Volkskunst
Tirol-Vorarlberg. Natur Kunst Volk Leben 1939, Heft 1, Seite 24 ff.
Auch der Tiroler Landbote bringt in seiner Ausgabe vom 15. September 1938 im ausführlichen Berichtsteil vom Ersten Tiroler Landesschießen auf Seite 8 einen Überblick über weitere Veranstaltungen zu diesem Großereignis, so zur Ausstellung Tiroler Volkskunst und Handwerk im Stadtsaal Innsbruck und auf Seite 13 zu den Präsentationen der Wirtschaftsschau in der Ausstellungshalle im Rahmen der Innsbrucker Herbstmesse:
„Die Eröffnung der Innsbrucker Herbstmesse wurde heuer mit besonderer Spannung erwartet. War es doch das erste Mal seit dem Umbruch, daß diese Veranstaltung abgehalten wurde.
Nun, jene, die sich etwas Besonderes erhofften und versprachen, wurden nicht enttäuscht. Was man in Innsbruck noch nie und in seiner Art auch in anderen deutschen Landen nur selten gesehen hatte, ist die Sonderausstellung Volkskunst und Handwerk im Stadtsaal.
Lebendige Volkstumsschau.
Sogleich beim Eintritt wird der Besucher in vollem Maße gefesselt. Rechts und links stehen, bis ins letzte genau ausgeführt, die Modelle von Bauernhäusern aus dem Unter- und Oberland. Die Maler Ringel und Prantl haben in 14 großen Wandbildern das Bauernleben dargestellt.
Nun kommen wir in den Ehrenraum. Aus grünem Gewind erhebt sich, von zwei großen schalentragenden Säulen flankiert, ein mächtiges Hoheitszeichen. Die Wände sind mit Aussprüchen des Führers geschmückt.
Von da geht es zu den Schmieden. Prächtige Schmiedearbeiten sind in dem altertümlich gestalteten Raum zur Schau gestellt. Daneben aber befindet sich eine richtige Schmiedewerkstatt. Ein Nagelschmied aus dem Stubai, eine Schellenschmied aus dem Stanzertal und ein Kunstschlosser sind darin am Werk und führen am roten Eisen ihre Kunstfertigkeit vor.
Daß im Mittelalter das Tiroler Plattnerhandwerk mit Recht berühmt war, wird durch die in der nächsten Abteilung ausgestellten Harnische, Schwerter und Hellebarden sinnfällig dargetan. Daneben sehen wir Feuerwaffen aus älterer und neuerer Zeit. Urkunden erinnern an das Sonderrecht tirolischer Waffenfreiheit, als uraltes Erbgut sorgsam gehütet. Und dann sehen wir Schreine mit bäuerlichem Schmuck, in Geräten aus Kupfer und Messing und mit Erzeugnissen unserer Gold- und Silberschmiede. Wunderschöne Stücke sind darunter. Auch die schön geformten Gläser, Töpfe und Teller im nächsten Raum erwecken die Aufmerksamkeit jedes Besuchers.
Daneben hat der Schüsseldreher Fankhauser aus Ginzling (Zillertal) für die Dauer der Messezeit seine Werkstatt aufgeschlagen. Wir sehen, wie unter seiner geschickten Hand Milch-, Brotteig- und Futterschüsseln aus Zirbenholz entstehen. Nicht weit von ihm ist der Töpfer Mäser aus dem Ländle von Messegästen umlagert. Daneben sehen wir einen Bildschnitzer aus dem Lechtal und einen Pfeifenschnitzer an der Arbeit.
Im [richtig: Der?] Hauptraum des Großen Stadtsaales ist der Verwertung des heimischen Holzes gewidmet. Tischler, Zimmerleute, Holzbildhauer usw. stellen Werke zur Schau. An der Stirnwand des Saales ist die Vorderseite eines schönen Dachstuhles aufgestellt. Das größte Zugstück dieser Abteilung ist die 400jährige, mit Schnitzereien geschmückte Drehbank, die Tirol einstmals Kaiser Maximilian zum Geschenk machte.
Hierauf gelangen wir in die eingebauten Bauernstuben. Sie stellen der Tiroler Volkskunst und dem Tiroler Handwerk ein sehr gutes Zeugnis aus und man kann sich wirklich in ihnen daheim fühlen. Um den Tisch sitzen fingerfertige Klöpplerinnen aus Osttirol und Strickerinnen aus dem Paznaun. Die Wirte mögen sich insbesondere die zur Schau gestellte ländliche Gaststube besehen. Draußen auf der Terrasse laden die Buden eines Tiroler Jahrmarktes zu Besuch und Kauf.
Im oberen Stockwerk kommen wir an fleißigen Spinnerinnen vorbei. Liebevoll wird des Flachsbaues gedacht, der einstmals in Tirol viel mehr als heute gepflegt war. Weber in heimischer Tracht werfen das Schifflein und machen dauerhaften Loden, schönes Leinen sowie echte Tiroler Tischtücher. Im letzten Raum hat ein Gürtelsticker zahlreiche Zuschauer.
Besondere Beachtung verdient die Abteilung Tiroler Trachten. An die zwanzig Trachtenfiguren sind aufgestellt. Gerade diesem Raum soll die Landbevölkerung ihr besonderes Interesse entgegenbringen und daraus praktisch Nutzen schöpfen. Viel Liebe und Sorgfalt hat Frau Gertrud Pesendorfer, der an der Sonderausstellung Volkskunst und Handwerk überhaupt das größte Verdienst zukommt, gerade für diese Abteilung aufgewendet.
Auf der Schau Tiroler Volkskunst und Handwerk wird die blutbedingte Art unserer Heimat lebensvoll und wirklichkeitsgetreu vor Augen geführt. Für Idee und Ausführung gebührt der ersten im nationalsozialistischen Tirol abgehaltenen Herbstmesse vollstes Lob und uneingeschränkte Anerkennung.“
Tiroler Landbote vom 15. September 1938, Seite 7