsere Wehrertüchtigung –, nicht zuletzt aber der Berufseinsatz von 6 Millionen Jugendlichen, sind somit zu einem lebendigen Begriff geworden. So ist die heutige Jugend zu einem entscheidenden Faktor in der Heimat geworden.

Und die Arbeit und der Kampf werden gerade zu Beginn des 5. Kriegsjahres noch härter und entschlossener sein. Nicht zuletzt, weil die deutsche Jugend weiß, daß der Kampf unserer Feinde in erster Linie der Vernichtung der deutschen Jugend gilt. Aus diesem Grunde werden wir auch kämpfen und schaffen bis zum Sieg. Und für dieses Ziel tragen wir eine tiefe Begeisterung in unseren Herzen, die in unserer Haltung und unserer Leistung zum Ausdruck kommt. Die deutsche Jugend legt in dieser Stunde das Bekenntnis ab: Wir werden weitermarschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heute, da hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.

Nach der Rede braust das Lied ‚Es zittern die morschen Knochen‘ [Text: Hans Baumann, 1932] über den Platz, als Bekenntnis der Jugend und als Zeichen, daß sie die Worte ihres Hauptstammführers verstanden hatten.“

Auf diese leidenschaftliche Rede des Jugendführers, die nicht nur den anwesenden Zuhörern, sondern durch ihre mediale Verbreitung auch der gesamten Bevölkerung die vielfältigen Aktivitäten der Jungendarbeit im Bereich der Heimatfront demonstrieren und ebenso Zuversicht verbreiten sollte, schloss sich die Ansprache des Kreisleiters Hans Ploner, die mit dem Leitspruch der SS „Unsere Ehre heißt Treue“ emotional kulminierte (Tiroler Volksblatt vom 8. September 1943, Seite 3):

„Und so wollen wir enger denn je zu unserem Führer stehen. Gerade die Jugend muß sich durch ihre vorbildliche Treue auszeichnen und stets daran denken, daß dieser Kampf nur für die Jugend geführt wird. Die vielen gefallenen Soldaten müssen der deutschen Jugend Vorbild sein. Und wenn ihr am heutigen Tage der Wehrertüchtigung das Bekenntnis abgelegt habt, auf eurem Platz weiterhin eure Pflicht zu erfüllen, dann soll dieses Bekenntnis zur Verpflichtung werden im Geiste der gefallenen Helden dieses großen Ringens, die wir in dieser Stunde grüßen.“

In Kufstein folgte nun die „Heldenehrung unter den Klängen der Heldenorgel“. Dabei beschwor Kreisleiter Hans Ploner seine Zuhörer mit der emphatischen Feststellung, daß diese Helden nicht umsonst gefallen seien und leitete daraus die Verpflichtung unbedingter Gefolgschaftstreue ab:

„Wir werden kämpfen und leben, wofür sie gefallen sind, und uns durch besondere Treue auszeichnen. Treu sein in guten Tagen kann jeder, treu sein in harten Kampfjahren, das ist der Stolz der Besten. Auch im fünften Kriegsjahr wird die schärfste Waffe in der Hand des Führers die Treue der Nation sein, ihre Härte und ihr glühender Glaube. Mit diesem Bekenntnis grüßen wir unseren Führer.

Mit dem Gruß an den Führer und dem Lied der Jugend ‚Vorwärts, vorwärts!‘ endete die Feierstunde und Schlußkundgebung auf dem Adolf-Hitler-Platz.“

Unter der Fragestellung „Was leisten die Wehrertüchtigungslager der Hitler-Jugend?“ klären die Innsbrucker Nachrichten vom 4. September 1943 auf Seite 3 allgemein über diese neue Initiative zur „Stärkung der Wehrfreudigkeit und Einsatzbereitschaft“ auf:

„Zum ersten Male wird in diesen Tagen der Tag der Wehrertüchtigung durch die Hitler-Jugend durchgeführt. In den meisten Kreisstädten unseres Gaues finden, wie schon kurz berichtet, am Samstag, den 4. und Sonntag den 5. September wehrsportliche Veranstaltungen unserer Jugend statt. Sie gewähren der Oeffentlichkeit einen Einblick in die vormilitärische Ertüchtigung der deutschen Jugend […]. Seit Kriegsbeginn ist natürlich eine der wichtigsten Aufgaben der Hitler-Jugend die Wehrertüchtigung, die Vorbereitung des deutschen Jungen zum Wehrdienst. Sie beginnt beim Pimpfen mit Sport, Spiel und Luftgewehrschießen und findet in den Einheiten der 14- bis 18jährigen Hitler-Jugend ihre Fortsetzung bei der Gelände- und Schießausbildung mit dem Kleinkalibergewehr.

Ihren Höhepunkt und Abschluß erreicht die Wehrertüchtigung des ältesten Jahrganges der Hitler-Jugend in den auf Befehl des Führers seit nunmehr über einem Jahr errichteten Wehrertüchtigungslagern in allen Gauen Großdeutschlands und damit selbstverständlich auch im Gau Tirol-Vorarlberg. In unserem Gau befinden sich zwei Wehrertüchtigungslager der Hitler-Jugend, das eine in Maurach und das andere in Buchau am Achensee. Ein drittes Wehrertüchtigungslager in Tirol-Vorarlberg ist derzeit im Entstehen […].“

Die vormilitärische Ausbildung umfasste überdies eine „weltanschauliche Schulung“, wobei die Jugendlichen von Parteirednern mit dem „Gedankengut des Nationalsozialismus“ vertraut gemacht wurden. „Auch Singen wird fleißig geübt, vor allem beim Marschieren.“


Wehrertüchtigung


Film


Beim Tag der Wehrmacht am 4. September 1943 konnte die Hitler-Jugend ihre erworbenen Fertigkeiten öffentlich zur Schau stellen. In Innsbruck wurde dabei als Attraktion zum Beispiel ein Sturmbootfahren vorgeführt, das eine große Menschenmenge interessiert verfolgte, bei musikalischer Untermalung: „Der Musikzug des Bannes Innsbruck-Stadt ließ im Walterpark flotte Märsche erklingen.“ Am Sonntag, dem 5. September 1943, wurde die Präsentationen am Flugplatz in der Reichenau mit Vorführungen der Flieger-, Nachrichten- und Motor-HJ fortgesetzt. „Auch hier zeigte sich der hohe vormilitärische Ausbildungsstand der Jungen, der vor allem das große Interesse und den Beifall der in großer Zahl bei den Uebungen anwesenden Offiziere der Wehrmacht fand. Der ganze Sinn der vormilitärischen Erziehung der Hitler-Jugend ist es ja, der Wehrmacht bestens vorbereitete junge Jahrgänge zuzuführen, ein Bestreben, dem die Wehrmacht stärkste, tatkräftige Förderung und unausgesetztes Interesse entgegen bringt.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 6. September 1943, Seite 3).

Zum Zweck einer garantiert vollständigen Erhebung aller Jugendlichen wurde für das Jahresende 1943 eine „Erfassung der gesamten deutschen Jugend“ angesetzt, die man in den einzelnen Bannen mit entsprechender Gründlichkeit realisierte. „Die Bannkarteikarten bilden als Einsatzkartei für den Kriegseinsatz der Hitler-Jugend die Unterlage für die Einberufung zu den Wehrertüchtigungslagern, den örtlichen Kriegseinsatz, die Abstellung zu Schnellkommandos der Polizei und den Einsatz als Luftwaffenhelfer. Ohne Erfassung der Jugend kann aber auch keine lückenlose Führung und Betreuung und Spezialausbildung erfolgen. Im Kampf gegen den Luftterror hat die Hitler-Jugend gezeigt, daß sie gerade auch mit ihren Spezialgruppen wirksam helfen kann. Wer das alles bedenkt, der wird die öffentlichen Aufrufe, die in diesen Wochen an den Litfaßsäulen kleben, richtig würdigen. Sie rufen die Jugendlichen zu den Jugendappellen der Hitler-Jugend und damit zur Meldung für den totalen Kriegseinsatz.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 25. Oktober 1943, Seite 4).

Wie sehr sich die verschiedenen Schießveranstaltungen, die Orts- und Kreisschießen im Gaugebiet auf die Leistungsfähigkeit der heimischen Jungschützen auswirkten, zeigen die Ergebnisse beim 7. Reichsschießwettkampf der HJ, bei dem in den Gruppenwettkämpfen die Jugendlichen des Gaus Tirol-Vorarlberg als „überlegen Sieger“ hervorgingen. Die Veranstaltung wurde am 9. Oktober 1943, „Samstag früh“, am Hauptschießstand in Innsbruck aufwändig eröffnet (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Oktober 1943, Seite 3). „40 Gebiete“ der Hitler-Jugend aus dem ganzen Reichsgebiet stellten mit ihren Mannschaften das Teilnehmerfeld. Die Mitwirkenden „am Reichsschießwettkampf und am Pistolenkampf des Führerkorps hatten in einem großen, offenen Viereck vor dem Hauptschießstand Aufstellung genommen“. Die Eröffnungszeremonie beehrten neben höchsten lokalen Parteifunktionären wie Gauleiter Hofer und sein Stellvertreter Parson auch NS-Größen des Reiches, etwa SS-Obergruppenführer Sepp Dietrich oder SA-Gruppenführer Karl Erwin Haas. „Nach der Meldung der angetretenen Wettkampfteilnehmer durch Oberbannführer Pastor der Reichsjugendführung an den Gauleiter hieß dieser die Jungen herzlich willkommen und forderte sie auf, als junge Garde des Führers in ritterlichem Wettstreit ihr Können zu beweisen. Durch gesteigerte Wehrertüchtigung hat heute die deutsche Jugend ihren Beitrag zum Endsieg zu leisten.“

Nach der feierlichen Zeremonie zum Beginn des HJ-Schießwettkampfes, die mit den „Liedern der Nation“ beschlossen wurde, traf am 9. Oktober 1943 gegen Mittag Reichsjugendführer Artur Axmann im Gau Tirol-Vorarlberg ein. Er wurde an der Gaugrenze in Scharnitz vom Innsbrucker Kreisleiter Dr. Max Primbs in Vertretung von Gauleiter Hofer und vom Gebietsführer Tirol-Vorarlberg, Hauptbannführer Otto Weber, empfangen. Am Nachmittag informierte sich Reichsjugendführer Axmann über den Verlauf der Veranstaltung am Hauptschießstand. Anschließend begab er sich zum Schießstand an der Thaurer Mure, wo die Teilnehmer am Reichsschießwettkampf, die bereits ihre Disziplinen am Hautschießstand erfüllt hatten, mit dem Wehrmachtsgewehr den Wettbewerb fortsetzten. Die Innsbrucker Nachrichten vom 11. Oktober 1943 heben auf Seite 3 das für den Gau so erfreuliche Wettkampfresultat im Fettdruck hervor: „Die Ergebnisse der deutschen Jungschützen des Gaues Tirol-Vorarlberg erwiesen sich als überragend. Nicht nur, daß unsere Jungen in den beiden Mannschaftskämpfen mit 1784 Ringen im Reichsschießwettkampf und 2105 Ringen im KK. [Kleinkaliber]-Schießen sich als überlegene Sieger zeigten, belegten sie auch in den Einzelkämpfen durchwegs zweite und dritte Plätze […].“

Norbert Wallner inszenierte als lokalpatriotischen Kulturevent zum gemütvollen Abschluss des ersten Schießwettkampftages im Großen Stadtsaal in Innsbruck einen Brauchtumsabend. Stolz führte er den Gästen aus dem gesamten Reichsgebiet das hohe kulturelle HJ-Ausbildungsniveau des Gebiets Tirol-Vorarlberg in seiner ganzen Vielseitigkeit vor Augen (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Oktober 1943, Seite 3):

„Hauptgefolgschaftsführer Norbert Wallner hatte diesen Abend ‚Unterm Erntekranz‘ mit Sing-, Spiel- und Volkstanzgruppen aus allen Bannen des Gaues Tirol-Vorarlberg gestaltet und sprach selbst die verbindenden Worte. Im bunten Reigen wechselten Lied, Tanz und Spiel unserer Heimat, dargeboten von unseren Jungen und Mädeln in ihren schönen Trachten. Sie zeigten die Verbundenheit zur bäuerlichen Art und ihren Kulturgütern, die gerade unserem Berggau besonders zu eigen ist. Der Ernst, der darin liegt, schwang als Grundton durch die Fröhlichkeit des ganzen Abends, der mit zwei Sätzen des Landdienstliedes, das Norbert Wallner nach Worten von Stammführer Wendlik selbst vertont hatte, ausklang und zu einem Bekenntnis der Treue zu unserer Bergheimat und damit zum ganzen großdeutschen Vaterland wurde.“


Film


Um das Naheverhältnis von Wehrmacht und Hitler-Jugend zu demonstrieren und aus Propagandagründen wurde im Rahmen der AusstellungBergvolk-Soldatenvolk (vgl. unten Kapitel Ausstellungen) am 12. Dezember 1943 ein eigener Tag der Hitler-Jugend abgehalten. Im Mittelpunkt stand eine Feierstunde vor dem Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Berg Isel, wobei eine Offiziersabordnung des „Innsbrucker Hausregiments“ der Hitler-Jugend des Gaues Tirol-Vorarlberg Beutestücke als Symbole der Verbundenheit übergab, die das Regiment in „seinen siegreichen Kämpfen im höchsten Norden erobert hatte“. Die Überreichung wurde zu einem beeindruckenden Ereignis hochstilisiert, das einerseits die Jugendlichen emotional ergreifen und verpflichten, andererseits durch eine ausführliche Darstellung in den Medien für Propagandazwecke überaus wirksam werden sollte.

„Im weiten Viereck um das Denkmal waren eine Ehrenkompanie der Gebirgsjäger mit Fahne und Musikkorps und die Marschblocks der Hitler-Jugend mit dem Musikzug des Bannes Innsbruck-Stadt angetreten, als der Stellvertretende Gauleiter Befehlsleiter Pg. Parson, der Stellvertretende Befehlshaber im Wehrkreis XVIII und Standortälteste Generalleutnant von Faver du Faur, Ritterkreuzträger Generalmajor Jais (München) und der Führer des HJ.-Gebietes, Oberbannführer Pg. Weber, mit zahlreichen Ehrengästen eintrafen und auf der vierten Seite des Vierecks Aufstellung nahmen. Vor dem Denkmal standen Hitlerjungen mit Fanfaren, deren Klänge die Feierstunde einleiteten.

Nach Entgegennahme der Meldungen und dem Abschreiten der Fronten durch den Stellvertretenden Befehlshaber und den Stellvertretenden Gauleiter lösten das Musikkorps der Wehrmacht mit dem Kaiserjägermarsch und die Hitler-Jugend mit Kampfliedern und Sprechvorträgen einander ab.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 3).

Als erster Redner kam Generalmajor Maximilian Jais zu Wort. Er betonte in seiner Ansprache die „Verbundenheit der Kampftruppe mit der Jugend“ und verwies die Jugendlichen auf das Vorbild der Soldaten.

Generalmajor Jais „schilderte den Heldenkampf des Regimentes, auf das die Jugend des Gaues stolz sein könne und dem sie dankbar sein müsse, denn getreu den großen kämpferischen Traditionen und würdig der großen Freiheitshelden der Vergangenheit habe sich das Regiment durch Kampfgeist, Wagemut und Draufgängertum aufs höchste ausgezeichnet. Mit dem Geschenk des Regimentes sei der unausgesprochene Wunsch verbunden, daß die Jugend dieses Gaues auch weiterhin in die Reihen dieses Regimentes oder überhaupt der Gebirgstruppe treten möge […].“

Ein Offizier der Frontdelegation, Leutnant Mößmer, übergab darauf dem Führer des HJ-Gebietes, dem Parteigenossen Otto Weber, offiziell das Geschenk der Wehrmacht, nämlich die Fahne eines sowjetischen Garderegimentes und eine Anzahl sowjetischer Waffen. Der HJ-Führer erwies seinen Dank, nachdem er „mit ehrenden Worten“ insbesondere der Gefallenen aus Kreisen der Hitler-Jugend gedachte, mit dem Versprechen, „daß es nach dem Siege für die Hitlerjungen des Gaues Tirol-Vorarlberg einmal die höchste Auszeichnung sein werde, die Schlachtfelder der Gebirgstruppe als Gedenkstätten besuchen zu dürfen“. Ferner gab er die Versicherung ab, „daß auch die Hitler-Jugend dieses Gaues alles daran setzte, durch ihren Kriegseinsatz in das deutsche Soldatentum hineinzuwachsen; sie stelle die besten Jungschützen des Reiches und leiste auf ihren Bergfahrten wirkungsvolle Ausbildungsarbeit für die Gebirgstruppe. Ihre wichtigste und entscheidendste Aufgabe erblicke sie jedoch in der geistigen Erziehung der Jugend zu fanatischem Glauben und Kampfwillen […].“ (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 3).

Freilich gab es auch bei den Mädchen in der Hitler-Jugend Änderungen in der Ausbildung und den Aktivitäten, die man auf die Kriegserfordernisse hin verlagerte. Die Innsbrucker Nachrichten vom 15. September 1943 bringen dazu mit dem Titel „Sommerferien voll Arbeit und Leistung“ auf Seite 3 einen informativen Artikel, der vermutlich zentral von der Jugendführung herrührte und vor allem der Propaganda diente:

„Wenn unsere Mädel in früheren Jahren mit den Vorbereitungen für die Sommermonate begannen, so gehörten dazu Landkarten, Fahrpläne und das Jungendherbergenverzeichnis. Doch dem trauert heute kein BDM.-Mädel mehr nach, ihre Gedanken sind durch die Kriegserfordernisse auf ganz andere Dinge gerichtet. Ferien haben, das bedeutet heute Zeit und Möglichkeit zu erhöhtem Einsatz. Ueber das Maß der alltäglichen Pflichten hinaus helfen dürfen, ist in diesem Kriegssommer das Ziel und der Stolz der BDM.-Mädel unseres Gaues gewesen.

Uebersehen wir kurz die Leistungen der Innsbrucker Mädel. Es war nicht so wesentlich, wo man das schönste und größte Lager durchführen konnte, sondern es kam darauf an, möglichst viele Mädel dort unterzubringen, wo sie dringend gebraucht wurden. So arbeitete z. B. im Gauverlag, vor allem als Zeitungsausträgerinnen, eine ganze Reihe von Mädeln und BDM.- und JM.-Führerinnen. Sie ermöglichten dadurch, daß auch in diesem Jahr die Frauen, die sonst diese Arbeit leisteten, ihren wohlverdienten Jahresurlaub erhielten. Aehnlich war die Hilfe bei der Reichspost. Vielen Innsbruckern ist es aufgefallen, daß schon in den ersten Ferientagen Briefpost und Zeitungen von BDM.-Mädeln zugestellt wurden. Es ist der besondere Stolz der Mädel, daß Reichspost und Gauverlag auf Grund ihrer guten Bewährung weitere Aushilfen von der Bannmädelführung erbeten haben. Viele Mädel arbeiteten im Lazarett, wo sie ihren Einsatz verlängerten, weil sie sahen, wie nötig ihre Hilfe war. Als Familienhilfe, d. h. zur Unterstützung im Haushalt kinderreicher Familien und auch in Gärtnereien war eine Reihe von Mädeln viele Stunden und Nachmittage tätig. Wie immer, stellten sich die Mädel den NSV.-Kindergärten zur Verfügung. Auch Ernteeinsatz wurde wieder geleistet, jedoch - im Gegensatz zu dem Großaufgebot der vergangenen Jahre – nur in beschränktem Umfange. Wenn man die Gesamtleistungen der Innsbrucker Mädel und Führerinnen überblickt, ergibt sich nicht nur eine beachtliche Zahl von vielen tausend Arbeitsstunden, sondern auch die frohe Gewißheit, daß die junge Generation ganz selbstverständlich und beherzt die Aufgaben anpackt, die der Augenblick stellt.

Ganz ohne Lager, die erzieherisch und als Erlebnis für die Mädel und Jungmädel von besonders großer Bedeutung sind, verlief der Sommer natürlich nicht. Jungmädellager fanden in Imst, am Nockhof, auf der Riegenhütte, in Schattwald, in St. Anton, in Kronburg und in Eben (Achensee) statt. Als Ziel war den Lagern die Erringung des Jungmädel-Leistungsabzeichens gesteckt, außerdem ein erhöhter Einsatz beim Kräutersammeln und in der Herstellung von Spielsachen durch Werkarbeit. Die Jungmädelsingschar hatte ihre Sommerlager, das arbeitsmäßig den Mädeln sehr viel Anregung brachte, am Walchsee, die Jungmädelspielschar auf der Riegenhütte. Die Ergebnisse der kulturellen Arbeit sollen in den demnächst zu veranstaltenden Kindernachmittagen zutage treten. Der weltanschaulichen und politischen Schulung dienten vor allem die Ausbildungslager für die Jungmädel- und Mädelführerinnen-Anwärterinnen in Adlerspoint und Schattwald. Auf der Adolf-Pichler-Hütte waren unter fachkundiger Führung die Mädel zu einem Lager zusammengefaßt, die sich bergsteigerisch betätigten und auf diesem Gebiet noch manches dazulernen wollten.

Wenn die Mädel jetzt am Ende der Ferien zurücksehen, sind sie überzeugt, daß sie mindestens ebenso schön waren als zu der Zeit, da man die Sommermonate ganz zur freien Verfügung und zum Vergnügen hatte. Viel Neues und Unbekanntes haben unsere Mädel durch ihre Arbeit gesehen und erlebt, vor allem aber haben sie gelernt, mit Hand anzulegen und zuzupacken, auch wenn es manchmal nicht ganz leicht ist. Stolz und glücklich sehen sie jetzt auf ihre Kriegseinsatzkarten, die ihnen die Bestätigung für ihre Dienstleistung und das Bewußtsein geben, in großer Zeit ihren kleinen Teil beigetragen zu haben, so gut sie es nur vermochten.“


Details


Die 17- bis 21-jährigen Mädchen waren als Teilorganisation Glaube und Schönheit in der Hitler-Jugend zusammengefasst. Sie sollten auf ihre kommenden Aufgaben als Mutter und gute Nationalsozialistinnen mit Vorbildwirkung in der Erziehung ihrer Kinder vorbereitet und geschult werden (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Juni 1943, Seite 4):

„Es sind dies vor allem die Arbeitsgemeinschaften, in denen sich die Mädel das Rüstzeug für ihre spätere Aufgabe als Frau und Mutter erwerben, wie Hauswirtschaft, persönliche Lebensgestaltung, gesunde Lebensführung, für die Mädel am Lande bäuerliche Berufsertüchtigung. Damit versucht das BDM.-Werk Glaube und Schönheit auf die vielfältigen Interesen der 17- bis 21jährigen Mädel einzugehen, sie in ihrer Entwicklung zu fördern und in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Das Mädel im BDM.-Werk soll sich aber auch bewußt bleiben, daß es einer Gemeinschaft angehört, die eine politische Aufgabe zu erfüllen hat. Deshalb findet neben den fachlichen Schulungen in den Arbeitsgemeinschaften auch eine politische und weltanschauliche Schulung der Mädel an je einem Abend im Monat statt.“

Natürlich wurden die Mädchen des BDM-Werks Glaube und Schönheit ebenso für kriegsnotwendige Arbeiten herangezogen. Dazu zählten „Nachbarschaftshilfe in Stadt und Land“, die Arbeit in Flickstuben, Einsätze im Lazarett, in Dienststellen der Partei und des Staates, Kräuter- und Beerensammelaktionen sowie die Mithilfe bei bäuerlichen Erntearbeiten.

Im Rahmen einer Werbewoche stellte sich das BDM-Werk Glaube und Schönheit vom 21. bis 27. Juni 1943 in allen größeren Standorten des Gaugebietes in der Vielseitigkeit seiner Tätigkeiten vor und auch, „um der Oeffentlichkeit zu zeigen“, was die Mitglieder an „ihren Gemeinschaftsabenden erlernt und erarbeitet haben“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Juni 1943, Seite 4).


Details

Erneut wurde im Jahr 1943 die Weihnachtsaktion zur Herstellung von Spielzeug für sozial benachteiligte Kinder durch die HJ durchgeführt. Im Unterschied zum Vorjahr, wo man diese solidarische Unternehmung vor allem im städtischen Bereich durchführte, kam diesmal die HJ verstärkt in den Landgemeinden zum Einsatz. Die Grundsätze der Initiative sind daher im Tiroler Volksblatt, der Zeitung für die Landbevölkerung, vom 22. Oktober 1943 auf Seite 4 dargelegt:

„Für Weihnachten 1943 wurde die Spielzeug-Werkarbeit der Hitler-Jugend als Kriegseinsatz erneut aufgenommen. Sie ist gegenwärtig in vollem Gange. Der Reichsjugendführer hat bestimmt, daß jeder Junge und jedes Mädel mindestens drei sorgfältig ausgearbeitete Spielzeuge für die Weihnachtsmärkte der Hitler-Jugend abzuliefern haben. Das Ziel ist, jedem deutschen Kinde ein Spielzeug als Weihnachtsgeschenk auch im Kriege zu sichern.

Bei der Herstellung des Spielzeuges, der sich die Jungen und Mädel der Hitler-Jugend während der HJ.-Dienststunden oder in ihrer Freizeit widmen, wird nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Gestaltung der Arbeiten geachtet. Auch die Jugend in den Betrieben, in den KLV. [Kinderlandverschickungs]-Lagern und im Landdienst ist an diesem weihnachtlichen Kriegseinsatz beteiligt. Für das Jahr 1943 wurden die Preise der Spielzeuge beträchtlich gesenkt und Versteigerungen überhaupt verboten. Die Verkaufsregelung durch Abstempelung der Kleiderkarte hat sich allgemein gut bewährt.

Während im Vorjahre das Schwergewicht der Weihnachtsmärkte an zentralen Orten lag, werden in diesem Jahre auch die Randgebiete berücksichtigt werden. Für die Dorfbevölkerung wird der Spielzeugverkauf im Anschluß an die Dorfabende erfolgen. In die von der Umquartierung betroffenen Luftnotstandsgebiete fallen die Weihnachtsmärkte schon in den November. Die Eltern erhalten so Gelegenheit, die eingekauften Spielzeuge rechtzeitig mit den Weihnachtspaketen an ihre Kinder zu schicken. Für ausreichende Belieferung ist Sorge getragen. Um auch denjenigen Gebieten und Städten zu helfen, die wegen der Luftgefährdung nicht in der Lage sind, ihren Bedarf zu decken, werden Patengebiete in verschiedenen Reichsteilen Spielzeug an dieses Bezirke abgeben.“

Gewissermaßen als Anregung und Aufruf zum Wettbewerb veröffentlichten die Innsbrucker Nachrichten vom 29. Oktober 1943 auf Seite 3 die Erfolgszahlen des Vorjahres:

„Für Weihnachten 1943 wurde die Spielzeugwerkstatt der Hitler-Jugend – die im Vorjahr mit rund 8,5 Millionen Spielzeugen bereits ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielte – als Kriegseinsatz erneut aufgenommen […]. Besondere Merkblätter der Hitler-Jugend dienen als Arbeitsrichtlinien für erzieherisch geeignete Spielzeuge […]. Für die Durchführung der diesjährigen Aktion sind dabei schon die Erfahrungen von Bedeutung, die während des vorjährigen Einsatzes gesammelt wurden. Damals war die Oeffentlichkeit mit dem HJ.-Spielzeugwerk durch 7000 Weihnachtsmärkte und 15.000 Ausstellungen bekannt geworden. Aus vorliegenden Meldungen kann eine geschätzte Summe von 11 Millionen Reichsmark als Verkaufserlös genannt werden. Mit der Reichs-Straßensammlung zusammen sind rund 33 Millionen Reichsmark aus diesem Jugendeinsatz dem Kriegs-Winterhilfswerk zugeflossen […].“

Die von der HJ hergestellten Spielsachen wurden auf eigenen Märkten vertrieben. Als Werbemaßnahme für den Verkauf bringt das Tiroler Volksblatt vom 8. Dezember 1943 auf Seite 3 diesbezügliche Information:

„Am 11., 12., 13. und 14. Dezember findet in der Aula der Oberschule in Kufstein eine Ausstellung der Spielsachen statt, die von der Hitler-Jugend in monatelangem Einsatz gebastelt wurden. Anläßlich der Straßensammlung wird ein Teil des gebastelten Spielzeuges in verschiedenen Ortsgruppen zugunsten des Kriegs-Winterhilfswerkes verkauft.

Die Mädel verkaufen in Kufstein an Marktständen auf dem Adolf-Hitler-Platz Samstag, den 16. Dezember, von 12 bis 16 Uhr, und Sonntag, den 17. Dezember, ab 9 Uhr.

Damit jedem Volksgenossen die Möglichkeit gegeben ist, einem Kinde eine Weihnachtsfreude zu bereiten, wird auf die Haushaltskarte am Samstag je Person 1 Spielzeug abgegeben. Wenn der Vorrat ausreicht, wird am Sonntag auch ohne Haushaltskarte noch Spielzeug verkauft.
Am 18. und 19. Dezember wird ferner in folgenden Ortsgruppen ein Spielzeugmarkt abgehalten: Brixlegg, Ellmau, Kirchbichl, Kundl, Niederndorf, Rattenberg, Wörgl.“

Von der Eröffnung der Spielzeugausstellung in Kufstein berichtet das Tiroler Volksblatt vom 13. Dezember 1943 auf Seite 3 ausführlich, um das solidarische Unternehmen entsprechend zu würdigen:

„Die deutsche Spielzeugindustrie mußte sich zum größten Teil auf kriegswichtige Fertigungen umstellen; dadurch ergab sich für die Eltern das schwierige Problem: was schenke ich meinen Kindern zu Weihnachten? Für größere Kinder und für Jugendliche war es immerhin möglich, ein schönes Buch oder ein sonst wie nützliches Geschenk bereitzustellen, für die Kleinen aber sorgten wie in den Vorjahren die Hitler-Jugend und zum Teil verwundete Soldaten, die beide in vielwöchigen Basteleien das erforderliche Spielzeug schufen.

Am gestrigen Sonntag [12. Dezember 1943] wurde in der Aula der Oberschule in Kufstein die Spielzeug-Ausstellung der Hitler-Jugend und die einer Genesenden-Kompanie der Wehrmacht in Kufstein und Wörgl im Beisein des in Vertretung des dienstlich auswärts weilenden Kreisleiters erschienenen Kreisstabamtsleiters und k.-Ortsgruppenleiters Pg. Schwarz feierlich eröffnet. Der Führer des Bannes Kufstein der Hitler-Jugend Hauptgefolgschaftsführer Insam und Bannmädelführerin Liesl Matthes sowie ein Offizier der ausstellenden Genesenden-Kompanie begrüßten den Kreisstabsamtsleiter sowie die übrigen Vertreter der NSDAP. und der ihr angeschlossenen NS.-Volkswohlfahrt, den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Kufstein Pg. Reisch und die zur Eröffnung erschienenen Volksgenossen. Mit Liedern und Sprüchen schuf die Singschar der Hitler-Jugend richtige Vorweihnachtsstimmung. Ein HJ.-Führer erklärte in einer kurzen Ansprache den Zweck der Spielzeugbasteleien und die Freude, mit der Pimpfe und Jungmädel, Hitlerjungen und BDM.-Mädel am Werk waren, als dessen Ergebnis der Bann über 6500 Spielzeuge aufweisen kann, die für alle deutschen Kinder bestimmt sind. Er betonte, berücksichtigt werden vor allem Kinder eines vom feindlichen Bombenterror heimgesuchten und jetzt von Kufstein betreuten westdeutschen Gaues, ferner die Kinder von der NS.-Volkswohlfahrt betreuten Familien sowie alle anderen Kinder des Kreises Kufstein. Außerdem wird jedem am 24. Dezember nach Kufstein kommenden Urlauber der Wehrmacht ein Spielzeug überreicht, das er seinem Kinde als Weihnachtsgeschenk mitbringen kann. Der Kreisstabsamtsleiter dankte hierauf der Hitler-Jugend und den Verwundeten für ihren vorbildlichen Arbeitseinsatz, wies unter anderem auf die Schwierigkeiten hin, die sich sicherlich bei der Herstellung der Spielzeuge ergeben haben, und nahm diese in die Obhut der NSDAP. Anschließend besichtigten der Kreisstabsamtsleiter und die Gäste die Ausstellungen.

Ein Rundgang durch die HJ.-Ausstellung zeigte, daß es sich ausnahmslos um hochwertiges Spielzeug handelt, das in mühevoller Handarbeit formschön, zweckentsprechend und wunschgemäß hergestellt wurde. Es ist ja klar, daß die Jugend Spielzeug-Wünsche am besten kennt, und so schuf sie eben das Spielzeug, das sie sich selbst noch vor wenigen Jahren sehnsüchtig gewünscht hatte. Alle Kinderwünsche, die sich nur irgendwie erfüllen ließen, wurden berücksichtigt, und so entstanden wahre kleine Kunstwerke, aus denen der gesunde Geist der Jugend und deren innerer Drang zur Volksgemeinschaft und zur engeren Heimat spricht. – Inmitten des Saales bastelte eine kleine Gruppe von Jungmädeln, es war dies gut so, denn man kann bei der Besichtigung des Spielzeugs kaum glauben, daß diese kleinen Herrlichkeiten von Kindern geschaffen wurden nach Anleitung und Beratung ihrer Führer und Führerinnen.

In einem anderen Raum ist das von einer Genesenden-Kompanie aus Kufstein und Wörgl gebastelte Spielzeug ausgestellt. Auch hier ist vor allem an jedem einzelnen Stück die große Freude zu erkennen, mit der die Verwundeten bei der Anfertigung gearbeitet haben. Die Dankbarkeit der Heimat, mit der sie die Verwundeten umgibt, wird in den Herzen unserer Soldaten zu einer tiefen Liebe zur Heimat, die sie mit ihrem Blute verteidigt haben. Und diese Liebe läßt unsere verwundeten Soldaten zum Weihnachtsmann unserer Kinder werden, während ihre Kameraden an der Font die Heimat schützen, damit es ihr möglich ist, Weihnachten zu feiern.

So haben die Jugend der Heimat und Soldaten der Front im gleichen Sinne gearbeitet, um den deutschen Kindern und damit auch den Eltern das Siegesfest des Lichtes über die Mächte der Finsternis, das Fest der ewigen Wiedergeburt, das deutsche Weihnachtsfest, schön und glückhaft zu gestalten.

Die Ausstellung bleibt zur freien Besichtigung von Montag bis Mittwoch in der Zeit von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Der freie Verkauf des Spielzeugs findet in Kufstein am kommenden Samstag von 13 bis 16 Uhr und nach Maßgabe noch vorhandener Stücke am Sonntag [19. 12. 1943] ab 9 Uhr an Ständen auf dem Adolf-Hitler-Platz gegen Vorweis der Haushaltskarte statt. Der Erlös des Verkaufs fließt zur Gänze dem Kriegs-Winterhilfswerk zu.“

Eine Werbeinformation zum Weihnachtmarkt der Hitler-Jugend in Innsbruck erschien in den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Dezember 1943 auf Seite 3:

„Die Innsbrucker Hitler-Jugend hat den Verkauf der Spielwaren, die von den Jungen und Mädeln hergestellt worden sind, in Verkaufsräumen aufgenommen, die im Gebäude des Verkehrsamtes, Burggraben Nr. 3, untergebracht sind und durch den stolzen Firmentitel Pimpf & Co. die Herkunft der Waren bezeichnen, die von dort hinausgehen sollen, um Tausenden von Kinderherzen in ernster Zeit zu erfreuen. In diesen Verkaufsräumen werden die Spielwaren gegen Haushaltsausweis abgegeben.

Auch der Weihnachtsmarkt der Hitler-Jugend findet wie vorgesehen statt, und zwar am Sonntag [19. 12. 1943] ab 9 Uhr vormittags am Innrain. Hier erfolgt der Verkauf ohne Einschränkung. An beiden Verkaufsstellen sind ausreichende Vorräte von Spielwaren vorhanden, um auch starken Bedarf decken zu können. Es ist daher durchaus möglich, die Einkäufe auf den ganzen Tag zu verteilen, damit keine ‚Käuferschlangen‘ entstehen.

Die Hitler-Jugend hat sich in den letzten Tagen so hervorragend bewährt, daß sie einen vollen Erfolg ihres Spielwarenverkaufes, dessen Ertrag zur Gänze dem Kriegs-Winterhilfswerk zufließt, sowie ihrer Reichsstraßensammlung am Samstag und Sonntag [18. und 19. 12. 1943] erwarten darf.“

Das wirklich bestaunenswerte Ergebnis von 47.000 hergestellten Spielwaren des Bannes Innsbruck Stadt wird stolz in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. Jänner 1944 auf Seite 4 präsentiert:

„Wenn sich der mit so großer Freude vorbereitete Weihnachtsmarkt der Innsbrucker Hitler-Jugend aus Sicherheitsgründen in diesem Winter an Stelle der vielen geplanten Verkaufsstände einzig auf die eine Absatzstelle des Kaufhauses Pimpf & Co beschränken mußte, so haben doch alle Eltern, Tanten und Onkel den Weg dorthin gefunden und doch erstehen können, was sie brauchten. Und sie bemerkten dabei mit Anerkennung immer wieder das eine, worauf die Mädel und Jungen besonders stolz waren: Das Spielzeug hatte sich trotz der vielfach erschwerten Verhältnisse in seiner Ausführung und Qualität erheblich gegenüber dem Vorjahr verbessert. Es war neben Fleiß und gutem Willen diesmal durchweg schon gutes handwerkliches Können am Werk gewesen und hatte wirklich wertvolles und schönes Spielzeug gut hergestellt. Dies wirkte sich dabei jedoch keineswegs auf die Anzahl des geschaffenen aus, die vielmehr ebenfalls um ein beträchtliches gegenüber der Vorjahrsziffer gestiegen war. Das nun hatte seine Ursache nicht zuletzt im gesunden Ehrgeiz der einzelnen Einheiten, die im ersprießlichen Wettbewerb ungeahnte Mengen Spielsachen zustandegebracht haben. Dem Jungvolksfähnlein 3, das aus ihm als hartumkämpfter Sieger hervorgegangen war, wurde in Anerkennung dieser Leistung und auf Grund seiner allgemeinen guten Haltung der Ehrennahme Fähnlein Michael Gaismair verliehen.

Insgesamt hat auf diese Weise der Bann Innsbruck-Stadt 47.000 Stück Spielsachen in der Spielzeugaktion des vergangenen Jahres fertiggestellt – ein Ergebnis, auf das die Jungen und Mädel mit Recht stolz sein können.“

Volksbildungsstätte Innsbruck

Die Volksbildungsstätte unter der bewährten Leitung von Dr. Ehrentraut Straffner war eine der Hauptstützen der Partei in der gezielten Verbreitung ideologiekonformer Inhalte. Die Unternehmungen hatten ein breites Vermittlungsspektrum in Form von Arbeitskreisen, Dichterlesungen mit nationalem Bezug und unterschiedliche Vortragsaktivitäten, meist mit der Funktion ideologischer Beeinflussung, so zum Beispiel im Rahmen eines Vortrags von Professor Eugen Fischer, dem Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie in Berlin zur Thematik Rasse und Kultur.

Eugen Fischers Vortrag auf Initiative der Volksbildungsstätte Innsbruck im alten Saal der Universitätsbibliothek fand aufgrund seines Interesse weckenden Inhalts entsprechend große Resonanz und Akzeptanz. Hildegard Ostheimer übermittelt auch den Lesern mit ihrem Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. Dezember 1943, Seite 4, die wesentlichen Inhalte dieser ideologieträchtigen Veranstaltung:

„[…] Nach kurzen, herzlichen Einführungsworten Professor Steinböcks von der Deutschen Alpenuniversität umriß Prof. [Eugen] Fischer im ersten Teil seiner Ausführungen in strenger Trennung die beiden Begriffe, unter die er seine Darlegungen gestellt hatte. Er ging dabei insbesondere auf den Rassebegriff ein, den man nicht mehr, wie lange Zeit üblich, schablonenhaft und mit Vorurteilen betrachten darf. Rasse ist nicht willkürliche Begriffsbestimmung, sondern sie ist Erbe, denn Wesen und Aussehen eines Menschen werden von seinen geistig-seelischen Erbanlagen gestaltet. Erst eine Gruppe von Menschen mit gemeinschaftlich bestimmten Erbanlagen dieser Art kann man als Rasse bezeichnen. In eindringlicher und leicht verständlicher Weise – wie überhaupt die bestechende Klarheit und der logische Aufbau seiner Ausführungen die Zuhörer nie vor Unfaßlichkeiten stellte – gab Prof. Fischer dabei einen kurz gefaßten Ueberblick über die wichtigsten Probleme und Erkenntnisse der Erblehre selbst.

Der Vortragende erläuterte darauf mit wenigen Worten den Begriff Kultur an sich – der die Gesamtheit der geistigen und materiellen Werte ausmache, die ein Volk geschaffen habe –, um dann auf das eigentliche Thema des Abends überzugehen: die enge Beziehung, die zwischen den beiden Begriffen Rasse und Kultur aufscheint. Er zeigte dabei an Hand mehrerer geschichtlicher Beispiele, daß die Kultur eines Volkes einzig gestaltet wird von seiner Rasse, also auch mit ihr lebt oder untergeht. Dies aber kann nur der Fall sein, wenn die Rasse ausgerottet oder verbastardisiert wird, denn von sich aus ist jede Rasse unsterblich, da sie sich unter gesunden Verhältnissen stets in sich selbst erneuert. Wie verderblich sich gerade Bastardisierung und Rassenmischung auswirken, das zeigen die Schicksale aller großen Völker und ihrer Kulturen, die das Gesetz der Rasse nicht kannten oder nicht achteten. Selbst wir Deutschen konnten am eigenen Leibe schon die zersetzende Wirkung artfremden Blutes spüren. Uns von ihr vollkommen frei zu machen und – heute mehr denn je – in klarer Erkenntnis der Wichtigkeit dieser Aufgabe, unsere Rasse rein und fruchtbar zu erhalten, ist unsere vornehmste und vordringlichste Pflicht.

Begeisterter Beifall dankte den mitreißenden Ausführungen des Vortragenden, der den Abend für alle Anwesenden zu einem wirklichen Erlebnis gestaltete.“

Ebenfalls ganz den Grundsätzen der Ideologie gewidmet war ein Lichtbildervortag des SS-Obersturmbannführers Karl Theodor Weigel mit dem Thema Sinnbild und Brauchtum.

Weigel versuchte anhand zahlreicher Darstellungen, das Auditorium auf den tieferen Sinn zumeist achtlos wahrgenommener Verzierungen an Häusern und Hausgeräten und sonstigen Objekten der Volkskunst hinzuweisen, in dem er ihren symbolischen Bedeutungsgehalt für die germanischen Vorfahren erklärte und eine Reaktivierung dieser Glaubensvorstellungen empfahl. Im Unterschied zum Vortrag von Prof. Eugen Fischer, der die „Rassenreinheit“ als „vornehmste und vordringlichste Pflicht“ einforderte und damit die Zustimmung eines überfüllten Saales fand, konnte Weigels Thema nur wenige Zuhörer zum Besuch der Veranstaltung bewegen. Diesen Umstand bedauert Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Oktober 1943, Seite 4 bedauert:

„[…] So gestaltete sich der Dienstagabend [26. 10. 1943] in der Volksbildungsstätte, dem man allerdings einen größeren Besucherkreis gewünscht hätte, zu einem äußerst interessanten Erlebnis, das manch neues Wissen vermittelte.

In einer kurzen Einleitung über Sinn und Art der Sinnbildforschung überhaupt wies der Vortragende [Karl Theodor Weigel] auf die Wichtigkeit dieser Arbeit hin, die lange unterschätzt worden war. An uns liege es nun, mit der Erforschung des alten Sinnbildgutes, das uns im deutschen Vaterland – und gerade in unserem volksverbundenen Heimatgau – allerorts begegne, auch an seine Neuerweckung und -beseelung zu gehen. Nicht mehr Unwissen um ihre Bedeutung, sondern bewußt und in Erkenntnis ihres tiefen Sinnes sollen die alten Zeichen, die unseren germanischen Vorfahren Symbol und gläubiges Bedürfnis waren, wieder gebraucht werden: Sonne und Baum, Odals- und Malzeichen als Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach Licht, Leben und Fruchtbarkeit, tausendfältig finden wir sie auf alten Hausgeräten und am Hause selbst, flüchtig hingeritzt oder liebevoll eingeschnitzt und gemalt, vom schichten Lebensbaum oder Sonnenrad auf der vorgeschichtlichen Knochenaxt oder Totenschale bis zum gotischen Schnitzwerk an Kunstdenkmälern und Häuserfronten. Diese Sinnbilder leben ebenso im Osterkuchen und in der Osterstange aller Gaue des Reiches und anderer germanischer Länder, wie in den Mustern der Brautdecken ostpreußischer und der Brautkronen baltischer Mädchen, im Fachwerk mitteldeutscher Häuser genau so wie in den Schnitzereien an Decken und Geräten in unserem Volkskunstmuseum.

In erschöpfender Fülle zeigten schöne Lichtbilder Beispiel um Beispiel, vom Vortragenden eingehend erläutert und erklärt, und gaben einen umfassenden Einblick in die Vielfalt der alten germanischen Sinnbildformen.“


Bauernkunst-Lebensbaum


Ein Schwerpunkt in der ideologiekonformen Tätigkeit der Volksbildungsstätte waren Dichterlesungen, die grundsätzlich nationale Literatur präsentierten und damit auf kulturelle Identitätsstiftung ausgerichtet waren. 1943 wurden in diesem Sinn Friedrich Hölderlin und sein dichterisches Werk für Parteiinteressen instrumentalisiert. Karl Paulin erklärt in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. Juni 1943, Seite 5 die Intention:

„Unser Volk erinnert sich seiner großen Männer gelegentlich besonderer Gedenktage in Gedächtnisfeiern, die nicht nur das Lebens- und Schaffensbild unserer Geistesgrößen formen, sondern der Gegenwart die Tore öffnen zum Verständnis und zum geistigen Besitz dessen, was uns diese Großen gegeben und hinterlassen haben.

In diesem Sinne richtet sich der Blick der Nation gegenwärtig auf Friedrich Hölderlin, den Hymniker, der aus deutschem Bewußtsein heraus das Griechentum erlebt, den Lyriker, der aus glühender Vaterlandsliebe lange vor den deutschen Freiheitskriegen die kämpferische Bestimmung seines Volkes erkannt und in klassischen Dichtungen verkündet hat.“

Zur Ehrung des nationalbewussten Dichters fanden im ganzen Reich Gedächtnisveranstaltungen anlässlich des 100. Todestages Hölderlins statt.

„Auch die Volksbildungsstätte Innsbruck hat eine Hölderlin-Feier veranstaltet, die am Donnerstag, den 10. d[ieses] M[onats Juni 1943], im Konzertsaal der Städtischen Musikschule im Rahmen einer Gedenkstunde stattfand. Der zahlreiche Besuch der Feier, namentlich aus dem Kreis der Jugend, bewies das tiefe Bedürfnis nach geistiger Erhebung, wie sie in dem Erlebnis Friedrich Hölderlins und seiner Dichtung liegt.

Eingeleitet wurde die Gedenkstunde durch den musikalischen Vortrag von Johannes Brahms’ Streichquartett c-moll, op. 51/1, 1. Satz, durch das Wiener Streichquartett (Josef Holub, Willi Pitzinger, Günther Breitenbach, Nikolaus Hübner). Den Klängen Brahms’ folgten die Melodien des Lyrikers Hölderlin von Fritz Dieter Voebel (Kammerspiele München) in wahrhaft feierlichem, alle Tiefen und Höhen der Dichtung durchdringenden freien Vortrag gesprochen. Das Schicksalslied, Der Tod fürs Vaterland, für unsere Zeit besonders bedeutungsvoll, der herrliche Sonnenuntergang und das Lied An die Parzen gaben den Auftakt für die Einführung in das Leben und Wirken Friedrich Hölderlins in der Gedenkansprache des Oberstudienrates Dr. Herbert Seidler.

Hölderlins Schicksal umriß der Vortragende in großen Zügen, wies auf das Schöne und das Bittere seines Lebens hin und kennzeichnete die Nachwirkungen dieses Dichters, den seine eigene Zeit und das 19. Jahrhundert verkannten, bis er in unseren Tagen aus neuer völkischer Einstellung erst recht gewürdigt wurde und nun im Schicksalskampf Großdeutschlands seine Auferstehung feiert.

In meisterhaftem, klardurchdachtem Aufbau gliederte Dr. Seidler das Lebensbild Hölderlins und deutete den Dichter aus dem Dreiklang: Hellas und Germanien, Geist und Kultur, Dichter und Volk. Hölderlin hat das Griechentum und seine nordisch bestimmte Blütezeit nicht historisch, sondern mythisch erlebt, als blutvolle Einheit von Geist und Natur, ihm ist in seiner Dichtung die klassische Harmonie von artverwandtem Deutschtum und Griechentum gelungen.

Im Geisterkampf seiner Jugendzeit lehnte sich Hölderlin gegen jene physiologische Auffassung auf, die Geist und Natur trennt und bekannte sich in seiner vollkommenen Hingabe an die Natur zur Einheit des Lebens. Aus seinem Erlebnis des Griechentums keimte Hölderlins eigene Vaterlandsauffassung. Dem deutschen Volk war nach seiner Auffassung nach dem Untergang des klassischen Griechentums eine neue Blüte des menschlichen Geistes und seiner schöpferischen Kraft bestimmt. Dieser Gedanke durchdringt und beschwingt besonders die vaterländischen Dichtungen Hölderlins und gibt ihnen zeitlosen Wert. Die Stellung des Dichters zu seinem Volk erhielt durch Hölderlin eine neue Prägung, er hebt uns in seinen hymnischen Gesängen aus dem Alltag auf jene Höhe des Daseins, die sich in Feiern kundgibt, seine Sprache besitzt die höchsten künstlerischen Ausdrucksfähigkeiten, um diese Feierstimmung hervorzurufen.

Daher ist Friedrich Hölderlin der Hymniker des Vaterlandes geworden, der seinem Volk die ewigen Werte in unvergänglichen Dichtungen näher rückt. Mit vollem Recht feiert daher Großdeutschland anläßlich des 100. Todestages Friedrich Hölderlin als einen seiner größten, unsterblichen Sänger.

Fritz Dieter Voebel verstärkte den tiefen Eindruck dieser hinreißenden Gedenkrede durch den Gesang des Deutschen, den Schlußbrief aus Hyperion und eine der schönsten Szenen aus dem Drama Empedokles. Beethovens Streichquartett B-dur, op. 130, Cavatina, gespielt vom Wiener Streichquartett, beschloß die künstlerisch vollendete Innsbrucker Gedächtnisfeier für Friedrich Hölderlin.“

Zum 100. Geburtstag Friedrich Hölderlins, den die Nationalsozilisten als einen der ihren reklamierten, wurde von der unter der „Schirmherrschaft von Reichsminister Doktor Goebbels“ gegründeten Hölderlin-Gesellschaft als erstem „großen Einsatz für das Werk Hölderlins gemeinsam mit dem Hauptkulturamt der NSDAP“ eine Auswahl aus dem Gesamtschaffen des Dichters als „Feldausgabe in hoher Auflage“ herausgebracht (vgl. Neueste Zeitung vom 13. September 1943, Seite 4). Als Beweggrund für diese Initiative wird erklärt: „Mit dieser Ausgabe soll einem Bedürfnis in der Heimat und an der Front abgeholfen und das Werk Hölderlins gerade im heutigen Existenzkampf der Nation für einen weiten Kreis von Volksgenossen als Kraftquell erschlossen werden.“

Ein emotionales Erlebnis zur Stärkung des Nationalbewusstseins verschaffte die Volksbildungsstätte ihrem Publikum mit einer Verknüpfung von Wort und Musik unter dem Motto Von Goethe bis Miegel. Frau Dr. Ehrentraut Straffner-Pickl informiert als Leiterin persönlich über dieses Vorhaben in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. Dezember 1943, Seite 4:

„Wie Musik, vermag auch die Dichtung, insbesondere das klingende, gesprochene Wort jene Vertiefung und Verinnerlichung zu geben, aus der heraus wir immer wieder die Kraft schöpfen, auch den gesteigerten Anforderungen unseres jetzigen Lebens gerecht zu werden. Die Volksbildungsstätte Innsbruck hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, regelmäßig monatlich einmal Veranstaltungen durchzuführen, die diesem Bedürfnis, dieser Notwendigkeit entgegenkommen. Im Dezember soll nun mit einem Abend Wir singen und sagen ... Balladen von Goethe bis Miegel, am Donnerstag, 16. d[ieses] M[onats Dezember 1943], im Konzertsaal der Städtischen Musikschule, die Reihe dieser bereits im November vielversprechend begonnenen Veranstaltungen fortgesetzt werden. Dabei ist die Auswahl der Dichtungen, die die Innsbrucker Sprecherin und Schauspielerin Ines Buschek zum Vortrag bringen wird, so getroffen, daß neben Altbekanntem (J. W. Goethe: Hochzeitslied, Der Zauberlehrling, Der getreue Eckart und Der Erlkönig) seltener Gehörtes oder sogar Unbekanntes (Th. Fontane: Gorm Grymme, Herr von Ribbek auf Ribbek im Havelland; L. Uhland: Der blinde König; E. Mörike: Schön Rothraut; C. F. Meyer: Kaiser Sigmunds Ende; A. Miegel: Die Frauen von Nidden, Nibelungen und Ueber der Weichsel drüben) zu hören sein wird. Zur Ergänzung dieser lebendigen und in der Darstellung dramatischen Auswahl wird die bekannte Innsbrucker Pianistin Herta Reiß Beethovens wuchtige c-moll-Variationen spielen und zwei Episoden sowie eine Silhouette von Max Reger.“

Die von Ehrentraut Straffner-Pickl oben erwähnte, die neue Reihe initiierende Veranstaltung im November 1943 war eine mit Musikbeispielen bereicherte Lesung. Fritz Dieter Boebel (Kammerspiele München) trug „schönste Werke deutscher Gedankenlyrik“ vor unter dem Motto Das Ideal und das Leben:

„[…] Geformt aus dem tiefen Empfinden des Vortragenden und der Plastik seiner kraftvoll getragenen Sprache erwachte so Nietzsches Gesang An den Mistral zu glühenden Leben, fand die lastende Verlorenheit und Trauer, die in Herbst und Vereinsamt klagt, im Herzen des Hörenden dunklen Widerklang. Auch die zuchtvoll-feurige Sprache der Bindingschen Kriegslyrik, wie der großzügige Schwung und die tiefe Innerlichkeit, die in der Dichtung Josef Weinhebers leben, fanden in Fritz Dieter Boebel einen ihr Wesen ganz erfassenden Gestalter.

Musik von Beethoven, Bach und Schubert vertiefte das Erlebnis des Abends. Hans Leygraf von der Musikschule Innsbruck spielte voll wunderbar feiner und klarer Innigkeit und erwarb sich viel warmen und herzlichen Beifall des vollbesetzten Saales, der am Ende beiden Künstlern von Herzen für die schöne Gabe dieses Abends dankte“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. November 1943, Seite 4).

Im Kontrast zu dieser tiefschürfenden Literaturerfahrung war im Oktober 1943 unter der Devise Frech und fromm heitere Dichtung in der Volksbildungsstätte zu erleben:

„Wahrer Humor ist stets eine Sache des Herzens und es ist nicht das laute, derbe Lachen, das ihn ausmacht, sondern vielmehr das feine Lächeln, das von innen kommt. Dies aber ist nun etwas, was gerade uns Deutschen besonders eignet. – Vielleicht mochte es manchen Wunder nehmen, unter dem vieldeutigen Titel des Vortragsabends Hans Fuhrmann am Montag [11. Oktober 1943] im Claudiasaal Namen wie Goethe, Schiller, Uhland und Liliencron auf dem Programm zu finden. Aber zeigten nicht gerade diese Namen neben denen eines Busch und Morgenstern, daß der Vortragende, diesmal eben dieses Lächeln erwecken wollte, das – man muß es nur zu finden verstehen – aus dem Werk eines jeden unserer wirklich Großen vergnüglich hervorblinzelt. Es sei vorweggenommen, daß das Gewünschte vollkommen gelang: ein äußerst geschickter Könner, der jedoch über der glänzenden Beherrschung der Materie stets noch Inneres mitgab, führte seine Zuhörer auf dem Weg eines – wie schon erwähnt – feinsinnig und geschmackvoll gewählten Programmes zu jener besinnlichen Heiterkeit, die wahre Freude schenkt. Fröhliche Gesichter und lebhafter Beifall eines leider nur kleinen Kreises lohnten ihn dafür. Man verließ den Abend mit dem Wunsch, bald wieder Aehnliches, vielleicht auch in weiterem Rahmen, zu hören“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Oktober 1943, Seite 4).

Dieser Wunsch wurde schon kurze Zeit später erfüllt:

„Daß der nach dem fröhlichen Erleben des ersten heiteren Hans-Fuhrmann-Abends lautgewordene Wunsch, ähnliches bald wieder zu hören, so rasch Erfüllung fände, hatte man sich nicht zu hoffen gewagt. Um so mehr freute man sich, daß der Vortragende erneut mit einem vielversprechenden Programm so bald wieder den Weg zu seinen begeisterten Innsbrucker Hörern gefunden hatte.

‚Tolle Geschichten‘, humorvolle Kinder fröhlicher deutscher Dichtung über Bürger und Kleist bis zur heutigen Zeit, waren es diesmal, die, lebendig geworden durch die Kunst des geschickten und feinsinnigen Gestalters, diesem Abend sein heiteres Gesicht gaben. Neben dem vortragenden Fuhrmann trat dabei u. a. auch der Autor Fuhrmann mit zwei köstlichen Erzählungen hervor, die einen herzlichen Lacherfolg erzielten. Sie beschlossen den gelungenen Abend, dem die dankbaren Zuhörer noch manche Zugabe erzwangen“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Dezember 1943, Seite 5).

Als lokales Vortragsgenie erwies sich wiederholt Karl Paulin. Anfang Mai 1943 bezauberte er seine zahlreichen Verehrer mit einer virtuosen Vorführung in Tiroler Mundart:

„Im letzten Volksbildungsvortrag im Claudiasaal sprach Schriftleiter Karl Paulin Tiroler Mundartdichtung. Einem Meister im Spiel eines Volksinstrumentes ähnlich, so schlug ein Kenner mit ernsten und heiteren Mundartproben alle Saiten der heimatlichen Volksseele an und brachte, in dur oder moll, eine ganze Tonleiter von Gefühlen zu vollklingender Resonanz. Aufgesang war das berühmte Spingeser Schlachtlied. Aus feurigen Verstiraden sprüht glühende Freiheitsliebe. Dreschflegel sausen, Stutzen knallen, Worte und Waffen brausen ineinander zum martialischen Tanz, dessen Text die Sprache auch allein ohne Musik durchhält. Kaum zu glauben, daß nach einem so wilden, dramatischen Fortissimo des Ausdrucks der Dialekt ein so lyrisch zartes Scherzo, wie das Frühlingslied Lutterottis komponieren könnte. Kurze, straffe Strophen – Schlaglichter derb aufblitzenden Humors sozusagen – wechselten mit episch-breiten Prosaschilderungen. Schönherrs Lärchenem Hias und Hirten trotzte der Sprecher, in treffsicherem Tonfall imitierend, den bäuerlichen Urlaut ab. Unterinntaler Liebesgstanzeln mit ihrem weichen Schmelz, saftige Kaiserjäger-Schnurren von Karl Zangerle und die in ihrer feinen Schwingung charakteristischen Pustertaler Mundartgedichte Lore von Klebelsberg[s] schöpften die Klangfülle unserer ländlichen Dialekte fast zur Gänze aus.

Zwei abschließende Geschichten von Rudolf Greinz, Mein Urahndl und Jörgls Erbschaft, das Thema Stadt und Land mit Schmunzeln betrachtend, standen als Sinngebung über dem schönen Heimatabend mit Karl Paulin“ (Siegfried Laviat in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Mai 1943, Seite 4).

In einem Vortrag Unsere Berge und ihre Sagen hatte Karl Paulin im Jänner 1943 im Rahmen der Aktivitäten der Volksbildungsstätte den Schwerpunkt seiner Interpretation vor allem auf den Bedeutungsgehalt der Sage als mystische literarische Schöpfung des Volksglaubens gelegt:

„Undenkbar ist die Symphonie der Heimat ohne den raunenden Unterton der Sage, die wie ferner Urweltlaut aus dunklen Tiefen der Vorzeit heraufklingt, und mit ihr beginnen unsere Berge, für die Zeitgenossen längst bezwungen und bereits erstarrter Sportbegriff geworden, zu leben mit dem Menschen jener Tage, in seinem heidnisch-germanischen Naturglauben noch eins mit ihm und als Schreckensmacht sein unentrinnbares Schicksal. In altergrauen Mären haben die ersten Siedler ihrem ungleich harten Kampf mit dem Boden selbst ein unvergängliches Denkmal gesetzt, vor dessen Runen wir oft noch wie vor unlösbar großen Rätseln stehen. Auch in diesen unterirdisch zu nennende Reich der Heimatforschung war in einem Vortrag an der Volksbildungsstätte Innsbruck Karl Paulin der berufene Führer und richtige Wegweiser. In einer solchen fast zeit- und ganz namenlosen Substanz alpendeutschen Volkstums, noch dazu in ununterbrochenem Fluß begriffen, versagt seine Deutung ebenso wenig wie bei den historisch festumrissenen Gestalten und Geschehnissen unseres Gaues. Er löst den dunklen Bann der Jahrtausende, der über Entstehung und Entwicklung unserer sich so sehr verzweigenden Sagen liegt, und weist ihnen als bewußte Schöpfungswerdung der Poesie und Phantasie unseres Bergvolkes den zuerst von der deutschen Romantik erkannten hohen literarischen Rang zu […]“ (Siegfried Laviat in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Jänner 1943, Seite 4).

Auch der ideologiegerechten und damit volksverträglichen Gegenwartsliteratur wurde entsprechende Aufmerksamkeit zugewandt. Am 23. März trat mit Kuni Tremel-Eggert (1889-1957) „eine der bekanntesten lebenden Dichterinnen“ im Rahmen der literarischen Aktivitäten der Volksbildungsstätte in Innsbruck auf. Sie las aus eigenen Werken:

„[…] Die aus Mainfranken stammende Dichterin hat vor allem durch ihren Roman Die Barb, der ein Frauenschicksal unserer Zeit gestaltet, eine starke Lesergemeinde gewonnen, der die frische, gerade Art der Dichterin, ihr inniges Eingehen auf Mensch und Landschaft, ihr im Innersten deutsches Wesen, Unvergessliches geschenkt hat“ (Ehrentraut Straffner-Pickl in der Vorschau der Innsbrucker Nachrichten vom 20. März 1943, Seite 4).

Mit Maria Grengg (1888-1963) kam eine weitere dem Gedankengut des Nationalsozialismus aufgeschlossene Schriftstellerin zu ihrem Innsbruck-Debüt. Über ihren Auftritt berichtet Siegfried Laviat in den Innsbrucker Nachrichten vom 21 April 1943, Seite 4:

„In der Dichterreihe unserer Volksbildungsstätte hatte sich vor kurzem Maria Grengg vorgestellt. Damit war auch äußerlich für uns der Mensch nicht mehr vom Werk getrennt, zumal hier, wo eines das andere trägt, wie der Wiesengrund der Blumen.

Denn knospenhaft rein entfaltet sich diese Dichtung aus einem Gemüt, das bei Maria Grengg gleichsam ein Garten ist wie die rebenfunkelnde Wachau, ihre Heimat. Diese Welt von stillem Zauber und heimlichen Wundern sproßt im Werk der Dichterin auf in einer Sprache, die wie ihre eigene Hand in ihren Büchern Pastellbilder von reizvoller Anschaulichkeit zeichnet. Eine barock anmutende Vitalität nährt sich in diesen Dichtungen aus echt weiblicher Empfindungsstärke, ein mütterliches Herz schlägt im Mittelpunkt und führt den lebensvollen Gestalten wie demPeterl oder Feuermandl gesundes, naturkräftiges Blut zu. So hat die Dichterin in der Flucht zum grünen Herrgott, dem Roman einer stadtmüden Frau, die am Lande genest, für unsere Zeit die blaue Blume der Romantik neu gepflückt.

Sinnenselig rauschen Liebe und Leidenschaft im Brief aus Belgrad auf, einer Novelle um Prinz Eugen, mit der uns die Dichterin in ihren persönlichsten Wesenskern einführte. Auch in diesem noch unveröffentlichten Werk bewegen sie nicht übermenschliche Mächte und Kräfte, sondern die versteckten Regungen des Menschenherzens, in die sie sich liebevoll versenkt. Und dieser instinktsichere Blick in die für andere verborgenen Bezirke des Lebens dringt am tiefsten, wenn er in der Studie Zeit der Besinnung das Weltgesetz als geheime Offenbarung in Tier und Pflanze an menschlichen Maßen sichtbar macht. Augenblicksstimmungen, als Beobachtungen vom Fenster aus in aphorismenartige Form gefaßt, vereinigen sich zur Melodie des Lebens, die aus dem Gesamtwerk der Grenng auf den einen großen Leitsatz abgestimmt wird: ‚Die kleinen Dinge, erkannte ich zu neuem Male, liegen wie Edelsteine unter dem Schutt des alltäglichen Lebens‘.“

Die Verehrung nationaler Kunst zur Demonstration kultureller Überlegenheit kommt auch in einem Lichtbildervortrag der Volksbildungsstätte Dürer als schöpferische Persönlichkeit zur Geltung:

„Unter dem Titel Dürer als schöpferische Persönlichkeit vermittelte am 16. d[ieses] M[onats Oktober 1943] im Claudiasaal Professor Kehrer von der Universität München einer zahlreichen Zuhörerschaft eine Betrachtungsweise des Dürerschen Schaffens, die hinausgehend über frühere rein biographische oder künstlerische Aspekte, vor allem den schöpferischen Deutschen in dem großen Nürnberger Meister sieht. Der Vortragende gab an Hand einer Reihe sehr schöner Lichtbilder einen Querschnitt durch das Werk des Künstlers, beginnend mit dem Suchen nach Erkenntnis des eigenen Wesens in den Selbstbildnissen, über die Innigkeit der Gestaltung, die sich in allen Werken Dürers dartut und doch nie die große Schau beeinträchtigt, bis zu der wunderbaren Klarheit der Apostelbilder.

In besonderer Weise ging Professor Kehrer dabei vor allem auf die Verschiedenheit gegenüber früheren Werken, die im Schaffen Dürers schon äußerlich das Wesen eines neuen schöpferischen Gestalters erkennen lassen, ein und deckte auch die Unterschiede der formgebundenen italienischen und der beseelten deutschen Malerei auf. Freundlicher Beifall lohnte die interessanten Ausführungen des Vortragenden“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Oktober 1943, Seite 5).

Der Stärkung des Heimatbewusstseins diente ein Lichtbildervortrag von Major Lerch in der Volksbildungsstätte über die Flora der Alpen Ende September 1943 (vgl. Bericht von Siegfried Laviat in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1943, Seite 4).

Eine der praxisbetonten Unternehmungen der Volksbildungsstätte war ein Arbeitskreis Unser Hausgarten:

„Wie im Vorjahre führt die Volksbildungsstätte Innsbruck in besonderer Berücksichtigung kriegsbedingter Notwendigkeiten auch in diesem Frühjahr wieder einen Arbeitskreis Unser Hausgarten durch. Um aber allen Erfordernissen, die die Anspannung aller Kräfte auch von den Hausfrauen verlangt, Rechnung zu tragen, wollen wir in diesem Jahre die für den Hausgärtner wichtigen Fragen alle vierzehn Tage in zwei zweistündigen Besprechungen, deren Ausführungen an Hand von Beispielen in einem Schau- und Mustergarten ergänzt werden, erörtern. Dadurch ist Gelegenheit gegeben, auf einige wichtige Fragen, besondere Behandlung des Frühbeetes, des Kräutergartens, der Tomaten- und Gurkenpflege besonders einzugehen, ohne dabei die Besprechung der laufenden Arbeiten zu vernachlässigen. Der Arbeitskreis, der unter der Leitung der geprüften Gartenbaulehrerin Marie Wuhle steht, wird allen Besitzern kleiner Hausgärten sicher viele Anregungen geben und sie vor Schaden bewahren“ (Innsbrucker Nachrichten vom 16. April 1943, Seite 5)

Zur Dichterlesung Josef Leitgebs vgl. unten das Kapitel Literatur.


Deutsche Alpenuniversität Innsbruck

Am 13. Februar 1943 wurde der Parteigenosse, Geologe und Hochgebirgsforscher Raimund von Klebelsberg als neuer Rektor der Deutschen Alpenuniversität inauguriert. Er folgte dem fanatischen Nationalsozialisten und Historiker Professor Harold Steinacker nach. Der neue Rektor bot sich für die NSDAP insoferne an, indem er als Vorsitzender des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich ausdrücklich befürwortet und den Arierparagraph im Statut des Alpenvereins und damit den Ausschluss jüdischer Bergsteiger gerechtfertigt hatte. Bei seinem Antrag um die Aufnahme in die NSDAP im Mai 1938 hatte er als eigene Verdienste die Förderung junger nationalsozialistischer Wissenschaftler in Österreich angeführt. So war gewährleistet, dass die Universität in Forschung und Lehre weiterhin nahezu völlig im Einflussbereich der Ideologie agierte. Außerhalb des Lehrbetriebs und Forschungsbereichs wurde diese enge Verbindung von Partei und Universität vor allem bei den Vorträgen und sonstigen Veranstaltungen in der mit einem Hitler-Porträt unmissverständlich der Ideologie gewidmeten Universitätsaula sowie bei Konzerten des Collegium musicum offenkundig.

Wie sehr die Universität bislang schon der Verknechtung durch die Partei unterworfen war, kommt deutlich in der Rede des scheidenden Rektors zu Geltung, in der er die wesentlichen Unternehmungen während seiner Amtszeit zusammenfasste (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Februar 1943, Seite 3):

„[…] Der bisherige Rektor Prof. Dr. Steinacker begrüßte die Ehrengäste und unter ihnen besonders auch die anwesenden Wehrmachturlauber, und betonte, daß die Einführung des neuen Rektors zwar in der alten Form, aber im Gehalt beherrscht vom Ernst der Stunde stattfinde, in der die Wissenschaft sich bewußt sein müsse, daß ihre gesamte geistige und moralische Energie in allererster Linie wie alles andere auch Waffe des Volkes zu sein hat.“

Als Ehrengäste waren Gauleiter Franz Hofer, sein Stellvertreter Herbert Parson, Politische Leiter und repräsentative Vertreter der Wehrmacht „sowie führende Männer des Staates, der Stadt, der Wirtschaft“ und die „Professoren- und Studentenschaft“ geladen. Das Collegium Musicum trug zur Feierstimmung bei. Die Innsbrucker Nachrichten vom 15. Februar 1943, Seite 3, informieren weiter, dem auch propagandistisch effizienten Anlass entsprechend ausführlich:

„Professor Dr. Steinacker, der seit dem Umbruch im Jahre 1938 als Rektor an der Spitze der Deutschen Alpenuniversität stand, erinnerte an den Anteil, den dieselbe am Kriege hatte und noch hat und betonte, daß insgesamt 40 Prozent der Lehrer zur Wehrmacht eingezogen wurden und heute noch ein beträchtlicher Anteil des Lehrkörpers unter den Fahnen steht. Nachdem der Redner der gefallenen Professoren, Dozenten und Studenten gedacht hatte, stellte er als vornehmste Kriegsaufgabe der Universität die Pflicht heraus, den Wehrmacht[s]urlaubern zu dienen, ihnen die geistige Entscheidung zu erleichtern und ihnen zu helfen, tüchtige Männer für den Dienst am Volksganzen zu werden. Darüber hinaus ließ sich die Universität aber auch die Betreuung der Truppe selbst angelegen sein. Die Wehrmachtbetreuer hielten in 19 je vierwöchigen Fahrten 241 Vorträge bei Einheiten der Wehrmacht, und das 30köpfige Collegium Musicum hat auf seinen Frontfahrten eine ähnliche Anzahl von Gesangs- und Orchestervorträgen geboten. Der scheidende Rektor dankte dann seinen Mitarbeitern und stellte fest, daß es gelungen sei, nach der notwendigen, jedoch zahlenmäßig geringfügigen Reinigung des Lehrkörpers nach dem Umbruch eine Gesinnungsgemeinschaft zu erstellen, die in Zusammenarbeit mit den Leitern des Gau-Dozentenbundes und des Gau-Studentenbundes fruchtbare Arbeit in nationalsozialistischem Sinne leisten konnte. Durch die stetige Hilfsbereitschaft des Gauleiters und Reichstatthalters Franz Hofer und des Stellvertretenden Gauleiters sei die Aufbauarbeit an der Universität in günstigem Sinne beeinflußt gewesen.

Professor Dr. Steinacker wies dann weiter darauf hin, daß vor dem Umbruch die große Zahl der Hörer nur darauf zurückzuführen war, daß die jungen Leute, die sonst keine Arbeit bekamen, aus Verzweiflung studierten, und erinnerte daran, wie in jener Zeit, in der Freiheit mit Anarchie und Elend gleichzusetzen war und die Dinge dem bolschewistischen Chaos entgegenreiften, Forschung und Unterricht immer mehr einfroren. Erst die Befreiungstat des Führers gab auch unseren Hochschulen wieder neuen Sinn, die nun nicht mehr ein akademisches Proletariat erzeugen, sondern Fachleute und Männer mit einem neuen Berufsethos heranbilden. In den harten Jahren der Verbotszeit der NSDAP. stand der allergrößte Teil der Hörer und Lehrer auf Seite der Bewegung unseres Führers, und als die Freiheitsstunde schlug, war auch die Universität unserer Gauhauptstadt für sie gerüstet. Damals hat Professor Dr. Steinacker auf gemeinsamen Vorschlag von Professoren und Studenten das Amt des Rektors übernommen. Nach seinen weiteren Ausführungen hatte das großzügige Aufbauprogramm, das für unsere Universität erstellt wurde, unter den bekannten Zeitereignissen zu leiden, dennoch aber konnte viel geschaffen und begonnen werden. Es wurden neue Lehrkanzeln erstellt und mehr Dozenten berufen. Wenn die getroffenen baulichen Maßnahmen vielfach auch nur Notlösungen darstellen, so tragen sie doch schon jetzt zur Verbesserung des wissenschaftlichen und des Lehrbetriebes bei. Der Zeit nach dem Sieg muß die Ausführung größerer Projekte vorbehalten bleiben. Für die Heranbildung tüchtiger Kräfte wurde schon in den letzten Jahren durch die Einschaltung neuer nationalsozialistischer Methoden gesorgt. Professor Dr. Steinacker wies in diesem Zusammenhang auf die Begabtenprüfung, auf das Langemarck-Studium und auf das Studentenwerk hin. Nie mehr werde man zur liberalen Wissenschaft der vergangenen Zeit, die nur einen Leistungsrückgang brachte, zurückkehren. In dem Bewußtsein unseres Menschenmangels werden wir trachten, durch Qualität die fehlende Quantität zu ersetzen und in dem Bestreben, dem Volke neben dem besten Facharbeiter auch den besten Akademiker zu geben, müsse die Universität in treuer Gefolgschaft ihre ganze Kraft für den gegenwärtigen Krieg und seine Belange einsetzen, für jenen Krieg, in dem der Führer uns vorangeht, der größten siegreichen Entscheidung der Geschichte unseres Volkes entgegen.

Nunmehr ergriff der neue Rektor der Deutschen Alpenuniversität, Professor Dr. Klebelsberg, das Wort und machte sich eingangs seiner Ausführungen zum Sprecher der gesamten Universität, als er dem scheidenden Rektor den tiefsten Dank aussprach. Länger als jemals ein Rektor habe Professor Dr. Steinacker die Universität in einer Zeit geleitet, in der schwerer als die Jahre noch die Umstände wiegen. Nach dem Umbruch mußte der Rektor ganz aus eigenem Richtlinien schaffen. Er sei auf den Schild gehoben worden von seinen Freunden und Kollegen und habe über persönlich schweres Geschick hinweg, getragen vom Vertrauen und gestützt auf die Hilfe des Gauleiters die Universität über den Berg geführt. Der Rektor gab bekannt, daß der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Professor Dr. Steinacker in einem feierlichen Schreiben den Dank ausgesprochen habe, den der Gauleiter herzlichst und unmittelbar zum Ausdruck brachte. Unter lang anhaltendem Beifall aller Anwesenden bat der Rektor Professor Dr. Steinacker die Würde eines Ehrensenators der Deutschen Alpenuniversität anzunehmen und auch weiterhin als wirklicher Senator dem Institut seine Erfahrungen zugute kommen zu lassen.

Rektor Professor Dr. Klebelsberg gab dann die neue Zusammensetzung des Senats bekannt: Als Prorektor wurde an Stelle von Professor Dr. Sperlich Professor Dr. A. Lesky bestellt, zum Dekan der medizinischen Fakultät an Stelle von Professor Dr. Lang Professor Dr. H. Scharfetter und zum Dekan der philosophischen Fakultät an Stelle von Professor Dr. Miltner Professor Dr. H. Ammann. Die Dekane der rechts- und staatswissenschaftlichen sowie der naturwissenschaftlichen Fakultät, die Professoren Dr. H. Haemmerle und Dr. Otto Steinböck, die nach einem längeren Wehrdiensteinsatz wieder an ihre Lehrkanzel zurückgekehrt sind, bleiben weiterhin im Amte. Ebenso verbleiben der kommissarische Gaudozentenführer Professor Dr. Machek und der kommissarische Gaustudentenführer Dr. H. Umlauft. An Stelle der Professoren Dr. Klebelsberg und Professor Dr. Kofler wurden die Professoren Dr. H. Steinacker und Dr. B. Breitner zu Senatoren berufen.

Zuletzt erklärte Professor Dr. Klebelsberg, die deutsche Alpenuniversität Innsbruck als Rektor verantwortlich zu führen, und bat den Gauleiter, ihn so wie seinen Vorgänger zu unterstützen.

Im Wettstreit der deutschen Universitäten sei der Name Deutsche Alpenuniversität eine Verpflichtung. Keine Universität der Welt liege so mitten in den hohen Bergen und keine sei so berufen, das Wissen um die Alpen und die Hochgebirgsforschung zu pflegen und zu fördern, wie die Innsbrucker Hohe Schule. Auch die Lage an der Südgrenze bringe eine besondere Aufgabe mit sich, und an der Grenze sein, heiße immer auf der Höhe sein. Dieses Grenzverhältnis muß dem Ansehen und den Erfordernissen des Reiches entsprechen. Im Rahmen der gesamtdeutschen Aufgabe sei die Deutsche Alpenuniversität unlösbar mit dem Begriff Gau Tirol-Vorarlberg verbunden.

Im Anschluß an die Einführungsfeier hielt Rektor Professor Dr. Klebelsberg altem Brauch entsprechend einen Vortrag, für den er sich das Thema Grundsätzliches aus der Geschichte des Lebens stellte, dessen Erörterungen ihn vor zehn Jahren das damalige System verwehrt hatte.“

Der Beginn des Wintersemesters 1943/44 wurde am 12. Dezember 1943 mit einem Tag der Deutschen Alpenuniversität festlich begangen, in dessen Mittelpunkt ein „umfassender“ Bericht über die „Tätigkeit und Entwicklung der Universität im vorangegangenen Studienjahr“ stand. Das Vorhaben enthielt natürlich ausreichend Potential für propagandistische Argumentation. Außerdem wurden im Rahmen dieses festlichen Aktes, dem der Stellvertretende Gauleiter und Generalleutnant Moritz von Faber du Faur und weitere „zahlreiche Ehrengäste“ beiwohnten, dreizehn neue Ehrenmitglieder der Universität offiziell vorgestellt und die entsprechenden Urkunden überreicht.

Nach „einleitenden musikalischen Vorträgen“ des Collegium musicum eröffnete Rektor Raimund von Klebelsberg die Feierstunde und übergab Prorektor Professor Lesky das Wort zu einer ausführlichen Rede, die ganz im Sinne der Parteierwartungen verlief. Prof. Lesky begann mit einem Verweis „auf die Berechtigung und Notwendigkeit des Bestandes der deutschen Hochschulen auf Grund ihrer unmittelbaren Mitwirkung an der geistigen und technischen Wehrkraft der Nation“. Das Studium an Hochschulen hätte allerdings nur dann eine Berechtigung, „wenn damit eine Notwendigkeit für das Gesamtvolk erfüllt wird; es mußten daher Sicherungsmaßnahmen zur Entfernung Ungeeigneter getroffen werden.“ Dem anwesenden Stellvertretenden Gauleiter Parson, der den als Obersten Kommissar der Operationszone Alpenvorland in Südtirol viel beschäftigen Gauleiter Franz Hofer vertrat, garantierte der Prorektor, dass an der Universität der „Geist unbedingter Hingabe an die Arbeit uneingeschränkt herrscht“.

Dann vermittelte Prof. Lesky Details zu Informationen über das vergangene Studienjahr, womit er die parteikonforme Ausrichtung der Universität rechtfertigen konnte (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 3):

„Der Prorektor teilte sodann mit, daß die Deutsche Alpenuniversität im Wintersemester 1942/43 1326 Hörer, darunter 409 weibliche, im Sommersemester 1504 Hörer, davon 629 weibliche, zählte. Er gab einen Ueberblick über die Maßnahmen zur Erleichterung des Studiums für Wehrmacht[s]angehörige. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die Errichtung der Fernimmatrikulation, von der bisher an der Deutschen Alpenuniversität 468 Wehrmachtangehörige Gebrauch gemacht haben. Die Fernimmatrikulation verleiht dem jungen, im Wehrdienst stehenden Studenten die Zugehörigkeit zur Universität, bevor er noch seine Studien tatsächlich aufnimmt, was mit mannigfaltigen Vorteilen und Erleichterungen verbunden ist. Prof. Lesky erörterte die verschiedenen Formen der Fernbetreuung, die Vortragsreisen einzelner Dozenten an die Fronten und die Betreuungsfahrten des Collegium musicum und ging dann auf die Einrichtungen über, die den Zweck verfolgen, die lebendige Verbindung der Universität mit dem Volksganzen herzustellen, wozu vornehmlich die Aulavorträge und die volkstümlichen Universitätsvorträge im Rahmen des Deutschen Volksbildunsgwerkes gehören. Das Collegium musicum entfaltet auf diesem Gebiete ebenfalls weitgehende Wirksamkeit. Die wichtigste Tätigkeit der Universität liegt aber, so betonte der Prorektor abschließend, auf dem Gebiet ihrer inneren Arbeit (in Forschung und Lehre), denn hier schafft sie an den höchsten Werten unserer Kultur, für die unsere Soldaten an den Fronten des Entscheidunsgringes kämpfen.“

Der anschließend zu Wort kommende Gaudozentenführer „Obergemeinschaftsleiter Parteigenosse“ Dr. Machek, „gedachte in seiner darauffolgenden Ansprache der Angehörigen der Universität, die als Soldaten vor dem Feinde gefallen sind, erörterte wichtige Fragen des Nachwuchses für die akademische Dozentenschaft und besprach die Bedeutung und den Umfang der wissenschaftlichen Forschungstätigkeit im Dienste der Wehrkraft.“

Noch deutlicher stellte Gaustudentenführer Pg. Dr. Umlauft die „Verpflichtung der deutschen Studenten zur politischen Aktivität“ mit „eindrucksvollen Worten“ heraus:

„Am Beispiel schicksalhafter Ereignisse führte er den zwingenden Nachweis, daß auch das höchste fachliche Können nur ein Teil unserer Kraft, die Wissenschaft und ihr Hort, die Universität, nur eine Erscheinung zweiter Ordnung sei, wogegen die Politik als Dienst am Volk mit allen Kräften der Seele, des Herzens und des Verstandes, am Anfang aller Dinge stehe. So muß die Universität eine hochpolitische Anstalt und nicht bloß eine Schule zur Sicherung des Broterwerbes sein. Dieses Ziel muß erreicht werden, nicht trotz des Krieges, sondern gerade im Kriege“.

Auf diese verbale Umfunktionierung der Universität zu einer Institution primär ideologisch-politischer Lebensschulung folgte ein Rechenschaftsbericht der Dekane aller vier Fakultäten. Abschließend übermittelte der Rektor dem Stellvertretenden Gauleiter Parson den Dank der Universität für die „ständige tatkräftige Förderung und Unterstützung“ und verwies auf die „verständnisvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit“. Danach überreichte er die Urkunden an die neu ernannten Ehrenmitglieder: Studienrat Dr. Karl Hofeneder und Studienrat Dr. Karl Krüse, beide von der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck, Oberstudiendirektor Friedrich Prenn, Direktor der Oberschule in Kufstein, Studienrat Dr. Ingo Findenegg von der Oberschule in Klagenfurt, Studienrat Dr. Viktor Paschinger von der Höheren Staatlichen Gewerbeschule in Klagenfurt, Hofrat Ing. Georg Strele in Innsbruck, langjähriger Leiter der Wildbachverbauung in Tirol, Regierungsrat-Oberbaurat Ing. Martin Hell, Salzburg, Hofrat Dr. phil. Dr. jur. h.c. Martin Wutte, Direktor des Kärntner Landesarchivs, Dr. Ignaz Mader, Arzt in Brixen und Dr. med. Dr. phil. Eduard Kriechbaum, Arzt und Gauheimatpfleger in Braunau am Inn (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 3, auf Seite 4 Details zu den neuen Ehrenmitgliedern der Universität).

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Volksbildungswerk wurden 1943 nach vierjähriger Pause die „volkstümlichen Vorträge an der Deutschen Alpenuniversität“ an „altgewohnter Stätte“ im Hörsaal III der Alten Universitätsbibliothek, Universitätsstraße 6, 2. Stock, wieder aufgenommen. Die Innsbrucker Nachrichten vom 21. Jänner 1943 geben dazu auf Seite 3 einen Überblick:

„Die erste Reihe 1943 umfaßt neun Vorträge, für die vorwiegend Professoren unserer Alpenuniversität, daneben aber auch bewährte Kräfte von auswärts gewonnen wurden. So eröffnet am Montag, 25. Jänner, der Direktor des Tiergartens Schönbrunn, Professor Dr. Otto Antonius, die Reihe mit einem Lichtbildervortrag über Das Seelenleben höherer Tiere. Mit den folgenden Vorträgen begrüßen wir alte bekannte; es sprechen: Am 1. und 8. Februar Professor Dr. Heinrich Hammer mit Lichtbildern über den Meister von Naumburg, am 15. Februar Professor Dr. Franz Miltner über Germanische Politik im Mittelmeerraum, am 22. Februar Professor Dr. Albin Lesky mit Lichtbildern Vom Mythos der Hellenen und am 1. März Professor Dr. Burghard Breitner über den endemischen Kropf als Volksseuche. Am 8. März hält Professor Dr. Paul Gripp, Kiel, einen Lichtbildervortrag über Bronzezeitliche Sargfunde und ihr Inhalt. Es folgt am 15. März Professor Dr. Scheminzky unserer Alpenuniversität mit dem Thema Musik aus elektrischen Schwingungen, das durch Lichtbilder und Vorführungen erläutert wird. Die Reihe findet am 22. März ihren Abschluß mit einem Lichtbildervortrag des bekannten Innerasienforschers Dr. Ernst Schäfer, München: Lhasa, die verbotene Stadt.“

Vom ersten Vortrag dieser vormals so populären und nun wieder aktivierten Veranstaltungsserie zur Vermittlung einer Kontaktnahme von hoher Wissenschaft und Bevölkerung bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 27. Jänner 1943 auf Seite 4 einen anschaulichen Bericht:

„Schon die erste Veranstaltung im Programm der Volkstümlichen Vorträge, die nach vierjähriger, kriegsbedingter Pause die Deutsche Alpenuniversität wieder verdienstvoll in den Rahmen des Deutschen Volksbildungswerkes eingebaut hat, wurde zu einem großen Erfolg. Namens unserer Hochschule konnte Prof. Steinböck eine den großen Hörsaal der Alten Universität bis zum letzten Platz füllende Hörergemeinde begrüßen, ein offenkundiges Zeugnis für den verständnisvollen Widerhall, den das Wort des Wissenschaftlers jetzt im Kriege so uneingeschränkt wie im Frieden in allen Laienkreisen unserer Stadt auslöst. Die Reihe der Fachleute begann Prof. Dr. Otto Antonius, Direktor des weltbekannten Tiergartens Schönbrunn, mit dem nicht gerade alltäglichen Thema Aus dem Seelenleben höherer Tiere, für uns jedoch durch den Umgang mit Hausfreunden wie Hund und Katze nahegerückt und so von nicht geringem Interesse. Während wir freilich nur gelegentlich einen Blick in die genug geheimnisvolle animalische Seele werfen, stehen einem Berufenen in der ständigen Sorge um seine Schützlinge eine Unmenge anregender Erfahrungen und Beobachtungen zu Gebote, mit denen er kaum zu Ende kommen kann. Auf die Fehlerquellen in der Tierpsychologie verweisend – unserer allzu großen Vermenschlichung der Tiere sowie Unkenntnis ihrer Sinneseinrichtungen – unterschied der gewiegte Kenner seine tägliche Umwelt an Hand besonderer auffälliger Beispiele in Standesklassen der Augen-, Nasen- und Ohrenwesen […].“

In der Reihe der Aulavorträge engagierten sich vor allem Professoren der Innsbrucker Universität mit Themen im Naheverhältnis zur Ideologie. Ein Beispiel dafür sind Einsätze des klassischen Philologen Parteigenossen Albin Lesky, der bei seinen Auftritten insbesondere bemüht war, auf die „nordische“ Herkunft der Griechen hinzuweisen, um damit den hohen Stand der Kultur der griechischen Antike zu erklären. Ende Juni 1943 hielt er einen diesbezüglichen Vortrag, über den Hildegard Ostheimer berichtet (Innsbrucker Nachrichten vom 26. Juni 1943, Seite 4):

„Nach alter Tradition hatte kürzlich auch in diesem Semester wieder die Gesellschaft der Freunde des Gymnasiums zu einem öffentlichen Abend in der Aula der Neuen Universität eingeladen. Nachdem uns an den letzten dieser Abende durch Lesungen altgriechischer Tragödien Wesen und Denken der antiken Welt nahegebracht worden waren, sollten wir diesmal das Land, dem sie entwachsen waren, Hellas selbst erleben. Unter der feinsinnigen und erfahrenen Führung Professor Leskys von der Deutschen Alpenuniversität durchwanderten wir es an Hand zahlreicher wunderbarer Farblichtbilder, die während des siegreichen Feldzugs in Griechenland entstanden und von Major H. Raithel dem Vortragenden zur Verfügung gestellt worden waren, entlang den Wegen, die einst schon dem nordischen Volk der Griechen die neue Heimat gewiesen hatten […].“

Die erwähnte Lesung altgriechischer Tragödien hatte im Februar 1943 in der Universitätsaula stattgefunden:

„Den Geist des antiken Hellenentums und seine künstlerisch formende schöpferische Kraft unserer Gegenwart auszudeuten und nahezubringen, ist das Ziel jener Lesungen hellenischer Tragödien, welche die Arbeitsgruppe der Freunde des Gymnasiums schon in den letzten Jahren mit Erfolg begonnen hat. In Weiterführung dieser kulturellen Aufgabe fand am 11. d[ieses] M[onats Februar 1943] in der Aula der Deutschen-Alpen-Universität eines Lesung von Sophokles König Oedipus statt, welche sich von den früheren Lesungen, z. B. Agamemnon, dadurch unterschied, daß sie nicht nur Bruchstücke oder ausgewählte Szenen aneinanderreihte, sondern das klassische Meisterwerk als Ganzes zur Darstellung brachte.

Nach der Begrüßung der Ehrengäste, besonders des Bereichsleiters Pg. Margreiter, der in Vertretung des Gauleiters und Reichsstatthalters erschienen war, deutete Professor Dr. Albin Lesky in seinen einleitenden Worten das sophokleische Drama als großartiges Mittelstück der griechischen Dichtung zwischen Aischylos und Euripides und wies nach kurzer Inhaltsangabe auf den Charakter des König Oedipus als Schicksalstragödie, in die der kämpfende Mensch eingreift und die daher dem germanischen Empfinden und unserer Auffassung vom Tragischen am nächsten steht, hin.

Nun folgte die Lesung der Tragödie mit verteilten Rollen durch Künstler unseres Reichsgautheaters. Kaum je hat das dichterische Wort, losgelöst von Szene, Kleid und Gebärde, allein durch die ihm innewohnende schöpferische Sprachgewalt, einen solchen Triumph gefeiert wie in dieser Lesung. Von allen Hilfsmitteln des Theaters befreit, schritten die Verse der antiken Tragödie einher, wie sie vor Jahrtausenden der Dichter geformt, in makellos erhabener Schönheit, alle Gefühle der Menschenbrust ins Heroische steigernd.

Den großen Linien der griechischen Tragödie und des klassischen Theaters folgend, traten die Künstler auf und ab, das kostbare Gut der Dichtung wie in goldenen Schalen emporhebend. Den Oedipus sprach Siegfried Süßenguth, klar und tief zugleich solang der König von Theben, ahnungslos seines grauenvollen Geschickes, gegen die Beschuldigungen des blinden Sehers kämpft, in allen Tiefen aufgewühlt, zur letzen Sühne entschlossen nach der unentrinnbaren Erkenntnis. Paul Schmid formte den Seher Teiresias mit einer plastischen Meisterschaft, welche diese Gestalt aus tragischem Urgrund riesenhaft aufwachsen ließ. Die dunklen Farben seines Kreon aber waren durch tiefe Menschlichkeit gemildert. Berthe Waeber wußte die tragische Verhaltenheit der Königin Jokaste ergreifend zu gestalten. Die schwierige Aufgabe, den vielstimmigen Chor, ein wesentliches Element des griechischen Theaters, zu personifizieren, löste Anton Straka mit scharf meißelndem Wort, dessen Tonlage dem wechselreichen Echo der Geschehnisse entsprach.

Die übervolle Aula, in der begrüßenswerterweise auch die Jugend sehr stark vertreten war, stand vom ersten bis zum letzten Wort im Bann altgriechischer Dichtung, die das Ewigmenschliche bis in die tragischen Wurzeln alles Seins in zeitlos gültiger künstlerischer Form verkündet. Vielleicht ist gerade unsere Zeit mit ihren aufwühlenden Erlebnissen, die dem gigantischen Daseinskampf unseres Volkes entquellen, besonders aufgeschlossen für die gewaltige dichterische Sprache einer heroischen Zeit“ (Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Februar 1943, Seite 5).

Ebenfalls im Februar 1943 war die Universitätsaula Schauplatz des Gründungsaktes der Landesbauernschaft Tirol-Vorarlberg (Details siehe Verehrung des Bauerntums)


weitere Details


In sehr effizienter Weise trat das Collegium musicum der Universität unter seinem rührigen Leiter Prof. Dr. Wilhelm Ehmann öffentlich in Erscheinung. Diese Konzerte hatten neben ihrer informativen Funktion, indem Prof. Ehmann den historischen Kontext der Entstehung und Wirkungsweise der gespielten Kompositionen erklärte, auch eine identitätsstiftende Dimension, als durchwegs mit nationaler Kunst der ideologiebedingten Aufgabenstellung solcher Unternehmungen entsprochen wurde. Anfang Februar 1943 brachte das Collegium musicum folglich ein Programm mit Kantaten und Instrumentalwerken des 17. und 18. Jahrhunderts aus deutscher Tradition. Hermann Josef Spiehs schreibt dazu enthusiastisch, im Deutschtum schwelgend, in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Februar 1943, Seite 5:

„Unter der Zielsetzung: Solokantaten des nordischen Barock veranstaltete das Musikwissenschaftliche Institut unserer Universität kürzlich einen musikalischen Studienabend, der den zahlreichen Hörern und Gästen hochwertiges Bildungsgut vermittelte. Professor Dr. Ehmann, der als Vortragender und Leiter des Collegium musicum Programmgestaltung und Durchführung inne hatte, erläuterte eingangs Sinn und Zweck solcher Studienabende als wissenschaftliche und praktische Bildungsarbeit der an der Gesundung und Weiterentwicklung der deutschen Musik interessierten Kulturkreise. Er betonte insbesondere die deutsche Wesenheit gerade des nordischen Barock und begründete dies an Beispielen in Text und Ton. Seine fachlichen Ausführungen über Barockmusik im allgemeinen gipfelten in der hochinteressanten Gegenüberstellung des nordischen und südlichen Barock: hier angeborene Musizierfreudigkeit als die treibende Kraft, dort aber darüber hinaus tiefe Innerlichkeit; hier häufiger Gefühlsüberschwang in den Tonfarben und Bewegungsformen, in der sogenannten Figurik spürbar gemacht, dort jedoch anstelle dessen Gedanklichkeit, bei Sparsamkeit der angewandten Mittel völlige Uebereinstimmung in Text und Ton; allgemein verständlich ausgedrückt: beim südlichen Barock die Musik oft lediglich eine Sache der Unterhaltung, beim nordischen hingegen stets als Haltung an sich zu werten und zu nehmen.

Diese fachlichen Ausführungen Dr. Ehmanns trugen sehr zum Verständnis der nachfolgenden Kantaten- und Instrumentalwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert bei, ja sie verliehen jenen leider längst historisch gewordenen Tonschöpfungen erst die richtige Tiefenwirkung. Heinrich Schütz, der Vater der deutschen Musik (1585 bis 1672), kam in der Vortragsfolge als erster zu Worte mit einem seiner Deutschen Konzerte für Baß, zwei Violinen und Generalbaß (Cembalobegleitung). Dr. Olaf Hudemann, Berlin, erwies sich hie[r]bei als ein Baß-Bariton, der über gute Stimmittel und eminent sicheres Stilgefühl verfügt, das ihn zur Charakterisierung dieser barocken Gesänge in besonderem Maße befähigte. Schon an dem einen Beispiel wurde die Großtat Schützens sinnfällig: Deutsche Worte, deutsche Klang- und Formgebung [‚deutsche‘ jeweils Sperrdruck] in der bis dahin von niederländischen und italienischen Mustern abhängigen Musikgattung. Ihm ist als erstem die Ein- und Umdeutung der Allerweltsmusik, die Ueberführung der spielerisch gewordenen Renaissance in das ernste und darum echteste deutsche Barock gelungen.

Nicht ganz frei von niederländischen und italianisierenden Mustern und Einflüssen erschienen die pastorale Kantate für Sopran und fünfstimmiges Orchester mit Generalbaß von Franz Tunder (1614 bis 1667) und der Dialog für Sopran (Menschen-) und Baß (Gottesstimme) mit Generalbaß von Jul[ius] J[ohann] Weiland (gest[orben] 1663); an sich prächtig, in typischen Barockfarben schillernde Tonschöpfungen, die der Sopranistin Gertraud Ebers [(1917-2013)] und Dr. Hudemann als Baß nicht ganz leichte, dafür dankbare Aufgaben stellten. Deutsche Vollblütigkeit hingegen wiederum bei Dietr[ich] Buxtehude (1637 bis 1707), der mit seiner Solokantate für Baß und Streicher mit Generalbaß die überragendste Leistung dieses Musikabends bot. Seine Art der Textbehandlung, reich an Pathos und Sinnbildern, seine glänzende, an den Klang einer Barockorgel gemahnende Art der Instrumentierung, die wirklich konzertant im alten, besseren Sinne des Wortes genannt zu werden verdient, zeigen uns Buxtehude bereits als den deutschen Meister [‚deutschen‘ im Sperrdruck], würdig, der Lehrmeister eines Johann Sebastian Bach zu werden.

Wilhelm Rinkens, Eisenach, spielte als Instrumentaleinlagen: Präludium in c-moll (Wohltemperiertes Klavier I, Nr. 2) und Fantasie in c-moll von Johann Sebastian Bach, beides allerbeste Cembalomusiken, dem intimen Charakter dieses Instrumentes der Barockzeit mit den feinen Klangnuancen und dem brillierenden Laufwerk der Figuren an den Leib geschrieben; für Rinkens eine gute Gelegenheit, sich als Bachspieler unter Beweis zu stellen.

Prof. Dr. Ehmann, der seine Sänger und Instrumentalisten auch ohne Stab zu beachtlichen, werkgetreuen Leistungen anzueifern verstand, konnte aus dem reichlichen Beifall des volles Saales das Bewußtsein ernten, daß er sich mit seiner Zielsetzung, Wesen und Kulturwerte der deutschen Musik auf geschichtlichen Grundlagen im Rahmen solcher Musikabend[e] zu erschließen, den Dank und die Anerkennung aller kultur- und aufbauwilligen Kreise sichert.“

Zu einer nächsten Unternehmung des Collegium musicum, der Präsentation Innsbrucker Musik aus der Zeit Kaiser Maximilians, bringt Ehrentraut Straffner in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. März 1943 auf Seite 5 eine den Nationalstolz animierende Vorschau:

„[…] Der heimische Boden war damals Träger der ersten großen deutschen Musikkultur. Die Innsbrucker Komponisten genossen Weltruf und ihre Werke haben die Jahrhunderte überdauert. Mit ihrer Erweckung wird ehrwürdiger eigener Kulturgrund sichtbar, der in künstlerischer und volkserzieherischer Hinsicht für uns wieder große Bedeutung gewinnt. Eine umsichtig gewählte Auslese soll für diese reiche und ungemein reizvolle Überlieferung zeugen. Der gemischte Chor wird ernste und heitere Chorsätze bringen, die zu den berühmtesten der deutschen Musikgeschichte gehören und die große deutsche Chortradition begründet haben. Dazu tritt instrumentale Kammermusik: Streichtriosätze, Flötenduette, Klavierwerke, Sololieder, die für die prunkvollen Feste des kunstliebenden ‚letzten Ritters‘ geschrieben wurden. Das Collegium musicum wird in seiner regsamen Arbeit für eine Vermittlung sorgen, die allen Hörern Freude und Erkenntnis bringt. Einführung und Leitung liegen in den Händen von Professor Dr. W. Ehmann; W. Rinkens und J[örg] Lutz wirken solistisch mit. Die Vorführung, die von der Volksbildungsstätte Innsbruck veranstaltet wird, findet im Hörsaal 3 der alten Universitätsbibliothek am Freitag, 19. März, 8 Uhr, statt.“

Den Verlauf des Konzerts schildert Karl Senn wie üblich sachlich und besonders im Unterschied zu Hermann Josef Spiehs ohne ideologische Anbiederung (Innsbrucker Nachrichten vom 22. März 1943, Seite 5):

„[…] In einem ‚Offenen Abend‘ hatte das Collegium musicum unserer Alpenuniversität Proben solcher Musik aus der Zeit um 1500 am Freitag, den 19. März, im Hörsaal III der alten Universitätsbibliothek gegeben. Ein einleitender Vortrag des Leiters der Veranstaltung, Professor Wilhelm Ehmann, führte in das musikalische Leben dieser Zeit ein. Der Vortragende betonte insbesondere die musikgeschichtliche Bedeutung dieses Abschnittes. Eine geschickt zusammengestellte und das Charakteristische der Musikentwicklung dieser Zeit anzeigende Vortragsfolge von Chören und Einzelvorträgen ließ auch als besonders bedeutungsvoll die Stilwandlung von Spätgotik zur Renaissance sinnfällig werden.

Zum Vortrage kamen vier- und fünfstimmige Chorlieder von Paul Peuerl (aus Niederösterreich), von Paul Hofhaimer, von dem um 1553 im Eisack- oder Etschtal (daher wohl der Beiname Athesinus) geborenen Tiroler Leonhard Lechner, der vielfach als der genialste deutsche Tonsetzer in der Zeit vor Heinrich Schütz gilt, dann von Heinrich Isaak, Ludwig Senfl, anderen unbekannten Meistern und von Orlando di Lasso, dessen Anwesenheit in Innsbruck im Jahre 1585 nachgewiesen ist, weitere Liedbearbeitungen für Cembalo (gespielt von Wilhelm Rinkens) von Hofhaimer, solche für drei Streichinstrumente von Isaak, Sololieder (gesungen von Jörg Lutz) von Hofhaimer und ein Duo für Blockflöten eines unbekannten Meisters.

Professor Ehmann hatte sich eine möglichst wirklichkeitsnahe Ausführung dieser Musik sehr angelegen sein lassen und damit einen interessanten Einblick in die Musikausübung jener Zeit mit den eigenartig unsinnlichen, linienhaften Klängen der Spätgotik bis zu den ersten Erscheinungen textlich-poetisch angeregten Musikgutes gewährt. Eine zahlreich versammelte Zuhörerschaft zollte seinen anregenden Ausführungen wie auch den stilsicheren musikalischen Darbietungen lebhaften Beifall.“

Zum Semesterschluss kam das Collegium musicum des Salzburger Mozarteums nach Innsbruck und spielte ein Programm, das ausschließlich Werken Johann Sebastian Bachs gewidmet war. Ehrentraut Straffner gibt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. März 1943 eine kurze Einführung, Seite 4:

„Am Dienstag, 23. März, haben wir das Collegium musicum aus Salzburg zu Gast. Es besteht aus Lehrern und Musikschülern der Meisterklassen des Mozarteums. Unter seinem Leiter Konrad Lechner hat es sich rasch einen großen künstlerischen Ruf für lebendiges, werkgerechtes Musizieren erworben. Die Künstler spielen in Innsbruck ein Programm, das in seiner Geschlossenheit und Vielfältigkeit gleich anziehend ist; lauter Konzerte von Joh. Seb. Bach in stetes neuer und reizvoller Besetzung: das 3. Brandenburgische Konzert für drei Streicherchöre, das Violinkonzert E-dur für Solovioline und Orchester, das Tripelkonzert in a-moll für Solovioline, Soloflöte, Solocembalo und Orchester, die H-moll-Suite für Soloflöte und Orchester. Das Konzert steht in der Reihe der Studienabende, die das Musikwissenschaftliche Institut der Deutschen Alpenuniversität und die Studentenführung veranstalten und wird von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, Volksbildungsstätte Innsbruck, getragen. Die Einführung gibt Professor Dr. W. Ehmann.“

Vom Konzert berichtet Hermann Josef Spiehs in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1943, Seite 5:

„Das Musikwissenschaftliche Institut der Deutschen Alpenuniversität Innsbruck vermittelte gemeinsam mit der Studentenführung und der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude bereits zu wiederholten Malen wertvolles deutsches Musikgut. Die Veranstaltung am Dienstag, den 23. März, bei der sich der Hörsaal der alten Universität bis aufs letzte Plätzchen füllte, galt dem Großmeister der deutschen Musik: Johann Sebastian Bach.

Prof. Dr. Ehmann, der Leiter des vorgenannten Institutes, hatte zum Abschluß des Semesters und als Krönung des werktätigen Musikschaffens das Collegium musicum des Salzburger Mozarteums zu Gast geladen, das mit einer auserlesenen Werkfolge beglückte. In einleitenden Worten behandelte Prof. Ehmann Wesen und Wert der Bachschen Musik und deren einmalige Wirkung und Geltungskraft über Zeit und Raum. Die 14 Gäste aus Salzburg, durchwegs Mitglieder und Schüler der Musikhochschule, eröffneten sodann die ‚Abendfolge‘ mit dem Brandenburgischen Konzert Nr. 3 […].

Konrad Lechner als Leiter der wackeren Schar bewies seine Fähigkeiten als Dirigent und darüber hinaus als Gestalter und Künder der Bachschen Muse. Rauschender Beifall lohnte ihm und allen Mitwirkenden die Gründlichkeit und Gediegenheit dieses Bach-Abends, der mit der Wiederholung der Polonaise aus der h-moll-Suite ausklang.“

Mit der Schlagzeile „Sing- und Spielabende alpenländischer Musik“ werden die Leser der Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1943, Seite 5, auf ein Tourneeprojekt des Collegium musicum aufmerksam gemacht. Wie weit der Begriff „alpenländische Musik“ dabei gefasst ist, geht aus der Programmübersicht hervor:

„Das Collegium musicum der Deutschen Alpenuniversität unternimmt auf Einladung der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude unter seinem Leiter Prof. Dr. W[ilhelm] Ehmann und unter Mitwirkung der Innsbrucker Sopranistin Gertraud Ebers eine Konzertreise durch unseren Gau – nach dem Auftreten in der Gauhauptstadt werden Kufstein, Kitzbühel, Feldkirch, Bregenz und Bludenz berührt –, wobei vor allem Musik der eigenen Landschaft zum Vortrag kommt. Der erste Teil des Programmes enthält Chor- und Kammermusik der weltberühmten Innsbrucker Hofkomponisten aus der Zeit Kaiser Maximilians, also aus der ersten Blüte der großen deutschen Chormusik. Der Mittelteil bringt Streichquartett- und Solomusik von Haydn und Mozart; den Abschluß bilden alpenländische Volkschöre und Volkstänze.“

Zum festlichen Begleitprogramm des 6. Landeschießens gehörte ein Konzert des Collegium musicum im Hofgarten, das mit einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 10. Juli 1943 auf Seite 5 wie folgt präsentiert wird:

„Die Veranstaltungen des Collegium musicum unserer Alpenuniversität haben sich in den Kreisen der Innsbrucker Bevölkerung rasch einen großen Freundeskreis erworben. Die Arbeit dieses Sommersemesters schließt mit einer volkstümlichen Veranstaltung, einer sommerlichen Abendmusik im Hofgarten, am Montag, den 12. d[ieses] M[onats Juli 1943], 20.30 Uhr. Im Mittelpunkt stehen Werke unserer Klassiker und Vorklassiker. Die Studenten haben es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, diese großen Gestalten der deutschen Musikgeschichte hier von ihrer volkstümlichen Seite zu zeigen. So werden u. a. Werke zu Gehör kommen, die wenig bekannt sind: unveröffentlichte Männerchöre von J. Haydn, gemischte Chöre des gleichen Meisters, Mondlieder von Chr. W. Gluck, Studentenmusiken von J. Rosenmüller und G. Ph. Telemann, eine Serenade im Walde zu singen von J. A. P. Schulz für Bariton, gemischten Chor und Orchester, dazu Sätze von W. A. Mozart und L. v. Beethoven. Die Veranstaltung findet anläßlich des Landesschießens im Rahmen der Volkskulturtage der Hitler-Jugend und der Tagung des Musikschulwerkes Tirol-Vorarlberg statt und wird vom Volksbildungswerk getragen. Es wirken mit: Gertraud Ebers, Sopran, Torsten Bernow, Bariton, vom hiesigen Reichsgautheater. Die Leitung hat Prof. Dr. W. Ehmann.“

Der nächste Bericht von der „Abendmusik im Hofgarten“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Juli 1943, Seite 4) vermittelt den Lesern weniger eine Darstellung des Konzertverlaufs als vielmehr Informationen über die spezielle Aufgabenstellung des Collegium musicum in der NS-Zeit:

„Wie die Kampfspiele der Griechen und die Ritterspiele des Mittelalters zugleich die Künste zum friedlichen Wettstreit aufriefen, so ist auch unser Landesschießen weitgehend mit kulturellen Leistungsproben verbunden. Die Studenten unserer Alpenuniversität haben sich dabei eingeordnet und an einem wunderbaren Sommer- und Mondabend unter den Bäumen des Hofgartens, wie im Vorjahre, eine Abendmusikveranstaltet. Sie stand innerhalb der Volkskulturtage der Hitler-Jugend und der Schulungswoche des Musikschulwerkes und wurde organisatorisch vom Volksbildungswerk getragen.

Das Collegium musicum, eine uralte Einrichtung der deutschen Universitäten, erfüllte stets eine doppelte Aufgabe: Es galt die Musik und das Musizieren nicht als eine Spezialsache, sondern als einen notwendigen Teil des Bildungsganzen angesehen und diese menschliche Formungsaufgabe in der Gemeinschaft erfüllt. So finden sich auf diesem Boden Musikliebhaber aller Fakultäten unter jeweiliger Führung der Fachkräfte zusammen. Dabei soll zugleich die historisch-wissenschaftliche Arbeit für die drängenden Aufgaben der Gegenwart fruchtbar gemacht werden. Die Möglichkeit der Gemeinschaftserziehung durch das Selbstmusizieren stellt den Studentenkreis mitten in das Anliegen unserer neuen Jugend. Hier bilden Volkslied und Volksmusik den Ausgang. Und so vermochte das Collegium musicum gerade innerhalb der Volkskulturtage verschiedentlich Anregungen weiterzugeben.

Im Mittelpunkt dieser Abendmusik standen zwar unsere großen Klassiker der Musik, jedoch wurden sie hier von einer im gewohnten Konzertleben weniger bekannten, volkstümlichen Seite gezeigt und rückten so auch den vielleicht Fernstehenden nahe. Der Gemeinschaftsboden der klassischen Musik wurde deutlich in heiteren und ernsten Kanons von Haydn, Mozart, Beethoven, in ansprechenden gemischten und Männerchören Haydns, die zum Teil erst in der Arbeit des Innsbrucker musikwissenschaftlichen Instituts neu zugänglich gemacht worden sind, in Studentenmusiken der Vorklassiker, die uns heute vielfach als Feiermusiken dienen, in Klavierliedern von Gluck und Mozart, gesungen von Gertraud Ebers, die am historischen Spinett (Wilhelm Rinkens) lieblich-helle Begleitung fanden, in einer Abschlußkantate von J. A. P. Schulz, bei der sich Chor, Orchester und Vorsänger (Torsten Bernow) zusammenfanden.

Alle Werke drängen über den Konzertsaal hinaus und wollen wieder unmittelbar vom Leben übernommen werden; ihr Thema war Lobpreis der Natur und des natürlichen Lebens. So kam es in diesem gelösten, offenen Musizieren zu einem beglückenden Einklang von Musik, Landschaft und Musizierform, getragen von der Heiterkeit echter Klassik.

Die Studenten, an einzelnen Pulten durch Berufskräfte der Städtischen Musikschule und des Reichsgautheaters geführt, musizierten unter Prof. Dr. W. Ehmanns Leitung mit jugendlicher Begeisterung, die sich der außerordentlich zahlreichen Zuhörerschaft sichtlich mitteilte, so daß erst einige Chorzugaben den Reigen des fröhlich-dankbaren Gebens und Nehmens schließen konnten.“


Verwaltungsakademie Innsbruck

Die Innsbrucker Nachrichten vom 22. Oktober 1943 enthalten auf Seite 3 anlässlich der für den 8. November vorgesehenen Eröffnung des Wintersemesters einen Artikel, der sich der Werbung für diese eminente Bildungseinrichtung der Ideologie widmet:

„Die Verwaltungsakademie ist eine Fachhochschule eigener Art. Sie bietet sowohl den Beamten und Angestellten der Verwaltung und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, als auch den Angestellten der Wirtschaft und der freien Berufe Gelegenheit zur beruflichen Fortbildung auf wissenschaftlicher, hochschulmäßiger Grundlage. Sie will ihre Hörer zu verantwortungsbewußten, charakterfesten und zu selbständiger Leistung fähigen Persönlichkeiten erziehen, die sich bewußt in den Dienst der deutschen Volksgemeinschaft und des nationalsozialistischen Staates stellen.

Durch eine Reihe von Vorlesungen über das gesamte Gebiet der Staats-, Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie über die Lehre vom Nationalsozialismus, der Rasse, Volk und Staat sollen die Hörer befähigt werden, den geistigen Anforderungen des öffentlichen Dienstes zu genügen, die Eingliederung ihrer täglichen Dienstgeschäfte in den Kreislauf der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Lebens zu vollziehen und vermöge ihres erweiterten Wissens und gesteigerten Könnens größere Aufgaben selbständig zu erledigen.

Nach dem Besuch von sechs Semestern (Wintersemester November-Februar, Sommersemester Mai-Juli) kann durch eine Abschlußprüfung das Verwaltungs-Akademie-Diplom erworben werden. Es steht jedoch den Hörern frei, auch einzelne Semester oder innerhalb eines Semesters eine oder mehrere Fachvorlesungen zu hören. Der Lehrstoff eines Semesters ist in sich abgeschlossen. Das Studium kann daher mit jedem Semesterbeginn angefangen oder fortgesetzt werden […].“


Landschaftsschutz

Zum Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes wurden im Februar 1943 verbindliche Maßnahmen getroffen und öffentlich gemacht (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Februar 1943, Seite 5):

„Im Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tirol und Vorarlberg erschien eine vom Gauleiter und Reichsstatthalter [Franz Hofer] genehmigte gemeinsame Verordnung sämtlicher Landräte im Gau Tirol-Vorarlberg und des Oberbürgermeisters der Gauhauptstadt Innsbruck [Dr. Egon Denz] über den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes gegen Verunstaltung.

Der Zweck der Verordnung geht aus ihrem Einleitungssatz hervor: ‚Unsere Städte und Dörfer waren ursprünglich Ausdruck deutscher Baukultur und deutschen Gemeinsinnes. Durch nachträgliche bauliche Eingriffe ist oft das harmonische Orts- und Straßenbild zerstört worden. Auch die offene Landschaft wurde vielfach durch häßliche bauliche und werbetechnische Maßnahmen verunstaltet.‘

Im allgemeinen besagt die Verordnung, es seien ‚bauliche Anlagen und Aenderungen so auszuführen, daß sie Ausdruck anständiger Baugesinnung und werkgerechter Durchbildung sind und sich der Umgebung einwandfrei einfügen‘. Um dies zu verwirklichen, setzt die Verordnung grundsätzlich fest, daß alle, auch die bisher nicht bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen und Aenderungen, soweit sie nach außen sichtbar werden, der baupolizeilichen Genehmigung bedürfen. Hierzu gehören alle Bauten ohne Rücksicht auf das Vorhandensein einer Fundamentierung und auf die verwendeten Baustoffe; also auch Scheunen, Silobauten, Gartenhäuser, Glashäuser, Garten- und Werkzeughütten, Baracken, Jauchegruben, Düngerstätten. Einfriedungen, Stütz- und Gartenmauern, Brunnen, Denkmale, Bildstöcke u. dgl., ferner auch Ausbesserungs- und Erneuerungsarbeiten am Aeußeren von Bauwerken, so z. B. Erneuerung des Verputzes, der Verschalung, der Dacheindeckung, der Fenster, Türen, Balkone, Veranden und deren Farbgebung. Bauliche Aenderungen und Instandsetzungen an Bauwerken von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung werden in der Verordnung besonders berücksichtigt.

Was Ausdruck anständiger Baugesinnung und werkgerechter Durchbildung ist, bestimmt im Einzelfall die Baupolizeibehörde. Die Verordnung zählt eine umfangreiche Liste von Bestimmungen auf, die bei der äußeren Gestaltung der Bauten sowie bei Vereinigungen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes zu berücksichtigen sind und setzt ferner eingehend die Genehmigungspflicht für Ankündigungen und Werbeeinrichtungen fest.

Die Verordnung ist mit Beginn dieses Jahres in Kraft getreten; Uebertretungen stehen unter Strafandrohung nach den Bestimmungen der Bauordnung. Die sowohl in der Hauhauptstadt als auch in verschiedenen Kreisen des Gaues bereits seit längerer Zeit mit mehr oder minder durchschlagendem Erfolg durchgeführten Vereinigungen des Orts- und Landschaftsbildes haben durch diese Verordnung für ihre weitere Ausgestaltung eine gesetzliche Grundlage erhalten, die gleichzeitig eine Handhabe dafür schafft, daß in Hinkunft Bausünden und Verunzierungen des Landschaftsbildes nötigenfalls mit gesetzlichen Mitteln hintangehalten werden können, wenn die freiwillige Einsicht vereinzelter Bauträger hierfür nicht vorhanden sein sollte.“

Mit der Schlagzeile „Alle Seen unseres Gaues unter Naturschutz. Niemand darf das schöne Landschaftsbild entstellen – Pflanzt Eichen und Nußbäume!“ informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 5. April 1943 (Seite 4) über weitere Maßnahmen der Partei im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes:

„Durch eine im Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tirol und Vorarlberg erschienene Anordnung des Reichstatthalters werden die Seen des Gaues Tirol-Vorarlberg samt ihren Ufern bis zu einer durchschnittlichen Entfernung von 500 Meter landeinwärts im Sinne des Reichsnaturschutzgesetzes einstweilen unter Schutz gestellt. Innerhalb dieser Landschaftsteile sind Aenderungen, welche die Natur und den Naturgenuß beeinträchtigen, das Landschaftsbild verunstalten, die Sicht auf die Seegewässer und die Zugänglichkeit der Seeufer erschweren oder unterbinden können, allgemein verboten. Nähere Bestimmungen der Anordnung beziehen sich auf die Entfernung von Landschaftsbestandteilen, die Errichtung von Bauwerken einschließlich Einfriedungen, Boots- und Badehütten, Wochenendhäusern, Schuppen, Wohnbooten, Zelt- und Lagerplätzen; ferner auf Müllablagerungen, die Anlage von Steinbrüchen, Kiesgruben und ähnliche Entstellungen der Landschaft; endlich auf die Anbringung von Inschriften, wobei bestimmte Ausnahmen zugelassen sind. Reklameschriften sind nach dem Sinn dieser Anordnung unzulässig, wenn es sich nicht um die Bezeichnung von Gewerbebetrieben an der Stätte der eigenen Leistung handelt. Auch außerhalb der 500-Meter-Zone ist die Errichtung von Bauwerken unzulässig, sofern diese das Landschaftsbild, das von den Ufern des Sees überblickt werden kann, entstellen. Die Verordnung ist bereits in Kraft getreten.

Dieselbe Ausgabe des Verordnungsblattes enthält weiterhin Hinweise auf die Notwendigkeit der Erhaltung und Nachpflanzung von Eichen und Nußbäumen. Diese Bäume bilden einen besonders wirkungsvollen Schmuck der Landschaft und sind auch aus wirtschaftlichen Gründen sehr erwünscht. Viele Gebiete im Gau Tirol-Vorarlberg sind für das Gedeihen der Bäume klimatisch vorzüglich geeignet; zur Anpflanzung eignen sich vielfach Landschaften, die sonst nur geringfügigen landschaftlichen Ertrag abwerfen.

Der Bestand an Nußbäumen ist im letzten Weltkrieg durch Holznutzung für die Herstellung von Gewehrschäften übermäßig stark gelichtet worden; Eichen sind in manchen Gegenden, wo sie früher zahlreich waren, vollständig ausgerottet. Alle in Frage kommenden Stellen werden durch die erwähnten Hinweise im Verordnungs- und Amtsblatt aufgefordert, der Neu- und Nachpflanzung von Eichen und Nußbäumen besonderes Augenmerk zuzuwenden.“


Bildende Kunst

Das zentrale Ereignis im Bereich der bildenden Kunst war auch im Jahr 1943 die große Gau-Kunstausstellung unter dem „persönlichen Ehrenschutz des Gauleiters und Reichsstatthalters“ Franz Hofer. Die Schau mit Beteiligung nahezu aller bildenden Künstler des Gaugebiets und Südtirols war wie üblich Teil des Festprogramms zum Landesschießen, somit eine Demonstration der Unterwürfigkeit der Künstlerschaft und zugleich ihrer Gefolgschaftstreue. So wurde die feierliche Eröffnungszeremonie am 4. Juni 1943 in der alten Universitätsbibliothek in Innsbruck zu einem symbolträchtigen Festakt der Verbrüderung von Kunst und Ideologie, bei dem Gauleiter Hofer die Mitwirkung von 120 Künstlern als „einen Beweis des ungebrochenen Leistungswillens und der Bereitschaft, durch diesen Leistungsbeweis dem Führer einen Teil unsers Dankes abzustatten“ bewertete (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juli 1943, Seite 4).

In seiner zusammenfassenden Darstellung „Eindrücke von der Gau-Kunstausstellung 1943“ fasst Karl Paulin diesen Bedeutungswandel von Kunst als effiziente Propagandahilfe in Worte (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Juli 1943, Seite 3):

„Daß in Zeiten höchster kämpferischer Bewährung die geistigen und künstlerischen Kräfte des deutschen Volkes sich konzentrieren und vertiefen, ist eine Erfahrung, die wir nun auch im vierten Kriegsjahr allenthalben machen und die uns ein erfreuliches Zeichen des unzerstörbaren schöpferischen Kulturwillens unserer Nation ist. Auch die vierte Gau-Kunstausstellung, die unter dem Schutz und der Förderung des Gauleiters und Reichstatthalters Franz Hofer in den Sälen der alten Universitätsbibliothek aufgebaut und nun dem öffentlichen Besuch zugänglich ist, bestätigt und verstärkt diesen Eindruck. Es ist, als ob unsere Künstler die Verpflichtung ihrer inneren Berufung von Jahr zu Jahr tiefer fühlen, daher vermitteln die jährlich wiederkehrenden Ausstellungen nicht etwa ein unter dem Einfluß der steigenden, äußeren Schwierigkeiten und Einschränkungen stehendes Gesamtbild sinkender Leistungen, sondern im Gegenteil ein erfreuliches Wachsen und Reifen der künstlerischen Anlagen und Begabungen, mit denen unser Alpengau von jeher reich gesegnet ist.“

Den ersten Teil seiner „Eindrücke“ widmet Karl Paulin jenen Künstlern, die zur Wehrmacht eingerückt waren, von denen drei „inzwischen den Heldentod gefunden“ hatten. Bei diesen Künstlern überwiegen natürlich die Motive der Fronterfahrung als Reflexion und psychologischer Verarbeitung der Ausnahmesituation sowie Darstellungen, die der Sehnsucht nach der Heimat Ausdruck geben:

„In dem Bildhauer Sepp Orgler kündigten wir im Vorjahr im Hinblick auf seine Plastik Hirten eine hoffnungsstarke bildnerische Begabung an. Die heurige Ausstellung umschließt nun drei Schöpfungen Orglers, der am 2. März l[aufenden] J[ahres] bei Orel [in Russland] gefallen ist. Ein großes Oelbild Die Mutter, herb und eigenartig, aber von starkem modernem Geist erfüllt, eine meisterhafte Zeichnung Der Tod als Freundund eine im Ausdruck tiefergreifende Plastik Sterbender Held, aus der die schicksalahnende Hand des Künstlers spricht, zeigen, welch hohe Begabung als Maler, Graphiker und Bildhauer durch den Heldentod jäh abgerissen wurde.

Der Meraner Graphiker Robert Hell war ebenfalls schon im Vorjahr mit künstlerisch hochwertigen Holzschnitten vom Norden der Ostfront vertreten. Nun sehen wir eine Auswahl seiner außerordentlich flotten strich- und farbsicheren Zeichnungen aus dem Feld und aus der Südtiroler Heimat. Besonders über dem Blick von Obermais liegt eine gewitterschwüle Stimmung, verwandt dem sinnenden Ernst des Bildnisses, das über dieser Landschaft hängt. Der Bozner Maler Hans Prünster hat diesen schmalen ernsten Kopf seines Freundes Robert Hell gezeichnet, der vor Jahresfrist als kriegsfreiwilliger Gebirgsjäger am Wolchow [in Russland] gefallen ist.

Nur ein kleines, in der Stimmung aber hauchzartes Aquarell St. Justina bei Bozen mit dem Rosengarten erinnert an den Brixner Maler Anton Sebastian Fasal, der seiner schweren Verwundung als Panzerunteroffizier in Nordafrika erlegen ist.

In diesem Zusammenhang darf wohl auch der jüngst in Innsbruck als 78jähriger verstorbene Bozner Maler Josef Meir-Ragen genannt werden, dessen Porträtkunst ein in altmeisterlicher Farbengebung gehaltenes Oelbildnis Bergbäuerin bekundet.

Besondere Beachtung verdienen jene Kunstwerke, die aus den Händen kriegsversehrter Künstler hervorgegangen sind, die, ungebeugt von ihrem schweren Schicksal, weiter ihrer künstlerischen Sendung dienen. Es gehört zu den heroischen Beispielen seelischer Haltung, mit welcher Energie Männer, die vom Feind schwer verwundet wurden, sich trotzdem ihrem Beruf widmen. Wer würde den kraftvollen, temperamentsprühenden Schwarz-Weiß-Zeichnungen des Innsbrucker Zeichners Fritz Berger ansehen, daß sie von einem Künstler stammen, der an der Front das rechte Auge und den rechten Arm verloren hat, der nun mit der linken Hand so sicher arbeitet, daß die Kraft des bildnerischen Ausdruckes nicht gelitten hat, sondern womöglich sich verstärkte. Der im weiten ostischen Raum fast gespensterhaft wirkendeTanzende Kosak, die phantastisch beschwingte Romanze Knabe im Moor stammen von dem gleichen Künstler und verkünden eine geradezu dichterische Phantasie.

Der Bludenzer Hubert Fritz hat im Felde beide Beine verloren und malt trotzdem ein farbenfrohes dörfliches Motiv aus Oetz und ein sehr charakteristisches Männliches Bildnis.

Vom Südtiroler Graphiker Heinz Gschwendt, Klausen, der im Kaukasus eine Kopfverletzung erlitten hat, enthält die Ausstellung eine Auswahl vorzüglicher Illustrationen zu Möricke Mozart auf der Reise nach Prag, zu Löns Werwolf und zum Bozner Roman Die Franzosenbraut eines jungen, vor kurzem erst in Afrika gefallenen hochbegabten Bozner Schriftstellers. Die malerische Qualität Gschwendts spricht aus seinem Aquarell Gufidaun im Regen und der meisterlichen Innenstimmung Beim Nußbaumer in Klausen.

Jörg von An der Lan, ebenfalls im Felde verwundet, stellt eine Winterschlacht im Osten aus, die im Großformat das Elementare der furchtbaren Winterstürme in der Steppe zu packendem Ausdruck bringt. Das Bildnis Intendant Pf[lugmacher] zeigt den jungen Künstler als treffsicheren Porträtisten.

Das sind nur ein paar Beispiele aus dem künstlerischen Schaffen unserer Frontsoldaten, deren Werke es verdienen, mit anderen Augen als mit denen des reinen Kunstliebhabers und ästhetisierenden Kenners betrachtet und gewertet zu werden.“

Im zweiten Teil seines Überblicks zur Gaukunstausstellung stellt Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 10. Juli 1943, Seite 3, jene Künstler vor, die bei dieser repräsentativen Schau erstmals ihr Talent zeigen konnten:

„[…] Es sind nicht durchwegs junge unbekannte Namen, die nun unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken, sondern zum Teil auch Maler, die schon vor Jahren im heimatlichen Kunstleben hervorgetreten sind oder bisher fern der Heimat gewirkt haben.

Da sind es vor allem die Gemälde des Malers Alfons Graber, eines gebürtigen Steinachers, der in Wien lebt, die eine eigene Anziehungskraft auf den Beschauer ausüben. Nicht nur das seltsam leuchtende Grün, welches seinen Bildern eigen ist, sondern die Komposition und der besondere seelische Ausdruck unterscheiden diese Werke von allen anderen. Das Selbstbildnis zeugt vielleicht am besten vom inneren Leben des Künstlers, das sich auch in den noch ein wenig maskenhaften Köpfen im Familienbild auswirkt. Eine verhaltene und doch jeden Stoff von innen heraus formende Kraft spricht aus diesen Werken.

In Johannes Hepperger, Marburg an der Drau, begrüßen wir nach Jahrzehnten einen heimatlichen Künstler wieder, der einst in Weimar einer der begabtesten Schüler von Albin Egger-Lienz war und von dem Meister den Zug ins Monumentale mitbekommen hat, der seine Lesende Bäuerin auszeichnet. Wie stark und tief Hepperger auch als Zeichner mit Natur und Volkstum sich verbunden fühlt, zeigt das Bildnis seines Großvaters. Aus St. Ulrich in Gröden stammt Wolf Thaler, München, der im Vorjahr den Lenbach-Preis erhielt und nun in unserer Kunstschau mit dem tiefgründigen Bildnis Meine Frau vertreten ist.

Ein anderer aus früheren Jahren als Porträtist rühmlichst bekannter heimischer Künstler, Leo Sebastian Humer, Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, stellt mehrere Zeichnungen aus, u. a. Ausdrucksskizzen von Schauspielern und ein ganz aus der Tiefe kindlicher Natur geschöpftes Pastellbild Ittchen.

Zum erstenmal treten uns die Brüder Hermann und Gottfried Moroder aus St. Ulrich in Gröden entgegen. Hermann, der junge Bildhauer führt sich mit zwei plastischen Gruppen Mutter und Kind, Bäuerin und Kind von ursprünglicher Lebensfrische ein, Gottfried weiß in seinen Aquarellen Schneeschmelze, Aschgler Alm, Herbststimmung den herben Duft heimatlicher Landschaft vorzüglich zu treffen. Zum erstenmal sind auch die Innsbrucker Maler Heinrich Berann mit einer effektvollen Innenraumstudie Herbstsonne und Franz Schwetz mit einem charakteristischen Oelbild Föhnwetter in der Gau-Kunstausstellung vertreten.

Motive aus den besetzten Gebieten stellt K. L. Urban de Meijer, ein ehemaliger belgischer Kriegsgefangener, der nach der Freilassung Bludenz zum Aufenthalt gewählt hat, aus: Mont St. Michel und Dünen an der flandrischen Küste fallen durch die freie Behandlung der Luftstimmungen auf. Impressionistische Farben tragen die Segelboote im Hafen des Bregenzerwälder Malers Heinrich Merkel. Otto Schmitz-Sons, Gries (Oetztal) fesselt durch ein stark persönliches Selbstbild und den Stimmungsreiz seiner Studien Am Brunnen und Sonniger Wintertag.

Ueberraschend reich, nicht nur an Zahl, sondern auch an Begabung, sind die weiblichen Kunstkräfte vertreten. Das figurale Oelbild Melodievon Franzi Purgstaller, Bezau, zählt durch Kraft und Tiefe der persönlichen Charakteristik zu den besten Leistungen der Ausstellung, ebenso ihr Osttiroler Bauernmädchen. Hilde Nöbl, Innsbruck, steigert in mehreren Bildnissen ihre künstlerische Reife. Ein neuer Name, Ilse Halhuber, Innsbruck, überrascht als Bildhauerin durch den künstlerischen Zug ihrer bronzierten Porträtbüsten. Die Blumenwelt ist ein besonders bevorzugtes Gebiet weiblicher Kunstübung und erscheint je nach Temperament und Darstellungsart in zahlreichen reizvollen Studien von Waltraud Adam-Mohr, Mia Arch, Helene von Biehler, Klara Brenner, Elly Cornaro-Gschließer, Hilde Gruber, Anni Egösi u. a. m. Auch die Kufsteiner Malerin Sieghilde Pirlo erscheint diesmal mit einem großzügigen Oelbild Sommerblumen. Daß das gleiche Stoffgebiet auch die männliche Gestaltungskraft reizt, zeigen Gemälde von Toni Knapp, Ernst Murk, Artur Pisek und Karl Schattanek.

Von der Vielfalt weiblichen künstlerischen Wirkens, das von zartester Empfindung bis zu plastischer Formkraft sich spannt, überzeugt eine eingehendere Besichtigung der Ausstellung. Da fesseln z. B. die märchenhaft feinen Aquarelle Gretl Karaseks, Maria Buceks entzückender Einfall Reiche Ernte, Martha Strehles frisches Kinderbildnis oder Lieselotte Popps landschaftsverbundene Holz- und Linolschnitte […].“

Schließlich gibt Karl Paulin noch einen Überblick zur Beteiligung jener bereits arrivierten Künstler, die schon früher bei der Gaukunstausstellung vertreten waren, in den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Juli 1943, Seite 5:

„[…] Daß Wilhelm Nikolaus Prachensky ein Vollblutkünstler ersten Ranges ist, bezeugen alle seine ausgestellten Bilder. Nach mehrjährigem Wehrmachtdienst hat diese vielseitige Persönlichkeit im letzten Jahr Muße gefunden, sich mit ganzer Leidenschaft der geliebten Kunst zu widmen. Welchen Stoff Prachensky auch immer ergreift, er gestaltet jeden zur Einheit von Idee und Form. Ob wir den Atem der Berge aus dem Hof in Kitzbühel spüren oder die architektonische Plastik der Tür in Natters, ob uns das weibliche Bildnis in Tracht oder der persönliche Ausdruck im Porträt Oberst J. G. M. fesselt, aus jedem spricht die gleiche künstlerische Vollendung.

Ein anderer Innsbrucker Maler, Ernst Nepo, überrascht durch die meisterliche Beherrschung einer in seinem Schaffen neuen Maltechnik. Das stilisierte Pastell-Blumenbild des früheren Nepo wandelt sich in Frühlingsblumen und Roter Mohn zu naturalistischen Gebilden von wundervoller Leuchtkraft. Der Porträtist Nepo erscheint in dem originell erfaßten Doppelbildnis Vater und Sohn.

Hubert Lanzinger stellt diesmal drei seiner charakteristischen Bildnisse aus: Frau H. H., Kriegsfreiwilliger A. R., Stabsarzt Dr. St. Altmeister Hugo Grimm ist noch immer mit jugendlicher Schaffenskraft am Werk, wie seine Großbilder Felsenlandschaft und Nahender Sturm zeigen.

Die Landschaft ist überhaupt in der Ausstellung sehr zahlreich und mit durchwegs künstlerischer Qualität vertreten. Gustav Bechler schöpft seinen Maimorgen und sein Falzturntal aus dem Achenseegebiet, Bartle Kleber, Bregenz, seine duftigen Temperastudien Morgenfrühe am hohen Ifen, Altenrhein, Versailjoch aus vertrauten heimatlichen Gefilden, ebenso Karl Eyth, Bregenz, die Studien Beim Spullersee, Tschengla mit Klostertaler Bergen, Herbst im Bregenzerwald, Martin Häusle, Feldkirch, bringt mit seiner Allee am Bodensee und den Gladiolen einen ganz neuen, kühnen Zug in die Kunstschau. Die Pastelle von Alfred Gärtner, Innsbruck, Winter am Achensee, Blick über Innsbruck tragen besonders feine, farbige Stimmungen. Rudolf Arnold, Innsbruck, gibt seiner Gewitterstimmung und dem Arzler Bild Aus dem Inntal ein außergewöhnlich starkes Naturempfinden.

Toni Kirchmeyrs malerisches Gefühl löst sich in seinen Aquarellen Alpe Rauris und Hundsdorf, Hans Zötsch bringt diesmal eine großzügig aufgefaßte Landschaft um einen Erbhof.

Walter Kühn zeigt außer dem Rötelakt Sitzende die Landschaftsstudien Bergwald und Am Gardasee. Sepp Ringel überrascht durch die Frische der Komposition im Bäuerlichen Idyll und einen duftigen Akt Der Abend. Aus seiner Freskenarbeit stammt der Entwurf Der besiegte Laurin.

Peter Paul Morandell ist heuer durch ein Pastell Blick ins Unterinntal und dem Aquarell Buchen im Herbst vertreten. Hans Hilber-Hall bringt eine vorzügliche Katzenstudie. August Frech widmet der bäuerlichen Arbeit sein Großbild Kartoffelernte, Thomas Walch malt einen außerordentlich lebensfrischen lachenden Bauernknecht. Der nun 70jährige Graphiker Konrad Alois Schwärzler, Kramsach, stellt den Kreis Kufstein im Holzschnitt nach alter Landkartenmanier dar.

Von starkem künstlerischem Temperament erfüllt sind zumeist die Werke von Künstlern, die neben ihrer soldatischen Pflicht ihre Berufung nicht vergessen. So die vielen impressionistisch flotten Skizzen von Leopold Fetz, Reuthe-Bezau, von Eugen Jussel, Feldkirch-Lewis, von Karl Adolf Krepcik, Innsbruck, und von Hans Stobl, Salzburg, der auch mit einem ausdruckstiefen Selbstbildnis und einem Oelbild Handgranatenwerfer vertreten ist. Josef Widmoser, Innsbruck, bringt frische, farbensatte Aquarelle aus französischer und italienischer Landschaft. Max Weiler vertieft und erweitert sein starkes Talent in mehreren Bildnissen, u. a. in dem kraftvoll charakterisierenden Porträt General H’, in der meisterlichen Bleistiftzeichnung Ein Kind und in großangelegten Blumenbildern.

Die Schönheit des Kaisergebirges leuchtet aus dem Bergfrühling von Josef Meng, Kufstein, die Idylle des Mittelgebirges aus Max Mosers Natterer Boden, Raimund Wörle besticht durch eine eigenartig plastisch gemalte Triumphpforte; er versucht sich auch in einem großformatigen, herben Gruppenbild Jugend und bietet einige originelle Beispiele in Erwino-Graphik.

Daß unsere Südtiroler Künstler wieder mit gehaltvollen Werken einen wesentlichen Tei der Kunstausstellung bestreiten, ist schon erwähnt worden. Von den drei Bozner Brüdern Stolz trägt die Kunst des Aeltesten Ignaz noch eine wundervolle Spätfrucht wie das Bildnis einer Bäuerin; sein Schloß Sigmundskron zeigt die Bozner Landschaft in charakteristischen Linien, denen gegenüber das Weinland seines Bruders Albert eine ganz andere Behandlung zeigt. Seinem eigensten Gebiet entnimmt Albert Stolz das der bäuerlichen Arbeit gewidmete große Oelbild Erdverbunden. Das scharf profilierte Reiterbild Speckbacher 1809 von Rudolf Stolz läßt seine Abkunft vom Wandfresko sofort erkennen.

Ein im Südtiroler Volksleben tiefverwurzelter Künstler Oskar Wiedenhofer, Seis am Schlern, zeichnet in dem Bild Die vier Lebensalter die Typen des bäuerlichen Weibes mit herzbewegender Naturtreue. Ein seelisches Abbild des kämpferischen, opferbereiten Tirolers schlechthin holt Wiedenhofer aus der heldischen Geschichte von 1809, seinen Peter Mayr den Wirt an der Mahr, der sein Leben um keine Lüge verkauft. Die Altweibermühle ist ein lustiger, mit viel volkstümlichem Humor durchgeführter Einfall Wiedenhofers, das Luisele ein entzückend naturfrisches Kastelruther Gitschele.

Wie auf jeder unserer Kunstausstellungen erscheint auch heuer Rudolf Parsch, Bozen, mit mehreren seiner feinkultivierten Werke. Neben der wundervoll lebendigen Kopfstudie für eine NSV.-Schwester und dem reizvollen Kinderbildnis Marlene erinnert das Oelporträt Dr. Julius Perathoner an den unvergessenen großen Bürgermeister der Talferstadt. Auch das die Stirnwand des großen Saales beherrschende Bildnis Der Führer stammt von Parsch.

Die südtirolische Landschaft lockt immer wieder die Schaffensfreude ihrer Künstler. Tiefe Heimatliebe durchdringt Rudolf Complojers reizvolle Aquarelle Berghöfe mit Schlern, Landschaft am Ritten, ebenso Hubert Mumelters Höfe in Corvara, Schneeschmelze u. a. m. Peter Demetz bringt wieder Ausschnitte aus der Geislergruppe, der alte, unermüdliche Josef Telfner Skizzen aus Gufidaun, H. J. Weber-Tyrol die Aquarelle Altes Gehöft mit Schlern, Ruhende Rinder im Stall, Edith Romani-Lutz eine feingetönte Etschtal-Landschaft und Sonnenblumen, Franz Petek Aquarelle aus dem Burggrafenamt und dem Vintschgau.

Auch die Bildhauerkunst erfüllt wieder ihren Zweck, den Gemälden und Zeichnungen ein dekoratives Gegengewicht zu geben. An Werken der Großplastik stellt Hans Plangger, Bozen, die Frauenstatue Am Meer, die im Vorjahr in der Großen deutschen Kunstausstellung in München zu sehen war, dann die Teilfigur eines Brunnens für die Stadt Innsbruck Mädchen mit Storch und einen kraftvoll bewegten Scheibenschläger aus. Albin Lanner, Innsbruck, zeigt eine knieende Aktfigur Brunhilde und ein Märchenmotiv Froschkönig.

Vielfältiger und reicher ist die Kleinplastik vertreten. Außer den schon genannten bildhauerischen Arbeiten lenken die beiden Porträtbüsten Hans Pontillers durch ihre tief in den Kern der Persönlichkeit dringende künstlerische Durchführung den Blick auf sich, ebenso seine herb anmutende Gruppe Mutter mit Kind. Das gleiche Motiv gestaltet Franz Josef Kranewitter, Nassereith, mit schlichter Volkstümlichkeit in Holz. Der eifrige und fruchtbare Otto Moroder, Mayrhofen, begegnet uns mit einer größeren Holzgruppe Feierabend, mit einem Zillertaler Kopf und einer, mit köstlichem Humor geschnitzten Tuxer Bötin.

Von Südtiroler Schnitzkunst zeugen die in bekannter meisterhafter Technik durchgeführten Kleinfiguren von Albin Pitscheider, Wolkenstein, und die lebensechte Bauernfamilie seines Landsmannes Alois Insam.

Eine Rückschau auf die nun durchwanderte und besichtigte Gau-Kunstausstellung 1943 gibt uns die Gewißheit, daß das Bestreben der Veranstalter, vor allem unseres Gauleiters, den künstlerischen Wert der Einzelleistungen und das Niveau der gesamten Ausstellung von Jahr zu Jahr zu heben, von einem unverkennbaren Erfolg gekrönt worden ist.

Der Ausstellungsleitung, vor allem Prof. Max Esterle und seinen engsten Mitarbeitern, den Malern Rudolf Parsch, Bozen, Bartle Kleber, Bregenz und Dr. Karl Theodor Hoeniger, Bozen, gebührt für die mühevolle, aufopfernde Arbeit an Aufbau und Durchführung der Gau-Kunstausstellung der Dank der gesamten Künstlerschaft und aller Kunstfreunde.“

Wenngleich sich die Künstler in der Motivwahl und stilistischen Ausführung ihrer Werke an das ideologische Diktat der Volksnähe gehalten hatten, so zeigt sich doch eine Zurückhaltung bei Darstellungen, die thematisch direkt auf den Nationalsozialismus Bezug nehmen und mit der Ideologie somit untrennbar verbunden bleiben. Sogar vormals exponierte Vertreter solcher Anbiederungsmalerei wie Ernst Nepo, Hubert Lanzinger oder Albin Lanner, die sich unter anderem mit Porträts vom „Führer“ hervorgetan hatten, wenden sich nun bevorzugt neutraleren Motiven wie Blumendarstellungen, Familienporträts oder Märchengestalten zu. Einzig der Bozner Maler Rudolf Parsch steuerte 1943 ein Porträt Adolf Hitlers bei, das bezeichnenderweise repräsentativ an der Stirnwand des großen Saales angebracht war.


Ausstellungskatalog 1943


Galerie 1943


In den Innsbrucker Nachrichten vom 3. August 1943, Seite 3, schreibt Karl Paulin über die Beteiligung von Künstlern des Gaugebiets Tirol-Vorarlberg und auch Südtirols bei der Großen Deutschen Kunstausstellung 1943 in München:

„Wer die Große Deutsche Kunstausstellung 1943 im Haus der Deutschen Kunst in München durchwandert, der staunt über die Fülle der 1141 Kunstwerke aller Techniken, in denen sich das schöpferische Wollen der deutschen Künstler aller Gaue im vierten Kriegsjahr imponierend ausprägt. Allen Hemmungen und Schwierigkeiten des totalen Kampfes zum Trotz treiben die geistigen und kulturellen Kräfte unseres Volkes neue Blüten, die im Haus der Deutschen Kunst in einem mächtigen farbenreichen Gebinde der Oeffentlichkeit dargeboten werden.

Fanden in den bisherigen Kunstausstellungen Künstler unseres Heimatgaues nur selten und vereinzelt Aufnahme und Beachtung, so finden wir in der diesjährigen Großen Deutschen Kunstschau zu unserer Freude zum ersten Male eine größere Anzahl künstlerischer Kräfte aus dem Gau Tirol-Vorarlberg und aus Südtirol. Wir dürfen wohl mit Recht annehmen, daß die jährlich wiederkehrenden Gau-Kunstausstellungen in Innsbruck, denen unser Gauleiter und Reichsstatthalter Franz Hofer seine besondere Förderung widmet, durch den Reichtum und die Qualität ihres Kunstgutes, die von Jahr zu Jahr unverkennbar steigen, dazu beigetragen haben, unseren heimatlichen Künstlern das Tor ins Haus der Deutschen Kunst zu öffnen.

Bei unserem Rundgang durch die Ausstellungsräume wollen wir nun bei den Gemälden und Zeichnungen unserer Heimatkünstler kurz verweilen und damit die Besucher der Großen Deutschen Kunstausstellung 1943 auf das unserem Alpengau entstammende Kunstgut hinweisen. Gleich im Saal 1 des Erdgeschosses fällt uns ein großes Oelbild Verwundeter von Hans Strobl, Salzburg, durch die kraftvolle Plastik der Gestalten auf. Der Künstler, der aus Bezau im Bregenzer Wald stammt, formt in ähnlicher Technik wie im Vorjahr diesmal zwei Gebirgsjäger, die einen verwundeten Kameraden über einen Berghang zu Tal tragen. Die drei Soldaten heben sich als künstlerisch verbundene Gruppe von der in blendender Sonne liegenden schneeblinkenden Bergeshäuptern wirkungsvoll ab. Im Saal 21 begegnen wir dem in Innsbruck lebenden Südtiroler Umsiedler Peter Paul Morandell mit seinem Oelgemälde Dengler. Ein Bauer sitzt gebeugt über dem Dengelstock und ist im Begriff, das Blatt seiner Sense zu dengeln, d. h. zu schärfen. Morandell gibt diesem Motiv, das einst auch Albin Egger-Lienz mehrfach behandelt hat, eine einfache kraftvolle, in den Farben zurückhaltende volkstümliche Prägung. Der Innsbrucker Maler Heinrich Berann erscheint im Saal 19 mit seinem Bild Bergheuer. Ein junger Bauer steigt gebeugt unter der Last eines mächtigen Heubündels von steiler Bergmahd zu Tal. Die den Vordergrund füllende Silhouette des Mannes mit dem Bündel, aus dem die Heufetzen quellen, zielt mit den Berggipfeln im Hintergrund auf bestimmte Wirkung.

Eduard Thöny, Holzhausen am Ammersee, aus Brixen in Südtirol gebürtig, der nun schon bald den Achtziger erreicht und noch immer mit jugendfrischer Kraft den Pinsel führt, ist im Saal 13 mit dem Gemälde Waffen-SS im Einsatz vertreten. Was der geniale Zeichner Thöny, ebenso unübertrefflich in typischer Charakteristik wie in der politischen Karikatur, bedeutet, zeigt gleichzeitig ein eigener Raum der Ausstellung Münchner Künstler 1943 im Maximilianeum in einer reichhaltigen Kollektion von Zeichnungen und Aquarellen.

Die übrigen unserer Künstler finden wir in der graphischen Abteilung im Obergeschoß, die auch heuer, wie schon in früheren Jahren die großen, repräsentativen Säle an künstlerischem Feingehalt übertrifft. Unter den zahllosen, reizvollen Werken der Kleinkunst behaupten sich unsere Meister der Landschaft, des Bildnisses und der Graphik durchaus ehrenvoll. Welch unnachahmlicher, lebensvoller Reiz liegt nicht in Hubert Lanzingers Pastellporträt Kriegsfreiwilliger D. Z. oder in Oskar Wiedenhofers entzückend gezeichnetem Kinderkopf.

Rudolf Parsch, Bozen, bringt in dem Südtiroler Ritterkreuzträger, den Gefreiten Helmut Valtiner, seine im Soldatischen besonders treffsichere Kunst zur Geltung.

Südtiroler Stimmungen wissen Rudolf Complojer in seinem Aquarell Rittenlandschaft mit Schlern und Peter Demetz in der Temperastudie Vorfrühling auf der Seiser Alm bezaubernd festzuhalten. Franz Petek gibt einem Ansitz in Eppan in seiner Graphitzeichnung typische Ueberetscher Umrisse.

Eine junge Künstlerin, die aus dem deutschen Norden nach Innsbruck kam und sich mit staunenswerter Einfühlung in die tirolische Bergwelt und ihre Siedlungsformen vertieft, Lieselotte Popp, erscheint mit dem für ihre Art kennzeichnenden Holzschnitt Am Kurischen Haff, Sepp Ringel mit dem volksmärchenhaft bewegten humorvollen Holzschnitt Die goldene Gans. Das in realistisch satten Farben gehaltene StillebenFrüchte der Innsbruckerin Hilde Gruber und der aus Marmor geformte lebensfrische Kinderkopf des Bozner Bildhauers Hans Plangger vervollständigen die Reihe unserer in diesem Jahr im Haus der Deutschen Kunst aufscheinenden heimatlichen Künstler.

Diese erste stärkere Beteiligung aus dem Gau Tirol-Vorarlberg und dem südtirolischen Kunstschaffen wird der weiten deutschen Welt einen Begriff von dem schöpferischen Kunstleben an der Alpengrenze des Reiches und gleichzeitig unserer Künstlerschaft neuen Auftrieb geben.“

In Ergänzung zu Karl Paulins Schilderung bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 16. August 1943 auf Seite 5 die Notiz, dass auch der junge Innsbrucker Maler Ernst Murr „mit einem Ölbild Stilleben“ zu jenen auserwählten heimischen Künstlern gehört, die bei der Großen Deutschen Kunstausstellung 1943 in München vertreten sind.

Im Spätherbst 1943 wurden „fast 600 Arbeiten“ dieser Ausstellung „ausgewechselt“; damit befand sich „unter den neu aufgenommenen Werken“ auch „ein Gemälde unseres heimischen [Südtiroler] Künstlers Peter Paul Morandell“ zu München im Haus der Deutschen Kunst: Feierabend in Südtirol (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943, Seite 5).

Welche materiellen und immateriellen Dimensionen diese zentrale Kunstschau des Reiches einnahm, zeigt der Erfolgsbericht von der Ausstellung des Jahres 1942 in der Neuesten Zeitung vom 12. März 1943, Seite 4:

„Nach einer Dauer von 33 Wochen und einem Erfolg, der alle bisherigen übertrifft, hat die Große Deutsche Kunstausstellung 1942 [in München] nun geschlossen. Reichsminister Dr. Goebbels hatte sie am 4. Juli bei der Eröffnung als das repräsentativste Gesamtwerk bezeichnet, das das Haus der deutschen Kunst ja [richtig: je?] zeigen konnte. 1.850 Werke von 950 deutschen Künstlern waren ausgestellt, 846.674 Volksgenossen haben sie bewundert – 141.446 mehr als die Vorjahrsausstellung und fast eine Viertelmillion mehr als die Schau von 1940. Konnte man damals schon von Rekordzahlen sprechen, so hat die letzte Reichskunstschau eine Besucherzahl aufzuweisen wie noch keine andere Kunstausstellung des Reiches.

Der Verkaufserlös von 3,398.321 Reichsmark für 1.214 Arbeiten, das ist 66 v. H. der ausgestellten Werke, ist gegenüber dem Vorjahr nochmals um 800.000 Reichsmark gewachsen. Sehr rege war auch die Nachfrage nach Reproduktionen: 812.700 Postkarten, 1450 Kunstdrucke und 40.824 Kunstzeitschriften wurden abgegeben. Die Zahl der Ausstellungskataloge in Höhe von 325.000 Stück reichte nicht aus, so daß 46.300 davon als Leihkataloge Verwendung fanden.

Nach dem Erstaufbau der Ausstellung (mit 1.258 Werken) wurden 385 Gemälde, 158 Graphiken und 49 Werke der Bildhauerei im Dezember ausgetauscht, so daß insgesamt 991 Werke der Malerei, 401 Werke der Graphik, 447 Werke der Bildhauerei, 9 Wandteppiche und 2 Gobelinkartons gezeigt wurden. Interessant ist noch die Verteilung der Künstler: sie stammten zu einem Drittel aus Süddeutschland, 214 entfallen auf Norddeutschland einschließlich Berlin, 186 auf Westdeutschland mit Rheinland, 103 auf Mitteldeutschland, 69 auf die Alpen- und Donaugaue und der Rest auf Sudetengau, Protektorat und Ausland.

Der Künstlerschaft gebührt der Dank, daß sie im dritten und vierten Kriegsjahr dazu beitrug, die künstlerische Kundgebung zu gestalten, die den Kulturträger Deutschland vor Europa und der Welt auch in einer Zeit demonstrierte, in der die Nation im höchsten Ringen um Sein oder Nichtsein steht. Erbauung, Entspannung, Freude und Stolz und Liebe zur deutschen Heimat und ihrer hohen Kultur hat die große Reichskunstschau in die Herzen gesenkt. Sie hat dazu beigetragen, den Kampf- und Siegeswillen des deutschen Volkes zu stärken. Die Große Deutsche Kunstausstellung 1943 ist in Vorbereitung.“

Einen überregionalen Erfolg konnte auch der Innsbrucker Maler Jörg von An der Lan aufweisen. Er hatte den Panzer Tiger gemalt und sein „Kolossalgemälde“ dem Generalinspekteur der Panzertruppen Heinz Guderian übergeben lassen. Diese spektakuläre Aktion findet natürlich entsprechenden Widerhall in den Innsbrucker Nachrichten (3. August 1943, Seite 5):

„Ein Innsbrucker Künstler malt die Tiger.
Im Herbst vorigen Jahres sind die Tiger zum erstenmal in Sowjetrußland erschienen. Diese gewaltige neue Waffe hat zahlreiche Gefechte entschieden. Und jetzt, zur Zeit des ‚Geburtstages‘ der ersten Abteilung, da inzwischen zahlreiche Tiger-Abteilungen an den verschiedensten Frontstellen kämpfen, leisten die schweren deutschen Panzer wiederum Ungewöhnliches in den bisher einzigartigen Materialschlachten bei Bjelgorod und Orel. Die Zeit der ersten Bewährung ist vorüber. Die Tiger sind kampfgewohnte Recken geworden.

Auf dem Truppenübungsplatz, der die Wiege aller Tiger-Abteilungen ist, wurde ein Gemälde des Tiroler Künstlers Jörg v. An der Lan dem Generaloberst Guderian überreicht. Das Kolossalgemälde bringt den Tiger in seiner überwältigenden Wucht. Wie ein Symbol der Panzer-Truppen, die kriegsentscheidend alle Feldzüge gekennzeichnet haben, erscheint das Bild. Der junge Maler, ein geborener Innsbrucker, der in den Kämpfen an der Ostfront verwundet wurde, hatte in der Gau-Kunstausstellung 1943 in Innsbruck, die eben geschlossen wurde, u. a. sein Großbild Winterschlacht im Osten ausgestellt.

Die Ueberreichung des Gemäldes an den Generalinspekteur der Panzertruppen Guderian ist gleichzeitig der Dank der Männer seiner Waffe und darüber hinaus des Heeres und des ganzen Volkes an den Mann, der entscheidend an dem Ausbau und der theoretisch-taktischen Entwicklung des schärfsten Schwertes des deutschen Heeres, der Panzerwaffe, gearbeitet hat.“

Weniger Aufsehen erregendes Potential hatte hingegen die Ausstellung des Innsbrucker Malers Wolfgang Ögg im Schaufenster der Buchhandlung des Deutschen Alpenverlags in der Maria-Theresien-Straße. In einer Auswahl von Aquarellen und Zeichnungen vermittelte der Künstler Motive von der Ostfront, „besonders Landschaften und charakteristische Volkstypen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 2. Oktober 1943, Seite 4).

Der vor allem durch seine Freskomalerei bekannte Sepp Ringel bekam 1943 den Auftrag, das neue Innsbrucker Laurin-Kino mit Szenen aus der Südtiroler Laurinsage auszuschmücken:

„[…] Der Künstler hat diese durchaus nicht leichte Aufgabe nun, insbesondere kompositorisch, glücklich gelöst: Der Dreiteilung des Raumes gemäß, die durch die beiden wuchtigen Stützbalken gegeben ist, gliederte er den Stoff in drei Einzelgruppen, die, jede in sich geschlossen, doch in enger Beziehung zueinander stehen. Vordringlich fesselt die bewegte und großzügige Mittelgruppe das Auge des Betrachters: der Kampf Laurins mit Dietrich von Bern. Bewundernswert ist hier vor allem, wie es dem Maler gelang, trotz der Verschiedenheit beider Gestalten ihre Schwerpunkte gegeneinander abzuwägen, so daß der königliche Zwerg in seiner Art dem Berner durchaus ebenbürtig gegenübertritt, der jedoch dabei von seiner durch den weiten, hellen Mantel und die breite Rückansicht besonders betonten kraftvollen Wucht nichts verliert.

Die linke Seitengruppe, zu der außer einer im Hintergrund zart angedeuteten Landschaft auch die kämpferisch ausladende Gebärde des schwertziehenden Dietrich überleitet, scheint die am besten gelungene des ganzen Werkes zu sein. Sie behandelt die Werbung des Zwergenkönigs um die schöne Simild von Steiermark und zeigt besonders in der Gestalt der Frauenfigur neben dem Malerischen auch feine psychologische Elemente. Auch hier ist die Lauringestalt königlich aufgefaßt. Eine zweite, köstlich gezeichnete Zwergenfigur rundet auf sehr glückliche Weise das Gesamtbild dieser Gruppe ab, in der die Erhabenheit der Frauengestalt sonst beinahe überwiegen würde.

Die rechte Seitengruppe endlich, die in enger Beziehung zum Geschehen des Mittelstücks die Kampfgefährten Dietrichs von Bern zeigt, bringt besonders mit der Gestalt des vorderen Ritters, der voll männlicher Entschlossenheit bereitsteht, in den Kampf einzugreifen, gegenüber der verhaltenen und in sich selbst ruhenden Bewegung der Frauenfigur, von rechts drängendes Leben in die Gesamtkomposition. Die Gestalt des zweiten Ritters dagegen, in Ausdruck und Haltung mehr dem Waffengefährten als dem Kampfgeschehen links zugewandt, schafft gewissermaßen das retardierende Element dieser Gruppe, die damit trotz ihrer stark vorwärtsdrängenden Tendenz ebenfalls eine vollkommene Geschlossenheit erlangt.

In der Farbgebung hat sich der Künstler trotz der Temperatechnik, die er aus verschiedenen Gründen anwenden mußte, eng an eine freskoartige Tönung gehalten und damit zum Teil sehr feine Wirkungen erzielt. So bliebe als Wunsch des Beschauers einzig eine hie und da stärkere plastische Durchdringung der Gestalten offen.“ (Hildegard Ostheimer in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. November 1943, Seite 5).

Über die Beteiligung bildender Künstler bei der Propaganda-Ausstellung Bergvolk-Soldatenvolk vgl. unten im Kapitel Ausstellungen.

Im Dezember 1943 verstarb der 1867 in Imst geborene Akademische Maler Thomas Walch. Die Innsbrucker Nachrichten vom 13. Dezember 1943 widmen dem verstorbenen Künstler einen kurzen Nachruf, in dem sein Werk wie folgt charakterisiert wird (Seite 4):

„Aus den Gemälden Walchs spricht echtes, heimattreues Deutschtum ebenso unverfälscht und deutlich, wie kraftvolle künstlerische Eigenart. Uebrigens hat sich Walch auch als vortrefflicher Porträtist schon frühzeitig einen geachteten Namen errungen.“


Ausstellungen

Zum Festprogramm des 6. Landesschießens (4.-18. Juli 1943) gehörten neben der Gau-Kunstausstellung noch zwei weitere Präsentationen mit Lokalbezug. Zu Beginn der Veranstaltungsserie wurde in der Eingangshalle zum Taxishof in Innsbruck die Ausstellung Burgen und feste Plätze vergangener Jahrhunderte im Alpenraum in Anwesenheit von Gauleiter Hofer „mit Gästen aus Partei, Wehrmacht und Staat“ feierlich eröffnet:

„Gau-Konservator Dr. Frodl wies in einleitenden Worten darauf hin, daß das Arbeitsgebiet, in welchem in Planzeichnungen und bildlichen Darstellungen eine geschlossene Bestandsaufnahme der vorhandenen Burgen und festen Plätzen durchgeführt wurde, im gesamten deutschen Raum das burgenreichste Land sei. Wenn auch in der Ausstellung nur ein kleiner Teil des vorhandenen Materials gezeigt werden kann, vermittelt sie doch einen aufschlußreichen Einblick in den seit alters her hierzulande lebendigen Wehrwillen, als dessen Ausdruck auch die hier gezeigten Bauten gewertet werden müssen.

Gauleiter Hofer vollzog sodann die Eröffnung der Ausstellung, nachdem er in seiner Ansprache den beteiligten Mitarbeitern seine Anerkennung für ihre monatelange Arbeit ausgesprochen hatte, die mit Erfolg darauf verwendet wurde, große Werte aus dem Schatz der deutschen Vergangenheit zu erhalten. Diese wehrhaften Bauten, so betonte der Gauleiter weiter, seinen Vorbilder für die Schießstände, die im Laufe der Zeit als ‚Burgen des Wehrwillens und der Gemeinschaft‘ im ganzen Gau Tirol-Vorarlberg entstehen.

Im Anschluß daran stattete der Gauleiter mit seinen Gästen und seiner Begleitung der im Landesmuseum zur Schau gestellten Ausstellung von Aquarellnachbildungen ältester Fresken einen Besuch ab“ (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juli 1943, Seite 4).

Nachmittags am 4. Juli 1943 erfolgte dann die Eröffnung der „großen Kulturschau des Gaues Tirol-Vorarlberg“ in der „Ausstellungshalle“ mit der gegenüber dem Vorjahr inhaltlich und materiell beträchtlich erweiterten Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen und der Ausstellung Der nordische Bauernhof im Alpenraum in der konsequenten Weiterentwicklung einer ähnlichen Schau Das Bauernhaus in der Ostmark, die im Oktober 1940 im Taxis-Palais gezeigt worden war (vgl. Zusammenfassung 1940, Kapitel „Völkische“ Ausstellungen)


Gaupropagandaleiter Karl Margreiter eröffnete die von der Standschützenmusikkapelle Wilten weihevoll eingeleitete „Feierstunde“ mit einem optimistischen Ausblick, indem er die mit diesen Präsentationen dokumentierten Kulturleistungen als einen Beweis für die ungebrochene Leistungsstärke und Gefolgsbereitschaft auch im vierten Kriegsjahr erklärte, der für die Zukunft das Beste erwarten und erhoffen lasse. Darauf ergriff Gauleiter Hofer das Wort zu einer grundsätzlichen Rede, in der er vor allem die fundamentale Bedeutung der Kultur für die Ideologie herausstellte. Dabei verwies er insbesondere auf das Volkslied, „in dem so starke Kräfte seelischer Aufrichtung ruhen und auf den Volkstanz, der in hohem Maße gemeinschaftsbildend wirkt, weil er die strenge Einordnung jedes einzelnen verlangt“. Im „Gebrauch“ der Trachten sah der Gauleiter „ein Bekenntnis der Zugehörigkeit zum Volkstum“. Nachdem Franz Hofer das Wesen der Baukultur als die „Anpassung der Bauformen an bodengebundene Voraussetzungen“ aus traditioneller lokaler Überlieferung klassifiziert hatte, ging er speziell auf die Intention der beiden aktuellen Präsentationen in der Ausstellungshalle ein:

„Im Zusammenhang mit der Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen, den wesentlichen Teil der Kulturschau, erläuterte der Gauleiter die Notwendigkeit solcher Ausstellungen auch in der Kriegszeit. Wie in den Zeiten des Niedergangs eines Volkes der größte Verlust die ungeborenen Kinder sind, so wäre auch der empfindlichste Schaden auf kulturellem Gebiet der Verlust des Formgefühls und des künstlerischen und handwerklichen Könnens. Jedem Handwerker ist es auch in Kriegszeiten möglich, in Arbeitspausen und in der Freizeit wenigstens eine Mustereinrichtung im Jahr fertigzustellen und damit die handwerkliche Leistungsfähigkeit und den Sinn für Formvollendung zu bewahren und weiterzubilden. Damit wird auch für die Besucher dieser Ausstellung eine Möglichkeit geboten, die mannigfaltigsten Vergleiche zu ziehen, ihr Urteilsvermögen zu vervollkommnen, und für viele wird diese Ausstellung ein Anreiz sein, ihre Ersparnisse zurückzulegen, um nach unserem Sieg mit dem während des Krieges ersparten, vollwertigen Geld sich vollwertige Einrichtungsgegenstände anzuschaffen.“

Somit sollte auf der Grundlage einer weitgehend genormten, „völkisch“ ausgerichteten Ästhetik der Handwerksproduktion ein weiterer Eingriff in die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung im Sinn einer nivellierenden verordneten Geschmacksbildung die NS-Gemeinschaftsstrategie stärken. Wie das emotional vereinende Volkslied, der gemeinschaftsstiftende Volkstanz und besonders die optische Macht des Zusammenhalts der Tracht, war auch eine auf traditionellen Mustern ausgerichtete einheitliche Wohnkultur ein zusätzliches wirkungsvolles Element der Gemeinschaftsbildung.

Diesen Aspekt der Handwerkskultur hatte Gauleiter Hofer bereits Ende Jänner 1943 bei Tagungen der Tischlermeister des Gaues in Innsbruck und Bludenz deutlich gemacht, als er der Versammlung die „großen kulturellen und schöpferischen Aufgaben, die der Nationalsozialismus dem Handwerk stellt“, wortreich erklärte:

„Wir müssen wieder den Weg zurückfinden zu den klaren, einfachen und handwerklich einwandfreien Formen unserer Väter, die der artfremde Geist des Liberalismus mit fremdem Beiwerk überwuchert und vielfach ganz verdrängt hat. Gleich wie uns die Tracht, der Volkstanz, das Volkslied und das alte Brauchtum Zeichen und Ausdruck der Talgemeinschaft sind, so auch die Bauweise und die Form, die unsere Väter den Häusern und ihrem Hausrat gegeben haben […].

Wie der Architekt sich wieder darauf besinnen muß, Treuhänder einer bodenständigen Baugesinnung zu sein und seinen Werken den Stempel und Stil der Landschaft aufzuprägen, so auch der Handwerker. Der gute bodenständige Handwerker muß wieder sein Ideal darin sehen, nicht nur nach den Plänen anderer zu arbeiten, sondern wieder selbst eigenschöpferisch zu werden. Und dieses Ziel erreichen wir, wenn wir auf die althergebrachten Formen zurückgreifen, wenn wir von unseren Vätern lernen. Das heißt aber nicht, daß wir die alten guten Formen sklavisch kopieren wollen, wir wollen nur die Grundelemente, die gute saubere Werkmannsarbeit übernehmen und sie unserer Zeit und ihren Erfordernissen anpassen […]“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Jänner 1943, Seite 3).

Diesem Gedankensystem folgt auch die Wertschätzung des Bauernhofes als eine der Tradition und Landschaft adäquate Bauform. So bezeichnete Gauleiter Hofer im Zug der Ausstellungseröffnung Der nordische Bauernhof im Alpenraum diese Schau „als wertvollstes Ergebnis wissenschaftlicher Forschung und als einen Nachweis des außergewöhnlichen Reichtums dieses Landes an kulturellen Werten“.

Parteigenosse Dr. Rudolph erläuterte dann noch die ideologische Bedeutung der Ausstellung: Die gesamte europäische Baukultur ginge auf nordische und germanische Ursprünge zurück. Der „mit Abstand größte Schatz unverfälschter bäuerlicher Bauformen nordischen Ursprungs“ sei gegenwärtig noch im Gaugebiet erhalten. Darum sprach Gauleiter Hofer in seinem Schlusswort wohl auch den Wunsch aus, dass „der Gau Tirol-Vorarlberg seine Volkstumsarbeit nicht ausschließlich für sich selbst zu leisten gewillt sei“, sondern diese „auch auf andere Gaue des Reiches ausstrahlen möge“. An die Eröffnung der Ausstellung schloss sich ein Rundgang des Gauleiters und seiner Gäste (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juli 1943, Seite 4).

In den Innsbrucker Nachrichten vom 10. Juli 1943 bringt Heinz Cornel Pfeifer auf Seite 3 mit der Schlagzeile „Warum Wohnkultur-Ausstellung?“ eine ausführliche Erläuterung, die die ideologiebedingte Absicht des Vorhabens anschaulich erklärt:

„Im Rahmen des 6. Tiroler Landesschießens wurde bekanntlich in der Ausstellungshalle eine Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen eröffnet.

Wohnkultur-Ausstellung? Weshalb? Wozu? Gar mancher wird diese Frage aufwerfen und sie mit dem lapidaren Satz beantworten: Man kann sich ja doch nichts kaufen – also wozu das alles! Der Mann hat scheinbar gar nicht so unrecht – aber nur scheinbar –, wenn man dieses Problem einseitig betrachtet, vom an sich ja recht begreiflichen Wunsch, das oder jenes Stück anzuschaffen, ein vielleicht dringend benötigtes zweites oder drittes Zimmer einzurichten oder vielleicht auch einen Hausstand zu gründen. Gewiß, das sind durchaus berechtigte Wünsche – aber der Krieg in seiner Härte hindert wie manch andere Erfüllung auch diese.

Betrachten wir die Ausstellung aber einmal von einer anderen Seite, so werden wir uns der Einsicht nicht verschließen können, daß das, was hier gezeigt wird, doch einen tiefen Sinn hat und aus einer klaren und richtigen Erkenntnis entsprungen ist. Nur deshalb, weil wir augenblicklich nichts davon erwerben können, ist Sinn und Zweck dieser Arbeiten noch nicht verneint. Vor allem ist wichtig, daß die in unserem Gau gepflegte handwerkliche Kunst nicht stille steht, was gleichbedeutend mit einem Rückschritt wäre, da ja die Zeit fortschreitet. Weiter, daß diese Kunst nicht verflacht, also streng an der gaugebundenen ländlichen Form gehalten wird, und zum dritten ist noch ein kriegsbedingter Umstand zu bedenken, der Gefahren für den Nachwuchs im Tischlerhandwerk mit sich birgt:

Nehmen wir nur einmal an, ein Lehrling ist im Jahre 1939 im Tischlerhandwerk eingetreten – muß also 1942 freigesprochen worden sein, ohne etwas anderes getan zu haben, als Spinde, Tische und Bänke für den Wehrmacht[s]bedarf oder Einheitsmöbel für Fliegergeschädigte angefertigt zu haben. Der Materialmangel an bestimmten Hölzern, an Beschlägen, Beizen, Farben und dergleichen tat hinzu das übrige, daß der junge Mann als Geselle dann wohl die Fertigkeit haben wird, in kurzer Zeit einen bestimmten Möbeltyp sozusagen am laufenden Band herzustellen, die kunsthandwerklichen Eigenschaften aber, die in ihm vielleicht ruhen könnten, weder geweckt noch ausgebildet werden, ja, müßten geradezu verkümmert sein. Wenn natürlich auch die Fachschulen im theoretischen Unterricht ein besonderes Gewicht auf die Weckung des kunsthandwerklichen Sinnes legen werden, so ist die Praxis in der Ausbildung eines Tischlerlehrlings doch das stärkste und wichtigste Moment.

Würden schon diese Gründe allein die Ausstellung rechtfertigen, so gibt es noch andere, die das nicht weniger schlagkräftig tun. Hat eine solche Schau bodenständiger Handwerkskunst nicht ganz beträchtliche erzieherische Werte für sich? Jeder junge Mensch, der daran denkt, sich nach Kriegsende ein eigenes Heim zu gründen, hat Gelegenheit, bei einem Gang durch die Halle seinen Geschmack zu schulen und so sich schon heute einen Begriff zu machen, wie er sich etwa später einmal vielleicht einrichten möchte. Ein an jeder Koje angebrachter Schild weist einen knappen, sachlich klar gehaltenen Schiedsspruch auf, der die Vorzüge, aber auch die Mängel jedes zur Schau gestellten Einrichtungsstückes schonungslos aufzeigt. Außer dem Namen des Herstellers weist dieses Bewertungszeugnis auf, welcher Landschaft die Stilart zugehörig ist und welche Eigentümlichkeit der Formgebung bemerkenswert ist. An eine Feststellung, welches Holz, beziehungsweise welche Holzarten verwendet wurden, schließt sich die Beurteilung der Form und die der Tischlerarbeit sowohl im guten wie im schlechten Sinn. Da kann es zum Beispiel heißen: ‚Schmuckleiste nicht angebracht!‘ oder ‚Malerei wirkt überladen‘ oder ‚Profile unpassend, Leisten nur aufgeleimt‘. Bemerkungen über die Behandlung des Holzes, die sinngemäße Verwendung passender Beschläge werden abgeschlossen mit der Angabe des genauen Preises, den die Einrichtung bei einer Bestellung nach Kriegsende kostet. Damit ist alles Wesentliche vermerkt und jeder Besucher erfährt, was an dem einzelnen Möbelstück gut oder schlecht ist und kann sich ein Bild davon machen, wie die Einrichtung aussehen müßte, um den strengen Richtlinien der Jury zu entsprechen. Schafft sich nun das junge Paar, das mit offenen Augen und aufmerksam durch die sich alljährlich wiederholenden Ausstellungen wandert, einmal bei einem Tischler irgendwo am Land oder in der Stadt eine Bauernstube, eine Wohnküche oder eine gemütliche Sitzecke an, so wird es, blick- und geschmackgeschult, schon eine ganz bestimmte Vorstellung davon haben, überflüssigen Zierrat, störende oder spielerische Leistenaufsätze und dergleichen ablehnen und mit der Sicherheit des erworbenen Wissens seine Angaben über das Gewünschte niederlegen.

Es ist ungemein erfreulich, daß eine so große Zahl von Tischlermeistern aus nah und fern, darunter auch besonders viele Südtiroler und Umsiedler, sich an diesem Wettbewerb beteiligt haben und mit einer stattlichen Reihe von ersten, zweiten und dritten Preisen ausgezeichnet werden konnten. Die Kulturschau, die auch noch eine sehenswerte Ausstellung der Meisterschule des Deutschen Handwerks und als wertvolles Erlebnis wissenschaftlicher Forschung die Ausstellung Der nordische Bauernhof an der Südgrenze des germanischen Raumes, ferner Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg und seine Neugestaltung und schließlich eine Schau über die Trachtenerneuerung […] umschließt, wird bestimmt jedem Besucher etwas zu sagen haben.“


Heimatgebundenes Wohnen


Die Ausstellung Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg und seine Neugestaltung würdigte der Tiroler Landbote speziell für die bäuerliche Leserschaft mit einem detaillierten Bericht (23. Juli 1943, Seite 6). Darin wird mit hämischem Seitenblick auch auf „Bausünden“ der Vergangenheit verwiesen und die „neue Baugesinnung“ des Nationalsozialismus als „artgemäß“, „bodenständig“ und so „mit Land und Leuten verhaftet“ diesem Missstand gegenübergestellt. Auch für das Bauwesen war eine landschaftsbezogene Vereinheitlichung nach traditionellen Vorgaben als Zielvorstellung künftiger Planungen und Unternehmungen vorgesehen. Mit dieser Ausstellung sollte Anschauungsmaterial dazu vermittelt werden:

„Der Gau Tirol-Vorarlberg ist reich an vielfältiger Schönheit. Zum Schönsten aber gehören seine Bauernhäuser. Sie sind Ausdruck der altüberlieferten Volkskultur unserer freiheitsstolzen Bergheimat. Wehrburgen gleich stehen sie Wind und Wetter widerstehend, im Tal oder auf den Höhen. So, wie die Trachten in den einzelnen Gebieten verschieden sind, haben auch unsere Höfe jeweils ihr besonderes Gesicht. Ueberall aber sind sie die Heimstatt eines trutzigen kampfgewohnten Bauerngeschlechtes, das in Krieg und Frieden seine Pflicht erfüllt.

Die Zeit des Niederganges hat freilich auch an den Bauernhäusern unseres Gaues ihre Spuren hinterlassen. Die artfremde Baugesinnung des Liberalismus fand auch im Dorf ihren Niederschlag. Es ist bekannt, daß sich ferner der Fremdenverkehr auf diesem Gebiete nicht immer zum Besten ausgewirkt hat. In der Notzeit der Systemjahre drückte das Wirtschaftselend auch der Bautätigkeit ihren Stempel auf. In vielen Fällen konnte nicht so gebaut werden, wie es gut und zweckmäßig gewesen wäre, sondern man mußte mit dem vorliebnehmen, was am billigsten und für den mageren Geldbeutel gerade noch erschwinglich war. Durch alle diese Umstände ist das Ortsbild oft und oft mehr oder minder zu Schaden gekommen.

Mit der Heimkehr ins Reich begann sich auch bei uns eine neue Baugesinnung Bahn zu brechen. Wie in allem anderen steht nun auch im Bauwesen wieder das Artgemäße, Bodenständige, mit Land und Leuten Verhaftete obenan. Baumeister und Bauhandwerker dürfen nicht nach Willkür schalten und walten, sondern sie müssen sich einfügen in Ordnung und Gesetz der gewachsenen Gemeinschaft. Für die Städte gelten in vielem andere Baugrundsätze als für das Land. Insbesondere sehen wir die Rückkehr zum ‚echten‘ Haus an den von der Landstelle im Einvernehmen mit dem Gauamt für das Landvolk seit 1938 erstellten Um- und Neubauten.

Jetzt, im totalen Krieg, sind der zivilen Bautätigkeit naturgemäß sehr enge Grenzen gesetzt. Nach dem Siege aber wird so wie auf allen anderen Sektoren im zivilen Bauwesen die Tätigkeit wieder einsetzen. Auch in den Dörfern wird viel zu bauen sein. Um alle, die sich mit der Ausführung von Bauten befassen, über die Erfordernisse neuzeitlichen Bauens auf dem Lande ins Bild zu setzen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich beizeiten über ihre künftigen Aufgaben klar zu werden, hat das Gauamt für das Landvolk im Zusammenarbeit mit anderen Stellen im Rahmen der großen Kulturschau in Innsbruck eine sehr sehenswerte Ausstellung veranstaltet. Sie trägt die Bezeichnung Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg und seine Neugestaltung und ist nicht nur für unsere Baumeister und Bauhandwerker, sondern namentlich auch für unsere Bauern und Bäuerinnen sowie für jeden Bauern- und Heimatfreund aufschlußreich und interessant.

Die mannigfaltigen althergebrachten Hausformen in den Dörfern unseres Gaues bilden die Grundlage für die Neugestaltung des ländlichen Bauens. In der Schau wird der Versuch unternommen, sie in sieben Gruppen einzuteilen, u[nd] zw[ar] in das Unterländer Haus, das Mitteltiroler Haus, das Oberländer Haus, das Außerferner Haus, das Arlberg Haus, das Bregenzerwälder Haus und in das Rheintalhaus. Die einzelnen Haustypen sind durch das örtlich vorhandene Baumaterial bedingt. Durch die Einteilung in sieben Gruppen soll den Neubauten in den einzelnen Landschaften unseres Gaues eine gewisse Richtung gegeben werden. Es bleibt der Zukunft überlassen, Untergruppen dieser Hausformen für Gemeinden und Täler zu entwickeln.

Die sieben Grundformen werden auf einer großen Uebersichtskarte anschaulich vorgeführt. In besonderen Abteilungen wird im weiteren jede einzelne Type mit einigen Untergruppen an Hand von Zeichnungen, Modellen, Lichtbildern und Plänen gezeigt. Neben schönen alten Bauernhäusern sehen wir Höfe, die nach 1938 aufgeführt wurden und der neuzeitlichen, das gute Alte mit dem gesunden Neuen verbindenden Bauweise entsprechen.

Die Ausstellung macht es dem Besucher ferner klar, daß die einzelnen Hausformen unbeschadet ihrer sonstigen Verschiedenheit als Ausdruck einer einheitlichen kulturellen Haltung auch viel Gemeinsames haben. So finden wir bei allen Grundformen, mit Ausnahme des Rheintalhauses, das Flachdach, die Verwendung von Holzzierformen verschiedenster Art, den reichlichen Gebrauch von Mauerwerk, die schmucke Ausführung von Türen, Fenstern, Söllern und Erkern sowie anderes mehr.

Nur wenn alle, die mit dem Bauschaffen zu haben, Architekten, Baumeister, Maurer, Zimmerleute usw., sich auf die dargelegte Linie einstellen, die entsprechenden Kenntnisse erwerben oder auffrischen und diese in die Tat umsetzen, sind die gesteckten Ziele zu erreichen. – Die Kulturschau in der Ausstellungshalle Innsbruck ist bis 1. August täglich vom 8 bis 20 Uhr geöffnet.“


Das Bauernhaus im Gau Tirol-Vorarlberg


„Ueber 20.000 Besucher“ meldet der Tiroler Landbote vom 23. Juli 1943 (Seite 6) als Erstes in seinem Erfolgsbericht, der gleichzeitig eine Woche vor Ausstellungsende als weitere Werbemaßnahme eine beeindruckende Zwischenbilanz vorlegte:

„Die im Zusammenhang mit dem 6. Landesschießen in Innsbruck veranstalteten Kulturausstellungen, die bis 1. August täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet bleiben, sind ständig stark besucht. An der Spitze steht die große Kulturschau in der Ausstellungshalle (das Bauernhaus und seine Neugestaltung, die Lehr- und Musterschau bodenständiger Wohnungseinrichtungen usw.), die bereits über 20.000 Besucher zählt. Dieses erfreuliche Ergebnis ist aus der Mannigfaltigkeit der dort gebotenen Schaustellungen, besonders aber aus der starken Heimatverbundenheit, die der Besucher überall fühlen muß, unschwer zu erklären. Seien es die Bauernhäuser, die Trachten oder die Wohnungseinrichtungen, überall tritt uns die Bergheimat in alten und in neuzeitlich abgewandelten Schöpfungen der Volkskunst und des Gewerbefleißes entgegen. Die Gaukunstausstellung zählte bisher über 12.000 Besucher. Auch die Ausstellung von Nachbildungen alter Fresken im Tiroler Landesmuseum mit bisher nahezu 7000 Besuchern und die Ausstellung Burgen und feste Plätze vergangener Jahrhunderte im Taxishof haben starke Anziehungskraft erwiesen. Die Burgenschau gewährt einen aufschlußreichen, in dieser oder ähnlicher Form noch niemals gezeigten Ausschnitt aus der Wehrgeschichte unserer Bergheimat. Die Tage bis zum Schluß der Ausstellungen werden sicher noch vielen Volksgenossen den Besuch ermöglichen. Die Ausstellungen sind eingehender Aufmerksamkeit wert, denn sie vermitteln Kenntnisse der innersten, oft übersehenen Werte unserer Heimat und vielleicht noch mehr Anregungen, sich mit diesen Kulturwerten und ihren praktischen Anwendungen erst wieder so nachhaltig zu beschäftigen, wie sie es verdienen.“

Anfang Dezember 1943 war mit der Wanderausstellung „Bergvolk-Soldatenvolk“ nach der Schau Edelweiß und Lorbeer des Jahres 1941 wiederum ein das Soldatentum und die Heldentaten der Krieger verherrlichendes Ereignis in Innsbruck zu erleben.

Die Ausstellung war als Propaganda-Aktion der Gebirgstruppeneinheiten konzipiert und fand so bei der lokalen Bevölkerung enormen Anklang. Schon wenige Tage nach ihrer Eröffnung im Oktober 1943 in der Salzburger Residenz hatten über 15.000 Besucher die Präsentation gesehen. Um das Interesse des Publikums in Tirol für die baldige Übernahme der Ausstellung zu wecken, erschien in den Innsbrucker Nachrichten vom 16. Oktober 1943 auf Seite 3 ein ausführlicher, in seiner erwartungserregenden Formulierung einladender Bericht:

„Unsere Gebirgsjäger stellen aus.
[…] Man könnte diese Schau die viertausend Kilometer lange Brücke nennen. Sie rückt uns die fernen Fronten unserer Gebirgsjäger nahe und gibt uns einen anschaulichen Einblick in ihr Leben und ihren Kampf. Was Worten und Bildern nur zum bescheidenen Teile gelingt, lebt hier in uns ungleich eindringlicher und wahrer wieder auf. Da steht man in einem richtigen grob gefügten Bunker, der vom Ladogasee her geholt worden ist, sitzt im engen Wohnraum, dem kunstfertige Soldatenhände ein heimatlich gewohntes Gesicht gaben, dort sieht man ein lebenswahres, kunstvoll gebautes Relief, das auch die kleinsten Kleinigkeiten nicht vergaß und uns einen jener vielen Kampfstützpunkte zeigt, die hoch droben an der Eismeerfront von unseren Gebirgsjägern gehalten werden. Alles ist hier echt, nichts ist gekünstelt oder verschönert. Und weil diese eigenartige und unendlich vielseitige Ausstellung nicht nur den Kampf, sondern auch das Leben und Wohnen unserer Soldaten zeigt, drängt sich nicht nur die Jugend, der diese Schau vor allem gilt, in den weiten Sälen. Täglich schauen und bestaunen tausende Mütter und Frauen die vielen Dinge, die ihren Söhnen und Männern nun zur täglichen Umwelt geworden sind. So überbrückt diese Schau wirklich die unendliche Weite und knüpft ein lebendiges Band zwischen Bergheimat und ferner Front.

Ein Teil der reichhaltigen Ausstellung wird von den an den Fronten stehenden Gebirgsdivisionen gestellt, während der andere von den Ersatztruppenteilen der Heimat beschickt wird.

In den stillen Stunden der Kampfpausen haben unzählige fleißige Hände in Bunkern und Gräben an den Ausstellungsstücken gearbeitet. Da ist, um nur wenige Beispiele herauszugreifen, ein sauber gearbeitetes Schachspiel zu sehen, das ein Soldat kunstvoll geschnitzt hat. Auf dem Spielbrett liegt das ganze Handwerk[s]zeug: ein altes Taschenmesser und eine Rasierklinge! Oder eine Wanduhr, die als Kuriosum von der Eismeerfront gekommen ist. Sie besteht ausschließlich aus Holz. Alle Räder und Rädchen des Uhrwerkes sind mühselig mit primitivsten Mitteln aus Holz geschnitzt worden. Und diese Uhr geht sogar. Unsere Tiroler Gebirgsjäger haben aus der Tundra und aus den sowjetischen Weiten prächtige Holzschnitzarbeiten geschickt, die dort die Bunker zierten.

Ein Glanzstück der Ausstellung ist zweifellos das naturgetreue Modell der Edelweißhütte. Ein großes Bauwerk mit vielen Räumen, die der Erholung unserer Jäger dienen. Diese ‚Hütte‘ steht dicht hinter der Eismeer-Front. Sie ist nun im Modell auch in der Heimat zu sehen, und da das Dachwerk abgenommen werden kann, ist auch jeder der sauber eingerichteten Räume zu betrachten, in denen unsere Soldaten Entspannung von den schweren Kämpfen finden. Ein Riesenrelief zeigt den Siegesweg einer Gebirgsdivision durch Europa, daneben viele Reliefs von Stützpunkten im Osten und in der Tundra, dann ein kunstvoll gezimmertes Modell einer Brücke über die Liza, Rentierfell-Säcke, auf Schiern montiert, zum Transport von Verwundeten, Lappenkleider, farbenfrohe Mützen und Hauben, Pelzschuhe, Gürtel und viele andere Stücke aus dem höchsten Norden. Eine graphische Darstellung zeigt den weiten Weg eines Verwundeten von der Front in die Heimat.

Das sind nur wenige und wahllos herausgegriffene Beispiele dieses Ausstellungsteiles. Nicht minder interessant sind die Säle und Kojen mit den Ausstellungsstücken, die das Ersatzheer zusammengetragen hat. Da zeigen unsere Haller Artilleristen ein naturgetreues Modell eines Artilleriekampfstandes, auch ein richtiges Geschütz ist da zu sehen. Die Gebirgspioniere zeigen Brücken, die Feldschmiede haben eine richtiggehende Feldschmiede eingerichtet; in einer anderen weiten Koje ist in geschmackvoller Aufmachung die gesamte Ausrüstung der Gebirgsjäger, auch die Winterausrüstung zu sehen. Die Nachrichtentruppe bringt alle Geräte der modernen Meldetechnik, wie Funkstelle, Sprechvermittlung und Fernschreiber (die Geräte können sogar von Besuchern benützt werden), und die Veterinärdienste zeigen eine komplette Behandlungsstelle für Pferde, sogar eine Pferdezahnbehandlungsstelle mit den modernsten wissenschaftlichen Geräten, wie Röntgenapparaten und dergleichen. Die Sanitätstruppe schließlich ist mit einem vollkommen eingerichteten Operationszelt vertreten, sie zeigt weiter die modernsten Stahlabseilgeräte für den Verwundetentransport. Und daneben gibt es noch tausend andere sehenswerte Dinge, eigene und Beutewaffen, Minen und geballte Sprengladungen, pulverisierte Nahrungsmittel, sogar Obst in Pulverform für Stoßtrupps, um nur noch einiges zu nennen.

Ein eigener Saal ist dem stolzen Kapitel Tradition vorbehalten. Hier wird die ruhmvolle soldatische Geschichte unserer Berggaue lebendig. Von vergangenen Jahrhunderten bis in die Gegenwart zeugen hier die ausgestellten Stücke vom Heldentum der Söhne unserer Heimat.

Der Ausstellung ist auch eine reichhaltige Gemäldeschau angegliedert, die rund siebzig Werke von Angehörigen der Gebirgstruppe darunter auch vielen Tirolern, zeigt. Ueber diesen Teil werden wir noch gesondert berichten.

Der Geist aber und der hohe Grad der Bewährung der Gebirgstruppe im gegenwärtigen deutschen Schicksalskampf spiegelt sich für den Besucher am eindringlichsten im Ehrenraum wider, der neben den altehrwürdigen Tiroler Kaiserjägerfahnen die Namen aller Ritterkreuzträger der Gebirgstruppen trägt.

So bietet diese Ausstellung, die erste in ihrer Art, in ihrer ebenso geschickten, wie geschmackvollen und würdigen Aufmachung ein wirklich eindringliches Bild, wie es lebendiger für die Heimat gar nicht denkbar ist.“

Der Ausstellungseröffnung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum am 4. November 1943 ging am Vorabend das militärische Zeremoniell eines Großen Zapfenstreichs voraus (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Dezember 1943, Seite 3):

„Innsbruck erlebt heute abends einen seltengewordenen Soldatenbrauch. Unsere Gebirgsjäger, die morgen ihre große Ausstellung im Landesmuseum eröffnen, marschieren heute zum Fackelzug und zum Großen Zapfenstreich auf. Dieser schöne und alte Soldatenbrauch, der schon in Friedenszeiten stets das große Ereignis in allen deutschen Garnisonen war, wird heute sicherlich tausende Schaulustige anlocken und in seinen Bann schlagen. Es ist ein eigenartiges, faszinierendes Bild militärischer Ausdruckskraft, wenn die fackelumsäumte Kolonne zum Zapfenstreich aufzieht, wenn das ganze halt macht und der Trompeter im Fackellicht des großen Karrees die Retraite in die anbrechende Nacht schmettert. Die feierlichen ernsten Choräle der Musik, das Pfeifen und Trommeln der Spielleute und die militärischen Kommandos wecken in uns Erinnerungen an längst vergangene Tage, da Fackelzüge und Zapfenstreich oft militärischen Festen des Friedens ihr Gepräge gaben. Wenn heute, in ernster Zeit die gleichen Klänge erschallen, soll uns dies ein froher Gruß unserer tapferen Gebirgsjäger sein, die uns zu keinem unbeschwerten Fest, sondern zu ihrer Ausstellung laden, in der sie ihre weiten und fernen Fronten an den Grenzen Europas der Heimat durch eine Schau echtester und lebenswahrster Art näher bringen wollen. Daß die Heimat dem Rufe ihrer Edelweißtruppe gerne folgt, das hat der gewaltige Erfolg dieser Schau im Nachbargau bewiesen. Die Innsbrucker Bevölkerung wird auch heute schon beim Auftakt zu dieser seltenen Veranstaltung zugegen sein.

Der Fackelzug geht punkt 18 Uhr von der Klosterkaserne aus durch die Straße der Sudetendeutschen –
Museumstraße – Südtiroler Platz – Salurner Straße – Maximilianstraße – Andreas-Hofer-Straße – Bürgerstraße – Anichstraße – Maria-Theresien-Straße – Herzog-Friedrich-Straße – Innrain – Marktgraben – Burggraben zum Adolf-Hitler-Platz, wo um 18.40 Uhr der Zapfenstreich beginnt.“

Als Vorschau bringen die Innsbrucker Nachrichten am 4. Dezember 1943 (Seite 3 f.) einen detaillierten Einblick in die Ausstellungskonzeption, die für Innsbruck in vielen Bereichen dem spezifisch lokalen Interesse angepasst worden war. Plakate des Graphikers Raimund Belcic dienten der Ausstellungswerbung ebenso zahlreiche andere medialen Berichte, vor allem aber auch „ein wuchtiger Gebirgsjäger, den einer unser begabtesten jungen Maler, Max Weiler, mit kühnen Pinselstrichen auf die Anschlagwand der NSDAP geworfen hat“. Diese Werbeeinrichtung befand sich, den Raum „beherrschend“, am Südtiroler Platz.

„[…] Und die fahnengeschmückte Freitreppe des Landesmuseum lädt selbst zum Besuch einer wahrlich sehenswürdigen Schau. Sie füllt den ganzen ersten Stock des Museumsgebäudes und enthält in mehren Sälen des zweiten Geschoßes noch eine umfangreiche Gemäldegalerie, in der besonders auch Künstler unseres Heimatgaues, die, wie die beiden schon genannten, gegenwärtig den feldgrauen Rock tragen, vertreten sind.

Ueber die eigentliche Ausstellung der Gebirgstruppe und ihren hauptsächlichen Inhalt ist in diesen Blättern schon bei früherer Gelegenheit, nämlich aus Salzburg, in Wort und Bild sehr ausführlich berichtet worden. In Innsbruck wurde sie neu gegliedert, mit teilweise neuem Material versehen und im einzelnen noch straffer zusammengefaßt, wie dies die gegebenen Platzverhältnisse ermöglichten. Ein kleiner Vorbericht wird unseren Lesern willkommen sein. Er kann nicht anders beginnen als mit einer Anerkennung des Geleisteten und seiner künstlerisch-technischen Gestaltung.

In dieser Schau spricht wirklich der deutsche Bergsoldat, der Jäger, der Pionier, der Gebirgsartillerist – und wie sie alle heißen – von seinem heldenhaften Einsatz und von der Ausbildung, durch die er zu solchen Leistungen befähigt wird. Der Betrachter steht in stolzer Bewunderung vor einem Kriegserleben, das an den schwierigsten Frontabschnitten gewonnen worden ist; er wird mit tiefer Anteilnahme sehen, welchen künstlerischen Niederschlag dieses Kriegserleben zu finden vermochte. Es wird sich im Verlaufe der Ausstellungsdauer noch Gelegenheit ergeben, auf diese oder jene Einzelheit näher einzugehen, z. B. auf die gleichsam in unserem tirolischen Boden wurzelnde Abteilung Tradition oder die schon erwähnte Bilderschau, die 170 Gemälde, Graphiken usw. umfaßt. Der nachfolgende kleine Ueberblick möge den schon in unserer Ausgabe vom 16. Oktober veröffentlichten Bericht ergänzen und als ein Wegweiser durch die Innsbrucker Ausstellung dienen.

An Beutegeschützen vorbei führt die Treppe zum Ehrenraum empor, der vor den Schauräumen liegt und u. a. die künstlerisch geschriebenen, pergamentartigen Wandtafeln mit den Namen der Ritterkreuz- und Eichenlaubträgern unserer Gebirgsdivisionen enthält.

In der linken Richtung gehend, betritt man als ersten Ausstellungsraum jenen der Veterinärtruppe, dessen Hauptobjekt eine ‚echte‘ Beschlagschmiede aus dem Osten ist. Den benachbarten großen Saal haben die Divisionen und Regimenter besetzt, die an der Front im hohen Norden kämpfen. Hier gibt es bereits einen Reichtum an Modellen, Bastelarbeiten, künstlerischen und kunsthandwerklichen Erzeugnissen, volkskundlich Interessantem und bildnishaft Eindrucksvollem, der ein längeres Verweilen im Saale nötig macht.

Ein sehr schön gestalteter Raum schließt sich an; hier stellt die Gebirgsdivision aus, die (nach Balkan und Kreta) einen langen und schweren Einsatz im Sumpf- und Urwaldgebiet südlich des Ladogasees hinter sich hat. Der Originalbunker für sechs Mann – er hat nur vier schmale Liegestätten, die übrigen zwei Mann stehen immer auf Wache draußen – ist in Salzburg ein Hauptanziehungspunkt der ganzen Schau gewesen und wird es, jetzt im winterlichen Kleid, auch hier zweifellos sein.

In die gleiche Landschaft, darüber hinaus aber noch zu den Kampfplätzen des Westens, Norwegens und der östlichen Mittel- und Südfront führten die vieltausend Kilometer langen Marsch- und Einsatzwege der Divisionen, die im nächsten Raum untergebracht worden sind. Sie haben Narvik und Leningrad erlebt, die Steppe der Kirgisen und der Kubankosaken, sie standen in den Gletscherfeldern und auf den einsamen Hochgipfeln des Kaukasus … Man wird sich da einmal klar, was das bedeutet, 22.000 Kilometer in Feindesland zurückzulegen, an unzählbaren Städten, Dörfern, Völkerschaften vorbei, in Fjorden oder an den Riesenströmen der Ostfront, in Hitze und klirrender Kälte – und immer kämpfend, jeden Tag und jede Nacht einsatzbereit!

Mit welchen Mitteln dieser Einsatz bewerkstelligt wird und wie hart, vielseitig und zweckvoll die kämpferische Schulung für ihn erfolgt, lehren die anschließenden Kojen und Räume der Ersatztruppenteile in der Heimat: da sind die Gebirgspioniere mit ihren Minen, Sprengladungen, Brücken- und Seilbahngeräten, kämpferisches Symbol des ewigen Einreißens und Wiederaufbaues, wie es der Krieg gerade von diesem wichtigen Truppenteil verlangt. Da ist der Gebirgssanitätsdienst mit neuzeitlichstem, heilkundlichem Hilfs-, Rettungs- und Bergungsgerät (u. a. einem kompletten Verbandszelt mit Einrichtung), da folgen Gebirgsartillerie und – in Innsbruck neu –auch Sturmartillerie des Heeres, die mit ihren motorisierten Geschützen (eines ist in einem Großmodell zu sehen) den Einsatz der Infanterie begleitet und in seiner Durchschlagskraft ungeahnt gesteigert hat. Da sind schließlich unsere braven Nachrichtenmänner mit ihren neuzeitlichen Errungenschaften, dem Feldfunksprecher, dem Fernschreiber und der telephonischen Vermittlungsstelle im Gebirgszelt – alle diese Geräte können vom Ausstellungsbesucher probiert und bedient werden.

Zwei kleinere, aber nicht weniger sehenswerte Schaustellungen sind in diese größeren noch eingebaut. Die eine ist die der ursprünglichen Edelweiß-Division (heute trägt ja eine ganze, starke Gebirgstruppe dies[es] Zeichen an Mütze und Aermel), die vor einer heraldisch gestalteten Ehrenwand mit ihren Einsatzorten an praktisch allen Fronten dieses Krieges ein ganz aktuelles Relief des Insel- und Festlandraumes von Korfu geliefert hat. Der zweite Raum ist einer Darstellung des Aufgabengebietes der soldatischen Nachwuchswerbung gewidmet. Hier grüßt unser [Generaloberst Eduard] Dietl [(1890-1944)], das Vorbild der Gebirgsjäger, vom Bilde. In dieser Koje ist ebenfalls als willkommene Neuerung eine Vorführungsgelegenheit für militärische Ausbildungsfilme eingerichtet worden, die bei der Jugend bestimmt den größten Anklang finden wird.

Und in allen Räumen, bei Artillerie, Pionieren oder anderen, immer wieder neue Modelle von Kampf- und Beobachtungsanlagen, Skizzen, Bilder, Photos die Menge – so daß man, wenn man alles genauer sehen will, einige Male den Weg ins Landesmuseum machen muß.

Auf einen Schauraum sei zum Schluß noch besonders verwiesen: Er enthält das im Bergsteiger- und Schiläufergau Tirol-Vorarlberg ganz besonders anziehungskräftige Ausstellungs- und Unterrichtsmaterial unserer Gebirgsjägerschule, vermittelt einen Einblick in das Rüstzeug des Hochgebirgskämpfers und zeigt ihn in seiner schweren, aber militärisch wie sportlich einzigartigen Ausbildung. Vor diesen Nagelschuhen, Pickeln, Schiern und Bindungen wird sich die zünftige Schifahrer- und Bergsteigerjugend drängen.

Soweit ein kurzer Ueberblick, dem noch Einzelvorstellungen folgen sollen. Aber schon heute kann gesagt werden: Niemand, ob Bub oder Mädel, ab Soldateneltern, Geschwister oder Braut, ob Bauer oder Schaffender in Fabrik und Kontor, keiner wird den Besuch dieser großartigen Schau unserer Gebirgstruppen bereuen. Da wir Tiroler und Vorarlberger ein Bergvolk und ein Soldatenvolk sind, fühlen wir uns so recht von ihr angesprochen. Wir werden unseren Männern mit dem Edelweiß die Ehre geben, die sie sich verdient haben.

Die Gebirgstruppen-Ausstellung Bergvolk-Soldatenvolk ist nach dem feierlichen Eröffnungsakt, zu dem die Spitzen von Partei, Wehrmacht und Staat erscheinen werden und bei dem als Vertreter der kämpfenden Truppe Eichenlaubträger Oberst Nobis sprechen wird, von heute Samstag mittag ab dem allgemeinen Besuch geöffnet. Sie wird bis zum 12. Jänner 1944 täglich von 8.30 bis 16 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen sein. Die Besucher sind gebeten, das teilweise kostbare Ausstellungsgut zu schonen. Die Räume sind temperiert, soweit es die Verhältnisse zulassen.

Sonntag [5. Dezember 1943] 9 Uhr Vormittag findet im Stadtsaal aus Anlaß der Ausstellungseröffnung ein Gauappell der Erzieherschaft von Tirol und Vorarlberg statt, auf welchem Eichenlaubträger Oberst Nobis zu den Männern sprechen wird, denen die geistige und körperliche Heranbildung der jungen kämpferischen Generation anvertraut ist. Schülerführungen durch die Gebirgstruppen-Schau schließen sich an den folgenden Tagen bis zu den Weihnachtsferien an.“

Beim Festakt der Ausstellungseröffnung stand die Rede von Eichenlaubträger Oberst Ernst Nobis (1901-1963) im Mittelpunkt des Zeremoniells: Er erklärte die Absicht der Ausstellung als anschauliches, emotional wirkendes Bindeglied von Front und Heimat.

„[…] Er erinnerte an die Kaiserjägerausstellung auf dem Berg Isel und verwies auf deren geschichtlichen Charakter, wogegen die AusstellungBergvolk-Soldatenvolk, nach gegenwartsnahen Gesichtspunkten gestaltet, unmittelbar in das Zeitgeschehen an den Kampffronten des gegenwärtigen Krieges einführe. Die Ausstellung zeige den Volksgenossen in der Heimat, wie ihre Männer und Väter, Brüder und Söhne kämpfen und sich ihr Dasein an der Front einrichten. Hinter diesen Darstellungen aber stehen, überall spürbar, nicht nur das Kampfgeschehen, sondern auch Tapferkeit, Entschlußkraft, Kameradschaft und die Gedanken an die Heimat. Als Beispiele dieser geistig-seelischen Kräfte unserer Soldaten gab Oberst Nobis kurze Darstellungen aus Ereignissen des Ostkrieges: Er schilderte, wie einmal ein schwerverwundeter Stabsfeldwebel von seinen Kameraden, die der Reihe nach selbst verwundet wurden, aus scheinbar aussichtsloser Lage herausgeholt und vor dem Schicksal, in sowjetische Gefangenschaft zu fallen, bewahrt wurde, und ein andermal ein entschlossener Oberjäger mit 25 Mann durch schneidigen Zugriff eine schwerbewaffnete sowjetische Schlüsselstellung zerschlug und damit eine ganze sowjetische Gebirgsbrigade, etwa 4000 Mann stark, zersprengte.

Die geistig-seelische Verbindung mit der Front verstärkt und vertieft zu wissen, stellte Oberst Nobis abschließend fest, sei der Wunsch, den die Front mit dieser Ausstellung verbinde“ (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943, Seite 3).

In Anwesenheit des Stellvertretenden Gauleiters Herbert Parson als Vertreter für den verhinderten, dienstlich in Südtirol weilenden Gauleiter Hofer eröffnete der Stellvertretende Befehlshaber im Wehrkreis XVIII und Standortälteste der Wehrmacht, Generalleutnant Moritz von Faber du Faur im Rahmen einer eindrucksvollen militärischen Kundgebung in der Wilhelm-Greil-Straße gegenüber dem Landesmuseum die Ausstellung.

Von Faber du Fair „brachte in seiner Ansprache zum Ausdruck, daß gerade jetzt, in der Zeit eines Heldenkampfes sondergleichen, die Gedanken der Heimat, ihr ganzes Herz und ihre ganze Begeisterung unablässig bei der Kampffront sind. So werde diese Ausstellung ihren Zweck, Front und Heimat einander näherzubringen, voll erfüllen können.

Mit Nachdruck verwies der Stellvertretende Befehlshaber auf die besonderen Voraussetzungen für die Sinnerfüllung der Ausstellung im Gau Tirol-Vorarlberg, denn hierzulande, wo seit Jahrhunderten gekämpft wurde, ist ausgesprochener Frontgeist von jeher zu Hause und die engste Verbindung zwischen Truppe und Volk ist altüberlieferte Tradition.

General von Faber du Faur wies besonders auf den Wert der Ausstellung für die Jugend hin und fand Worte des Dankes für die Förderung der Ausstellung durch den Gauleiter und Reichsstatthalter sowie für die Leistungen der Gestalter dieser Schau und erklärte sie sodann für eröffnet.“

Nach dem Ausstellungsrundgang bildete den Abschluss der Eröffnungszeremonie ein Vorbeimarsch der Ehrenkompanie der Gebirgsjäger, die zusammen mit einem „Musikkorps der Wehrmacht“ angetreten waren.

„Die Bevölkerung der Gauhauptstadt, die an der Eröffnungsfeier bereits lebhaften Anteil genommen hatte, verfolgte besonders dieses militärische Ereignis mit großem Interesse und hatte ihre helle Freude an dem tadellosen Auftreten und der vorbildlichen Haltung, die unsere Gebirgsjäger dabei an den Tag legten“ (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943, Seite 3).

Mit der Erfolgsmeldung „In zwölf Stunden über 6000 Besucher!“ boten die Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943 auf Seite 3 ferner ihren Lesern eine wahrlich nicht alltägliche Schlagzeile an:

„Innsbruck, 5. Dez[ember]. Als am heutigen Sonntagnachmittag, kurz vor 16 Uhr, der Eintritt zur Ausstellung unserer Gebirgstruppen im Landesmuseum gesperrt wurde, hatten 6020 Besucher die Zählkontrolle im Halbstock passiert. Die Samstag [4. Dezember 1943], 11 Uhr, eröffnete Schau war seither insgesamt etwa zwölf Stunden zu besichtigen gewesen. In diesem großartigen Anfangserfolg – durchschnittlich betraten also jede Stunde 500 Gäste das Landesmuseum – dürfte die Gewähr dafür zu erblicken sein, daß man sich auch vom Zustrom der Innsbrucker nicht zu viel versprochen hat.

Mit stolzen Augen blickten die Männer, denen an den beiden ersten Tagen der Führungs- und Ueberwachungsdienst in der Ausstellung anvertraut war, in die sich drängenden und stauenden Besuchermassen, die die Räume des Landesmuseums kaum zu fassen vermochten. Die Jäger fühlten, daß ihnen und ihrer Erlebnisschau nicht nur das ganze Interesse, sondern das Herz der Bevölkerung gehörte. Sie durften nicht müde werden, auf alle ihre Schätze hinzuweisen, Einzelheiten zu erklären, Auskünfte zu geben, – und sie hatten daneben manche humorvoll getragene Plage mit unserer lieben Jugend, die mitunter allzu wißbegierig war, alles anfassen, ausprobieren, auf Stand und Festigkeit untersuchen mußte … Dabei ist einiges Ausstellungsmaterial mehr oder weniger übel weggekommen – aber das Kostbare wird ja von geübten Augen bewacht oder steht ‚griffsicher‘ in verschlossenen Vitrinen, bei denen es auf ein paar nicht ganz saubere Fingerabdrücke im spiegelnden Glas nicht weiter ankommt […].

Als fünftausendster Besucher erhielt Sonntag nachmittags ein schwerverwundeter Frontkamerad, der am 3. Dezember v[origen] J[ahres 1942] bei Tuapfe an der Kaukasusküste ein Bein verloren hat, ein schönes Erinnerungsgeschenk. Es ist der Innsbrucker Ludwig Freinecker, früher Hilfsarbeiter, der jetzt von der Wehrmacht zum Kanzleidienst umgeschult wird. Im Namen des Stellv. Generalkommandos XVIII A. K. überreichte ihm ein Offizier ein Bildwerk mit entsprechender Widmung. Jeder weitere Fünftausendste, der die Ausstellung betritt, wird eine ähnliche Ehrengabe erhalten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Dezember 1943, Seite 3).

Dem „Traditions-Raum“ der Gebirgsjägerschau mit besonderem lokalen Bezug widmet Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Dezember 1943, Seite 3, eine ausführliche Betrachtung:

„Die starken Wurzeln der unvergleichlichen kämpferischen Leistungen unserer Gebirgstruppen im gegenwärtigen gigantischen Ringen um Großdeutschlands Freiheit und Zukunft liegen in der heldischen Überlieferung eines alpenländischen Kämpfertums, das sich seit Jahrhunderten selbst treu blieb in opfervollem Einsatz für Volk und Heimat.

Der Alpenbewohner ist schon von der Urzeit her gestählt im Kampf gegen die Elemente, die sein Leben und seine Arbeit ständig bedrohen und denen nur ein felsenharter Wille und ein wetterfester Körper gewachsen sind. Diese Grundbedingungen eines arbeitsschweren Daseins legen in dem älplerischen Menschen das Fundament eines vorbildlichen Kämpfers, der überall dort, wo es um härtesten Einsatz geht, seinen Mann stellt. Beweise hiefür zeigen ja die einmaligen Taten unserer Gebirgstruppen in Narvik, auf Kreta. an der Ost- und Südfront, im Kaukasus u. a. m.

Daß daher der kämpferischen Überlieferung, der heldischen Tradition unserer Gebirgstruppen im Rahmen der Schau Bergvolk-Soldatenvolk ein eigener Raum gewidmet wurde, ist selbstverständlich. In dem bekannten Rundsaal der vaterländischen Erinnerungen aus dem Tiroler Freiheitskampf von 1809 ist der Traditions-Raum eingerichtet, den akad. Maler Hauptmann Ulf Seidl gestaltet hat.

Die Schau reicht zurück bis in die Zeit der Baurenkriege, in denen sich zum erstenmal der Freiheitswille unserer Bauern gegen die Knechtschaft aufreckte. Ein großes, von Maler U[ntero]ff[i]z[ier] Schmiedbauer angefertigtes Bild zeigt einen Bauernrebellen mit Morgenstern, wie er 1525 zur Waffe gegriffen hat. Eine Auswahl von primitiven bäuerlichen Waffen, Spießen, Morgensternen, Streitkolben, ist ebenso zu sehen, wie die Waffen der Landsknechte, welche den bäuerlichen Freiheitskämpfern entgegentraten. Da sieht man z. B. einen mächtigen Zweihänder mit geflammter Klinge, ferner eine Armbrust und die ersten Feuerbüchsen.

Weiters sind Waffen aus den späteren Jahrhunderten zur Schau gestellt, u. a. Steinschloß-, Radschloß- und Luntengewehre, Steinschloßpistolen, sogenannte Fäustlinge, ein selbstverfertigter Wildererstutzen, wie er von den Bauern in den Befreiungskriegen auch als Waffe verwendet worden ist. Besonders sehenswert ist ein ‚Knappenrößl‘ aus Rauris, ein ganz einfaches Brett, das zur winterlichen Talfahrt über schneeige Hänge diente, ein Vorläufer für unsere heutigen Schi. Weiters gebührt einer Schießkraxe besondere Beachtung, eine Art Hackenbüchse, die vom Schützen auf einem Traggestell transportiert wurde und die 1809 vielfach zum Kampfeinsatz kam.

Die Entwicklung der Feuerwaffen im 19. Jahrhundert ist an Hand verschiedener Modelle und Originalgewehre, ferner an Beutestücken aus den Feldzügen und Kriegen im Alpenraum, in Italien, in Bosnien-Herzegowina und im ersten Weltkrieg zu verfolgen. Eine eigene Bildtabelle ist dem Deutschen Alpenkorps gewidmet, das 1915 an der Dolomiten-Front an der Verteidigung unserer Heimat ruhmvollen Anteil genommen hat. In dem Bild eines Oberleutnants des Deutschen Alpenkorps, der mit dem Pour le Mérite geschmückt ist, erkennen wir zu unserem Erstaunen den heutigen Generalfeldmarschall [Erwin] Rommel.

In mehreren Vitrinen sind Druckwerke und graphische Darstellungen, Handschriften, Holzschnitte, Stahlstiche usw. aus den verschiedenen Kampfepochen im Alpenraum verwahrt. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist das älteste deutsche Kriegsreglement aus dem Jahre 1555, verfaßt von Linhart Fronsberg, einem Vorfahren [von] Georg von Frundsberg, das die Grundlage aller späteren militärischen Reglements bildet. Alte Zeichnungen und Stiche von tirolischen Befestigungsanlagen sind mit Bildern hervorragender Freiheitskämpfer, z. B. des kühnen Brauers Hans Panzl aus Matrei in Osttirol, vereint und geben einen anschaulichen Begriff längsvergangener kriegerischer Zeiten.

Wohl die meiste Beachtung werden drei vom Maler [Franz] Jung-Ilsenheim optisch und plastisch hervorragend ausgeführte Dioramen finden, denn sie zeigen historische Kampfhandlungen mit greifbarer Deutlichkeit. Das erste dieser Dioramen bringt den Kampf unserer Landesverteidiger am Paß Lueg im Freiheitsjahr 1809, das zweite führt in das gleiche Heldenjahr zurück und stellt den heroischen Kampf an Oesterreichs Thermopylen dar, das Ringen um das Blockhaus Malborghet bei Tarvis, wo Ingenieur-Hauptmann Friedrich Hensel am 17. Mai 1809 dem von Süden her anrückenden Feind in selbstaufopfernder Tapferkeit standhielt. Das dritte Diorama erinnert an das Jahr 1866 und zeigt die Erstürmung des Zypressenhügels von Oliosi in der Schlacht von Custozza am 24. Juni 1866 durch das fünfte Kaiserjägerbataillon.

Damit ist unsere Aufmerksamkeit auf die Kaiserjäger als heimatliche Elitetruppe gelenkt, die als einer der Hauptträger kämpferischer Tradition über ein Jahrhundert lang sich auf allen Kriegsschauplätzen ruhmvoll bewährt hat. Eine Reihe von Uniformierungsbildern der vier Hauptregimenter des jetzigen Wehrkreises XVIII (59er Salzburg, 27er Graz, 47er Marburg und 7er Kärnten) illustriert die Entwicklung des Soldatenkleides und der Bewaffnung unserer alpenländischen Truppen.

Der wichtigste Teil des Traditionsraumes ist die Ehrenwand, die im Zeichen Andreas Hofers, des Sandwirts vom Passeier und Oberkommandanten der Tiroler Freiheitskämpfer von 1809 steht. Unter einem Oelgemälde Hofers von Köck ist die marmorne Grabplatte angebracht, die einst das Grab Hofers in Mantua deckte und neben den Anfangsbuchstaben seines Namens, A. H., 13 kugelförmige Vertiefungen trägt, die an die dreizehn Schüsse erinnern, welche dem Leben des Helden ein Ende bereitet haben.

Drei Lorbeerkränze umschließen die in goldenen Lettern prangenden Namen ruhmgekrönter Kampfesstätten: Berg Isel, Pasubio, Ortigara. Zwei große Photo-Panoramen stellen die bedeutendsten Kampfgebiete der Südfront 1915-18 dar, das Gelände um den heißumstrittenen Col di Lana und um das Dreizinnen-Plateau in den Dolomiten, ferner Stellungen am Tonalepaß.

In der Höhe der Ehrenwand zeigen mehrere Großbilder die Entwicklung der Jägertruppe von 1795 bis 1918. Man sieht da einen Kaiserjäger, einen Kaiserschützen, einen Standschützen in typischer Uniformierung, im Bild monumental erfaßt und gestaltet von dem jungen Innsbrucker Maler Max Weiler. Uffz. Schmiedbauer fügte dieser Bilderreihe die Gestalt eines Tiroler Bauernkämpfers von 1809 bei.

So bildet der Traditionsraum einen Kristallisationspunkt der gesamten Ausstellung, von dem die Darstellungen der kämpferischen Taten und Leistungen unserer Gebirgstruppen im gegenwärtigen Ringen ausstrahlen.“

Ähnlich minutiös informiert Karl Paulin seine Leser auch über den Beitrag bildender Künstler zur Ausstellung Bergvolk-Soldatenvolk unter der Überschrift ‚Soldatische Kunst im Spiegel der Front‘ (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Dezember 1943, Seite 3):

„Der Hauptanziehungspunkt der großen Gebirgstruppenschau Bergvolk-Soldatenvolk, die gegenwärtig im Tiroler Landesmuseum im wahrsten Sinne des Wortes ihre Zelte aufgeschlagen hat, liegt in den Sälen des ersten Stockwerkes, wo das soldatische Leben und die Leistungen unserer Bergsöhne im Waffenkleid in den verschiedensten Ausstellungsobjekten sinnfällig, ja greifbar dargestellt sind.

Im zweiten Stock ist eine andere Schau ausgebreitet, die von der Warte des Künstlers aus das Fronterleben spiegelt. Wie der Künstler im Soldaten die Landschaft sieht, welche Eindrücke ihm Luft, Licht, Farben und Stimmung des fremden Landes vermitteln, wie er den Kampf, seine Formen und Auswirkungen empfindet, das spricht sich in den rund 170 Kunstwerken der Gemäldegalerie aus, an der eine große Zahl künstlerisch begabter Angehöriger der Gebirgstruppen mit Werken beteiligt sind.

Vor allem ist es der Reiz der Landschaft, der unter fernen Himmelsstrichen den Sohn der Berge zur künstlerischen Gestaltung lockt. Daher überwiegen Landschaftsskizzen aus dem hohen Norden, von der Kanalküste, aus Sizilien, Griechenland und den verschiedenen Abschnitten der Ostfront. Zu unserer Freude begegnen wir einer Anzahl von Künstlern aus dem Gau Tirol-Vorarlberg, die auch aus dem Felddienst künstlerische Früchte ernten. Wir verweisen nur kurz, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, auf einige dieser Künstler, und hoffen, unsere Leser dadurch zu eingehender Besichtigung anzuregen.

Da erscheint zunächst Karl Sommer, übrigens Angehöriger unseres NS.-Gauverlages, mit einer Auswahl temperamentvoller Studien aus Frankreich und der Krim, die in seiner Farbengebung das Märchenhafte, besonders der orientalischen Stimmungen festhält. Sein Kamerad Franz Schwetz ist mit einer impressionistisch flotten Griechischen Landschaft vertreten. Eugen Jussel zeigt farbenfrische Aquarelle, z. B. Wolchow, Biwak, Walter Honeder eine Skizze aus Sizilien und zwei eigenartig aufgefaßte größere Bilder aus Mühlau, so daß der Blick des Künstlers auf Heimat und Front zu malerisch verschiedenem Ausdruck kommt. Josef Widmosers kleine Aquarelle aus Frankreich trugen starke Farbenwirkungen, während Josef Arnolds großzügig einfache Spezialzeichnungen nur das wesentlichste der Erscheinung festhalten. Russische Landschaften in ihren gedämpften Farben scheinen in den stimmungsreichen Bildern von E. Lutz auf. Leutnant Karl Franz Fürst, der diesen Teil der Ausstellung leitet und sehr charakteristische asiatische Köpfe, z. B. den Usbek, skizziert hat, zeigt in den Aquarellen Brandjoch und Bettelwurf, wie stark ihn auch unsere heimische Landschaft künstlerisch anregt.

Max Weiler, von dem die Ausstellung eine Anzahl Soldaten-Typen in Großformat enthält, erscheint in der Gemäldegalerie mit rasch hingeworfenen Zeichnungen, deren kraftvoller Strich Stimmungen wie Morgendämmerung oder Residenzplatz in Salzburg trefflich wiedergibt. Von Fritz Berger, dem schwerverwundeten Künstler, den wir aus der letzten Gau-Kunstausstellung kennen, bewundern wir wieder eindrucksvolle Federzeichnungen aus dem Norden.

Nach der Landschaft sind es die Menschen der fernen Länder, denen der künstlerische Sinn unserer Soldaten je nach Blick und Temperament sich zuwendet. Am schärfsten und sichersten prägt wohl Josef Prantl in seinen meisterhaften Federzeichnungen galizianische Typen; Blätter wie Im Ghetto, Händler, Packträger sind in ihrer charakteristischen Lebenstreue kaum zu übertreffen. Wie zart und duftig, echt menschlich, wirkt dagegen Wolfgang Oeggs Aquarell Mutter und Kind. In seiner bekannten schweren, erdgebundenen Art malt Fetz einen Bauer mit Wagen.

Mit zahlreichen Skizzen und Zeichnungen ist Max Spielmann vertreten; seine künstlerische Art bewährt sich in den kraftsprühenden Selbstbildnis wie in den Situationsskizzen Bei Trommelfeuer im Bunker, den Verwundeten Gebirgsjägern oder in seinen jedes Motiv mit gleicher Sicherheit gestaltenden Zeichnungen. Bei Durchsicht der vielen Skizzen fällt der Blick auf den in der Stimmung meisterhaftenSchneesturm von Edi Tenschert, auf Alois Schmiedbauers tiefgründiges Selbstbildnis und auf Trenks ein starkes Temperament verkündende farbige Skizzen Tor in Rouen, Narvik u. a. m. Das Unmittelbare der Zeichnung spricht sich auch in den Blättern Heinrich Beranns im Gegensatz zu seinem großen, auf den Effekt berechneten Oelbild Bergsee aus.

Zwei Namen, die von den Gau-Kunstausstellungen her besonderen Klang haben, erscheinen auch im Rahmen dieser Front-Kunstschau: Ernst Nepo mit seinen in leuchtenden Farben gehaltenen norwegischen Landschaften, die jene dem Künstler eigene Verbindung zwischen Naturalismus und Stilisierung zeigen, und W[ilhelm] N[icolaus] Prachensky mit Zeichnungen aus dem Westen, deren großzügige monumentale Linien ebenso tief wirken, wie seine den heimatlichen Bergen entnommene[n] Bauernhäuser, die Winterliche Kleinstadt oder die in ihrem Innenlicht unvergleichliche Bauernstube. Aus ähnlicher Umwelt holt Ernst Degn seine mit liebevoller Wärme gemalten Bauernhäuser, Hans Andre, der Bildhauer, zeigt einen zeichnerischen Entwurf zum Kahlenberg-Denkmal.

So bietet ein Rundgang durch die drei Säle der Gemäldegalerie auch den Freunden der Kunst einen genußreichen Einblick in die Welt unserer Soldaten, die aus dem Sturm kämpferischen Geschehens das Schöne und Charakteristische lösen und in die Sprache der Kunst übersetzen.“

Zum Zweck der Werbung kamen auch Wehrmachtskapellen mit Platzkonzerten zum Einsatz:
„Ein aus Anlaß der Eröffnung der Ausstellung Bergvolk-Soldatenvolk vom hohen Norden nach Innsbruck gekommenes Musikkorps eines heimischen Regiments konzertiert heute von 12 bis 13 Uhr vor dem Goldenen Dachl in der Herzog-Friedrich-Straße. Es ist dadurch der Bevölkerung Gelegenheit gegeben, wieder einmal eine heimische Wehrkapelle zu hören.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Dezember 1943, Seite 3).

Vom außergewöhnlichen Publikumsinteresse und dem Erfolg der verschiedenen Werbemaßnahmen liefert eine Meldung von der Ehrung des 25.000 Besuchers der Ausstellung den Beweis (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Dezember 1943, Seite 3):

„Auch in der zweiten Ausstellungswoche hält der Zustrom der Besucher zu unserer Gebirgstruppenschau Bergvolk-Soldatenvolk im Landesmuseum unvermindert an. Die Ausstellungsleitung war an besonders starken Besuchstagen gezwungen, den Eintritt vorübergehend für kurze Zeit zu sperren, um eine Ueberfüllung der Räume und vor allem eine Ueberlastung der Bodenfläche zu vermeiden, da das Gebäude des Landesmuseums nicht auf die Gewichtsbelastung der Stockwerke durch Menschengedränge berechnet ist. Die Besucher werden für eine solche Vorsichtsmaßnahme ebenso Verständnis haben, wie für die Notwendigkeit, den Zutritt zur Ausstellung jeweils eine viertel bis halbe Stunde vor Schluß zu sperren, um eine rechtzeitige Räumung am Abend zu erzielen. Der 25.000ste Gast war die Reichsbahn-Zugführersgattin Frau Hedwig Aschaber aus Innsbruck-Pradl, Mutter von sechs Kindern. Sie passierte am Montagabend die Zählkontrolle, und zwar nicht wenig überrascht, als man ihr das für den 25.000sten Besucher bestimmte Erinnerungsgeschenk überreichte. Das schöne Bildwerk Wehrraum Alpenland wird für ihre Buben, die ja auch einmal Gebirgsjäger werden sollen, ein anregender Lesestoff sein. Besonderem Interesse begegnet neuerdings ein im Parterre aufgestellter Werfer, jenes in der neuzeitlichen deutschen Krieg[s]führung schon viel bewährte neue artilleristische Gerät, das – wie der Wehrmacht[s]bericht wiederholt meldete – in den Brennpunkten der heutigen Kämpfe mit stärkster Wirkung eingesetzt wird, um feindliche Bereitstellungen und Massenangriffe zu zerschlagen. In der Innsbrucker Ausstellung ist ein sechsrohriger Werfer von 15 Zentimeter Kaliber zu sehen.“


Literatur

Dem in Baden bei Wien lebenden Tiroler Dichter Josef Wenter wurde am 15. Jänner 1943 im Roten Saal des Wiener Rathauses der Grillparzer-Preis der Stadt Wien zuerkannt. Infolgedessen brachten die Innsbrucker Nachrichten vom 16. Jänner 1943 auf Seite 4 eine Würdigung zu Leben und Werk des angesehenen, schon mehrfach preisgekrönten Autors von Theaterstücken und Romanen, wobei auch auf seine Affinität zu ideologiegemäßem Schaffen in der NS-Zeit verwiesen wird.

„Josef Wenter, ein gebürtiger Südtiroler, hat sich ebenso als geistreicher Romancier wie als kraftvoller Dramatiker weithin einen Namen gemacht und ist durch den verdienten Erfolg seines fast über alle größeren deutschen Sprechbühnen gegangenen Schauspiels Der Kanzler von Tirol mit einem Schlage in die erste Reihe der heutigen deutschen Dichtergeneration aufgerückt.

Wenter, am 11. August 1880 als Sohn eines Postmeisters zu Meran geboren, hat nach Absolvierung des Gymnasiums in seiner Vaterstadt zunächst philosophische und kunstgeschichtliche Studien an der Universität München betrieben und diese später in Tübingen fortgesetzt, wo er 1914 auch zum Doktor promovierte. Daneben widmete er sich – ursprünglich wollte er Komponist werden – schon in München und dann durch zwei Jahre am Leipziger Konservatorium musikalischen Studien. Den Weltkrieg machte Wenter als Tiroler Kaiserjäger an der Dolomitenfront mit. Nach dem Umsturz übersiedelte er nach Baden bei Wien, wo er seither als freier Schriftsteller tätig ist.

In seinen historischen Romanen und Novellen, in denen sich Ideenreichtum und plastische Darstellungskraft glücklich vereinigen, versuchte Wenter ebenso wie in seinen großangelegten Dramen vom Geschichtlichen her zu einer Deutung des Ewigmenschlichen zu gelangen. Als Themen bevorzugt er dabei ähnlich wie Hebbel, dem Wenter in manchem verpflichtet ist, eine Zweigleisigkeit persönlicher und staatspolitischer Konflikte. Während z. B. Stücke wie Die schöne Welserin, Die Landgräfin von Thüringen oder der Zyklus Der deutsche Heinrich, Friedrich Barbarossa, Der sechste Heinrich die alte deutsche Kaiserzeit von modernen Gesichtspunkten aus anpacken, wandte sich Wenter in seinem Schauspiel Traktor schon 1933 in unmißverständlicher Weise gegen die seelenlose Maschine im Sowjetstaat. Eine zutiefst deutsche Tragödie ist auch sein Volksschauspiel aus den Tagen Napoleons Johann Philipp Palm, dem ebenso ein nachhaltiger Erfolg beschieden war wie seinem Spiel um den Staat, einer vollendeten dichterischen Gestaltung des Führererlebnisses. Eine andere Seite seines Wesens, die liebevolle Versenkung in die Natur, spricht aus seinen Tiergeschichten, von denen besonders der Lachsroman Laikan und der Pferderoman Mannsräuschlin viele Leser und Freunde gefunden hat.“

Am 20. Jänner 1943, Seite 3, berichten die Innsbrucker Nachrichten vom Überreichungsakt des Grillparzer-Preises an Josef Wenter in Wien:

„Der Grillparzer-Preis der Stadt Wien, der alljährlich am 15. Jänner, dem Geburtstag Franz Grillparzers, zur Verleihung gelangt, ist auf Grund des einstimmigen Vorschlages des Preisrichterkollegiums von Reichsleiter Baldur von Schirach dem in Baden bei Wien lebenden Dichter Dr. Josef Wenter für sein dichterisches Lebenswerk zuerkannt worden.

Im roten Saal des Rathauses hatte sich ein kleiner literarischer Kreis von Freunden und Verehrern des Meisters versammelt, unter ihnen Generalintendant Lothar Müthel und die Wiener Dichter Mirko Jelusich, Max Mell und Hermann Stuppaeck, um der feierlichen Uebergabe der Verleihungsurkunde, die der Leiter des Kulturamtes der Stadt Wien vollzog, beizuwohnen.

Stadtrat Blaschke betonte, daß die Auszeichnung in dem Tiroler Josef Wenter nicht nur einem ringenden universalistisch gebildeten, durch und durch musischen und faustischen Menschen zuteil geworden sei, sondern jenem großen Dramatiker, der mit dem Kronjuwel der Stadt Wien, dem Burgtheater, aufs innigste verwachsen sei. In seinen Dankesworten gab Dr. Wenter vor allem der tiefen Verpflichtung Ausdruck, die ihm die Verbindung mit dem erlauchten Namen Grillparzers und der Stadt Wien auferlege. Er schloß mit der Bitte, die Stadt Wien möge ihm gestatten, ihr als äußeres Zeichen seiner Liebe sein demnächst zur Vollendung kommendes jüngstes dramatisches Werk, ein Schauspiel um die Kaiserin Maria Theresia, zueignen zu dürfen.“

Am 15. März 1943 verstarb in seiner Wiener Wohnung der bedeutende Tiroler Volksdramatiker Karl Schönherr. Karl Paulin widmet dem verstorbenen Dichter einen Nachruf, worin in überlegener Wortwahl und großer Sachkenntnis seine große Verehrung für den Autor zum Ausdruck kommt (Innsbrucker Nachrichten vom 17. März 1943, Seite 3):

„Mit Karl Schönherr, den nun der Tod von schwerem Siechtum befreit hat, verliert die deutsche Kulturwelt einen alpenländischen Dichter, der dem neueren Volksdrama die unverkennbaren markigen Züge seiner Persönlichkeit eingeprägt hat. Was Raimund im Vormärz begonnen und Anzengrubers kämpferischer Geist fortgesetzt hat, das vollendete Karl Schönherr aus der Urkraft seiner wurzeltiefen, aus Blut und Boden genährten Kunst. Das Bleibende seines dichterischen Schaffens, vor allem Erde, Glaube und Heimat, Volk in Not, Weibsteufel, zählt zum unvergänglichen Bestand deutscher Bühnenkunst, darüber hinaus haben sich seine aus bäuerlichem Grund in das Allmenschliche aufragenden Gestalten die Bühnen der Welt erobert.

Wenn heute dieses an schöpferischer Arbeit und Erfolg reiche Leben abgeschlossen ist, so trauert vor allem Tirol um seinen großen Sohn, dem zeitlebens die Liebe zur Heimat nicht nur Herzenssache, sondern unversiegbarer Quell seiner Dichtung war. Denn wir dürfen es heute abschließend sagen, was von Schönherrs dramatischem Werk vergänglich ist, entstammt nicht heimatlichen Bezirken, sondern den Problemen der Großstadt, was aber bleibt, das nährte sich aus Tiroler Herzblut.

So seltsam es erscheinen mag, aber seine Heimat erlebte Karl Schönherr erst im Gewühl der Großstadt Wien, die seit mehr als einem halben Jahrhundert seine Wohn- und Arbeitsstätte umschloß. Das Heimweh, das so manchen zermürbt, wurde diesem Starken zur Wiege seiner Dichtung […].

Es sind eigentlich nur wenige große Probleme und Motive, aus denen Karl Schönherrs Dichtung schöpft. Er faßt als echter Tragiker die Grundzüge des menschlichen Lebens in die einfachste naturverbundenste Form, in die des Bergmenschen, der mit den Gewalten der Natur und den widerstrebenden Kräften der eigenen Brust ringt. Heimat- und Schollenverbundenheit bewegen aus elementarer Tiefe seinen Sonnwendtag, seine Erde, seinen größten Erfolg, Glaube und Heimat, die schicksalhaften Beziehungen zwischen Mann und Weib haben seinen Weibsteufel, seine Frau Suitner, seine Kindertragödie, seine Bildschnitzer, sein Es geformt, der tiefe soziale Zug seines Wesens spricht aus dem Einakter Karnerleut, aus den Aerztedramen Narrenspiel des Lebens, dem Kampf, dem Armendoktor und der aus dem Elend der Nachkriegszeit entstandenen anklagenden Hungerblockade.

Eine kämpferische Natur war und blieb Karl Schönherr von Jugend an. Er sprengte nicht nur in seiner eigenwilligen, ihm allein zugehörigen dramatischen Technik die Fesseln des starren Naturalismus, sondern trat in allen seinen Werken gegen die Unnatur und Vergewaltigung natürlicher Menschenrechte auf […].

Nicht nur der Dichter, auch der Mensch Karl Schönherr blieb zeitlebens mit seiner Heimat verbunden. Viele Jahre verbrachte er die Sommermonate in seinem Eigenheim in Telfs, später in Stams und hat zuletzt am 12. September 1937 in seinem Geburtsort Axams einen heimatlichen Ehrentag erlebt, als an seinem Geburtshaus eine Gedenktafel enthüllt wurde, die sein Bronzerelief mit den Worten zeigt: ‚Er trug Tirols Fahne in die Welt‘. Seit dem Jahre 1938, das Karl Schönherr während der Teilnahme an dem deutschen Dichtertreffen in Weimar die ersten Anzeichen schwerer Erkrankung spürte, lebte der Dichter zurückgezogen in seinem Wiener Heim, ans Zimmer gebunden, mit regem Geist an allem teilnehmend, was sein deutsches Volk in diesen schicksalhaften Jahren bewegte […].“

Im Rahmen der kulturellen Aktivitäten der Volksbildungsstätte Innsbruck las der Innsbrucker Dichter Josef Leitgeb am 20. September 1943 im Musikvereinssaal aus seinem 1942 erschienenen Buch Aufzeichnungen am Rande des Krieges in der Ukraine und der Novelle Kammermusik. Auch Gedichte Leitgebs waren Teil des Programms, zu dem „die Kammermusikvereinigung des Salzburger Mozarteums […] Werke von Beethoven und Mozart“ beitrug (Innsbrucker Nachrichten vom 15. September 1943, Seite 4).

Am 18. Jänner 1943 kam mit Hans Friedrick Blunck, dem ehemaligen Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, einer der angesehensten Literaten des Reiches auf Einladung der Gau-Studentenführung Tirol-Vorarlberg zu einer Dichterlesung nach Innsbruck. Für das herausragende Renommee des Dichters sprach insbesondere auch seine Aufnahme in die Liste der „Gottbegnadeten“ durch Adolf Hitler. Folglich versammelte sich im Großen Stadtsaal ein erlauchter Kreis von Parteifunktionären und Vertretern der Universität, darunter der Stellvertretende Gauleiter, der Innsbrucker Kreisleiter sowie Universitätsrektor Raimund von Klebelsberg.

„Von herzlichem Beifall empfangen trat sodann Hans Friedrich Blun[c]k an den Vortragstisch und brachte Sinn- und Mahnsprüche, Gedichte, Abschnitte aus Prosaerzählungen und Kapitel aus seinem Märchen- und Sagenbuch, die viel Beifall fanden. Das Collegium musicum der Deutschen Alpenuniversität unter Leitung von Professor Dr. Wilhelm Ehmann umrahmte den Abend mit alten deutschen Chorgesängen, die die Sehnsucht des Volkes nach des Reiches Einheit, Macht und Herrlichkeit aussprachen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Jänner 1943, Seite 3).

Im März 1943 erfolgte mit der Einladung von Waldemar Bonsels ein weiterer Auftritt eines von den Nationalsozialisten verehrten Dichters. Er hatte vor allem mit seinem 1912 erschienenen Buch Die Biene Maja und ihre Abenteuer internationale Bekanntheit erlangt, aber sich auch durch sein antisemitisches literarisches Engagement die Hochschätzung in Parteikreisen erworben. Die Innsbrucker Nachrichten vom 15. März 1943 geben auf Seite 5 dazu eine Vorschau:

„Den Dichter als Künder seiner eigenen Werke zu erleben, bedeutet für jeden, der sich diese Werke lesend schon zu eigen machte, eine große Freude. Vor allem Waldemar Bonsels wird man gerne begegnen, denn seine Lesergemeinde ist selten groß und gebildet aus allen Altersstufen und Ständen. Der Dichter hat mit seinen Abenteuern der Biene Maja, mit seinem Naturmärchen Himmelsvolk, mit seiner Trilogie Mario und die Tiere, Mario und Gisela, Marios Heimkehr (um nur einige seiner bekanntesten Werke zu nennen) im besten Sinn volkstümliche Bücher geschaffen, denn wie das Kind die märchenhafte Heiterkeit dieser Bücher liebt, so der reife Mensch die tiefe Weisheit, die in ihnen ruht. Am Montag, den 15. März, 20 Uhr, wird im Konzertsaal der Städtischen Musikschule der Dichter Bonsels zum Innsbrucker Publikum sprechen und aus neuen Werken Besinnliches und Heiteres vorlesen. Da die Dichterlesung vom Reichsgautheater veranstaltet wird, findet der Kartenvorverkauf an der Theaterkasse statt.“

Zur Veranstaltung schreibt Karl Paulin (Innsbrucker Nachrichten vom 17. März 1943, Seite 4):

„Schon seit der Biene Maja ist der Name Waldemar Bonsels zum festumrissenen Begriff einer dichterischen Persönlichkeit geworden, die den tiefsten Blick in die Urgründe der Natur mit der Romantik des modernen Märchenerzählers verbindet […].

Daher füllte die Dichterlesung Waldemar Bonsels am Montag, den 15. d[ieses] M[onats März 1943], den Konzertsaal der Städtischen Musikschule mit einer Zuhörermenge, die nach den Erlebnissen des Dichters nun auch dem Menschen Bonsels mit Spannung entgegensah. Das Reichsgautheater Innsbruck hat an diesem Abend seine kulturelle Aufgabe, deutsche Dichter unserem Volk nahezubringen, über den Raum der Bühne erweitert, indem Intendant Pflugmacher Waldemar Bonsels zu einer Eigenlesung einlud. Die Lyrik, die den Goldgrund der Bonselschen Dichtung bildet, wurde durch eine musikalische Umrahmung des Abends gewissermaßen zum Klingen gebracht. Das Innsbrucker Streichquartett (die Konzertmeister Kollarz und Drevo, Solocellist Becke und Solobratscher Vrba) trat bei dieser Gelegenheit zum erstenmal gemeinsam auf und spielte unter der künstlerischen Initiative des Opernkapellmeisters Ratjen drei Sätze von Franz Schuberts nachgelassenen Streichquartett in D-Dur.

Waldemar Bonsel begann seine Lesung mit einer Erzählung, die tief ins Herz unserer Zeit greift. Der letzte Brief, den ein Freund seinen verwundeten Kameraden voll jubelnder Daseinsfreude über die zu erhoffende Genesung schreibt, wird zum Schicksal eines müden Kämpfers. Der hat, vom schweren Erleben aufatmend, auf der Fahrt von der Front ins Lazarett Schönheit und Glück der Heimat in sich aufgenommen, noch einmal ins Mutterauge geblickt und dann ahnungslos den letzten Herzschlag getan. Nun ruht der Freundesbrief als letzter Gruß des geliebten Lebens auf seiner stillen Brust.

Aus seiner Indienfahrt las der Dichter einen Abschnitt ‚Die Herrschaft des Tieres‘ […].

Der zweite Teil des Abends trug heitere Farben aus dem jüngsten Buch des Dichters Tage der Kindheit […].“

In einem Essay in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. April 1943, Seite 4, gedachte Karl Paulin des 100. Geburtstags der Tiroler Dichterin Angelika von Hörmann. Er tat dies nicht nur in Würdigung ihrer literarischen Bedeutung für die lokale Kulturgeschichte, sondern vor allem, weil die Dichterin nach den Worten der Grabrede Franz Kranewitters „die erste Frau Tirols von wahrhaft nationaler Empfindung“ gewesen sei. Besonders verweist Karl Paulin dabei auf die von ihr verfassten „deutschen Lieder“.

„[…] Da findet die ahnende Sehnsucht nach dem Erretter ihres Volkes einen ergreifenden Ausdruck, dessen prophetische Gewalt uns erst heute ganz bewußt wird:



Das Antlitz in den Händen,
Denk’ ich des Volkes Not –
Mög’ sie der Himmel wenden
Mit güt’gem Machtgebot!
Es fließt durch deutsche Adern
Ein tück’scher Tropfen Gift,
Der mit dem ew’gen Hadern
Ins eig’ne Leben trifft.
Erwächst aus keinem Stamme
Ein kraftvoll frisches Reis?
Kein Aug’, des Geistes Flamme
Den Zwist zu bannen weiß?
O’ daß aus Walhalls Räumen
Held Siegfried niederstieg’,
Kein Häuflein würde säumen
Und unser wär’ der Sieg.
Doch nein, kein Gott erscheine,
Ein Mann nur, treu und echt,
Sein Blick schau hoch ins Reine,
Selbstlos, ein Fürst der Geister,
Von dunkeln Mächten frei,
So träum’ ich mir den Meister,
Der unser Führer sei.“



Ebenso erinnerte der literarisch immens kundige Karl Paulin an den 150. Geburtstag des „Volksdichters“ Carl von Lutterotti (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Februar 1943, Seite 3):

„Eine der stärksten Wurzeln des Volkstums ist die Mundart, herb und derb, ungeschminkt und lebenswahr, voll des Klanges längst verrauschter Jahrhunderte, unberührt von neuen sprachlichen Formen. In der Mundart dichtet das Volk selbst als namenloser Schöpfer seiner Gstanzln und Schnaderhüpfeln, der Kampf-, Trutz-, Liebes-, Jäger- und Schützenlieder, die sich von einem Geschlecht zum anderen, von Mund zu Mund überliefern. Die eigentliche Kunstdichtung, die sich der Mundart bedient, hat in unserem an unzähligen Spielarten des Dialektes so reichen Gau erst verhältnismäßig spät eingesetzt. Ihrem ersten und größten Meister, Carl von Lutterotti von Gazzolis und Langenthal, der vor 150 Jahren geboren wurde, gilt diese Erinnerung.

In Bozen am 16. Februar 1793 als Sohn des Kreishauptmannes Johann Maria von Lutterotti und seiner Gattin Barbara, geborene Prugger von Pruggheim, geboren, kam Lutterotti schon als Kind 1796 nach Innsbruck, wo er als Student am denkwürdigen 12. April 1809 vom Fensterbrett seiner Wohnung am Innrain aus dem Sturm der Bauern auf die Innbrücke zusah und dabei durch eine verirrte Kugel am Fuß verwundet wurde […].

Seit 1824 lebte er in Imst, das damals zur Zeit des Fuhrwerksverkehrs einer der bedeutendsten Marktorte des Landes war. Die Gelegenheit, das Volk zu beobachten und zu studieren, benützte Lutterotti mit genial geschärften Sinnen; er sammelte nicht nur Pflanzen und besaß ein wertvolles Herbarium, sondern vor allem Volkstrachten und Volkslieder. Als geschickter Zeichner hielt er die Einzelheiten der heimischen Trachten in zahlreichen Aquarellen fest und fertigte er auch viele Landschaftszeichnungen an, die mit seinen Trachtenbildern im Tiroler Landesmuseum verwahrt werden.

Lutterottis bedeutsamste Gabe war aber sein Ohr für die Tiroler Mundarten; er verstand und sprach nicht nur die meisten Dialekte, sondern wußte sie auch mit seltener Treffsicherheit und Anschaulichkeit dichterisch zu verwerten. Dabei schöpfte er aus dem reichen Sagen- und Volksliederschatz, aus dem Volksleben und den Zeitverhältnissen, gab seinen Stoffen aber stets die ihm selbst eigentümliche dichterische und sprachliche Form […].

Aus Lutterottis Gedichten sprechen alle Gefühle, die das Volk bewegen, vor allem naive und doch bildkräftige Naturanschauung, starkes Empfinden für Recht und Unrecht, klarer realistischer Blick für die Zeitereignisse, warme Heimat- und Vaterlandsliebe und ein kerniger, echt volkstümlicher Humor […].

Sei eigentliches unvergängliches Denkmal hat sich Carl von Lutterotti aber in seinen Mundartgedichten selbst gesetzt, die – ich kann es aus der Vortragserfahrung zweier Jahrzehnte bezeugen – bis in die jüngste Zeit nichts an ihrer ursprünglichen naturhaften Frische und unwiderstehlichen volkstümlichen Wirkung verloren haben. Was der Dichter einst aus dem Volk geschöpft, strömt immer wieder ins Volk zurück, in solchem Kreislauf liegt die dauernde Bedeutung dieser klassischen Volksdichtungen.“

Einen Vortragabend wie erwähnt gab Karl Paulin auch zum 150. Geburtstag Carl von Lutterottis, in Imst im Rahmen der Veranstaltungen des Kulturringes der Hitler-Jugend und zusammen mit dem Lautenspieler Robert Berchtold. „Die Buben und Mädel folgten mit Spannung und Begeisterung“ (Tiroler Landbote vom 23. Februar 1943, Seite 4).

Vom unermüdlichen Einsatz Karl Paulins für das Ansehen der Tiroler Literatur gibt zudem eine Notiz in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. April 1943, Seite 4, Zeugnis:

„Innsbrucker als Gäste im Mozarteum. Schriftleiter Karl Paulin und Lautensänger Robert Berchtold erfreuten auf Einladung der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude im Salzburger Mozarteum eine zahlreiche Zuhörerschaft mit Wort und Lied. Aus der von Berchtold gebotenen Fülle von Heimatweisen, die er zum Teil selbst in Noten gesetzt hatte, leuchteten wie Granaten die Lieder Altmeister Pölls. Karl Paulin ließ aus dem Novellenschatz von Schönherr, Greinz und Zangerle einige der kraftvollsten Gestalten der Dichter erstehen. Der reiche Beifall, vor allem auch der vielen in Salzburg lebenden Landsleute der Gäste forderte Zugaben und baldiges Wiederkommen.“

Ein Herzstück der vielseitigen kulturellen Tätigkeit Karl Paulins war der von ihm initiierte und herausgegebene Volkskalender Alpenheimat. Familienkalender für Stadt und Land. Auch für die Ausgabe des Jahres 1943 beschreibt „Schriftleiter“ Karl Paulin im Geleitwort die prinzipiell ideologisch bestimmte Intention des Kalenders und dessen entsprechenden Inhalt:

„Je mehr der totale Krieg alle Kräfte der Nation wachruft und an der äußeren und inneren Front im gewaltigen Ringen um des Reiches Zukunft und Sicherheit einsetzt, desto sorgsamer müssen wir die wenigen Ruhestunden ausnützen, die uns bleiben. Gilt es doch in diesen Stunden unsere Kräfte zu sammeln und zu steigern, damit wir auch weiterhin unser ganzes Sein in das riesenhafte Räderwerk der deutschen Volksgemeinschaft nutzbringend eingliedern können.

In solcher Zeit kommt nun unserem Alpenheimat-Kalender eine besondere Aufgabe zu: er soll als nun schon seit Jahren eingeführter und erprobter Freund der Familien noch mehr als bisher für Erholung und Erheiterung sorgen, soll uns wieder Führer und Begleiter sein auf besinnlichen und anregenden Wanderungen, uns ablenken und erfrischen nach des Tages Arbeitslast und Mühsal.

Nach zwei Richtungen soll und will unser Volkskalender diese Aufgabe erfüllen: der Heimat ein Spiegel des großen Weltgeschehens zu sein, ihr die unermeßlichen Leistungen unserer Wehrmacht im Kampf gegen feindlichen Vernichtungswillen aufzuzeigen und andererseits unseren Soldaten an der Front, besonders den Söhnen unserer Berge, ein willkommenes Erinnerungsbild der fernen Heimat in die Hand zu geben, an dem sie sich in Stunden der Rast erquicken.

Trotz kriegsbedingter Einschränkung ist der Alpenheimat-Kalender wieder bedacht gewesen, möglichst viele abwechlungsreiche Beiträge zu einem bunten Bergblumenstrauß zu binden, an dem jeder Leser seine Freude hat. Aus Geschichte und Kultur, aus Kunst und Wirtschaft, aus bäuerlichem Leben, aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Krieg und Frieden sind die Aufsätze, Erzählungen, Geschichten und Gedichte geschöpft, die nicht nur über die kurze Spanne eines Jahres, sondern auf längere Zeit hinaus ein heimatliches Hausbuch bilden sollen, zu dem alt und jung immer wieder gerne greift.

Da gibt es allerlei zu lesen vom Tiroler Bauernführer Michel Gaismair, vom Schloß Runkelstein und seinen Wandgemälden, von der Pestzeit im Bregenzerwald, von der lustigen Schau beim Türmer zu Solbad Hall i[n] T[irol], von Hausmarken, Meister- und Kaufmannszeichen, wie sie von altersher die Besitzverhältnisse unserer Gehöfte kennzeichnen, von dem großen steyrischen Waffenschmied Josef Werndl und vielem anderen.

Der Krieg erscheint uns in den heldischen Taten der Ritterkreuzträger unseres Gaues, wir spüren seinen Atem aus eindrucksvollen Fronterlebnissen und begleiten unsere Skijäger auf ihren kühnen Vorstößen während des ungeheuer harten Winters an der Ostfront, der mit all seinen Schrecken die Tapferkeit und den Angriffsgeist unserer Wehrmacht nicht zu brechen vermochte. In den Weltkrieg zurück führt uns ein Bericht über die großen Bergsprengungen an der Alpenfront.

Der ernste Teil des Kalenders ist mit heiteren Beiträgen durchsetzt, wird doch kein Gast im deutschen Haus heute so gern begrüßt wie der echte, volksverbundene Humor, wie er besonders in mundartlichen Liedern, Versen und Geschichten auf dem Boden unserer alpenländischen Volksdichtung gedeiht.

So hofft der Alpenheimat-Kalender 1943, auch mit Hilfe eines reichhaltigen Bildschmuckes, auf gastfreundliche Aufnahme in Dorf und Stadt, in der Heimat und an der Front. Er dankt dafür mit dem, was er aus dem Volk für das Volk gibt, mit einem Kronstück deutscher Heimat, einem naturgesegneten Teil Großdeutschlands, für das wir alle mit unseren besten Kräften in unerschütterlicher Siegeszuversicht im gegenwärtigen Entscheidungskampf stehen.“

1943 erschien der erste Band der Alpenschriften, und zwar ein Buch des „Reichslandschaftsanwaltes“ Professor Alwin Seifert mit dem Titel Das echte Haus im Gau Tirol-Vorarlberg. Als weitere Projekte der von Gauleiter Franz Hofer initiierten und im NS.-Gauverlag Tirol-Vorarlberg herausgegebenen Schriftenreihe waren geplant zwei Bände von „Reichsgauarchivar“ Professor Dr. Otto Stolz, „von denen der eine die Wehrverfassung und der andere die Bauernfreiheit in Tirol-Vorarlberg behandelt“. Ferner bereitete die Verlagsleitung zwei Bände zur Frühgeschichte vor, das Buch „Vill, ein Grabungsbericht“ von der rührigen Archäologin und Grabungsleiterin Dr. Helene Miltner sowie eine Publikation von Professor Leonhard Franz über „Frühdeutsche Altertümer im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum“. Auch war daran gedacht, „für rein wissenschaftliche Zwecke“ eine Publikationsreihe mit „Quellenschriften und Quellennachweisen“ herauszubringen, in geringer Auflage, weil sie „ja nur für einen kleinen Kreis von Forschern bestimmt“ sein sollte. In der von Gauleiter Hofer herausgegebenen KulturzeitschriftTirol-Vorarlberg. Natur. Kunst. Volk. Leben 1943, Heft 2/3, Seite 47 f., stellt Gaupressereferent Franz Pisecky diese neue Unternehmung für Forscher im Dienst der Ideologie vor:

„Im Gau Tirol-Vorarlberg, dem Kernstück des Alpenraumes, waren [!] zu jeder Zeit eine große Anzahl geistiger Kräfte am Werk, deren Arbeiten wertvolle Beiträge zur Erkenntnis von Wesen und Aufgaben dieses Raumes, seiner Menschen und seiner Geschichte beizutragen wie geschaffen schienen. Tatsächlich sind auch verschiedentlich Werke, die auf diesen Raum Bezug nahmen, erschienen. Bisher hat lediglich die Zusammenfassung dieser Kräfte gemangelt, um die Früchte solcher Arbeiten zu summieren und das Wirken der einzelnen Forscher und Autoren durch einheitliche Ausrichtung und Betreuung der Gesamtheit in höchst möglichem Maße dienstbar zu machen. Gauleiter Hofer, der auf allen Gebieten stets auf Sammlung und Zusammenfassung hinarbeitet, um dadurch die Einzelkräfte zu vervielfachter Wirkung gelangen zu lassen, ist nun auch auf dem Gebiete des Buchschaffens, soweit es den eingangs angeführten Zwecken dient, mit persönlicher Initiative vorgegangen und hat sich an die Spitze eines Werkes gestellt, das nutzbringend und beispielgebend werden soll. Unter seiner eigenen Zeichnung als Herausgeber wird im NS.-Gauverlag Tirol-Vorarlberg eine Schriftenreihe erscheinen, in der die Verfasser volkstümlicher Darstellungen von Fragen des Alpenraumes mit Einzelwerken zu Worte kommen sollen. Mit der Bezeichnung Alpenschriften ist der Themenkreis dieser Erscheinungen weitestgehend umrissen. Für kommende Zeiten, in denen die verschiedenen kriegsbedingten Beschränkungen nicht mehr in Erscheinung treten werden, ist daran gedacht, in dieser Schriftenreihe jährlich bis zu zwölf Bände herauszubringen. Vorderhand wird die Zahl der Erscheinungen natürlich niedriger sein. Auch die Auflagen werden sich derzeit in bescheidenen Grenzen halten müssen, doch wird es selbstverständlich möglich sein, von jetzt erscheinenden Werken geringer Auflage später einmal Neuauflagen höherer Zahl herauszubringen […].“


Film

Die Innsbrucker Nachrichten vom 15. Oktober 1943 bringen auf Seite 4 eine Vorschau über die aktuelle Filmproduktion:

„Wir alle wissen, daß der deutsche Film im Kriege nicht schwächer, sondern stärker geworden ist, und wenn wir heute unsere Leser mit dem großen Programm bekannt machen, das die sieben deutschen Produktionsfirmen für das Jahr 1943/44 vorlegen, so können wir uns dabei auf die Würdigung dieses schon in großen Teilen in Arbeit umgesetzten Planes beschränken.

Die großen zeitgemäßen Themen lassen sich durch eine Reihe von Filmen ausdrücken, die das Gesicht des europäischen Films in den nächsten Jahren bestimmen werden. An erster Stelle steht der Ufa-Film Kolberg, der unter der Regie von Professor Veit Harlan mit den Hauptdarstellern Kristina Söderbaum, Heinrich George und Horst Caspar gedreht wird. Dieser Film schildert als eine Lehre für unsere Zeit die Belagerung des friedlichen kleinen Städtchens Kolberg in Pommern an der Ostsee, das trotz Bombardement und Brand den Kampf nicht aufgibt, sondern standhält bis zum Tage des Waffenstillstandes und des Friedens. Ein zweiter großer Film ist der Tobis-Film Der Vater, der unter der Spielleitung von Erich Engels mit Emil Jannings nach einem Buch von Walter Wassermann entstehen soll. Es wird darin dargelegt, daß die Familie nach einem Wort des Philosophen Lichtenberg einem menschlichen Körper gleiche, in dem man der Mutter die Seele, dem Vater das Herz, das den Pulsschlag, den Lebensrhythmus der ganzen Familie bestimmt, zuschreiben muß. Der Verteidiger hat das Wort heißt ein Tobis-Film, in dem Heinrich George als Hauptdarsteller unter der Regie von Werner Klingler einen berühmten Strafverteidiger zu verkörpern hat. Carla Rust und Rudolf Fernau werden seine Partner sein. Das Buch hat H. G. Peterson geschrieben.

Zu den Filmen mit großen Themen gehört auch der Tobis-Film Ein Rudel Wölfe, in dem das U-Boot eine große Rolle spielt. Der bekannte Regisseur Gustav Ucicky inszeniert den Film nach einem Buch von Willy Clever, Ellen Fechner und Wolfgang Frank.

Gerhard Menzel, bisher als Drehbuchautor hochkünstlerischer Filme bekannt, wird seine erste Regiearbeit mit einem Film vorlegen, den er nach seinem eigenen Buch Am Vorabend nennt.

Rudolf Forster und Hilde Meißner sind die Hauptdarsteller einer Handlung, die sich am 31. August 1939 abspielt.

Filme, die gute Unterhaltung bringen werden, sind der Tobis-Film Der Senator, in einer norddeutschen Hafenstadt spielend, der Ufa-Film Via Mala, den der Regisseur des Jubiläums-Films Münchhausen, Josef von Baky mit Karin Hardt, Viktor Staal und Hilde Koerber nach dem bekannten Roman von John Knittel, den Thea von Harbou ins Filmische übersetzt hat, dreht. Die Musik zu diesem Film schreibt der durch den Rundfunk bekannte Georg Haentzschel. Auch Otto Ludwigs Tragödie Der Erbförster wird in diesem Jahr auf der Leinwand erscheinen.

Interessant zu werden verspricht der Albers-Farbfilm Große Freiheit Nr. 7, der das Leben in einer großen deutschen Hafenstadt schildert, und der nach einem Schauspiel von Richard Billinger von Hans Steinhoff gedrehte Film Gabriele Dambrone, der den Weg einer kleinen Näherin zur großen Schauspielerin erzählt. Er ist mit Gusti Huber, Siegfried Brauer, Christl Mardayn, Ewald Balser und Eugen Klöpfer besetzt.

Unter den heiteren Filmen verspricht der Tobis-Film Peter Voß der Millionendieb von Karl Anton gedreht, mit Viktor de Kowa und Harald Paulsen beste Unterhaltung. Den großen Erfolg ihres Rühmann-Films Quax, der Bruchpilot will die Terra fortsetzen in ihrem Film Quax in Fahrt, in dem wir Rühmann mit Herta Feiler und Karin Himboldt sehen werden. Die Spielleitung hat der durch seinen ersten Film Sophienlund als Autor bekanntgewordene Helmut Weiß. Einen Hauptspaß wird der Terra-Film Die Feuerzangenbowle bringen, der nach dem bekannten Roman von Heinrich Spoerl ebenfalls mit Heinz Rühmann und Karin Himboldt von Helmut Weiß inszeniert wird.

Die beliebte Spielart des Kriminalfilms ist diesmal auch reichlich vertreten. Wir nennen den Tobis-Film Herr Sanders lebt gefährlich mit Paul Verhoeven und Harald Paulsen, den ebenfalls von der Tobis gedrehten Film Um 9 Uhr kommt Harald mit Irene von Meyendorff, Anneliese Uhlig und Hans Nielsen und den Tobis-Film Die Hochstaplerin mit Sybille Schmitz, Karl Ludwig Diehl und Fritz Wagner. Der Täter ist unter uns heißt ein Bavaria-Film, in dem Paul Dahlke und Margit Hielscher die Hauptrollen spielen werden. Große Spannungsmomente enthält der Bavaria-Kriminalfilm Die unheimliche Wandlung des Alex Roscher, in dem Rudof Prack die tragende Rolle verkörpert.“

Der im Überblick zum deutschen Filmschaffen 1943/44 erwähnte Film Gabriele Dambrone wurde unter der Regie von Hans Steinhoff in wesentlichen Szenen in Tirol gedreht. Im diesbezüglichen Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. März 1943 auf Seite 4 von Karl Paulin kommen auch Zukunftsprojekte mit Tiroler Thematik zur Sprache, die sich der von der Alpenlandschaft so begeisterte Regisseur als künftige Vorhaben vorstellte:

„[…] Diesmal ist es Richard Billingers Schauspiel Am hohen Meer, das bisher u. a. in München und Berlin aufgeführt wurde, das Hans Steinhoff die Anregung zu einem neuen Terra-Film gab, der unter dem Titel Gabriele Dambrone gegenwärtig entsteht und dessen Außenaufnahmen vor kurzem in unseren heimatlichen Bergen gedreht wurden. Steinhoff kennt und liebt ja die Tiroler Hochgebirgslandschaft und hat sie wiederholt schon zum gewaltigen oder idyllischen Hintergrund und Rahmen seiner großen Filme gewählt, es sei nur an seine Geierwally erinnert, die bekanntlich in den Oetztaler Alpen entstanden ist.

Dieser Vorliebe Steinhoffs für unsere heimatliche Bergwelt ist wohl auch die Verlegung jener Liebesidylle zuzuschreiben, welche einen Hauptabschnitt des neuen Filmes bildet. Während im Drama, wie es schon der Titel andeutet, die beiden Liebenden, die Wiener Näherin Gabi Berghofer und der Maler Paul Madina, glückliche Tage im Süden ‚am hohen Meer‘ verleben, führt der Film das Paar in die alpine Hochwelt, die Zeuge berauschenden Glückes wird. Diese Szenen wurden nun z[um] T[eil] in Gries im Sellrain, z. T. im Kühtai gedreht. Die letzten Partien, jene Szenen, in der Gabi verzweiflungsvoll den Bergtod sucht und im letzten Augenblick nicht nur dem Leben, sondern der eigenen großen, künstlerischen Laufbahn wiedergegeben wird, erhielten an einem leuchtenden Spätwintertag auf dem Hafelekar ihre endgültige Gestalt […].

Im Anschluß an diese Aufnahmen hatten wir Gelegenheit, in einem persönlichen Gespräch mit Hans Steinhoff eine Reihe von zeitgemäßen Fragen und Problemen des Films und des Theaters zu berühren […].

Wir sprachen auch von Tiroler Themen für die Filmgestaltung, die über dem landschaftlichen Hintergrund hinaus in Frage kämen. Hans Steinhoff sprach mit großem Interesse von den bäuerlichen und kämpferischen Motiven, welche die heimische Geschichte und der Roman zweifellos für den Film noch bereithalten. Aus der Heldengeschichte des Jahres 1809 würde ihn die Gestalt Josef Speckbachers, des kühnen Bauernstrategen, am meisten fesseln.

Andere historische Stoffe, wie z. B. Kanzler Biener, Philippine Welser, Michel Gaismair, bei denen auch die kostümliche Ausstattung eine große Rolle spielen würde, bleiben der kommenden Friedenszeit vorbehalten. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die hervorragenden Freilichtstätten unseres Gaues hingewiesen, z. B. Berg Isel, Schloß Ambras, Höttinger Steinbruch, Festung Geroldseck.

Aus den Romanen von Rudolf Greinz, vielleicht auch aus seinen lustigen Tiroler Geschichten ließen sich gewiß auch dankbare Stoffe finden, die sich zur Verfilmung eignen, damit die reiche, bisher auf diesem Gebiet noch ungenützte Gestaltungskraft dieses vielgelesenen heimatlichen Dichters, etwa im Ausgleich zu Ganghofer-Filmen, auch ausgewertet werden kann.

Auch auf Karl Schönherr, den jüngst verstorbenen großen Dramatiker, kamen wir zu sprechen, dessen herbe, nur auf große Linien und Probleme begrenzte Kunst dem Film trotz der schon lange zurückliegenden Verwertung von Glaube und Heimat zu widerstreben scheint. Hans Steinhoff äußerte sich in begeisterten Worten über das dramatische Meisterwerk Schönherrs, seine Erde. Den Schluß dieser Dichtung denkt sich Steinhoff allerdings anders, er gab mit dieser Anregung unserem Gespräch einen für den freien Gestaltungswillen dieses großen Filmschöpfers bezeichnenden Abschluß: ‚Sie kennen ja die berühmte Szene, in welcher der alte Grutz in seinem triumphierenden Kraftgefühl wortlos den eigenen Sarg in Trümmer schlägt. Da könnte bei einer Verfilmung nach meiner Ansicht eine Wendung eingefügt werden, die nicht nur den Sieg des Alten, sondern auch die Lebenshoffnung der Jugend zum dramatischen Ausdruck bringt. Wie wäre es, wenn der alte Grutz seinen Sarg zerschlägt, um aus den Brettern eine Wiege für seinen Enkel zu zimmern, den sein Sohn Hannes ja von der Mena bereits erwartet?‘“

Der neue Steinhoff-Film Gabriele Dambrone kam noch im Jahr 1943 in die Kinos, auch in Innsbruck. Karl Paulin gibt seine Impressionen, die sich vor allem auf den Tiroler Anteil am Film beziehen, in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Dezember 1943 auf Seite 4 wieder:

„Im letztvergangenen Frühling wurden in den Tiroler Bergen die Außenaufnahmen des neuen Hans-Steinhoff-Films Gabriele Dambrone gedreht, der nun auch in Innsbruck läuft und uns durch das Einbeziehen vertrauter heimatlicher Landschaft und einer heimatlichen Kunststätte näher berührt.

Richard Billingers kraftvolle dramatische Dichtung hat nach der Verfilmung des Gigant in der Goldenen Stadt nun auch durch einen anderen seiner Stoffe den Film gelockt. Des Dichters Schauspiel Am hohen Meer wurde, der Umwelt nach, vom Meer in die Alpen verlegt und fand nun unter dem Titel Gabriele Dambrone seine endgültige filmische Gestalt. Die Grundidee der Dichtung, die Erweckung eines großen schauspielerischen Talentes durch tiefstes leidvolles Erleben ist nun von zwei Männern geformt worden, die beide aus der Fülle schöpfen und in der Anwendung ihrer dramatischen bzw. filmischen Mittel auch das Gewaltsame, Grelle nicht scheuen, denen allerdings die Mitteltöne, der feinere künstlerische Uebergang, weniger liegen. Richard Billinger und Hans Steinhoff haben sich in Gabriele Dambrone wirklich gefunden und einen Film geschaffen, der den seelischen Urgrund mit stärkstem szenischen Zugriff aufdeckt.

Nähstube, Maleratelier, Theaterbüro, Bühne, winterliche Hochgebirgslandschaft tun sich auf, um den Weg der kleinen Gabi Berghofer zu deuten, der durch Irrungen und Enttäuschungen auf die Höhe der Kunst führt. Das war so recht eine Rolle für Gusti Huber, die uns alle Wandlungen dieses Mädchenherzens miterleben läßt. Neben ihr hatte Siegfried Breuer als Maler Paul Madina, der Mann, der mit Frauenherzen spielt, keinen leichten Stand, denn Siegerin über den selbstsüchtigen Künstler blieb das Mädchen, das nur seine Kunst liebte. Christl Mardayn stand als feinsinnige, kluge Inge Madina ebenso wie Ewald Balser als Schauspieler Georg Hollberg beim Werden dieses Schicksals gewissermaßen Pate. Zu ihnen gesellte sich Fritz Kampers prächtiger Professor Muhry. Einen eigenartig getönten feineren Graf Bobby-Typ stellte Egon von Jordan als Baron Stephan von Hamsa dar.

Was uns besonders berührte, das waren die prächtigen Aufnahmen aus der heimatlichen Gebirgswelt: Kühtai tritt nun schon zum wiederholten Male als beliebter, vorzüglich geeigneter alpiner Filmschauplatz in Szene, Gries im Sellrain blickt uns als Postwagenstation vertraut an und Gabis verzweifelter Weg zur Höhe, der zuletzt die schicksalshafte Wandlung bringt, führt sie in den Bannkreis des Hafelekars. Am unmittelbarsten aber stellte sich unser Reichsgautheater Innsbruck in den Blickpunkt des Geschehens, denn von ihm aus führt der Künstlerpfad des Gabriele Dambrone, wie sich Gabi Berghofer als Schauspielerin nannte, bis an die Pforten des Burgtheaters. Und keinen Geringeren als Eugen Redorfer erleben wir in diesem Film als Intendanten unseres Reichsgautheaters […].

Und noch was. Zum erstenmal ertönt in einem Film ein Pöll-Lied, des unvergeßlichen Meisters des heimatlichen Volksliedes herzfrisches Zeisele.

So wird Gabriele Dambrone durch den tiefschürfenden, menschlich fesselnden Stoff und die wechselvollen szenischen Umrahmungen, ebenso wie durch das erstklassige Spiel seine Wirkung in die Breite und Tiefe nicht verfehlen.“

Die Berliner Terra Film drehte im Frühjahr 1943 in Fulpmes den Film Aufruhr im Herzen. Die Handlung des Films, dessen Arbeitstitel ursprünglich Der Schmied von Fulpmes lautete, stellt „das schöne, alte Brauchtum unseres Gaues und sein bodenständiges, alteingesessenes Handwerk in den Mittelpunkt“ (Innsbrucker Nachrichten vom 13. März 1943, Seite 5). Der ideologisch angepasste Filminhalt, der „dem deutschen Volke auf dem Wege des Spielfilms“ die „kulturelle Tradition unseres Berggaues als einen unerschöpflichen Quell im Rahmen des gesamtdeutschen Kulturschaffens näher bringen wird“, wird im Detail folgendermaßen dargelegt:

„Die Fulpmeser Schmiede sind ihrer Tradition treu geblieben, und wie einst stellen sie ihre Aexte her, nach guter altväterlicher Art. Es hat sie bisher wenig gekümmert, daß die billigere Fabrikware die Märkte beherrscht, denn der ortsansässige Raimund Brugger nimmt ihnen die Erzeugnisse ab und zahlt die Löhne. Aber dann kam der Tag, an dem Brugger vor einem großen, überfüllten Lager steht und nicht mehr weiter kann. Er macht einen letzten Versuch, die gediegene Qualitätsarbeit und ihre gerechte Entlöhnung zu sichern, doch von dieser Fahrt nach Innsbruck trägt man ihn als Strebenden heim. Brugger hinterläßt seiner Tochter Anna wenig mehr als den reinen Namen und das Vertrauen aller. ‚Das Dorf und die Schmiede müssen leben, dafür mußt du alles hergeben, Anna!‘ Das sind seine letzten Worte.

Als Helfer in der Not kauft Thomas Volderauer, Besitzer einer Metallfabrik, das Lager auf und geht mit Atzinger, dem Führer der Altschmiede, daran, eine Fabrik zu errichten, in der alle Schmiede Arbeit finden sollen. Volderauer entschloß sich zu diesem Schritt, weil er Anna, die ihn schon einmal abgewiesen, zur Frau begehrt. Doch Franz, der Sohn des alten Atzinger, steht ihm im Wege. Seit vielen Jahren waren Franz und Anna miteinander verbunden. Da bekommt Thomas Volderauer einen unerwarteten Bundesgenossen: der alte Atzinger geht in seiner fanatischen Treue zu Bruggers Vermächtnis so weit, daß er Anna bewegen will, Volderauer zu heiraten. ‚Das Dorf soll leben, Anna!‘ Als das Mädchen, erschüttert von der Haltung des Vaters ihres Franz, von der Not, die über das ganze Dorf hereingebrochen war, dem Geliebten sich entzieht, verläßt Franz das Dorf, bereit, das Opfer zu bringen.

Da rüttelte ihn ein großes Erlebnis auf. Er begleitet einige Alpinisten und sie geraten in Gefahr, weil ihre Eispickel nichts taugen. ‚So was, wo das Leben dranhängt, so was muß anders gearbeitet sein!‘ Franz weiß jetzt, was er zu tun hat. Eispickel würden sie von nun an in den alten Schmieden daheim machen, Eispickel für die Bergsteiger.

In Fulpmes hat man inzwischen mit dem Einreißen der alten Schmieden begonnen. Franz organisiert den Widerstand – gegen Volderauer, gegen seinen eigenen Vater und hat einen Landfriedensbruch auf dem Halse, ehe er sich’s versieht. Volderauer besteht auf seinem Schein. Er tut es um so rücksichtsloser, seit er erkannt hat, daß er Anna nie gewinnen würde. Der Statthalter in Innsbruck läßt das Verfahren einstellen, als er die edlen Motive der Auflehnung erkennt und sorgt dafür, daß der neugegründete Alpenverein seinen Bedarf an Eispickeln zum großen Teil bei den Schmieden deckt, die ihren guten alten handwerklichen Methoden treu geblieben waren und nun weiterhin treu bleiben können. Umringt von den freudig erregten Schmieden, die nach Innsbruck gewandert waren, um sich als mitschuldig an die Seite des Angeklagten zu stellen, nimmt Franz seine Anna in die Arme […].“

Gleich zu Beginn bringt der Bericht eine lebendige Schilderung vom quirligen Ambiente der ländlichen Aufnahmesituation (Innsbrucker Nachrichten vom 13. März 1943, Seite 5):

„Das nette, alte Bauerntheater in Fulpmes ist kaum wieder zu erkennen – nämlich innen. Aber noch ehe wir den Raum betreten, sieht man, daß hier etwas Besonderes los ist: vor der Türe im schönsten Sonnenschein sind auf kleinen Tischchen Schreibmaschinen aufgebaut, Gummikabel führen zu dem etwas abseits stehenden Tonaufnahmewagen und auf Bänken, Brettern und sonstigen provisorischen Sitz- und Lehngelegenheiten freuen sich etwa zwanzig schon geschminkte Burschen in Tuxer und Kniehose der wohlmeinenden Märzsonne. Da schrillt auch schon die Pfeife des Spielleiters und die Darsteller der Szene 85 begeben sich in das Theater zur Aufnahme […]. Der Zuschauerraum selbst stellt eine bäuerliche Stube dar […]. Der Tisch im Erker, die Schränke und einige offenstehende Truhen sind übervoll mit Masken, bunten Joppen und Kitteln, geschnitzten Zeptern und buntgebänderten Kopfschutz, und gleich wird die erste Probe beginnen, in der sich die Burschen mit viel Gelächter, Ulk und Schabernack für den Schemenlauf zurecht machen […].

Zwei-, drei-, viermal wird die ganze Szene wiederholt, bis jede Bewegung jeder Dialog, jedes Stichwort sitzt und dann wird es ernst: der Regisseur pfeift ab, der Kameramann, Albert Benitz, schickt einen letzten Blick durch das Aufnahmegerät, der Tonoperateur greift nach dem Schalter, die letzten Scheinwerfer flammen auf und sprühen ihr blaues Licht in die Stube, absolute Ruhe tritt ein und mit dem Ruf: ‚Achtung! Aufnahme! Szene 85 los!‘ beginnt das bunte Treiben, das nun das surrende Filmband für immer festhält.“

Die Berliner Tobis Filmgesellschaft drehte im Herbst 1943 die Außenaufnahmen zum Film Romeo und Julia auf dem Lande nach einer Novelle von Gottfried Keller an verschieden Orten Osttirols. Bruno Ewald Reiser informiert über Einzelheiten der Produktion im Bozner Tagblatt vom 14. Jänner 1944, Seite 3:

„[…] Die meisten Aufnahmen wurden am Iselsberg bei Lienz gedreht.

Die Originalbaumeister der Potemkinschen Dörfer waren am Werke und gaben dem Iselsberger Hof und seiner Umgebung fast täglich ein neues Gesicht. Der Steinacker am Iselsberg mußte sich vielfacher Prozeduren unterziehen lassen. Er, der steinig genug war, hatte für den Film noch viel zu wenig Steine, Also wurden sie herbeigetragen und wahllos auf seiner Oberfläche herumgestreut. Da und dort pflanzte man künstliche Disteln an, die ihren geflügelten Samen lustig in die Winde flattern ließen. Das harte Erdreich, das seit Jahrzehnten nicht mehr umgebrochen wurde und als Weide diente, wurde plötzlich unter den Pflug genommen. Und nicht einmal ein stabiler Eisenpflug wurde dazu verwendet, nicht einmal Pferde, die das harte Tagwerk leichter gemeistert hätten. Nein, Ochsen waren es, die am althergebrachten Stirnloch den primitiven Holzpflug durch das unwirtliche Land zogen. Jeder Stein, der ungemach unter der dünnen Erdschicht lag, warf das Pflugeisen aus der Furche – und das alles hielt die Kamera fest, das alles war Ereignis genug, tagtäglich zahlreiche Zuschauer vom Iselsberg und von der weiteren Umgebung auf den Steinacker zu locken, um den Filmarbeiten beizuwohnen.

Unter den Schauspielern sah man Rose Marten, Paul Harding, Käte Merk, Willy Rösner, Leopold Kerscher, Fitz Kampers und andere mehr. Die Spielleitung hatte Eduard von Borsody, während Willa Reiber, der durch die Ganghofer-Filme bekannt wurde, die Produktionsleitung übertragen wurde.

Je länger die Filmarbeiten am Iselsberg dauerten, desto mehr Zuschauer fanden sich ein. Oefters kamen sogar geschlossene Schulen aus der Umgebung und aus KLV- [Kinderlandverschickungs-] Lagern.

Mehrere Aufnahmen zu diesem Film, der im Schluß von der Gottfried-Keller-Novelle abweicht und die Lebenden nicht in den Tod, sondern zusammenführt, wurden auch am Tristacher See bei Lienz und im Pustertal an der Osttiroler Drau gedreht.

Die Kinder der beiden Bauern Burger und Manz wurden von Lienzern gespielt und zwar spielte Anny Wahl die kleine Vroni und Kurz Vogel den jungen Friedel.“

Im Februar 1943 wurde in den kleinen Kammerspielen in Innsbruck der neue deutsche Jugendfilm Hände hoch in der Gauhauptstadt erstmals gezeigt. Der Film war vorrangig für die Hitler-Jugend bestimmt. Sie konnte ihn an Werktagen sehen, das Wochenende war den Erwachsenen vorbehalten. Nach dieser Premiere wurde der Film im Rahmen der Jugendfilm-Stunden an allen Standorten der Hitler-Jugend, wo sich Lichtspielhäuser befanden, vorgeführt. Über die Entstehung und den Inhalt des Films geben die Innsbrucker Nachrichten vom 15. Februar 1943 auf Seite 4 bekannt (Autor: Hermann Fink).

„Seit einer Reihe von Jahren bemüht sich die deutsche Filmindustrie um den Jugendfilm, der wie kein anderer Pionierarbeit fordert und Neuland ist. Es hat darum auch langer Zeit bedurft, bis sich die einzelnen Versuche mehrten und zum Erfolg führten. Zu den Pionieren des deutschen Jugendfilms zählt auch der bekannte Jugendschriftsteller Alfred Weidenmann, dessen Jungenroman Jakko im Vorjahr verfilmt wurde und der nun selbst das Drehbuch zum neuen Jugendfilm Hände hoch schrieb und dessen Spielleitung übernahm. Während die bisherigen Versuche von der Welt der Erwachsenen her entwickelt waren und somit ihre Spannungsmomente auch von dort bezogen, kommt die schlichte Handlung des Filmes Hände hoch ganz aus der Gemeinschaft der von ihr dargestellten Pimpfe selbst. Glaubte der Drehbuchautor des Jugendfilmes bisher zum Aufbau derartiger Filme auf irgendwelche kriminelle Spannungskonstruktionen nicht verzichten zu können, die ja immer dann in Anwendung kommen, wenn der ‚vorliegende Stoff zu farblos‘ ist, so ist mit dem Film Hände hoch zumindest vom Drehbuch her der Beweis erbracht, daß es dieses dramaturgischen Feuerwerks nicht bedarf.

Der Film schildert einen Erlebensabschnitt unserer Pimpfe, die sich in einem Kinderlandverschickungslager in der Slowakei am Fuße der Hohen Tatra befinden. Inmitten dieser herrlichen Bergwelt erleben diese Pimpfe ihr eigenes ungestörtes Leben, bis sich eines Tages der Himmel bewölkt und ein langanhaltender Landregen folgt. In den ersten Tagen dieses Regens wissen sich die Pimpfe noch zu helfen. Aber wie das ständige Prasseln an die Fensterscheiben, wie all der Schmutz und die Nässe draußen gar kein Ende finden wollen, macht sich doch die Langeweile bemerkbar. Eine recht gereizte Stimmung kommt auf. Eine Schlägerei schließlich zeigt dem HJ.-Führer und dem jungen Lehrer, daß irgend etwas geschehen muß. Da platzt plötzlich und fast wie eine Rettung eines Morgens der Ortsgendarm in die gespannte Atmosphäre. In der Nacht sind lange gesuchte Verbrecher im Dorf gewesen. Das Lager wird sofort zu deren Verfolgung angesetzt. In drei Gruppen geht es hinter den beiden Ausreißern her. Und wie nun sogar der Himmel sich wieder aufreißt, ist wieder die alte Frische und Fröhlichkeit unter den Jungen. Nach mancher Verwechslung und vielem Hin und Her faßt eine Gruppe mitten in der Nacht die beiden Halunken in einem dunklen Walde. Im Triumph geht es zum Lager zurück. Aufregung, Spannung und Erwartung, bis der Ortsgendarm kommt, um die beiden Burschen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Aber bevor es soweit kommt, geschieht plötzlich noch etwas, das sich die Pimpfe am allerwenigsten gedacht haben – die zwei Ausreißer sind nämlich gar nicht die beiden so lang gesuchten Verbrecher – sondern …, nein, das wollen wir unserer Jugend, die nun der Reihe nach im ganzen Gau Gelegenheit hat, diesen Film in den Jugendfilmstunden der Hitler-Jugend zu sehen, nicht verraten.

Dieser neue deutsche Jugendfilm unterhält weniger von der Handlung und seiner stofflichen Spannung her, als vielmehr von dem so natürlichen und echten Spiel der in ihm wirkenden Jungen. Diese frischen Pimpfe sind es, die mit ihrer Sprache und ihrer jugendhaften Selbstverständlichkeit die Anerkennung aller, sei es nun der erwachsenen oder auch jugendlichen Kritiker finden. Die Jungen dieses Filmes sind – und das ist ja das wichtigste und schönste – keine ‚Film-Kinder‘, sondern waschechte Pimpfe. Sie stammen alle aus dem Ruhrgebiet und kehrten nach dem Abschluß der Aufnahmen wieder ebenso selbstverständlich in ihren Alltag zurück, wie sie zuvor ihre ‚Filmrollen‘ gespielt hatten.“

Als „modernstes Lichtspieltheater unseres Gaues“ werden die neu eröffneten Innsbrucker Laurin-Lichtspiele in den Innsbrucker Nachrichtenvom 3. Juli 1943, Seite 5 angepriesen. Der umfangreiche Artikel beginnt mit der üblichen Einschätzung der „Weltgeltung“ des nunmehrigen deutschen Filmschaffens, schließlich sei es von „artfremden Einflüssen“ befreit. Dieser „Entwicklung“ des deutschen Films „von serienmäßigen Kitschfilmen vergangener Epochen“ zu „Kunstwerken ihrer Gattung“ entsprechend ging „Hand in Hand mit dieser Aufwärtsentwicklung“ in „letzter Zeit naturgemäß das Bestreben, dieser Wertsteigerung auch im Aeußerlichen, durch eine würdige Gestaltung des äußeren Rahmens der Lichtspiele, gerecht zu werden“.

Das neu errichtete Laurin-Kino sei ein Beispiel für die Konzeption eines modernen Lichtspieltheaters:

„In unseren Laurin-Lichtspielen ist man in Planung und Ausführung dieser Forderung nach einem Theater des Lichtspiels immerhin in einem Maße entgegengekommen, die dieses Lichtspieltheater nicht etwa nur als das größte unseres Gaues, sondern als eines der modernsten im süddeutschen Raum ansprechen lassen. Schon der erste Blick in den einfach, doch in gediegener Formgebung gehaltenen Raum befreit gründlich von der hergebrachten Vorstellung eines Kinoraumes. Von gedämpfter Helle erfüllt, ist der Zuschauerraum schon in seiner flächenmäßigen Anlage, die den Eindruck einer schlauchartigen Sesselflucht nicht aufkommen läßt, durch ein günstiges Verhältnis zwischen Breite, Länge und Höhe dem Begriff des Theaters nahegerückt, welcher Eindruck noch durch den in klaren Linien gehaltenen Bühnenaufbau und die frischfarbigen Vorhänge erhöht wird. Auch von der Bühne aus rundet sich dem Blick ein harmonisch geschlossenes Bild durch eine bestmögliche Lösung des Balkonaufbaues und der seitlich ebenerdig eingefügten, durch gefällige Rundbögen abgeschlossenen Lauben.

Technisch ist vor allem die Tatsache bemerkenswert, daß der Bau ausschließlich aus heimischen Baumitteln, aus Holz und Mauerwerk, errichtet ist, man also völlig auf die Verwendung von künstlichen Baustoffen verzichtet hat und man trotzdem eine hundertprozentige Klangreinheit des Tones erzielte, während man bisher vielfach die klangreine Resonanz des Tones nur aus der Anwendung von Kunstbaustoffen holen zu können vermeinte. Die Forderungen der guten Akustik werden weiter durch verschiedene, dem Auge nicht wahrnehmbare Bauvorgänge berücksichtigt, wobei zum Beispiel erwähnt werden soll, daß die riesige Holzbalkendecke nicht stabil gefügt, sondern frei aufgehängt ist, womit eine wesentlich bessere Tonwiedergabe erreicht wird, wie überhaupt der Raum auch durch seitliche Holzverkleidungen eine bestimmte Wärme erhält, die zudem durch geschmackvolle, schmiedeiserne Beleuchtungskörper gefördert wird. Dem Ton kommt außerdem die Verwendung einer porösen, tondurchlässigen Leinwand zugute, die den dahinter aufgestellten großen, für ein Lichtspieltheater mit 2000 Sitzplätzen ausreichenden Lautsprecher so wenig wie möglich abschirmt.

Der Zuschauerraum erhält durch eine moderne Klimaanlage ständig Zufuhr frischer Luft, wobei die verbrauchte Luft ebenso stetig durch Saugwirkung abgezogen wird. Die in der Aetnaanlage gereinigte Luft kann außerdem beliebig erwärmt werden, so daß jede eigene Heizanlage überflüssig wird.

Nicht nur gediegen in der Wirkung, sondern vor allem von größtem praktischem Wert ist die geräumige, mit mosaikartig gefügtem Steinboden ausgelegte Vorhalle, die als angenehmer Warteraum 300 Personen bequem Platz bietet. Für diesen Vorraum ist noch die Ausschmückung mit Fresken sowie eine Glaswandscheidung zwischen Kassaraum und Wartehall vorgesehen [vgl. hierzu oben Kapitel Bildende Kunst]. Daß man vom Warteraum nicht direkt in den Zuschauerraum, sondern vorerst in einen breiten Gang tritt, in dem eine übersichtliche Orientierung den Zuschauerstrom kanalisiert auf die einzelnen Platzkategorien verteilt (jede Platzgattung hat einen eigenen rückwärtigen oder seitlichen Eingang), ist rein ‚verkehrsmäßig‘ von Vorteil und ermöglicht ein rasches An- und Abströmen des Publikums.

Es ist jedenfalls zu begrüßen, daß gerade die vielen Schaffenden, die im Stadtteil Pradl wohnen, nunmehr Gelegenheit haben, im schönsten und modernsten Lichtspieltheater unseres Gaues die gerade jetzt so notwendige Erholung und Entspannung zu finden.“

Im Jahr 1943 beging die Reichsfilmkammer das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens. Die Neueste Zeitung vom 21. Juli 1943, Seite 4, gibt daher einen Überblick über die Geschichte und Tätigkeit dieser zentralen Einrichtung der Kontrolle des Filmschaffens, doch ebenso der Propaganda:

„Als erste der Kulturkammern wurde Mitte Juli 1933, also vor zehn Jahren, eine vorläufige Filmkammer errichtet. Ihr Aufbau diente wenig später zum Vorbild für die mit dem Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933 errichteten weiteren Kammern. Aus der vorläufigen Filmkammer wurde im Rahmen dieses Gesetzes die Reichsfilmkammer. Eine Reihe von wichtigen Anordnungen kennzeichnen die ersten Maßnahmen der Reichsfilmkammer, um das vor der Machtübernahme im Zerfall begriffene deutsche Filmschaffen auf eine neue und gesunde Basis zu stellen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Anordnungen und Bestimmungen auf dem Gebiete der Filmproduktion, des Verleihs, des Filmtheaters und der Filmtechnik. Nach der Schaffung einer gesunden wirtschaftlichen Grundlage konnte die künstlerische und kulturelle Weiterführung insbesondere in den folgenden Jahren nach den von Reichsminister Dr. Goebbels, dem Schirmherrn des deutschen Films, gegebenen Richtlinien und der von ihm bestimmten Neuorganisation jene Fortschritte machen, die heute den Führungsanspruch des deutschen Filmschaffens rechtfertigen.

Die Kriegsjahre stellten die Reichsfilmkammer vor neue und wichtige Aufgaben. So mußten u. a. vor allen Dingen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Filmproduktion, des Filmverleihs und des Theaterparks eingeleitet werden. Zur Sicherstellung des Rohfilms, der filmtechnischen Geräte und zur Bewirtschaftung der Ausstattungsgegenstände und der Rohstoffe wurde alles veranlaßt und Richtlinien für den reibungslosen und ungestörten Ablauf des Filmschaffens im Kriege gegeben. Hierzu kamen die Einrichtung von bestimmten Lehrgängen und Schnellkursen, um die Lücken der eingezogenen Filmschaffenden insbesondere an Vorführern für die Filmtheater auszufüllen, die soziale Betreuung, die zentrale Ueberwachung der Beiprogrammversorgung, der Filmtransportfrage, die Fragen des Film im- und -exportes sowie die Pflege der Beziehungen zu den befreundeten ausländischen Filmschaffen[den]. Besonderes Augenmerk wurde in Anbetracht der Wichtigkeit des Films für die politische und kulturelle Aufklärung der Vorführung der Wochenschau geschenkt.

Unter der autoritären Führung des nationalsozialistischen Staates blieben die Grundlinien des deutschen Filmschaffens in ständiger und steigender Entwicklung. Starke rationelle Maßnahmen bewirkten, daß die Produktion von Jahr zu Jahr stärkere Mittel investierte, ihre Filme mit größeren Ausstattungen versah und Filmwerke von internationaler Bedeutung schaffen konnte, die im In- und Auslande begeisterte Millionen besuchten. Unter dem sicheren Schutz der deutschen Wehrmacht wird das deutsche Filmschaffen den ihm gestellten großen Aufgaben Erfüllung zu geben wissen.“

Eine erweiterte Erfolgsmeldung über die Tätigkeit der Reichskulturkammer bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1943 mit der Überschrift „Zehn Jahre Reichskulturkammer“ auf Seite 4.

„In diesen Tagen jährt sich die Gründung der Reichskulturkammer als organisatorische und berufsständische Gemeinschaft aller deutschen Künstler und Kulturschaffenden zum zehnten Male. Es sind jetzt zehn Jahre, daß Reichsminister Dr. Goebbels vom Führer mit der Gründung und Führung dieser alleinigen berufsständischen Organisation aller deutschen Künstler beauftragt wurde. Nach dem Erlaß des Reichskulturkammergesetzes vom 15. November 1933 erfolgten seinerzeit Gründung und Ausbau der Einzelkammern für Musik, bildende Künste, Theater, Schrifttum, Presse und Film. Die vergangenen zehn Jahre Tätigkeit dieser Gesamtorganisation hatten die Säuberung aller Kulturstände den nationalsozialistischen Grundsätzen entsprechend zur Folge. Durch Erlaß von Gesetzen und Anordnungen auf allen Gebieten des künstlerischen Schaffens wurden jeweils die berufsständischen Voraussetzungen für die heutigen großen Erfolge in allen Bereichen unseres deutschen Kunstlebens geschaffen und vor allem Zuverlässigkeit und Eignung jedes Mitgliedes der Reichskulturkammer garantiert.

Der energischen Initiative des Präsidenten der Reichskulturkammer, Reichsminister Dr. Goebbels, ist es zu verdanken, daß heute große Sozialwerke, wie die Spende Künstlerdank und die Goebbels-Stiftung für Kulturschaffende, das Los alternder oder invalider Künstler wie nirgends in der Welt lindern helfen. Im nationalsozialistischen Reich gibt es keinen notleidenden Angehörigen künstlerischer Berufsstände mehr. Mit Beginn des jetzigen Weltkrieges nahmen sich die Organisationen der Reichskulturkammer durch die Bildung des Amtes Truppenbetreuung, des Künstlerdienstes und der Künstler-Einsatzstelle in engster Zusammenarbeit mit OKW. [Oberkommando der Wehrmacht]und KdF. [Kraft durch Freude] der kulturellen Betreuung unserer Soldaten und der Schaffenden in der Heimat, besonders in den Luftnotgebieten, an. Reichsminister Dr. Goebbels gab als Treuhänder des Führers für das deutsche Kunstleben dieser von ihm gegründeten und geförderten größten Gemeinschaft aller Kulturschaffenden in der Welt alljährlich im Rahmen eines Festaktes in Anwesenheit des Führers Richtung und Weisung für die kommende Arbeit. Den Erfordernissen des fünften Kriegsjahres entsprechend fand am vergangenen Sonntag [14. November 1943] eine solche festliche Veranstaltung für unsere Soldaten und Schaffenden über alle deutschen Sender statt.“


Rundfunk

Im Jahr 1943 wurde der deutsche Rundfunk zwanzig Jahre alt. Daher veröffentlichten die Innsbrucker Nachrichten vom 29. Oktober 1943 auf Seite 5 einen historischen Überblick, wobei neben dem grundlegenden Anteil deutschen Forschergeistes im Zusammenhang mit der Erfindung der neuen Technik auch besonders die Verdienste des Nationalsozialismus für die positive Weiterentwicklung dieses der Information, Propaganda, Unterhaltung und Kultur gewidmeten Mediums herausgestellt wurden:

„Heute, am 29. Oktober 1943, kann der deutsche Rundfunk auf zwei Jahrzehnte seines Bestehens zurückblicken. An diesem Tage [29. 10. 1923] wurde der deutsche Unterhaltungsrundfunk im Vox-Haus in der Potsdamer Straße in Berlin eröffnet. Die außerordentliche Entwicklung, die der Rundfunk in den zwanzig Jahren genommen hat, kann und muß als ein Zeichen des deutschen wissenschaftlichen und technischen Pioniergeistes angesehen werden. Gerade angesichts dieses Geburtstages des deutschen Rundfunks muß daran erinnert werden, daß es Deutsche waren, die die Elektronenstrahlen erforschten, die Voraussetzung für die Vakuum-Technik schufen und die Elektronenstrahlröhre erfanden.

Den Rundfunkschaffenden galt in den Anfangsjahren des Rundfunks die Verbesserung von Sendung und Empfang als wichtigste Aufgabe, stand ja zunächst weniger das ‚was‘ als das ‚daß‘ im Vordergrund der Arbeit, die dann in kurzer Zeit bereits erreichte, daß schon auf der ersten Großen deutschen Funkausstellung 1924 die ersten Ein- bis Dreiröhrengeräte und der Trichterlautsprecher herauskamen. In den folgenden Jahren wurden die technischen Anlagen und Einrichtungen mehr und mehr vervollkommnet und auf eine breite Hörermasse eingestellt.

Mit dem Jahre 1933 begann eine grundlegende Wandlung in der Bedeutung des deutschen Rundfunks. Die nationalsozialistische Regierung erkannte, daß dem Rundfunk außer seinen der Unterhaltung dienenden Aufgaben auch eine besondere politische und kulturelle Bedeutung zukommt. Die über Zeit und Raum hinausgehende Bindung durch das Gemeinschaftserlebnis, das der Rundfunk allen Teilen des deutschen Volkes vermittelt, ist eine der der bedeutendsten Leistungen des Großdeutschen Rundfunks geworden. Damit stellte er sich auch in die Reihe der hervorragendsten politischen und kulturellen Führungsmittel des Staates. Erst durch den Rundfunk ist es möglich geworden, alle Volksgenossen, auch die in den kleinsten Dörfern, zu gemeinsamem Hören und Erleben zu verbinden.

Mit Ausbruch des Krieges wurde dem deutschen Rundfunk seine größte Bewährungsprobe auferlegt. Die großen Reden des Führers, die ersten Berichte von den Fronten, der Widerhall aus der Heimat, wurden und werden vom Rundfunk aufgegriffen und in ihrer historischen Bedeutung allen Volksgenossen nahegebracht. Zu den politischen und kulturellen Sendungen traten die militärischen. Durch Zusammenschaltung der Reichssender zu einem Reichsprogramm wurden erfahrene Rundfunkkräfte und technische Geräte frei für den Einsatz in den neu zu übernehmenden Sendebetrieben der besetzten Gebiete. Die besten Rundfunkberichter gingen als Kriegsberichter zu den Propagandakompanien. Der OKW.-Bericht, Kampfberichte von der Front, politische und militärische Kommentare und Zeitberichte aus der Heimat haben von Jahr zu Jahr steigenden Einfluß auf das gesamte Rundfunkprogramm genommen und geben damit dem deutschen Volk und den Völkern Europas die beste Gelegenheit, sich ein Bild zu machen von der Kriegslage und dem gewaltigen Kampf, den das deutsche Volk und seine Verbündeten um Freiheit und Existenz führen.

Der bereits seit 1933 bestehende deutsche Auslandsrundfunk, der sich über den deutschen Kurzwellensender zunächst ausschließlich an die Auslandsdeutschen in Übersee wandte, hat durch Schaffung der deutschen Europasender und Ueberseesender eine wesentliche Erweiterung erfahren. Das englische Nachrichtenmonopol hat durch diese Ausdehnung des deutschen Sendenetzes einen schweren Schlag erlitten. Nicht weniger als 279 Nachrichtendienste in 47 verschiedenen Sprachen werden täglich von Deutschland in die Welt gesendet und treten damit aktiv der feindlichen Propaganda entgegen, der Europa nicht mehr wie im ersten Weltkrieg wehrlos ausgesetzt ist.

Die nationale Kraft des Rundfunks, die sich, beginnend bei der historischen Nachtsendung vom 30. Jänner 1933, in allen geschichtlichen bedeutsamen Stunden der vergangenen Jahre erwiesen hat, findet ihren stärksten Ausdruck jetzt im Kriege. Der Rundfunk hat seine größte und lohnendste Aufgabe zu erfüllen. Er ist zu einem Bindeglied zwischen Front und Heimat geworden und bringt durch seine Sendungen dem deutschen Soldaten an allen Fronten Erholung, Entspannung und Freude und dient damit in besonderer Weise der deutschen Kriegsführung und der deutschen Nation.“

Einen lokalen, für Propagandazwecke verwertbaren Beitrag zum Rundfunkprogramm, stellten Aufnahmen in Bergbauerngemeinden des Oberinntales dar, die vom Reichssender München Ende Mai 1943 durchgeführt wurden. Die Innsbrucker Nachrichten vom 24. Mai 1943 informieren dazu auf Seite 4:

„Der Reichssender München nimmt während der nächsten acht Tage in Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Gauleitung und der Landesbauernschaft vor allem in Bergbauerngemeinden des Oberinntales mehrere Zwiegespräche für den Rundfunk auf. Dabei werden Bergbauern und -bäuerinnen über die Nachbarschafts- und Gemeinschaftshilfe im Kriege sowie über ihren Arbeitseinsatz und die erzielten Ablieferungsergebnisse berichten. Außerdem werden u. a. Fragen der bäuerlichen Berufsausbildung, des Maschineneinsatzes in Berglagen, der Viehzucht und der Verbesserung der wirtschaftlichen Futtergrundlage behandelt. Ein Besuch auf den höchsten Höfen Großdeutschlands, den 2014 Meter hoch gelegenen Rofenhöfen, soll den Hörern einen Einblick in die Wirtschaftsweise und die vorbildlichen Ablieferungsergebnisse dieser Bergbauernfamilien geben.“


„Zum zehnten Jahrestag der Machtübernahme“

veröffentlichte „Obergemeinschaftsleiter“ Paul Kinz in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. Jänner 1943 auf Seite 5 einen zusammenfassenden Überblick über „fünf Jahre Aufbauarbeit“. Um die Errungenschaften des NS-Staates propagandistisch herauszustellen, zog er in vielen Bereichen einen Vergleich mit der vergangenen Herrschaftsperiode des „Austrofaschismus“, die er ganz allgemein als „fünf Jahre Systemchaos“ abqualifiziert. Ausführlich widmet sich Paul Kinz dabei den Aspekten „Kultur und Volksbrauchtum“:

„Die kulturellen Leistungen des Nationalsozialismus, der 1938 nichts als ein verwüstetes Trümmerfeld vorfand, sind in ihrer Gesamtheit kaum zu übersehen. Als wenige von zahlreichen Beispielen seien der Aufbau von 120 neuen Gemeindebüchereien erwähnt, im besonderen die Bücherei der Gauhauptstadt Innsbruck, die erst 1941 begonnen wurde und doch heute schon über 10.000 Werke umfaßt, ferner die Steigerung der Besucherzahl des heutigen Reichsgautheaters von monatlich 15.770 im Jahre 1938 auf heute nahezu 28.000, des Tiroler Landesmuseums von 9.681 im Jahre 1937 auf 25.030, des Tiroler Volkskunstmuseums von rund 13.000 in den Systemjahren auf 20.708 im Jahre 1942. Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude gestaltete 1938, als sie ihre hier bis dahin nur vom Hörensagen bekannte Tätigkeit begann, 231 Veranstaltungen mit 85.188 Besuchern; im Jahre 1942 war die Zahl der Veranstaltungen auf 2.278 mit 681.373 Besuchern gestiegen; das Deutsche Volksbildungswerk begann 1938 mit 37 Veranstaltungen und 486 Besuchern und kam im Jahre 1942 auf 1.363 Veranstaltungen mit 236.626 Besuchern. Die Musikschule der Gauhauptstadt, die in der Systemzeit vom Musikverein geführt wurde und damals in jedem Jahr etwa 400 Schüler ausbildete, erfuhr eine weitgehende Ausgestaltung und zählt gegenwärtig in allen Abteilungen und Fächern 1.515 Schüler. Aber auch in den Kreisen ist die Musikpflege zu beachtlicher Höhe emporgeführt worden; die Musikschule Kufstein zählte z. B. vor fünf Jahren 52 Schüler, gegenwärtig deren 292.

In den Systemjahren gab es im Gau 31 ortsgebundene Lichtspielhäuser; die Gaufilmstelle der NSDAP. erreicht mit ihren Vorführungen sämtliche, auch die abgelegensten Ortsgruppen des Gaues und konnte im vergangenen Jahr 3.643 Spieltage mit rund 1,050.000 Besuchern aufweisen, hat also täglich durchschnittlich an zehn verschiedenen Orten den Volksgenossen, die sonst nur schwer oder gar nicht zum Besuch eines Lichtspieltheaters kommen, Wochenschauen und Spielfilme zugänglich gemacht.

Im Mittelpunkt des kulturellen Aufbaues im Gau Tirol-Vorarlberg steht jedoch die einzigartige Wiedererweckung und kraftvolle Pflege des heimischen Volksbrauchtums. Schon das rein zahlenmäßige Übergewicht der ländlichen Bevölkerung des Gaues weist darauf hin, worauf der Schwerpunkt der Kulturarbeit verlegt werden muß. Hierzu kommt aber noch die Erwägung, daß die Bindungen zwischen Stadt und Land in diesem Berggau viel stärker sind als in vielen anderen Gebieten des Reiches und daß wie überall die Wurzeln der Volkskraft im Bauerntum ruhen, dieses aber auch durch die erschwerten Lebens- und Wirtschaftsbedingungen des Hochgebirgslandes stärker gefährdet ist als anderwärts. Wenn es aber den Schwierigkeiten seines Daseins standhalten kann, verbürgt es wie kaum ein anderer Volksteil die Widerstandskraft, Lebenstüchtigkeit und Härte, die dem deutschen Volk im Kampf um sein Bestehen in der Welt vonnöten ist.

So unerläßlich aber auch die wirtschaftliche Sicherung der Bergbauern in ihrem Existenzkampf gegen die Gewalten der Natur sein mag, so unabweislich ist auch das Erfordernis, ihnen darüber hinaus die seelischen Kräfte zu vermitteln und zu erhalten, die aus der Bindung mit ihrem Boden und ihrer engeren Heimat, aus dem tiefen Sinn und artverbundenem Wesen ihres eigenen urdeutschen Brauchtums, aus dem festen Zusammenhalt in ihrer kleinen dörflichen Gemeinschaft und nicht zuletzt aus den Überlieferungen einer anderthalbtausendjährigen, an ruhmvollen, kämpferischen Erinnerungen überreichen Geschichte zufließen.

Wenn es in dieser Hinsicht gutzumachen gilt, welche Unmengen geistiger Schlacken abgeräumt werden müssen, wie dankbar und freudvoll aber auch die Bergbauern mit allen Volksgenossen nicht minder auch in den Städten auf diesem Wege zu einem neuen Lebensgefühl folgen, sehen wir heute schon tagtäglich landaus und landein. Wir finden den Niederschlag dieser Kulturarbeit auf Schritt und Tritt in kleinen und großen Veranstaltungen, in der Gestaltung des Zusammenlebens, in der Überbrückung der heillosen Gegensätze, welche die Systemzeit bis in die Familien hinein aufgerissen hat, in der Bereitwilligkeit zu sozialer und kultureller Mitarbeit, im Verständnis für Gemeinschaftsarbeit jeder Art, in den kriegswirtschaftlichen Leistungen des Landvolkes und, alles zusammengenommen, in der geschlossenen Tat- und Opferbereitschaft unseres Gaues für jeden, auch den höchsten Einsatz im gegenwärtigen Schicksalskampf des Reiches, das fünf Jahre später zu uns gekommen ist, dem wir aber heute ebenso mit allen Fasern unseres Seins gehören wie alle anderen deutschen Menschen auch.

Es ist bekannt, wie die Pflege der Volkskultur um das wehrhafte Brauchtum unseres Gaues herum aufgebaut wurde, wie Gauleiter Hofer zu diesem Zwecke den Standschützenverband Tirol-Vorarlberg im Jahre 1938 neu gründete und ihm die gesamte Pflege der Volkskultur in enger organisatorischer Anlehnung an die Partei anvertraut hat. Wir brauchen hier nur mehr kurz darauf hinzuweisen, daß heute in allen Dörfern des Gaues auf den Schießständen jahraus, jahrein die Stutzen knallen, die Musikkapellen spielen, die Jugend ihre heimatlichen Tänze und den Gebrauch der heimischen Musikinstrumente, der Harfe, der Zither, des Hackbretts usw. wieder lernt, die alten schönen Volkslieder wieder zu hören sind, die unvergleichlichen Trachten, zeitgemäß erneuert, in Stadt und Land, bei der Arbeit, in der Freizeit und in festlichen Stunden von Tag zu Tag mehr in Erscheinung treten, die erbeingesessene Freude am Theaterspielen eine Laienbühne nach der anderen ins Leben ruft, die zahlreichen sinnvollen alten deutschen Volksbräuche überall wieder aufleben und mit tieferem Verständnis, größerer Freude und lebhafterer Anteilnahme als je zuvor gepflegt werden.

Wenn wir diese wehrhafte Neuformung unserer höchsten Lebenswerte in Zahlen veranschaulichen wollen, so erinnern wir daran, daß der Tiroler Landesschützenbund im Jahre 1938 etwa 3.000 Mitglieder, darunter kaum 300 aktive Schützen zählte – eine Handvoll treue Unentwegte, die in schlimmster Zeit ein kostbares Erbe vor dem gänzlichen Untergang bewahrten, daß heute also schon jede größere Ortsgruppe des Standschützenverbandes bei einem Ortsschießen mehr Schützen aufbringt, als damals überhaupt noch Gewehre in die Hand genommen wurden. Die letzte Schießveranstaltung der Systemzeit, das 8. Österreichische Bundesschießen im Jahre 1937, brachte es mit einer das ganze Gebiet des Bundesstaates und seiner Nachbarschaft ausgedehnten umständlichen Werbung auf ganze 1.600 Schützen, im Jahre 1942 hatte das Kreisschießen in Kufstein 4.616, in Bregenz 4.489, in Dornbirn 4.349 Teilnehmer aufzuweisen, also jede von diesen Veranstaltungen eines einzigen Kreises fast dreimal soviel Schützen, als fünf Jahre früher bei einer Hauptveranstaltung des ganzen Österreich am Schießstand in Innsbruck zusammenkamen.

Die Mitgliederzahl des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg ist unterdessen auf rund 60.000 die Teilnehmerzahl beim Landesschießen auf 21.914 hinaufgeklettert, und dies alles trotz der Abwesenheit gerade der stärksten und leistungsfähigsten Schützenjahrgänge, die im Soldatenrock ihre Pflicht vor dem Feinde tun.“


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Autor: Manfred Schneider
Stand: 22. Oktober 2014