Heimatgebundenes Wohnen
Heimatgebundenes Wohnen
In: Tirol-Vorarlberg. Natur Kunst Volk Leben 1943, Heft 1, Seite 25-40
Von Markus Bachmann
Einmal darüber zu schreiben, wie die Möbel in unseren Wohnungen in Form, Holzwahl und Verarbeitung beschaffen sein müssen, damit sie als "heimatgebunden" angesehen werden können, erscheint vielen vielleicht als unzeitgemäß. Aber nur vielleicht, denn alles Denken und alle Vorsorge für das kulturelle Wohl unseres Volkes in der Zukunft kann nie und nimmer erst der Zeit nach dem Siege überlassen bleiben. Dann dürfen wir keine Zeit mehr mit langem Überlegen und Herumtasten verlieren, dann müssen wir schon wissen, was wir wollen und wo wir anzupacken haben.
Das war auch einer der Gedanken des Gauleiters [Franz Hofer] gewesen, als er die Tischler des Gaues in [richtig: zu] einem Wettbewerb aufrief, für die bereits stehenden Land- und Forstarbeiterwohnungen bodenständige Möbeltypen zu schaffen. Diese Land und Forstarbeiterwohnungen waren der äußere Anlaß zu einem Vorstoß im Geiste heimatgebundener Kulturarbeit.
Wir wissen alle. Wie weit wir uns in den Möbelformen seit mehreren Jahrzehnten vom Arteigenen entfernt haben. Sitte und Brauchtum waren einst die formgebenden Kräfte an den Möbeln unserer einzelnen Landschaften. Und heute, mit den formfremden Möbeln, den furnierten, nüchternen Kisten, hat auch die Wohnkultur ihren arteigenen Gehalt verloren. An die Stelle der gediegenen handwerklichen Arbeit der Holzverbindungen des Massivmöbels traten die Leimverbindungen, kam die Serienarbeit, hinter deren Formlosigkeit und Furnierspielereien sich eine unwahrhaftige Verarbeitung verbarg. Es kamen weiter hinzu die Erzeugnisse eines wild gewordenen "Kunstgewerbes" auf allen Gebieten. Je mehr es einer verstand, die natürlichen Gesetze der Proportion und der Formensprache umzukehren und durcheinanderzuwerfen, desto mehr lobte die Zeit ihren "entarteten Künstler".
Diese wenigen Andeutungen lassen die im Herbst 1942 durchgeführte Lehr- und Musterschau für bodenständige Wohnungseinrichtungen im rechten Lichte erscheinen. Gewiß war es für jeden sich am Wettbewerb beteiligenden Tischler ein Opfer und damit ein Beweis für die Bereitschaft, an der Wiedererweckung einer bodenständigen Wohnkultur mitzuarbeiten.
Seite [27]: Tischlermeister Clemens Seeber, Mieders Tischecke zur Stube "Ahrntal", Föhre und Fichte/2. Preis für Stuben
Was hat nun die erste Lehr- und Musterschau gezeigt und was haben wir daraus lernen können? Es hieße die natürliche Entwicklung allen Lebens verkennen, hätten wir erwartet, daß alle eingelieferten Wettbewerbsarbeiten schon das gesteckte Ziel erreichen würden. Die Forderungen des Wettbewerbes waren an sich hoch gestellt, weil vor allem talgebundene Möbelformen verlangt wurden. Von 41 Zimmereinrichtungen und Einzelmöbeln der Lehrschau konnten 16 als talgebunden und fünf als gaugebunden bezeichnet werden. Diese Zahl beweist uns, daß unter den Tischlern das Formgefühl für das heimatgebundene Möbel nicht erstorben ist.
Aus dieser Erkenntnis erwächst für uns geradezu die Pflicht, die Arbeit für das heimatgebundene Wohnen in unserem Gau nicht mehr abreißen zu lassen.
Um den letzten erzieherischen Wert der Lehr- und Musterschau auszunutzen, hat der Gauleiter [Hofer] denn auch verfügt, daß ein Auszug aus der Beurteilung hinsichtlich Landschaftszugehörigkeit und Verarbeitung, für alle ersichtlich, bei jeder Zimmereinrichtung angeschlagen werde. Die Tischler haben diese wohl zum ersten Male geübte öffentliche Beurteilung verstanden und die Volksgenossen haben daraus ersehen können, worauf sie beim Möbelkauf achten sollen. Wir können unser Ziel auch nur dann erreichen, wenn Handwerker und Käufer im gleichen Geiste ausgerichtet werden.
Seite [29]: Tischlermeister Alois Kohler, Zams Stube "Oberland" in Zirbe mit Lärchenstäben/3. Preis für Stuben
Natürlich dürfen die Tischler unseres Gaues nicht auf sich allein gestellt bleiben. Vor allem müssen wir das Formengut am Möbel in eine bestimmte Ordnung bringen. Im Laufe der Zeit sind verschiedene Formen ineinandergeflossen, das liegt schon in der Natur des Möbels als bewegliches Gut, so daß sich nicht überall rein landschaftsgebundene Formen herausstellen lassen wie etwa bei den Haustypen. Es kann auch nicht geleugnet werden, daß durch solche Formenkoppelungen und Formenvermischungen neue Formen entstanden, die wir ebenso gerne zum Ausgang für unsere neue Formschöpfung verwenden wollen. Wo immer aber eine klare, selbständige Form herausgeschält werden kann, da soll sie auch ihre ebenso klare Form im Möbel von heute finden.
Wichtig ist festzustellen, daß unsere Arbeit am heimatgebundenen Wohnen vor allem der ländlichen Wohnkultur gilt. Das sieht sich bei flüchtigem Beschauen als einseitig an. Wir sind nicht der Meinung, daß wir uns auch im besonderen der städtischen Wohnkultur zu widmen hätten, einfach deshalb nicht, weil die Städte unseres Gaues aus der Kultur der unmittelbar sie umgebenden bäuerlichen Landschaft herausgewachsen sind und immer wieder nur aus ihr schöpfen können. Die Wohnkultur, die wir als "volksfremd" ablehnen, ist ja nur auf städtischem Boden ins Keimen und Wachsen gekommen und nur vom Land her kann die Stadt für ihre Wohnkultur ihre heimatgebundene Form wieder gewinnen. Wenn wir klagen, daß sich auch in rein bäuerlichen Dörfern das formlose, in der Verarbeitung unehrliche Möbel finden läßt, dann haben wir dies ja auch nur dem unheilvollen Einfluß der Stadt zu [ver]danken.
Seite [30]: Schlafzimmer in Lärche mit Zirbe/3. Preis für Schlafzimmer Tischlermeister Otto Holzner, Innsbruck
Die Stadt hat an die Stelle des Gemeinschaftsgedankens jenen des gesellschaftlichen Lebens gesetzt oder, anders ausgedrückt, aus dem gesunden Gemeinschaftsgefühl ist die Stube mit dem Ecktisch, der Eck- und Ofenbank und dem Stubenkasten geworden, während das gesellschaftliche Leben der Stadt in einem Wohnzimmer den Tisch in der Mitte unter einen Serienleuchter stellt und statt eines "gewöhnlichen" Stubenkastens ein Büfett besitzt. Schon die Bezeichnung "Büfett" und die Art dieses Möbels könnte allein den Unterschied lebendig machen.
Jene ungekünstelte, behagliche Gemütlichkeit, die in einer ländlichen Tischecke immer von selbst wieder neu auflebt, kann nie in einem städtischen Wohnzimmer zustande kommen. Wer es selbst erlebte, kann allein bestätigen, daß es so ist. Kein Wunder, wie sollte in einem Wohnzimmer mit den auf Hochglanz polierten, aus meist dunklen, unfreundlichen Hölzern gestalteten Möbeln eine Stimmung entstehen können wie in der freundlichen ländlichen Stube aus hellen heimischen Hölzern, mit dem sauber gebürsteten Tisch und der fehlenden Überladung, wohl aber mit dem sinnvollen, einfachen Schmuck am Möbel selbst? Im Wohnzimmer des Städters hat man ständig auf der Hut zu sein, um nirgends anzustoßen oder gar mit feuchten Händen irgendwohin zu tappen, damit es keine Flecke[n] gibt. Das hält eine richtige Stube durch Generationen aus und die Hausfrau wird darob um ihre Möbel nicht in Aufregung geraten müssen.
Diese aus dem wirklichen Leben entnommenen Gedanken zeigen nur, wie hoch die Bedeutung einer heimatgebundenen Kulturpflege ist; sie bleibt in diesem Falle nicht eine bloße Sache des Möbels, sondern wird darüber hinaus zu einer Sache der Lebensgestaltung, des Familienglückes überhaupt.
Die diesen Worten beigegebenen Bilder aus der ersten Lehr- und Musterschau 1942 in Innsbruck zeigen nur einige Marksteine vom Wege zu unserem Ziele.
Wer in der Zukunft einmal die Wohnungen unserer Volksgenossen, ob in der Stadt oder auf dem Lande, betritt, soll darin den Atem einer heimatgebundenen Wohnkultur verspüren. Wenn jeder Volksgenosse ohne Unterschied es einst wieder als selbstverständlich ansieht, daß alles, was zu unserem arteigenen Leben gehört, Brauchtum, Tracht und Wohnung, wie aus einem Guß geformt sein muß, dann ist das Ziel dieser Kulturarbeit erreicht. Dann werden auch unsere Möbel als zeitlos schön von unseren Kindern nicht abgelehnt, sondern freudigen Herzens als eine Kostbarkeit übernommen werden.
Seite [31]: Tischlermeister Max Peintner, Innsbruck Schlafzimmer "Oberland" in Zirbe/1. Preis für Schlafzimmer
Jedes Jahr wird nun eine Lehr- und Musterschau für bodenständige Wohnungseinrichtungen durchgeführt und uns Schritt für Schritt weiterbringen nach einem für Form und Verarbeitung unabänderlichen Programm, das da lautet:
1. Auswertung der hergebrachten bodenständigen Formen auf unsere heutige Lebensform. |
2. Wahrhaftigkeit in der Konstruktion, also Rückkehr zu den gediegenen, massiven Holzverbindungen, zu Rahmen und Füllung und maßvoller Anwendung von Sperrholz und Furnier. |
3. Ausschließliche Verwendung der schönen heimischen Hölzer. |
4. Erhaltung der natürlichen Eigenart des Holzes, also Zurückhaltung von Beizen und Polituren. An deren Stelle Bevorzugung altbewährter Schutzmittel gegen schädliche Einflüsse. |
Daß die Möbelstücke zu einem Modeartikel herabsanken wie etwa Frauenhüte und Frauenkleider, hat uns ja gerade auf jenen wohnkulturellen Tiefpunkt gebracht, den wir nun endgültig überwunden haben. Das Möbel muß zeitlos sein, dies kann es aber nur, wenn seine Form und Verarbeitung heimatgebunden, wahrhaftig und gediegen ist.
Der hohe Wert des heimatgebundenen Wohnens spiegelt sich auch in der bevölkerungspolitischen Bedeutung wider. Wir haben mehr Kinder für unser Volk zu erwarten, wenn es eine Freude ist zu wohnen und wenn die Möbel selbst so verarbeitet und behandelt sind, daß sie nicht vor den Kindern gehütet werden müssen. Ganz abgesehen vom erzieherischen Wert einer heimatgebundenen Wohnung für die Seele der Kinder.
Das Wiederfinden der eigenen Heimat, wie sie, allen fremden Tandes entkleidet, sich immer wieder gibt, erfüllt sich rascher, wenn wir die seelischen Kräfte dieser Heimat im Möbel unserer Zeit in klare Formen bringen.
Die Rückkehr zur bodenständigen Kultur läßt sich nicht befehlen und nicht erzwingen. Was wir tun können, ist, die Vorbedingungen zu schaffen für ein organisches Hineinleben. Kulturarbeit kann nicht darauf abgestellt sein, den Erfolg noch selbst erleben zu wollen. Was wir tun, indem wir uns an ein überlegtes Suchen nach den uns zustehenden wohnkulturellen Werten machen, kann nur Arbeit für die Zukunft unseres Volkes, für unsere Kinder, ja vielleicht erst für unsere Kindeskinder sein. Und weil wir wissen, daß wir durch diese in die weite Zukunft reichende Vorarbeit unseren Kindern die wahre Heimat wiedergeben, ist uns auch die Kulturarbeit für das heimatgebundene Wohnen zu höchster Verpflichtung geworden.
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Heimat und Handwerk
In: Tirol-Vorarlberg. Natur Kunst Volk Leben 1944, Heft 1, 29-39
Von Markus Bachmann
Sie gehören zusammen wie zwei Geschwister. Wandern wir gemeinsamen Sinnes durch unsere Heimat, durch Wiesen und Wälder, durch Dörfer und Städte, dann werden wir erkennen, daß das Charakteristische, die besonderen "Gesichtszüge" der Heimat sehr wesentlich durch die Schöpfungen des Handwerks mitgeformt wurden. Was uns in den unverfälscht gebliebenen Dörfern und Städten erfreut und uns bewundernd stille stehen lässt, ist der gestaltgewordene Gemütsausdruck in den Proportionen, Formen und Schmuckstellen der Wohnhäuser, öffentlichen Bauten, Brunnen und Toren u. v. a. Wenn man von unserer Handwerkskultur spricht, kann man immer nur die Kultur des deutschen Grenzstammes in unseren Bergen meinen.
Die Arbeiten aller Handwerker, des Zimmermanns, des Maurers, des Tischlers, des Schmieds und Schlossers, des Malers und Töpfers, die an einem Hause werkten, sind von einer unsichtbaren Hand der Volkskunst geführt, und in ihrer Summe werden sie zu jener Harmonie, die in uns das stolze Gefühl der Schönheit und Kraft unserer Heimat weckt. Sie konnten nicht anders schaffen als in diesem Geiste, diese Handwerker, denn sie lebten selbst innig in der Gemeinschaft des Dorfes, nach den gleichen Lebensformen, trugen die gleichen Freuden und Sorgen mit sich, die eigenen wie die der nächsten. Keiner glaubte anders sein zu müssen als der andere, das hätte jeder als ein Verbrechen gegen die Vorfahren und damit gegen Sitte, Brauch und Gemeinschaft gewertet.
Das natürliche Schmuckbedürfnis am Zweckbestimmten erhält seine Form aus dem verdichteten Erleben der Natur, der Sichtbaren und der Unsichtbaren, aber um so Geheimnisvolleren. Das im Brauchtum schöpferisch waltende Gemüt ist die gestaltende Hand dieser Volkskunst.
Etwa von der Mitte des letzten Jahrhunderts ab ist es allmählich anders gekommen. Eine allzu arglose Aufgeschlossenheit fremden Wesen gegenüber hat uns das Arteigene vernachlässigen und vergessen lassen. Wir haben immer mehr Gefallen an Fremdem gefunden und es nachgeahmt oder gar versucht, es noch zu übertrumpfen. Ein Handwerker aber, dessen Wurzeln nicht mehr aus dem Heimatboden, aus dem Blutstrom der Gemeinschaft schöpfen kann, der entfremdet, der wird haltlos und unsicher in Form und Arbeitsweise. Die Volkskunst geht dann unter und im besten Falle tritt das "Kunstgewerbe" an seine Stelle. Während die eine heimatgebunden ist, gehört das andere dem städtischen Kulturkreis und im weitesten Sinne meist einer internationalen Welt an.
So kann es für uns nie um eine Pflege des Kunstgewerbes gehen, sondern immer nur um die einer heimatgebundenen Volkskunst.
Solange es eine Volkskunst gab, gab es kaum etwas, was wir als Kitsch bezeichnen, er ist das leibliche Kind eines imperialistischen Zeitalters.
Es ist zu verstehen, daß die bodenständigen Wohnhäuser nicht mehr als Vorbild und Verpflichtung angesehen wurden, sondern als altes, überlebtes Zeug, dem man etwas "Modernes" gegenüberstellen mußte. Jeder baute wie er wollte, wenn es nur grundsätzlich anders war als das Hergebrachte. Diese Einstellung riß das ganze Handwerk mit. Was in Form und Werkstoff aus der Heimat kam oder nur daran gemahnte, war rückständig, also nicht modern und daher verpönt. An die Stelle der gediegenen, ehrlichen Arbeitsweise trat leider allzu oft eine auf Täuschung abgestellte, und nicht lange währte es, so ward die ewig schöne Handwerksarbeit von ehedem auch durch die allein auf Billigkeit und Bluff abgestellte Serienerzeugung verdrängt. Nachdem man den Volksgenossen den Sinn für das Gediegene, Heimatverwachsene getrübt, hatte diese billige Ramschware ein leichtes, um sich durchzusetzen.
Ohne den Hinweis auf diese Entwicklung würden wir den Sinn jener Erziehungsarbeit nicht begreifen, die wir für die Zukunft zu leisten haben. Was man nun in fast hundertjähriger Arbeit verwässerte und verdarb, kann man nicht von heute auf morgen wieder gutmachen. Darin sind wir uns alle einig. Aber wohl auch darin, daß wir uns auf dem Weg zu den Arbeiten unserer Vorfahren machen müssen, um daraus ihren Geist und ihre Ehrlichkeit in der handwerklichen Arbeit für uns wieder nutzbar zu machen. Wir wollen also lebendig fortfahren und dort anknüpfen, wo das schöpferische Schaffen unserer Vorfahren jählings abgerissen wurde.
Vergessen wir nie, daß diese Menschen nach den einfachsten Gesetzen eines natürlichen Lebens und Erlebens gearbeitet haben. Es wird immer das Besondere eines wahrhaft natürlichen Gesetzes sein, das immerwährend geübt wurde, ohne je ausgesprochen oder niedergeschrieben worden zu sein. Es dient immer der Ordnung und Echtheit. So auch im Ornament, in der Formgebung, im Schmuck allenthalben. Das Versiegen der Voraussetzung für das Schaffen nach solchen unbewußt wirkenden Gesetzen führt auch zu jenen Werkstoffvergewaltigungen und Unehrlichkeiten wie etwa: Ein gußeisernes Stiegengeländer zeigt Formen wie gedrechseltes Holz. Ein hölzerner, mehrarmiger Leuchter hat Arme, die dem geschmiedeten Eisen zukommen. Die geschweißten Stellen einer sogenannten Kunstschlosserarbeit sind nachträglich mit dem Hammerschlag versehen worden, um glauben zu machen, es wäre geschmiedet.
Daß solche Dinge nicht mehr geschehen, kann nur über eine richtige Geschmackserziehung am guten Vorbild erreicht werden. Die Gesetze der Ornamentik an der bodenständigen Volkskunst geschult, ist der eine Weg, und das gefühlvolle Eingehen in die Forderungen unserer harten, aber großen Zeit der andere.
Die kulturelle Führung des Handwerks darf immer nur auf die Grenzen der Heimat und damit des Gaues abgestellt sein. Jedes Ablenken von den eigentlichen Bedürfnissen bodenständigen Lebens würde auch der Gesamtheit des großdeutschen Handwerks zum Schaden gereichen.
Die Handwerker einer Talschaft müssen erst die hergebrachten Formen und Arbeitsweisen ihres Tales kennenlernen und sie begreifen, ehe sie begierigen Auges über das Tal hinausschauen. Zuerst kommt die "Stilkunde" der engeren Heimat, die immer eine Kunde der Volkskunst und des bodenständigen Handwerks ist. Da aber auch der ländliche Handwerker nicht abseits der technischen Errungenschaften steht und aus den Geboten der Zeit heraus sich die Maschine nutzbar macht, so wird eine besondere Aufgabe dieser Erziehungsarbeit darin liegen, den Handwerker nie zum Sklaven der Maschine werden zu lassen. Die Maschine trägt neben ihrem großen Nutzen auch die große Gefahr in sich, die Form zu vernichten, sie nüchtern und inhaltslos und die Verarbeitung minderwertig zu machen.
Welch große Aufgaben einem bodenständigen Handwerk zugedacht sind, fühlt jeder. Für manchen gilt es völlig umzulernen, und das ist nicht leicht. So müssen wir alle zusammenhelfen, Handwerker und alle, die das Handwerk brauchen. Es gibt nicht mehr viele, die aus dieser Überlegung heraus den tiefen Sinn der alljährlichen Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen nicht verstünden. Ich will auch gar nicht wiederholen, was ich schon in meiner Abhandlung über heimatgebundenes Wohnen im ersten Heft des ["Tirol-Vorarlberg"-] Jahrganges 1943 darüber geschrieben habe. Diese Lehr und Musterschau wird einmal nicht mehr als Tischlerhandwerk allein umfassen, sondern alle Handwerker, die für die Wohnkultur durch ihre schöpferische Arbeit beitragen. So etwa Töpfer, Weber, Schlosser, Maler, Drechsler, Ofensetzer. Diese Lehr- und Musterschau wird damit zur Lehrmeisterin für den Aufbau einer bodenständigen Wohnkultur unserer Zeit werden.
Daß die Methode des unmittelbaren Hineinstellens in die großen Aufgaben die rascheste und sicherste ist, zeigte schon die zweite Lehr- und Musterschau für bodenständiges Wohnen. Im Vergleich mit der ersten war festzustellen, wie sich in einem Jahr die Form läuterte und die Mängel in der Verarbeitung immer weniger werden. Die Tischlermeister begreifen schon, worum es uns gehen muß. Es fiel keinem mehr ein, überlebte Stilformen bedenkenlos neu zu beleben und es dachte auch keiner mehr daran, andere Hölzer zu verwenden als solche, die auf dem Boden unserer engeren Heimat wachsen. Es gab keine Arbeit auf Täuschung, da war alles ehrlich und auf ein fachliches Können gestützt. Eine neue Zeit, eine Renaissance der Heimat ist im Entstehen.
Auch wenn nun das Handwerk mit unerhörter Kraftanstrengung die Folgen dieses gewaltigsten aller Kriege wieder wird gutmachen müssen, so wird dennoch die Zukunft von uns fordern, daß diese Arbeiten auch den Geist eines heimatgebundenen Handwerks zeigen. Dem großen Ernste und dem Entbehren im Kriege darf kein Leben in kulturfremden oder nüchternen Wohnungen folgen. Nur aus einem heimatverbundenen Gefühle allein heraus kann die wahre Lebensfreude und die richtige Einstellung zur Gemeinschaft geboren und damit ein wesentlicher Beitrag zum Bau eines ewigen großdeutschen Vaterlandes geleistet werden, das unerreicht in seiner vielgestaltigen Volkskraft sein wird.
Tirol-Vorarlberg. Natur Kunst Volk Leben 1944, Seite 29 ff.