Zusammenfassung 1942
Tiroler Landestheater Innsbruck Reichsgautheater Innsbruck
Ende August 1942 verfügte Gauleiter und Reichstatthalter Franz Hofer, dass das Tiroler Landestheater Innsbruck ab September 1942, mit Beginn der neuen Spielzeit 1942/43, in Reichsgautheater Innsbruck umbenannt wurde. Die Landesbühne stand schon bisher völlig unter dem kulturpolitischen Einfluss der NSDAP. Mit der Namensänderung wurde diese vollständige institutionelle Vereinnahmung unmissverständlich öffentlich deklariert. Dr. Sigfrid Färber, der Chefdramaturg des Hauses, erklärte diese Vorgangsweise mit einem Statement in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. August 1942, Seite 2:
"[...] Nach der Heimkehr ins Reich wurde auch die damalige Städtische Bühne Innsbruck im August 1939 in das Tiroler Landestheater Innsbruck umgewandelt, was im besonderen der Tatkraft des Gauleiters und Reichsstatthalters Hofer zu danken war. Diese Umwandlung der Bühne zu einem Landestheater deren es übrigens in Großdeutschland nur etwa ein Dutzend, hauptsächlich in Mitteldeutschland, gibt war nicht nur eine Aenderung der äußeren geschäftlichen und verwaltungsmäßigen Form, sondern sie stellte auch die Bühne in Innsbruck vor die erweiterte kulturpolitische Aufgabe, der Kulturmittelpunkt Innsbrucks und des Gaues Tirol-Vorarlberg zu werden.
Mit der nunmehr vollzogenen Neubezeichnung als Reichsgautheater hat diese Aufgabenstellung eine neuerliche, noch nachdrücklichere Herausstellung erfahren. Das Reichsgautheater ist sich der damit verbundenen Verantwortung voll bewußt. Lebendiges Schaffen das ist sein Wahlspruch, gleich, ob es der Pflege klassischer Werke oder zeitgenössischen Schaffensgutes gilt. Lebendiges Schaffen im Sinne der Zeit und für die Zeit, nur so können auch Ewigkeitswerte entstehen."
Die Neubenennung "Reichsgautheater" wurde offensichtlich als Auszeichnung verstanden. Karl Senn als Rezensent der Eröffnungsvorstellung der Winterspielzeit 1942/43 schreibt in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. September 1942, Seite 4, von der "Erhebung unseres Landestheaters zum Reichsgautheater". Darum wurde der Abend besonders festlich gestaltet. "Ein geschmücktes Haus" erwartete die Zuhörer. Auch Intendant Max Alexander Pflugmacher brachte in einer Ansprache vor der Vorstellung den "Dank des Intendanten und der Gefolgschaft" für diese Würdigung zum Ausdruck, den der stellvertretende Gauleiter Herbert Parson in Vertretung des dienstlich verhinderten Gauleiters entgegennahm. Im Zuge der Eröffnungszeremonie wurde die Schauspielerin Gisela Ott anlässlich ihrer 25jährigen Zugehörigkeit zur Innsbrucker Bühne vom Gauleiter zum Ehrenmitglied ernannt. Über den weiteren Verlauf des Festabends berichtet Karl Senn:
"Dann öffnete sich der Vorhang zur großdeutschen Erstaufführung der dreiaktigen musikalischen Komödie Der Zerrissene von Johann N[epomuk] Nestroy, bearbeitet von Hans Martin Cremer, Musik von Peter Kreuder [(1905 Aachen 1981 Salzburg)]. Nestroys Posse mit ihrem nüchternen Humor und ihren parodistischen Spässen wurde nur wenig verändert der musikalischen Komödie, wie sich das Stück nennt, zugrunde gelegt [...].
Peter Kreuder, der Komponist dieses Stückes, ist hauptsächlich als Schöpfer von Tonfilmmusiken bekannt geworden. Filmmusikartig ist auch vieles in diesem Stück, so namentlich die blitzartigen Uebergänge von einer Stimmung in die andere, wie auch die rhythmisch ungemein starke Differenzierung seiner Musik. Auffallend ist der starke Gegensatz mit den dramatischen Effekten der großen Oper, was eine Stilungleichheit bedingt. Mag der Komponist auch die Absicht gehabt haben, damit parodistisch zu wirken, die stilistische Ungleichheit ist so groß, daß diese Wirkung bei dem Zuhörer nicht zutrifft, ja die einfache, possenhafte Handlung überladet, wenn Kreuders Musik auch an viele große Meister der Oper und Operette erinnert. Die Instrumentation ist mit allem Raffinement moderner Orchesterkunst ausgestattet. Wohltuend fällt die Behandlung der Singstimmen auf, die in allen Belangen gesangsmäßig ist, aber auch, trotz des großen Orchesters, immer deutlich bleibt.
Die Aufführung unter der zügigen Stabführung Pflugmachers war mit aller Gründlichkeit vorbereitet. Die Partien waren mit den besten Kräften unserer Bühne besetzt [...].
Die Spielleitung war bei Dr. Färber sehr gut aufgehoben. Es war schönes Wiener Biedermeier, was man zu sehen bekam. Zusammen mit den prachtvollen Bühnenbildern Hans Siegerts, den von Eva Lenitz und Ferdinand Madl sorgfältig ausgewählten Kostümen ergab das alles eine abgerundete Aufführung. Textdichter und Komponist waren bei der Vorstellung anwesend, Peter Kreuder dirigierte, beifällig aufgenommen, die Zwischenaktmusik nach dem zweiten Akt. Am Schluß gab es viel Beifall und sehr viele Blumen und Kränze."
Anfang des Jahres 1942 veröffentlichte die Intendanz des Tiroler Landestheaters in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Jänner, Seite 5, eine Vorschau auf die unmittelbar folgenden Aktivitäten des Hauses:
"In den ersten Jännerwochen bringt das Tiroler Landestheater Innsbruck die Uraufführung des neusten Werkes von Hans Gustl Kernmayr, das volkstümliche Stücke Wien bleibt Wien mit Musik von Hans Moltkau [(1911 Magdeburg 1994 Rottach-Egern)] und Gesangstexten von Karl Th[eodor] Langen in der Inszenierung von Siegfried Süßenguth. Kernmayr ist dem Innsbrucker Publikum durch das Erfolgslustspiel X für ein Ubereits wohlbekannt. Der Dichter wird anlässlich der Uraufführung wieder in Innsbruck zu Gast sein.
Der Jännerspielplan sieht an Erstaufführungen weiterhin die Oper Othello von Giuseppe Verdi vor, ferner das Schauspiel Die Neuberin von [Eberhard] Foerster und [Christian] Munk, das die Entstehung der nationaldeutschen Bühnenkunst im Rahmen einer spannenden dramatischen Handlung zum Gegenstand hat. Im Jänner bleiben ferner die Tragödie Grabbes Don Juan und Faust, die erfolgreiche Strauß-Oper Ariadne auf Naxos mit Lea Piltti, Wien a[ls] G[ast], weiterhin die Operetten Glückliche Reise [von Eduard Künneke] und Liebe in der Lerchengasse [von Arno Vetterling] auf dem Spielplan, endlich das Märchenspiel Muzl, der gestiefelte Kater."
Bei der Ariadne-Vorstellung am 3. Jänner 1942 wurde anstelle des erkrankten Tenors Ernst Schwarz Kammersänger Josef Kalenberg von der Wiener Staatsoper für ein Gastspiel als Bacchus verpflichtet: Karl Senn berichtet hierüber am 5. Jänner 1942 in den Innsbrucker Nachrichten(Seite 5):
"[...] Der Gast [Josef Kalenberg] verfügt über einen strahlenden Tenor, der gerade in dieser Partie bestens zur Geltung kam. Große Musikalität und ausgezeichnete gesangliche Durchführung führten zu einer höchst beachtenswerten, abgerundeten Leistung. Der Gast hatte sich mit seiner Partnerin Charlotte Raab als Ariadne gut verstanden. Im Verein mit ihr, deren schönes Stimmaterial sich immer mehr entwickelt, klang der Schlußgesang, eine der schönsten Eingebungen Straußischer Muse, in berauschenden Jubel aus.
Es sei aber auch festgestellt, daß die Vorstellung, an der alle Beteiligten mit höchstem künstlerischen Gelingen mitwirkten und namentlich auch das Orchester unter der temperamentvollen und schön auswägenden Stabführung Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjens, für unsere Landesbühne ein Ereignis bedeutete."
Für die dritte Vorstellung der Ariadne am 8. Jänner 1942 musste die Partie des Bacchus mit Kammersänger Julius Pölzer von der Staatsoper München erneut mit einem Gast besetzt werden. Der unermüdliche Rezensent Karl Senn informiert darüber in den Innsbrucker Nachrichtenvom 9. Jänner 1942 (Seite 4):
"[...] Er brachte vor allem für den jungen Gott die richtige Erscheinung mit. Im Glanze seines sieghaften, in prächtigster Klangfarbe leuchtenden Tenors fand er für diese Partie eine Ausdeutung, wie sie wohl vollkommener, alle künstlerischen Belange restlos ausschöpfend, kaum zu denken wäre. Dr. [med. dent.] Pölzer [(1901 Admont 1972 München)] ist ein Künstler von großem Format. Bei ihm ist jede Note und jeder Notenwert aufs genaueste bedacht und jeder Ton, von Wohlklang gesättigt, in eine Linie eingeordnet, die auch den musikalischen Aufbau in künstlerischer Weise beleuchtet und so den Zuhörer restlos befriedigt.
Der Gast wurde am Schluß der Vorstellung mit den übrigen Hauptdarstellern von den das Haus füllenden Zuhörern begeistert gefeiert."
Die Premiere von Giuseppe Verdis Othello fand am 29. Jänner 1942 mit einer Neuinszenierung statt. Die musikalische Leitung hatte Hans Moltkau, die Inszenierung betreute Oberspielleiter Ottomar Mayr. Die tragenden Partien waren verlässlichen Kräften des Ensembles anvertraut: Den Othello sang Georg Wilhelm Rothhaar, die Rolle der Desdemona Charlotte Raab. "Mit Othello, dem großartigen Spätwerk des Meisters, wird die Verdi-Pflege des Tiroler Landestheaters, begonnen mit den Aufführungen von Rigoletto, Troubadour und Traviata, fortgesetzt (Innsbrucker Nachrichten vom 29. Jänner 1942, Seite 5).
Mit einem Bühnenstück von ideologischer Brisanz stellte sich das Schauspielensemble in der Erstaufführung der Neuberin von Eberhard Foerster und Christian Munk am 30. Jänner 1942 in den Dienst parteikonformer Kulturpräsentation. Schriftleiter Karl Paulin charakterisierte in seiner wie üblich eleganten und geistvollen Art der Berichterstattung den Inhalt des Stückes und seine Darbietung in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. Februar 1942 (Seite 9):
"[...] Diesmal wird die Bühne zum Schauplatz der Geschichte des deutschen Theaters, denn sie spiegelt das Schicksal der Caroline Neuber, von der um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Begründung des deutschen Nationaltheaters ausging, soweit es mit der schauspielerischen Idee und ihrer Verwirklichung zusammenhing. Vor kurzem erst hat in Innsbruck der Bavaria-Film Komödianten den gleichen Stoff behandelt und dadurch eine Gestalt in das Blickfeld der Gegenwart gerückt, die sich nicht nur um die Hebung des künstlerischen deutschen Theaters, sondern auch um die Geltung und Achtung des Schauspielerberufes in deutschen Landen unvergängliche Verdienste erworben hat.
Diese beiden Hauptpunkte im Wirken der Neuberin bilden auch die Grundlage des Schauspiels von Eberhard Foerster und Christian Munk, das die Persönlichkeit der Neuberin auf dem Hintergrund ihrer Zeit und deren kulturellen Strömungen zeichnet, sie in ihren menschlichen und künstlerischen Bindungen und Gegensätzen herausarbeitet. Im Vordergrund steht der Kampf gegen den Harlekin, gegen den geist- und geschmacklosen Spaßmacher, dessen Zoten bis dahin ein Hauptanziehungspunkt der aus französischen Quellen gespeisten deutschen Sprechbühne bildeten. Daraus ergibt sich ein Zweikampf Neuberin Harlekin, der dramatische Angelpunkt des Schauspiels, der zugleich in der Neuinszenierung unseres Landestheaters die stärkste darstellerische Ausprägung erhielt. Berthe Waeber gestaltete die Titelrolle mit tiefer Einfühlung in den Charakter der Neuberin, wirkte am überzeugendsten in den jugendlichen Partien, in denen das Feuer künstlerischer Berufung sich mit der Glut der freiheitsgewohnten, liebebedürftigen Komödiantin verband, und gab auch den von den Schatten des Alterns verdüsterten kämpferischen Szenen der Prinzipalin, die an dem Widerstand der stumpfen Menge zerbricht, in ihrer letzten Lebensstunde aber den Sieg über den Harlekin ahnt, erschütternden schauspielerischen Ausdruck.
Paul Schmid versuchte als Spielleiter mit Erfolg die Umwelt des Stückes sinngemäß zu verwirklichen und auch in mehr literarischen Partien des Gedankens Blässe mit blutvollen Leben zu erfüllen. Als Darsteller des Komödianten Müller verstand er es schon im Prolog, die Grundlinien plastisch zu ziehen, und im Stück selbst als Harlekin der Neuberin als kraftvoller Gegenspieler zu begegnen, ein Harlekin, aus dem die Tragik des Bajazzo fast stärker sprach als der zynische Triumph des Hanswursts [...].
Einen ganz besonderen Raum in dieser Neuaufführung nahm das Szenische ein, galt es doch den Blick hinter die Kulissen naturgetreu zu ermöglichen. Da hat Hans Siegert in seinen Bühnenbildern in Verbindung mit seinen Mitarbeitern die technische Leitung hatte Hans Kircher sich selbst übertroffen, namentlich in der wirkungsvollen Umkehr der Bühne, welche Proszenium, Kulissen und Schnürboden dem Publikum zuwendete.
Der außerordentliche Einsatz an künstlerischen Kräften im Dienst dieses kulturpolitisch bedeutsamen Schauspiels wurde durch den wiederholten Hervorruf der Hauptdarsteller nach Schluß der Vorstellung von den zahlreichen Zuhörern dankbar anerkannt. In diesem Beifall drückte sich auch die Freude über ein neues, gehaltvolles Schauspiel aus."
Großes Operettentheater repräsentierte wie üblich Franz Lehár. In der laufenden Spielzeit 1941/42 war dies vor allem sein Erfolgsstück Friederike. Über eine Repertoire-Vorstellung schreibt Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 6. Februar 1942 (Seite 5):
"[...] Die Aufführung an unserem Landestheater am Mittwoch, den 4. d[ieses] M[onats Februar 1942] war sowohl in der Vorbereitung wie in der Besetzung mit aller Sorgfalt angelegt. Den Dichterfürsten [Johann Wolfgang von Goethe] verkörperte Erhard Grosser in Gestalt und Haltung sehr gut. Seine schöne, gepflegte Stimme kam in der gesanglich reich bedachten Partie voll zur Geltung. Die Titelrolle fand in Hansi Koller eine liebreizende, auch im Gesang reich ausströmende Vertreterin [...].
In dem sehr schön gestellten und durchgeführten Schäfertanz im zweiten Aufzug glänzten Gerti Simpel und Hellmuth Eger als Solotänzer. Die Bühnenbilder hat Hans Siegert wie immer in künstlerischer Aufmachung gestellt [...]. Die musikalische Leitung lag in den Händen von Kapellmeister Hajo Hinrichs, der für richtigen Schwung und Rhythmus vorbildlich bedacht war. Kleine Unsicherheiten zwischen Bühne und Orchester werden sich noch ausgleichen.
Es war alles in allem wieder eine ausgezeichnete Aufführung, der von dem ausverkauften Hause großer Beifall gezollt wurde."
Zum abwechslungsreichen Programm des Landestheaters gehörten auch Tanzabende. In den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Februar 1942 wird eine solche Veranstaltung angekündigt (Seite 5):
"Finni Pointner, die bekannte Innsbrucker Tänzerin, veranstaltet am Montag, den 23. Februar, im Tiroler Landestheater ihren ersten Solotanzabend. Die Künstlerin, die in den vergangenen Jahren bereits des öfteren mit beifällig aufgenommenen Schülerabenden hervorgetreten ist, beginnt mit dem genannten Solotanzabend eine neue künstlerische Laufbahn.
Finni Pointner wird auch in anderen Städten Deutschlands Tanzgastspiele geben. Das sehr abwechslungsreiche Programm sieht neben Ausdruckstänzen mehrere heitere und groteske Tanznummern vor. Am Flügel begleitet Franz Tschernich."
Einen ausführlichen und begeisterten Bericht der Vorstellung verfasste Heinz Cornel Pfeifer für die Innsbrucker Nachrichten vom 25. Februar 1942, der schon Finni Pointners frühere Darbietungen mit ihren Schülerinnen wiederholt mit hymnischer Zustimmung journalistisch begleitet hatte (Seite 5):
"Es ist sehr erfreulich, daß die Tanzkunst bei uns nicht nur ein gern gesehener Gast ist, sondern auch eine Heimstätte und in Finni Pointner eine ausgezeichnete Interpretin von hoher dramatischer Begabung und starker Ausdruckskraft gefunden hat. Die Tanzkünstlerin, die am Montagabend im Tiroler Landestheater zum ersten Male allein ein abendfüllendes Programm bestritt, eroberte sich schon nach den ersten Darbietungen die Herzen der Besucher im Sturm, mußte viele ihrer choreographisch fein ausgefeilten Tänze wiederholen und wurde mit stürmischen Hervorrufen und rauschendem Beifall belohnt. Darüber hinaus bewiesen noch zwei volle Tische mit Blumengebinden die Beliebtheit der Innsbruckerin bei ihren Landsleuten und die Achtung, die man ihrem Können entgegenbringt.
Mit guter Einfühlung in die feurig-beschwingte Weise Chopinscher Musik tanzte Finni Pointner einleitend einen Chopin-Walzer, dem ein darstellerisch mit großer Ausdruckskraft wiedergegebener Tanz Crescendo von [Per] Lasson [(1859-1883)], folgte. In der Sklavin von [Francis] Popy [(1874-1928)] kam die außerordentliche mimische Begabung der Künstlerin erstmalig ganz zum Durchbruch und die dramatische Gestaltung erreichte im Toben gegen Ketten und Kerker ihren Höhepunkt. Ueberraschung und Entzücken rief darauf hin [Nico] Dostals Monika geht zum Tanz hervor, eine fröhlich-beschwingte, humorvolle Szene, die sie mit Ausgelassenheit und Charme meisterte. Der Rosenkavalieraus der Operette [!] von Richard Strauß beschloß den ersten Teil des Abends. In dieser Rolle übertraf sie sich selbst und die Illusion des romantischen und spielerisch-koketten Zeitalters war vollständig.
Der zweite Teil begann mit der träumerisch-melancholischen Mondschein-Sonate von Beethoven, ein Gemälde von eigenartiger Schönheit, das sie zu einem seelischen Erlebnis gestaltete. Ein Tanz mit stark tragischem Einschlag war Lulings [Bruno Lülings?] Klage, in dem sich die Trauer zur flammenden Empörung, zum Hader mit dem Geschick und der Auflehnung gegen dessen Härte steigerte, um schließlich in müdem Verzicht auszuklingen. In jähem Wechsel folgte hierauf wieder eine Humoreske, die Extrablätter von Buchholz, die die starke Mimik der Künstlerin aufs neue auch im heiteren Genre trefflich unterstrich. Mit geradezu lausbubenhaftem Uebermut charakterisierte sie den Extrablätter ausrufenden und verkaufenden Gassenjungen. Ein Kabinettstück, reizend und voll schelmischer Zärtlichkeit und hinreißender Koketterie, war Zdenek Fibichs Poeme, das uns in die galante Zeit höfischer Courtoisie versetzte. Köstlich waren auch die Künstler-Variationen von Fischer, die sowohl in Ausdruck und Geste wie auch tänzerisch treffend, dabei mit liebenswürdigem Spott gemischt, die Eigenart des Dichters, Malers und Sängers umriß. Den Abschluß des genußreichen Abends bildete die Festliche Polka von Josef Strauß, in der wieder alle erfrischende Laune und der frohe Uebermut zu Wort kamen.
Das Schwergewicht in Finni Pointners Kunst liegt in der tänzerischen Wiedergabe starker seelischer Eindrücke und Erlebnisse, oder aber von ins Groteske greifenden Begebenheiten, die sich in Haltung, Geste und Mienenspiel widerspiegeln. Ihre Erscheinung läßt sie bewußt das Aetherische, Sylphidenhafte, Schwebende der Balletteuse vermeiden, um dafür als Charakterdarstellerin großen Formats Vertiefung und endgültige Form zu finden. Daher sind ihre Tanzschöpfungen auch stets bildhafter Ausdruck ihrer inneren Gesichte, die sich aus der Konzentration ihres Erlebnisses dann als aufwühlendes Erlebnis dem Beschauer vermitteln. Wie edel die Haltung in Klage, wie hingebungsvoll und mit sparsamsten Mitteln fast ins Mystische gesteigert das Weib in der Mondscheinsonate, wie lodernd ihre Sklavin, wie voll bezwingenden Charme die Gestalten in Rosenkavalier und Poeme und welch übersprudelnde Fröhlichkeit und groteske Komik in den heiteren Tänzen!
Franz Tschernich, der unsere heimische Tanzkünstlerin am Klavier begleitete, konnte an der Hand Finni Pointners den reichen Beifall quittieren. Besonders hervorgehoben seien aber auch noch die einzigartig schönen, dekorativen und stilvollen Kostüme aus dem Modesalon Kassian Kortleitner, Innsbruck, die der heimischen handwerklichen Kunst nur das beste Zeugnis ausstellen."
Aufgrund ihres erfolgreichen Auftritts wiederholte Fini Pointner "auf vielseitigen Wunsch" ihren Tanzabend am 13. April. Die Ankündigung in den Innsbrucker Nachrichten vom 10. April 1942, Seite 5, bringt auch die Information, dass die "junge Künstlerin bereits für die Wintersaison [1942/43] in den größeren Städten Deutschlands eine Tournee abgeschlossen" habe.
Von den Erfolgen ihrer diesbezüglichen Auftritte schickte Finni Pointner der Redaktion der Innsbrucker Nachrichten entsprechende Pressemeldungen, so etwa am 25. November 1942, Seite 3:
"Die bekannte Innsbrucker Tanzkünstlerin Finni Pointner hat nun den kleineren Teil ihrer Tournee hinter sich. Mit ihrem Programm, das sie auch in unserem Reichsgautheater zeigte, trat sie im Schauspielhaus in Graz und im Grenzlandtheater in Klagenfurt auf, wurde, wie die Presse der beiden Gauhauptstädte berichtet, glänzend aufgenommen und sehr gefeiert. So schreibt die Kärntner Zeitung in einer eingehenden Würdigung ihrer Kunst unter anderem: In allen Darbietungen, mit denen Finni Pointner ihr Publikum erfreute, zeigte sich als bemerkenswerter, sehr sympathischer Grundzug der über alles triumphierende Zauber der Natürlichkeit. Mit ihm brachte ein schön gebauter, gut durchgebildeter wenn auch nicht sylphidenschlanker Körper, ohne Sucht nach vieldeutender Pose, ohne geschminkte Maskenstarre, in seiner natürlichen Blondheit alles, was eigenes Fühlen unmittelbar eingab, auch unmittelbar zur darstellenden Wirkung. Es gab viel Beifall, Blumen und Wiederholungen."
Uebereinstimmend heben die Blätter die große Ausdruckskraft in Tanz und Mimik der heimischen Künstlerin hervor, die, wiederum von ihrem Partner am Flügel Franz Tschernich begleitet, mit Recht stolz sein darf auf den verheißunsgvollen Auftakt ihrer Gastspielreisen. An beiden Bühnen wurde Finni Pointner sofort für weitere Aufführungen verpflichtet."
Ein Vergleich mit der Kunst einer internationalen Spitzentänzerin wurde dem Innsbrucker Publikum mit einen Tanzgastspiel geboten, das dieInnsbrucker Nachrichten am 28. Februar 1942 ankündigten (Seite 7):
"Die berühmte Tänzerin [Gret] Palucca wird auf ihrer diesjährigen Gastspielreise, die sie durch ganz Deutschland und die Schweiz führt, auch nach Innsbruck kommen und am 9. März, 19.30 Uhr, im Tiroler Landestheater tanzen. Sie bringt ein völlig neues, in sich geschlossenes Programm nach klassischen und modernen Komponisten. Die Tanzfolge besteht vorwiegend aus Suiten, u[nter] a[nderem] aus drei Menuetten nach Mozart und Beethoven und einer Folge von spanischen Tänzen nach zeitgenössischen Komponisten. Am Flügel begleitet Adolf Havlik, Dresden. Ueber Palucca, die heute den Höhepunkt ihrer Kunst erreicht hat, schrieb unlängst der Völkische Beobachter: Die heutige Palucca weist insofern eine gewisse Aehnlichkeit mit der unvergeßlichen Anna Pawlowa auf, als sich bei ihr in Zucht und Härte ein flammendes Naturell zur Klarheit und ergreifender Weihe reinen Menschentums entwickelte."
Obwohl Gret Palucca (1902 München 1993 Dresden) als so genannte "Halbjüdin" stigmatisiert war, durfte sie aufgrund einer von Will Grohmann (1887 Bautzen 1968 Berlin), dem berühmten Kunsthistoriker und Kunstkritiker, der sich mit den Nationalsozialisten arrangiert hatte und mit Palucca liiert war, erwirkten Sondergenehmigung auch im Dritten Reich als Tänzerin auftreten, bis zur Schließung aller Theater 1944, ausgenommen NSDAP-Veranstaltungen (vgl. Katja Erdmann-Rajski, Gret Palucca. Tanz und Tanzerfahrung in Deutschland im 20. Jahrhundert, Hildesheim 2000, S. 278) Der Presse war es allerdings nicht erlaubt, ihre Auftritte positiv zu besprechen, Auslandsauftritte waren ihr verboten. Die Innsbrucker Nachrichten zitieren daher am 28. Februar 1942 diplomatisch klug ein positives Urteil aus dem exponierten Presseorgan der NSDAP, dem Völkischen Beobachter.
Mit der Lustspielpremiere Die große Kurve von Kurt Johannes Braun am 20. Februar 1942 wurde in Innsbruck eine theatralische Neuheit präsentiert, die in kürzester Zeit auf zahlreichen deutschen Bühnen für ausverkaufte Häuser und begeisterte Zustimmung gesorgt hatte. Über den Inhalt und die Aufführung des dramatischen Erstlings des Verfassers, der als Romanschriftsteller und Drehbuchautor bereits einen Namen hatte, aber erst mit diesem amüsanten Stück wirkliche Bekanntheit erreichte, schreibt Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Februar 1942 (Seite 4):
"Ein ernstes, dramatisch oft schon abgewandeltes Motiv bildet den Kern dieses Lustspieles: ein in Amerika unter seinem wirklichen Namen berühmt gewordener Romanschriftsteller versucht die Wirkung seiner Arbeiten ohne die Zugkraft dieses Namens zu erproben, indem er sich in seinen eigenen Autolenker verwandelt, der an der großen Kurve in der Nähe des Hubertushofes bei Baden-Baden der Romancier unternahm eine Reise nach Deutschland tödlich verunglückt ist. Der Ueberlebende ist zwar Robert Thomson, gibt sich aber für den Chauffeur Georges aus, schlüpft aus seiner Haut, bewährt sich als Hotelportier und gewinnt schließlich trotz allerlei Hindernisse die Liebe der Hotelbesitzerin, indem er sich doch wieder zu seinem eigensten Wesen bekennt [...].
Unser Landestheater hat sich unter der Spielleitung Walter Jerebs der Neuheit mit Eifer angenommen. Der Spielleiter selbst hat als Robert Thomson zum erstenmal in einer Hauptrolle seine schauspielerische Gewandtheit erfolgreich bewährt, der nur in manchen Punkten, z. B. im Gespräch mit dem Kaufmann Kersten, eine schärfere geistige oder temperamentvolle Ausprägung zu wünschen wäre.
Als seine erste Frau Gloria brachte Isabella Schieferdecker als Gast echtes amerikanisches Kolorit mit, während Edith Boewer als Hotelbesitzerin Maria Bruck den Kampf um ihren verschuldeten Besitz und um den Mann ihres Herzens mit einer dem Gefühl überlegenen weiblichen Energie führte. Den eigentlichen Lustspielton legte die Spielleitung auf die Gestaltung der Nebenfiguren, vor allem auf den von Rolf Ankowitsch in trockenem Humor ausgezeichnet angelegten Kellner Josef [...].
Dem lockeren Charakter des Lustspiels entsprachen diesmal wieder die Szenenbilder Hans Siegerts in ihrer mit sicherstem künstlerischem Gefühl durchgeführten eigenartigen Gestaltung ganz besonders. Daher galt der Beifall des gutbesuchten Hauses nebst den Darstellern auch unserem, jede Aufgabe mit bewundernswerter Anpassung lösenden Bühnenbildner."
Das Landestheater als eminente Institution im Dienst der Ideologie kommt wiederum deutlich in der nächsten Premiere zur Geltung (Innsbrucker Nachrichten vom 7. März 1942, Seite 7):
"Zum Tag der Heimkehr der Ostmark ins Reich, Freitag, den 13. März [1942], bringt das Tiroler Landestheater Innsbruck die festliche Uraufführung eines Tiroler Komödienspiels Peter Anich, das der Innsbrucker Max Tribus geschaffen hat.
Nach mehreren dramatischen Versuchen wie das Amraser Schloß-Spiel, Friedl mit der leeren Tasche oder Franz Defregger, die jedoch noch nicht zur Aufführung kamen, betritt Max Tribus mit seinem Peter Anich zum ersten Male den Boden des Theaters. Wie bei all seinen Werken ist auch hier der Gegenstand der heimatlichen Tiroler Geschichte entnommen: Peter Anich aus Oberperfuß, der sich unter schwersten Kämpfen vom einfachen Bauern zum gelehrten Astronomen emporgearbeitet hat, ist der erste große Kartograph Tirols. Die Uraufführung des Komödienspiels wird von Albert Peychär inszeniert, der auch die Titelrolle darstellt. Die Bühnenbilder schuf Marilene Rößl."
Ganz bewusst wird für diesen symbolträchtigen Tag ein Stück mit lokalpatriotischem Inhalt vorgesehen, um ihm einen nachdrücklichen Akzent zu verleihen. Über die Genese dieses Schauspiels und den Dichter Max Tribus informiert der Chefdramaturg Sigfrid Färber in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. März 1942, Seite 5:
"Es ist schon gut zwei Jahre her, daß Max Tribus zum erstenmal in die Dramaturgie des Tiroler Landestheaters kam, Max Tribus, der in Innsbruck gebürtige und hier lebende Finanzbeamte, der sich seit langem in seinen freien Stunden mit Leib und Seele der Muse der dramatischen Schriftstellerei ergeben hatte.
Damals legte er einen seiner ersten Versuche vor, das Amraser Schloß-Spiel. Es ist dies ein Spiel in volkstümlichen Versen, das Geschehnisse um die Augsburger Bürgertochter Philippine Welser zum Gegenstand hat, die Erzherzog Ferdinand von Tirol trotz aller dynastischen Widerstände zu seiner rechtmäßigen Frau erhob. Das Spiel stellt aber weniger das persönliche Geschick der schönen Welserin auf die Bühne; vielmehr zeigt es das Tiroler Volk im guten und bösen Wechselspiel mit Philippine und den Geschehnissen während des Amraser Schloßbaues. Dieses Stück war aus dem Geist der volkstümlichen Laienspiele erwachsen, die Tribus in Innsbruck und an verschiedenen Orten Vorarlbergs geleitet hatte. Mit seinen farbenfrohen Volksszenen und bunten Aufzügen war das Werk wohl für eine Freilichtinszenierung vor Schloß Amras, vielleicht gerade auch für ein Laienspiel als geeignet anzusehen, doch konnten Pläne für eine derartige Aufführung zunächst nicht verwirklicht werden.
Wieder in Versen, diesmal in fünffüssigen Jamben, schrieb Tribus seinen Friedel mit der leeren Tasche oder Das Recht der ersten Nacht nieder, weitere Versuche und Studien folgten, mit denen sich der Autor zwar noch nicht durchsetzen konnte, die aber gleichwohl seinen Entschluß stärkten, den beschrittenen Weg weiterzugehen, der nun einmal stets dornig ist und viele Mühsale und einsame Kämpfe mit sich bringt.
Tribus fand aber das rechte Ziel: Hatte er bei seinen ersten Versuchen schon heimatliche Stoffe gewählt, ohne aber die rechte Form dafür auszuspüren, so packte er nun wiederum einen Tiroler Stoff auf die eigentlich einfachste Weise, sozusagen mit beiden Händen an, er gab dem volkstümlichen Stoff auch die volkstümliche Form, er redete, wie ihm der Schnabel gewachsen war, damit redeten auch die Gestalten seiner Dichtung die richtige Sprache und damit hatte er die ihm gemäße Form erreicht. Es ist eine alte Tatsache: Das Einfachste ist das beste, aber auch das schwerste.
Nun aber hatte es sich Tribus errungen. Er schuf einen Franz Defregger und mit dieser Gestalt des berühmten, volkstümlichen Tiroler Malers hatte das Glück auch seinen festen Kern. Aber auch mit dem Defregger durchbrach Tribus noch nicht die Schranken, die sich für einen jungen Dichter vor den Brettern entgegenstellen, die die Welt bedeuten.
Doch seinem nächsten Werk war es beschieden. Wieder entdeckte sich Tribus eine markante Gestalt aus der Tiroler Geschichte, den Peter Anich, den Bauern aus Oberperfuß, der sich an die Sternkunst wagte, den Astronomen und bedeutendsten Kartographen Tirols, der unter unsäglichen Mühen und Kämpfen sein großes Werk schuf. In diesem Spiel fand sich ein packendes großes Menschenschicksal, tauchten Gestalten auf, die blutvoll lebten, traten Geschehnisse hervor, die dramatische Gültigkeit in sich trugen, und zeigten sich echt komödiantische Züge. Und die Sprache war echt empfunden und kraftvoll.
So erhielt Tribus nach Einreichung dieses Werkes die freudige Botschaft, daß es vom Landestheater angenommen sei. Freilich ist ein weiter und keineswegs müheloser Weg von der Annahme eines Stückes bis zur endgültigen Verwirklichung im Licht der Rampen. Und dann erst fällt den letzten Entscheid das Publikum."
Führende Funktionäre aus Partei und Staat verfolgten die Uraufführung ebenso mit "gespannter Aufmerksamkeit" wie die aus "allen Kreisen der Bevölkerung beschickte Zuschauermenge", die dem "anwesenden Dichter und seinen Darstellern nicht nur durch zahlreiche Hervorrufe, sondern auch durch prächtige Blumenspenden dankte" (Innsbrucker Nachrichten vom 16. März 1942, Seite 5). Interesse fand die Uraufführung dieses "tirolischen Volksspieles" auch bei Direktor Ferdinand Exl, Vertretern der "Thierseer Volksspieler" und natürlich einer Abordnung aus der Heimatgemeinde Anichs, Oberperfuss. Weiters berichtet Karl Paulin in diesem Artikel detailreich über den Inhalt des Stücks und seine Darbietung:
"[...] Bei Tribus widmet sich Anich nicht nur der Sternenkunde, der kunstvollen Anfertigung seiner beiden Globi und der kartographischen Landvermessung, sondern er hat für den Neubau des Kirchturms von Oberperfuß auch einen architektonischen Plan eingereicht, um den sich im Sechserrat der Gemeinde, dem ein ähnlicher Plan des Innsbrucker Oberarcheninspektors Rangger zum Wettbewerb vorliegt, ein heftiger Streit entspinnt. Anhänger und Gegner Anichs bekämpfen sich, bis schließlich die Mehrheit den Hetzreden des Bauern Irrgang Gehör schenkt, der Anichs Wirken als verderblich für Gemeinde und Land bezeichnet und die Bauern zum Sturm auf das Heim des Kartographen anführt. Anich, durch die Liebe Mariannes, der Braut seines Freundes und Schülers Blasius Hueber, gewarnt, entflieht mit ihr, holt sich von der Regierung in Innsbruck Rechtfertigung und Schutz und kehrt nach Oberperfuß zurück, um sich fortan, nun von seinen Landsleuten geachtet und geehrt, ganz seinem großen Lebenswerk, der Karte von Tirol, zu widmen.
Auf dem Weg zu diesem großen Ziel überwindet der Bauernkartograph auch die Liebe, die sich ihm selbstlos zugewandt hat, er weist Marianne auf seine lebenausfüllende Aufgabe hin und führt sie wieder Blasius Hueber zu, der nun erst befreiten Herzens an Anichs Seite ebenfalls wieder der Tiroler Karte dienen kann.
Mit der Freiheit des Volksdichters hat Max Tribus das Charakterbild Peter Anichs ausgestattet [...].
So ist aus tiefer Heimatliebe, ehrlicher Begeisterung für den Mann und seine Bedeutung sowie aus starkem Bühnengefühl eine echtes Volksstück entstanden, ein Tiroler Komödienspiel die Bezeichnung Schauspiel würde dem Grundton des Stückes wohl besser entsprechen das geeignet erscheint, eine der bedeutendsten Gestalten aus Tirols Vergangenheit in Stadt und Land, besonders in bäuerlichen Kreisen, denen ja Anich und Hueber entstammten, wieder volkstümlich zu machen [...].
Unser Tiroler Landestheater, das sich schon wiederholt die Pflege heimatlicher Bühnenkunst angelegen sein ließ, hat unter der künstlerischen Oberleitung des Intendanten M[ax] A[lexander] Pflugmacher Max Tribus" Peter Anich am 13. d[ieses] M[onats März 1942] zur erfolgreichen Uraufführung gebracht. Dem Stoff und seinen darstellerischen Erfordernissen entsprechend, wies der Intendant die Aufführung der Gaubühne zu, welche ihre Aufgabe mit bestem Gelingen löste. Die Seele der Uraufführung war Albert Peychär, der als Spielleiter nicht nur für die bodenständige Echtheit des Gesamtspieles sorgte, sondern den Peter Anich mit solcher Vertiefung verkörperte, daß der schlichte, menschliche Kern des geschichtlichen Urbildes sich klar und ergreifend enthüllte [...]."
Die Innsbrucker Nachrichten vom 13. Mai 1942 informieren auf Seite 5 über eine vom Autor vorgenommene Bearbeitung des Stücks zu "dramatischer Vertiefung":
"Der Innsbrucker Dramatiker Max Tribus hat bekanntlich um die Gestalt des großen Bauern-Astronomen und Geographen Peter Anich ein Tiroler Komödienspiel geschrieben, das unser Landestheater am 13. März l[aufenden] J[ahres 1942] zur erfolgreichen Uraufführung brachte. In dem Bestreben, seine Dichtung dramatisch zu vertiefen, hat nun Tribus ein Motiv des Volksspieles neu bearbeitet, bzw. verstärkt. Im Leben des wirklichen Peter Anich gab es eigentlich nur ein dramatisches Element, seinen Gegensatz zu den bäuerlichen Dorfgenossen, die in dem wissenschaftlichen Wirken des Bauernkartographen von Oberperfuß ein Herausstreben aus der ländlichen Sphäre und eine den bäuerlichen Interessen widerstrebende, ja schädliche oder sogar feindliche Tätigkeit erblickten.
Diese geschichtliche Tatsache kam in der Urfassung des Stückes nicht zu seiner Geltung, die ihr im Gefüge eines dramatisch wirksamen Spieles zukommt. Daher hat Tribus jene Szene im vierten Bild, in der die Oberperfußer Bauern unter Anführung des hetzerischen Irrgang in das Heim Anichs eindringen, umgearbeitet. Während in der ursprünglichen Szene Anich vor dem Ansturm der Bauern entflieht, stellt er sich in der neuen Fassung seinen Gegnern und verteidigt kraftvoll sein Werk und seine selbstlose, der Heimat und letzten Endes auch den Bauern dienende Arbeit gegen die mißgünstigen Anwürfe. In wirkungsvoller Rede und Gegenrede vertieft sich entschieden die dramatische Wirkung. Anich ist nun schon in dieser Szene der geistige Sieger in dem Augenblick, wo er sich zur eigenen Rechtfertigung und zur Unterstützung seiner Lebensarbeit durch die Regierung nach Innsbruck begibt."
Dieser Schauspielpremiere mit lokalpatriotischem Flair war am 7. März mit der Aufführung von Albert Lorzings komischer Oper Der Waffenschmied eine ebenso volksnahe eingängliche Produktion vorangegangen. Karl Senn bemerkt zu dieser in den Innsbrucker Nachrichtenvom 9. März 1942, Seite 5:
"[...] Die Aufführung des Waffenschmied[s] am Tiroler Landestheater am Samstag, den 7. März, war in Ton und Gestaltung eine bemerkenswerte Leistung. Das sympathische Werk war mit aller Liebe, die es verdient und mit besonderer Sorgfalt, die besonders auch in manchen Einzelheiten in das Blicklicht liebevoller Betreuung trat, gegeben worden. Kapellmeister Hans Moltkau hatte im Musikalischen alles getan, das Werk in seiner köstlichen Frische erstehen zu lassen. Um die Spielleitung hatte sich mit besonderem Erfolg Oberspielleiter Ottomar Mayr angenommen und die Bühnenvorgänge interessant, lebhaft und stilsicher gestaltet [...].
Für die gut klingenden Chöre zeichnete Hajo Hinrichs verantwortlich. Die Vorstellung löste bei dem ausverkauften Hause sehr viel Beifall aus."
Einen Tag zuvor, am 6. März, hatte bereits die Erstaufführung der Komödie Kabinettskrise in Ischl von Zdenko von Kraft für Heiterkeit gesorgt: "Kabinettskrise in Ischl liegt da nicht hohe Politik in der Luft, hören wir da nicht vielleicht von einer geheimen Hof- und Staatsaktion, deren Fäden vom Sommersitz des alten Kaisers, dem auch in den Ferien des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr schlug, aus die Geschicke der Donaumonarchie mitbestimmte? Ach nein, wir vernehmen nur ein Märchen aus uralten Zeiten, die Geschichte von alter und junger Liebe, die sich im Heim des Feldzeugmeisters Gloßmayer heillos verstricken, der als eisgrauer Flügeladjutant sich auf kaiserlichen Befehl mit der 22jährigen Susanne trauen ließ, aber weder Zeit noch Kräfte findet, um sich seiner blutjungen Frau gebührend zu widmen. Daher kommt es zur Kabinettskrise" eigener Art, einer Krise innerhalb und außerhalb der getrennten ehelichen Kabinette, die sich erst durch den lebensklugen Schiedsspruch des Monarchen löst [...]" (Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. März 1942, Seite 5).
Die Tradition der theatralischen Huldigung urgermanischer Mythen in stilisierter und aktualisierter Form wurde am Innsbrucker Theater am 20. März mit der Erstaufführung von Munken Vendt, einer "Nordischen Romanze" in zehn Bildern von Knut Hamsun (1859-1952) fortgesetzt. Hamsun, der berühmte norwegische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger war ein Bewunderer Adolf Hitlers und rechtfertigte dessen Politik in einer Reihe von Zeitungsbeiträgen. Wohl auch darum erschien es für liniengetreue Intendanten nur als folgerichtig, sich der Werke Hamsuns anzunehmen, obwohl seine symbolträchtigen Stücke schwer zu inszenieren waren. Von der wagemutigen hiesigen Theateraufführung berichtet Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. März 1942, Seite 5:
"[...] Ein solcher Mensch ist Munken Vendt, Student, Landstreicher, Vagant, Glücksritter, Ketzer und Gottsucher, in den ersten Szenen überschäumend von ungezügelter Naturkraft, dann alle Höhen und Tiefen der Liebe und des Lebens leidenschaftlich durchmessend, sich auflehnend gegen des Gesetzes Starre, gegen das Vorrecht des Reichtums und gegen übernommene kirchliche Satzung. Im urgermanischen Trotz tritt Vendt dem Diener der Kirche entgegen, verkündet eine neue naturbedingte Religion, denn Gott liebt die Freien und haßt die Knechte. Freiheit ist Munken Vendts höchstes Ideal, doch er befreit sich nicht nur von den Bindungen zur Umwelt, sondern auch von den eigenen selbstischen Begierden, strebt nach Gerechtigkeit, entäußert sich des Reichtums und kehrt entsühnt in den Schoß der mütterlichen Erde zurück.
Auf der Höhe seines Lebens und Wirkens schrieb Knut Hamsun, der heute 83jährige Dichter, vor vierzig Jahren (1902) seinen Munken Vendt und gab ihm die bunte Fülle seiner phantastischen Gestaltungskraft, der mystische und symbolische Züge beigemischt sind. In den ersten Bildern verdichtet sich die poetische Idee zu kraftvollen dramatischen Szenen, von blutvollem Leben bis an den Rand gefüllt; wir glauben einen anderen Peer Gynt auf seiner ewigen Wanderschaft zwischen Himmel und Erde zu begegnen [...].
Die Wiedergabe eines solchen Werkes, das im gleichen Maß in die Breite wie in die Tiefe geht, stellt an die Sprechbühne außerordentliche Anforderungen, vor allem im Bezug auf Stil und künstlerische Stimmung. An unserem Tiroler Landestheater haben Siegfried Süßenguth und Sigfrid Färber sich zu einer Spielleitung verbunden, welche diesen wichtigsten Erfordernissen in seltenem Maß gerecht wurde. Unter vollem Einsatz der besten darstellenden Kräfte reiht sich die Erstaufführung von Hamsuns Munken Bendt nicht nur an die unvergessene glänzende Peer-Gynt-Neuinszenierung im Jänner 1940, sondern an die besten Schauspieldarbietungen der letzten Jahre vollwertig an [...]."
Ende März folgte als nächste Premiere die Operette Eine Nacht in Venedig von Johann Strauß in einer Neuinszenierung. Karl Senn widmete dieser Vorstellung einen begeisterten Kommentar in den Innsbrucker Nachrichten vom 31. März 1942 (Seite 5):
"Eine Ueberraschung eigener Art bot unser Landestheater mit der Aufführung der Johann Straußschen Operette Eine Nacht in Venedig am Sonntag, den 29. März, in völlig neuer Aufmachung und in Besetzung mit Opernkräften unter musikalischer Leitung von Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjen [...].
So kam eine ganz ausgezeichnete Aufführung zustande, an deren künstlerischer Vollendung alle Beteiligten mit letzter Hingabe ihr Bestes gegeben hatten. Vor allem war es Björn Forsell als Guido, Herzog von Urbino, eine glänzende Bühnenerscheinung, der nicht nur in seiner edlen, vornehmen Haltung, seinem Spiel, sondern auch dank seiner herrlichen Stimme voll Wärme und Glanz sich als Künstler von erstem Format bewährte [...].
Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjen war dem Werk ein äußerst sorgsamer Betreuer. Rhythmisch straff geballt, in der melodischen Linie von edler Führung, im Klang schön ausgeglichen, kamen die prachtvollen Straußschen Melodien zu vornehmer Wirkung. Die vielen Tänze, geführt von Gretl von Heimburg, ebenso die Tanzeinlagen Tarantella, von Ballettmeister Helmuth Egger einstudiert und von ihm und Gerti Simpl ausgeführt, besonders auch der hübsche Taubentanz im letzten Akt, wirkten im Bühnengeschehen ungemein belebend. Die Bühnenbilder Hans Siegerts waren von gewohnt künstlerischer Vollendung und erhöhten die Gesamtwirkung. Auch der schönen Kostüme Eva Lentz" und Ferdinand Madls sei anerkennend gedacht, ebenso Hans Kirchers als technischer Leiter der in dieser Hinsicht sehr anspruchsvollen Handlung und Erich Stelzers als sorgsamen Beleuchter.
Das ausverkaufte Haus zollte der prachtvollen Vorstellung voll sprühenden Humors unermüdlichen Beifall, der am Schluß schon kein Ende mehr nehmen wollte. Immer wieder mußten sich die Darsteller, Kapellmeister, Bühnenbildner usw. für den reichen Beifall bedanken, und als sogar der eiserne Vorhang schon gefallen war, mußte Björn Forsell, den stürmischen Hervorrufen folgend, noch einmal in einer Loge erscheinen, um die Huldigungen der begeisterten Besucher entgegenzunehmen.
Die viele Arbeit, die an dieses schöne Werk gewendet wurde, hat sich gelohnt; eine Reihe ausverkaufter Häuser dürften sich noch daran erfreuen."
Im April 1942 wagte sich das Tiroler Landestheater an die Erstaufführung von Clemens von Franckensteins 1920 in Hamburg mit großem Erfolg uraufgeführter Oper Li-Tai-Pe (Des Kaisers Dichter), die dem Komponisten überregionalen Ruf eingebracht hatte. Clemens von Frankenstein war ein überzeugter Katholik und Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Daher überrascht es, dass nicht nur seine Oper in Innsbruck mit großem Aufwand inszeniert und dargeboten wurde, sondern auch der Komponist persönlich für die Erstaufführung am 19. April 1942 in das Tiroler Landestheater eingeladen wurde. Die Innsbrucker Nachrichten hielten dazu am 18. April 1942 (Seite 4) fest:
"Der Komponist und frühere langjährige Generalintendant der Bayerischen Staatsoper Clemens Freiherr von Franckenstein hat anläßlich der Erstaufführung seiner Oper Li-Tai-Pe im Tiroler Landestheater seinen Besuch in Innsbruck angesagt. Clemens von Franckenstein wird mit seiner Gattin Maria Nezadal, die vor zwei Jahren am Tiroler Landestheater tätig war, der Vorstellung am Sonntag, 19. April, beiwohnen."
Dies war wohl die letzte Begegnung mit seinem Werk, denn der Komponist und Gegner des nationalsozialistischen Regimes, infolgedessen 1934 pensionierte Generalintendant der Münchner Bühnen starb am 22. August 1942 in Hechendorf bei München.
Karl Senn verfasste für die Innsbrucker Nachrichten vom 16. April (Seite 5) einen ausführlichen Kommentar zu Li-Tai-Pe, worin er besonders seine Wertschätzung für den Komponisten und sein Werk zum Ausdruck bringt. Von der Aufführung selbst berichtet er voll Enthusiasmus (Innsbrucker Nachrichten vom 21. April, Seite 5):
"Das chinesische Märchen von Li-Tai-Pe Oper in drei Akten von Rudolf Lothar, Musik von Clemens von Franckenstein fand am Sonntag, den 19. April, im Tiroler Landestheater eine im Musikalischen, wie im Darstellerischen und Szenischen vollendet schöne Aufführung. Das chinesische Märchen von Li-Tai-Pe hat durch den Textdichter Rudolf Lothar eine möglichst getreue Widerspiegelung chinesischen Wesens erfahren, die aber doch zum Herzen des Abendländers spricht, ihn unmittelbar berührt, erhebt, zum Mitschwingen und Miterleben zwingt. Die Handlung selbst ist auf die einfachste Formel gebracht und so allgemein verständlich, aber auch eindringlich genug, um Herz und Sinn zu fassen und zu erregen. Dazu hat Clemens von Franckenstein eine Musik geschrieben, blühend, lebendig, eingängig und mitreißend, eine Musik, die ganz dem Charakter des Stoffes entspricht, aus innerstem Empfinden und Miterleben gestaltet ist, voll großzügiger Melodik und charakteristisch in der Harmonik, aber auch eigenartig und selbständig. Wie lebt das alles, schwillt und blüht, fließt und wogt in dem wunderbar instrumentierten Orchester und wie charakteristisch deuten die Singstimmen die Worte, wie glücklich sind die dramatischen Situationen in vornehmste musikalische Sprache gekleidet! Es ist ein Werk reifer Spätromantik.
Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjen hat an sorgsamer Vorbereitung und glänzender Ausführung Außerordentliches geleistet. Was er hier an Rhythmik, Dynamik, melodischer Zeichnung und harmonischer Farbe alles aus dem ihm in freudiger Mitarbeit folgenden Orchester herausholte, das kann man als wirkliche Glanzleistung bezeichnen.
Die Spielleitung sah sich vor manch ungewöhnliche Aufgabe gestellt. Das Fremdartig-Chinesische bedurfte, sollte es nicht in zu nahe Beziehung etwa zu Butterfly treten, ganz eigens geformter Gestaltung. Hier hat sich Spielleiter Eugen Schürer in vorbildlicher Weise bewährt. Wie er die ganze Handlung, insbesondere auch in ihrer Wechselwirkung zwischen Solisten und Chor aufbaute, wie er alles aus dem Geiste des Werkes in engster Zusammenwirkung mit der Musik schuf, überdies wie das Tänzerische insbesondere im ersten Akt die reizenden Bewegungen und blumenhaften Figuren der tanzenden Teehausmädchen (Gretl von Heimburg als Gestalterin) in das Spiel verwoben und damit das Märchenhafte der Handlung immer wieder verdichtet wurde, verdient höchste Anerkennung [...]. Auch der schwierigen gesanglichen Leistung des Chores sei anerkennend gedacht [...].
Das vollbesetzte Haus spendete in Anerkennung so hervorragender Leistungen allen Mitwirkenden reichsten Beifall. Komponist, Darsteller, Kapellmeister, Spielleiter mußten über dreißigmal vor dem Vorhang erscheinen und sich immer wieder bedanken."
Mit Gold in USA von Josef Faas-Hartmann stand ein 1942 gedruckt erschienenes "Zeitstück" auf dem Premierenplan des Landestheaters. Im Gewand einer "Komödie" wird die "zersetzende Wirkung" des Kapitalismus "auf die plutokratische Oberschicht der USA mit ungewöhnlicher Beherrschung aller theatralischen Elemente auf den Pranger der Bühne" gestellt, so urteilt Karl Paulin in seiner Besprechung der Uraufführung vom 17. April, bei der man auch den anwesenden Dichter gefeiert hatte. Das Stück hatte schon deswegen Aktualität, weil die USA im Dezember 1941 in den Krieg eingetreten waren und als verhasste Feinde mit solchen Produktionen auch auf der Bühne lächerlich und schlecht gemacht werden konnten.
In den Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1942, Seite 5, fährt Karl Paulin fort:
"Nichts weniger als eine faustische Idee, wenn auch in eine ganz andere Sphäre gerückt, hat der Dichter in dieser Komödie in blendendes Theater gehüllt. Grundton des Stückes ist die dramatische Verurteilung einer geistigen Haltung, die für die USA kennzeichnend ist und die wir heute im gigantischen Kampf der Weltanschauungen mit furchtbarer Deutlichkeit mehr denn je als geistzersetzend erkennen und verabscheuen. Faas-Hartmann benötigt aber gar nicht die Verschärfung politischer und kriegerischer Spannungen, sondern stellt das Gold als Treibkraft im Kampf um die wirtschaftliche Weltherrschaft dar. So sehr die Absicht des Dichters sich in der rationalistisch gefärbten Ueberwelt und im Hohlspiegel sarkastischen Humors theatralisch verkörpert, der Dialog dringt in geistige und weltanschauliche Tiefen, und da und dort blitzt Shaws Art aus den Szenen, die man sehr wohl ein realistisches Märchen nicht aus uralter, sondern aus allerjüngster Zeit nennen möchte.
Wer den tieferen moralischen Sinn der Komödie, daß die Macht des Goldes an allen inneren, seelischen Werten zerbricht, erfassen will, der darf den roten Faden der Idee nicht verlieren, der die äußeren oft überspitzten und grellen Bühnenvorgänge verbindet und dem theatralischen Gefäß den geistigen Inhalt gibt.
Die bühnenmäßige Verwirklichung eines solchen in ganz bestimmter Art stilisierten Zeitstückes, das abseits jeder Schablone gebaut ist, stellt Spielleitung und Szenenkunst vor ganz besondere Aufgaben, die bei der Uraufführung von unserem Tiroler Landestheater in hervorragender Weise gelöst wurden. Dramaturg Dr. Sigfrid Färber, wiederholt erfolgreich erprobt in der geistigen Durchdringung literarischer Probleme, verstand es als Spielleiter, das Gleichgewicht zwischen Geist und Materie, das in solcher Mischung durchaus nicht immer leicht zu wahren ist, mit künstlerischem Feingefühl zu erhalten. Daß dies gelang und die Uraufführung zu einem Erfolg wurde, wie er nur selten einem modernen Bühnenwerk am Geburtsabend beschieden war, ist vor allem auch der schauspielerischen Ausprägung der wichtigsten Rollen zu danken [...].
Hans Siegert hat sich in der ebenso originellen wie künstlerisch großartig durchgeführten szenischen Gestaltung selbst übertroffen. Wer hätte erwartet, daß der in allen Sätteln gerechte Meister jedes nur erdenklichen irdischen Bühnenbildes sich auch als Architekt himmlischer Räume in solchem Maß bewähren wird. Und die Krönung der Goldfeller-Zentralbüros mit der New Yorker Freiheitsgöttin eine symbolische Verstärkung der dichterischen Absicht hat den künstlerischen Erfolg der Uraufführung zweifellos mitentschieden.
Daher galt der immer wieder aufrauschende reiche Beifall, der sich auch in prächtigen Blumenspenden ausdrückte, nicht nur dem anwesenden Dichter und seinen Darstellern, sondern auch den leitenden Kräften dieses Abends, Spielleiter Dr. Sigfrid Färber und Bühnenbildner Hans Siegert."
Zum Geburtstag des "Führers" gab es eine "Festvorstellung" von Albert Lortzings komischer Oper Der Waffenschmied (Innsbrucker Nachrichten vom 22. April 1942, Seite 5).
Für den 2. Mai wurde ein "Ballettabend" angesetzt. In einer Vorschau der Innsbrucker Nachrichten vom 30. April 1942, Seite 4, heißt es dazu:
"[...] Im Mittelpunkt steht die altbekannte Ballettpantomime von Josef Bayer Die Puppenfee, seit Jahrzehnten das erfolgreichste und meistgespielte Tanzwerk der deutschen Theater. Die Inszenierung und Einstudierung aller Tänze liegt in den Händen von Ballettmeister Hellmuth Eger, Hajo Hinrichs ist mit der musikalischen Leitung betraut, die Szenerie gestaltete Hans Siegert. Die Titelrolle der Puppenfee tanzt die erste Solotänzerin des Landestheaters Gerti Simpel, in der Pantomime wirken außerdem Hellmuth Eger, die Tanzgruppe des Landestheaters, Elevinnen und Kinder mit. Der Puppenfee voraus gehen klassische Tänze, unter anderem Webers Aufforderung zum Tanz, Mozarts Türkischer Marsch und Bizets Arlesienne-Suite II, die teils als Solo-, teils als Gruppentänze dargeboten werden."
Zur Aufführung selbst meint Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Mai 1942, Seite 4:
"Das Ballett unseres Landestheaters, das während des ganzen Jahres in Opern und Operetten stark beschäftigt ist, gab am Samstag, den 2. Mai, einen eigenen Ballettabend, den Ballettmeister Helmut Eger ausgezeichnet vorbereitet und inszeniert hat. Die Darbietungen entsprachen den Erwartungen; insbesondere waren es Ballettmeister Eger und Gerti Simpel, deren hohe Tanzkunst Begeisterung erweckte, so schon in der ersten Nummer: Aufforderung zum Tanz von Carl Maria von Weber. Hildegard Hoyer zeigte sich im Türkischen Marsch von W. A. Mozart als anmutige Tänzerin, auch im mimischen Ausdruck von moderner Auffassung. Sehr hingebungsvoll tanzte Gerti Schulz mit der Tanzgruppe den Ballettwalzer von Hanns Löhr. In Georges Bizets L'Arlésienne, Suite II, von der vier Sätze: Pastorale, Intermezzo, Menuett und Farandole getanzt wurden, sah man bei Gerti Simpel und Helmut Eger wie auch bei der Tanzgruppe in guter Anlehnung an die Musik mimische Ausdruckskunst und starke plastische Posen.
In schöner Aufmachung, hübsch im Tänzerischen wie im Spielerischen, kam in der zweiten Abteilung die Ballettpantomime Die Puppenfee von Josef Bayer heraus. Bayer, 1852 in Wien geboren, 1913 dort gestorben, war ursprünglich Violinist im Hoforchester, wurde 1885 Ballettkapellmeister und Hofballettdirektor. Er schrieb eine Reihe liebenswürdiger Ballette und Operetten. Die 1888 in Wien uraufgeführte Puppenfee erfreute sich ungewöhnlichen Erfolges und bietet auch heute noch dank der echt wienerisch beschwingten Musik und der vielfachen Anlässe zu reizenden Tänzen den Zuschauern reiche Gelegenheit, sich an anmutigen Bewegungen, tänzerischem Können und mimisch heiterem Spiel zu erfreuen [...].
Die musikalische Leitung war bei Kapellmeister Hajo Hinrichs in guten, sicheren Händen. Er dirigierte mit viel Schmiß unter Herausarbeitung schwungvoller Linien. Die Bühnenbilder Hans Siegerts waren auf gewohnter Höhe. In Kostümen hatten Eva Lentz und Ferdinand Madl mit reicher Abwechslung sehr viel Schönes, Farbenprächtiges und Sehenswertes geschaffen. Am Schluß der Vorstellung gab es reichen Beifall im ausverkauften Haus."
Das Tanzspiel Die Puppenfee wurde "auf vielseitigem Wunsch" im Tiroler Landestheater am 9., 16. und 23. Mai, jeweils an einem Samstag, nachmittags um 15 Uhr als Kinder- und Jugendvorstellung angeboten. Bei den Jugendvorstellungen gelangte das vollständige Programm des Ballettabends zur Aufführung (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Mai 1942, Seite 5).
Mit Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel Minna von Barnhelm kam zum Abschluss der Saison ein deutscher Klassiker zu Ehren. Es ist bezeichnet, dass auch in diesem Genre das komödiantische Repertoire bevorzugt wurde. Dass damit aber keineswegs die Alltagssorge des Krieges verdrängt werden konnte, sondern im Gegenteil die raue Wirklichkeit die Scheinwelt des Theaters nicht unbehelligt ließ, wird aus der Besprechung der Neuinszenierung im Tiroler Landestheater am 15. Mai durch Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Mai 1942 (Seite 5) deutlich:
"Der Krieg verändert das Antlitz vieler Dinge, zerstört manchen schönen Schein, deckt das Wesentliche auf und gibt unserem Blick und unserem Fühlen eine andere Richtung und Tiefe. Gilt dies vor allem für den Ablauf des äußeren Lebens, so macht die umwandelnde Kraft des Krieges auch vor den kulturellen Werken nicht hat. Wir sehen heute um beim klassischen Theater zu bleiben einen Faust, Egmont, Wallensteinoder Tell von einem anderen Blickpunkt aus, bestimmte Elemente des Kunstwerkes treten zurück, verblassen, andere aber, die wir früher kaum recht erkannten, gewinnen neue Farben, die der zeitlosen künstlerischen Gesamtwirkung zugutekommen.
So läßt uns der Krieg nun auch das erste deutsche Lustspiel, Lessings Minna von Barnhelm, von einer besonderen Seite sehen und erleben. Das Soldatische tritt stärker als früher hervor und unser Gefühl, das für soldatische Tugenden besonders empfänglich ist, spürt den Ton goldechter, selbstloser Kameradschaft bewußter, der früher ein bißchen zu idealisiert oder übertrieben empfunden wurde. Denn ob Siebenjähriger Krieg oder der gegenwärtige gigantische Daseinskampf Großdeutschlands, die Kameradschaft bis in den Tod ist doch das stärkste menschliche Band, das die Soldaten unlösbar eint [...].
Die Inszenierung dieses Lustspiels stellt die Gegenwartsbühne vor keine leichte Aufgabe; der Spielleiter muß die lebensvollen Elemente der Dichtung so herausstellen, daß sie Stil und Fluß der Aufführung beherrschen, ohne die klassische Linie zu stören. Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth, der mit feinstem künstlerischem Gefühl unser dichterisches Krongut den Bedürfnissen der Gegenwartsbühne nutzbar macht, hat das Lustspielmäßige soviel als möglich gelockert und die farbige, bewegte Ausführung der Episoden besonders betont.
Anton Straka gab dem Major Tellheim den herzüberwindenden, starren Charakter eines Fanatikers der eigenen Ehre, der menschlich sich erst in den letzten Liebesszenen aufglühend befreite. Berthe Waeber war als Minna ein würdiger Gegenstand von Tellheims Liebe, die bezwingende Bühnenerscheinung, die bei tieferer Beseelung dem dichterischen Bild noch besser entsprochen hätte, entfaltete sich am schönsten in dem kaum verhaltenen Liebesgespräch mit Tellheim. Eine Ueberraschung bot Evi Volkmer als Franziska. Die junge, bisher nur im Rahmen der Gaubühne hervorgetretene Schauspielerin war eine erfrischend natürliche Franziska, ein resches, dem derben Männervolk überlegenes Frauenzimmerchen", das sich schließlich seinem Wachtmeister Werner, von Richard Nagy mehr behaglich-humorvoll als resolut-soldatisch gegeben, eroberte [...].
So folgte dieser letzten Neuinszenierung der Winterspielzeit ein langanhaltender, lebhafter und dankbarer Beifall."
In den Innsbrucker Nachrichten vom 27. Juli 1942, Seite 5, veröffentlichte Karl Paulin einen Überblick über die Unternehmungen des Tiroler Landestheaters in der Spielzeit 1941/42. Es ist wirklich erstaunlich, dass trotz aller kriegsbedingten Erschwernisse ein vielfältiges und engagiertes, konsequent ablaufendes Programm angeboten werden konnte mit insgesamt 329 Vorstellungen, darunter auch drei Uraufführungen im Sektor des Schauspiels, neben zahlreichen Gastspielen in Kreisstädten des gesamten Gaugebiets:
"Zu den wichtigsten Stätten nationalsozialistischer Kulturpflege gehört das Theater, die Sprechbühne, der in voller Erkenntnis ihrer volksbildenden Bedeutung von den maßgebenden Stellen des Reiches jede nur mögliche Förderung zuteil wird. Daß auch in unserem Gau Tirol-Vorarlberg die Pflege des Theaters mit dem Einsatz aller verfügbaren Kräfte ungeachtet aller kriegsbedingten Schwierigkeiten weitergeführt wird, zeigt die jetzt vorliegende Statistik unseres Tiroler Landestheaters über die Spielzeit 1941/42.
Zum erstenmal eröffnete das Landestheater am 29. Juli 1941 eine Sommerspielzeit, die bis 31. August v[origen] J[ahres] dauerte und an die unmittelbar am 3. September eröffnete Winterspielzeit anschloß, die am 31. Mai 1942 beendet wurde. In diesen zehn Monaten wurden insgesamt 329 Veranstaltungen durchgeführt, die sich in die drei großen Gruppen des Schauspieles, des musikalischen Theaters (Oper, Operette, Tanz usw.) und der Konzerte gliederten. Demnach verteilten sich die Veranstaltungen folgendermaßen: 20 Schauspiele (einschließlich Lustspiel) erzielten 124 Aufführungen, neun Opern 76 Aufführungen, zwölf Operetten (einschließlich Ballett- und Tanzgastspiele) 110 Aufführungen. Das sind zusammen 310 Theatervorstellungen, zu denen 19 Konzertabende kommen, was eine Gesamtzahl von 329 Darbietungen ergibt. Nähere Aufschlüsse über die Zusammensetzung und die Auswirkung des Spielplanes erhalten wir aus den Aufführungsziffern, die zugleich den Erfolg, bzw. die Teilnahme des Publikums kennzeichnen.
An der Spitze der Aufführungszahl steht bezeichnenderweise Vetterlings Operette Liebe in der Lerchengasse mit 32 Aufführungen. Danach schließen sich: Lehars Operette Friederike mit 21 Abenden, Puccinis Oper Madame Butterfly mit 18 Aufführungen, Johann Strauß" Operette Eine Nacht in Venedig mit 14, dann Verdis Oper Othello und Künneckes Operette Glückliche Reise mit je zwölf, die Oper Mozarts Figaros Hochzeit und Lortzings Der Waffenschmied mit je elf Aufführungen.
Nun erst kommt das Schauspiel dran, dessen Lustspiele Kernmayer: X für ein U, Krafft: Kabinettskrise in Ischl und Färbers Märchen Mutzl, der gestiefelte Kater je zehn Aufführungen erzielten, eine Zahl, die auch Pepöcks Operette Drei Wochen Sonne erreichte. Die nächsthöhere Aufführungszahl (acht Abende) erzielten Flotows Oper Martha und die Schauspiele Faas-Hartmann: Gold in USA und Kernmayer: Wien bleibt Wien. An sieben Abenden kamen Kollos Operette Frauen haben das gern und die Schauspiele Billinger: Melusine, Foerster und Munck: Die Neuberin, Lessings Minna von Barnhelm und Schwarz und Mathern: Der Meisterboxer zur Darstellung, sechs Aufführungen erzielten Richard Strauß' Oper Ariadne auf Naxos, Goethes Egmont, Grabbes Don Juan und Faust, Anzengrubers Der G‘wissenswurm und der Ballettabend.
Aus diesen statistischen Ziffern, die wir nur im Auszug wiedergeben, ist sowohl die Zugkraft der einzelnen Werke als auch die Vorliebe des Publikums deutlich zu erkennen. Naturgemäß stehen die musikalischen Darbietungen, denen Intendant M[ax] A[lexander] Pflugmacher seine besondere Sorgfalt widmet, im Vordergrund, das ergibt ein Vergleich zwischen der Anzahl der aufgeführten Werke und ihren Wiederholungen. Während neun Opern 76 Aufführungen erreichten, konnten neun Schauspiele nur 55 Abende füllen und während sieben Operetten 99 Aufführungen bestritten, wurden sieben Lustspiele an 50 Abenden gegeben, das heitere Sprechstück erreichte also nur die Hälfte der Operettenaufführungen.
Trotz der stärkeren Anziehungskraft des musikalischen Spielplanes wurde das Schau- und Lustspiel unter der Leitung des Schauspieldirektors Siegfried Süßenguth mit einem unermüdlichen künstlerischen Eifer gepflegt, wie ihn dieser Kern des kulturellen Theaters verdient. Im Rahmen der Spielzeit kam sowohl klassische wie moderne Bühnendichtung zur Darstellung. Von klassischen Abenden verdienen besondere Erwähnung Goethes Egmont, Lessings Minna von Barnhelm, Grabbes Don Juan und Faust, ferner die Feierstunde zum 9. November mit Kleists Prinz von Homburg. Das moderne Schauspiel war mit Zerkaulens Der Reiter, Billingers Melusine, Foerster-Munck Die Neuberin, Hamsuns Munken Bendt hervorragend vertreten.
Einen besonderen Beweis für die Tatkraft und den Wagemut unseres Landestheaters auf dem Gebiet des Schauspiels bildeten die drei Uraufführungen der letzten Spielzeit, und zwar Faas-Hartmanns Gold in USA, Max Tribus Peter Anich und Kernmayer Wien bleibt Wien.
Einen bedeutsamen Teil seiner kulturellen Aufgabe erfüllte das Landestheater auch durch Veranstaltung von 73 Gastspielen, durchgeführt von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, nach Garmisch-Partenkirchen und nach verschiedenen Orten des Gaues Tirol-Vorarlberg, u. a. Kufstein, Reutte, Fulpmes, Telfs, Dornbirn, Bregenz, Feldkirch, Lustenau, Hohenems, Bludenz, Schruns, Götzis und Hard.
Die künstlerische Arbeit unseres Landestheaters hat nach Abschluß der Spielzeit 1941/42 nur durch das gegenwärtig laufende Jubiläumsgastspiel der Exl-Bühne eine Unterbrechung erfahren. Donnerstag, den 16. Juli l[aufenden] J[ahres], wird diese Arbeit mit dem Beginn der Sommerspielzeit 1942 ihre Fortsetzung finden."
Die Sommerspielzeit 1942 des Tiroler Landestheaters wurde mit dem Erfolgsstück des Hauses, der Operette Liebe in der Lerchengasse, die mit ihrem lokal gefärbten Kolorit den Vorlieben des Publikums besonders entgegenkam, am 16. Juli eröffnet. Karl Senn schreibt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Juli 1942, Seite 5:
"Nach kurzen Ferien begann das Tiroler Landestheater am Donnerstag, den 16. Juli, seine Sommerspielzeit mit der bewährten, in der abgelaufenen Spielzeit schon so oft gegebenen Operette aus Alt-Insprugg, Liebe in der Lerchengasse. Die Partie der Charlotte, der Tochter des Hofrates Zibelius, sang zum ersten Male die neu verpflichtete Sängerin Fini Fügner. Sie ist eine gute Bühnenerscheinung, voll Scharm, mit lebhaftem Spiel und beherrscht ihre Rolle vortrefflich. Ihre Stimme ist von angenehmem Timbre, schön durchgebildet, tragfähig; die Durchführung der Partie verriet große musikalische Sicherheit. Die Sängerin wurde von den Zuhörern sehr herzlich aufgenommen und mit viel Beifall ausgezeichnet.
Den Hofrat Zibelius gab Rudolf Tlusty, hier schon von einer früheren Verpflichtung bekannt. Seine Bühnenroutine, unterstützt von einem urwüchsigen Humor, wußte der Partie viel Gewinnendes in natürlicher Charakteristik zu geben.
Die übrigen, bereits gewürdigten Darsteller gaben unter der temperamentvollen musikalischen Leitung von Kapellmeister Hans Moltkau und der wohlgelungenen Inszenierung Ottomar Mayrs ihr Bestes. Das ausverkaufte Haus verfolgte mit Spannung die abwechslungsreichen Vorgänge auf der Bühne und unterhielt sich durch drei Stunden glänzend."
Dem bewusst vergnügt gesetzten Auftakt folgte unmittelbar eine heitere Fortsetzung im Bereich des Schauspiels am 17. Juli. Karl Paulin bemerkt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1942, Seite 4:
"[...] Nun hob sich zu Beginn der heurigen Sommerspielzeit des Tiroler Landestheaters der Vorhang vor einer der beliebtesten Goldoni-Komödien, seinem Diener zweier Herren [...]. Bei uns hat Dr. Sigfrid Färber diese Komödie mit der gleichen einfühlenden Liebe in Szene gesetzt, wie seinerzeit den Lügner. Stimmung und Ton entsprachen dem leichtgeschürzten Spiel der Verwechslungen, das die Hauptwirkung, das eigentlich Komödiantische, in die Hände der Darsteller legt. Eine leichte Neigung zur Posse war in den einzelnen Szenen nicht zu verkennen [...]."
Während diese Darbietung eine Neuinszenierung darstellte, wurde im Bereich der Operette eine weitere Reprise angeboten: "Als zweite Operettenvorstellung der laufenden Sommerspielzeit am Tiroler Landestheater kam die Johann Straußsche Operette Ein Nacht in Venedig am Sonntag, den 19. Juli, in teilweiser Neubesetzung zur Aufführung. Den Senator Bartolomeo Delaqua gab Rudolf Tlusty recht charakteristisch, voll Laune in lebendiger Darstellung. Neu war auch Nanna Egils als dessen Frau Barbara. Sie ließ viel Gutes erkennen, besitzt eine klare, geschmeidige, besonders in der Höhe ausgiebige, in der Mittellage noch nicht immer durchdringende Stimme. Sie singt sehr kultiviert, verfügt über schöne Schwelltöne und hat ein schönes, klingenden Piano. Das Fischermädchen Annina war bei Anneliese Hauck mit ihrem nie versagenden Humor in besten Händen. Auch gesanglich wußte sie diese dankbare Partie reizend und mit viel Ausdruck zu gestalten" (Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Juli 1942, Seite 5).
Dem launigen Grundcharakter des Sommerprogramms entsprach auch die Komödie des ungarischen Dramatikers Johann von Bokay. Autor und Stück werden in einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Juli 1942, Seite 5 kurz vorgestellt: "Am Mittwoch, den 22. Juli, findet im Landestheater die Erstaufführung von Johann von Bokays Die Gattin statt, einer sehr charmanten, an Spannungen und Ueberraschungen reichen Komödie. Der Ungar Johann von Bokay, Autor mehrerer guter Komödien, führt hierin einen wundervoll gepflegten und doch frischen Dialog voll Geist und Witz. Es wechseln Momente von menschlich warmen Empfindungen mit solchen, in denen man über die Torheit der irrenden Männer nur lachen kann. Das Problem der Ehe ist mit so eindringlicher Ernsthaftigkeit diskutiert, daß man nachdenklich wird. Das Stück wurde mit dem Bojnitz-Preis von der ungarischen Akademie der Künste und Wissenschaften ausgezeichnet. Die Spielleitung hat Paul Schmid. Mitwirkende sind: Margaretha Castana, Anny Fuchs, Stephanie Höflinger, Marion Richter, Sofia Schmitz, Walter Jereb, Paul Schmid. Die Bühnenbilder sind von Hans Siegert."
Zur Innsbrucker Erstaufführung teilt Karl Paulin, wie immer in seinen Besprechungen mit sprachlicher Noblesse und großer Einfühlungsgabe, in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Juli 1942 (Seite 4) mit:
"Wie verhält sich eine Frau nach entdeckter Untreue ihres Mannes? Die Antwort auf diese Frage wird je nach Temperament und Herzenstemperatur der betreffenden Frau sehr verschieden ausfallen. Der Ungarische Dramatiker Johann von Bokay schrieb um dieses problematische Thema eine im Dialog sehr fein geschliffene Komödie Die Gattin, die aber durch die Vertiefung des Dichters in die eheliche Psyche beinahe zu einer Tragödie geworden wäre. Jedenfalls verschlingen sich die heiteren und ernsten Fäden des Stückes derart, daß die Grundlinien der Komödie, je mehr die Handlung dem Ende zuneigt, immer weniger klar zu erkennen sind. Die Ausstrahlungen des Grundmotives auf die einzelnen Charaktere sind aber so fein durchschaut und in so treffende Bühnenform gebracht, daß die vielerlei Wahrheiten, die aus den dramatisch gespannten Wechselreden aufblitzen, immer wieder den Kern des wirklichen Lebens treffen.
Verwandelte sich diese Komödie schon unter den Händen des Dichters in ein tiefdringendes Charakterschauspiel, so wurden begreiflicherweise auch die schauspielerischen Bestrebungen, unter der Spielleitung Paul Schmids, in eine ähnliche Richtung gelenkt. Sofia Schmitz stand in der Hauptrolle als Anna in Widerstreit zwischen Gefühl und Geist; so kämpferisch sie ihrer Rivalin gegenübertrat, so überlegen ihre Strategie zur Wiedergewinnung des Gatten ausgedacht schien, die Kraft des Herzens hielt, auch in dem gefährlichen Spiel mit dem Freund, nicht immer das für die Komödie erforderliche Gleichgewicht [...].
Die tragischen Akzente der gefühlsbetonten Darstellung wirkten so stark, daß der auflockernde ausgleichende Schluß zu unvermittelt kam [...].
Interesse und Spannung des Publikums wuchsen von Akt zu Akt und lösten sich nach dem dritten Bild in anhaltendem Beifall."
Die für Sonntag, den 26. Juli geplante Othello-Reprise fiel "wegen Erkrankung" aus. Als Ersatz wurde die in der Spielzeit sehr gefragte Operette Friederike von Franz Lehár aufgeboten. In der Titelpartie stellte sich dabei die neue Erste Operettensängerin Erika Feichtinger vor (Innsbrucker Nachrichten vom 25. Juli 1942, Seite 5).
Als Neueinstudierung und in gänzlich neuer Ausstattung für das Sommerprogramm folgte Albert Lortzings komische Oper in drei Aufzügen Zar und Zimmermann am 30. Juli. Karl Senn kommentiert die Aufführung in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. August 1942, Seite 5:
"[...] Anerkennung verdienen auch die Tänze, einstudiert von Ballettmeister Helmut Eger und Hildegard Hoyer, doch erfuhr der sonst so schöne alt-holländische Holzschuhtanz leider eine zu groteske Fassung. Die musikalische Leitung besorgte Kapellmeister Hans Moltkau temperamentvoll und vor allem sehr sauber. Die neuen Bühnenbilder Hans Siegerts gaben einen schönen Rahmen für die Handlung. Bunt und lebendig wirkten die Kostüme, geschaffen von Eva Lentz und Ferdinand Mandl."
Als Operettenneuheit wurde am 6. August 1942 Schäfchen zur Linken (Text: Peter Klaus, Musik: Karlheinz Gutheim) vorgestellt. Karl Senn weiß dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. August 1942, Seite 5):
"[...] Die harmlose Handlung hat Situationskomik und gibt der Musik reichlich Gelegenheit, Tänzerisches und Liedhaftes zu bringen. Die Tänze klingen in ihren zackigen Rhythmus flott und haben auch in der Instrumentierung, viel Jazzmäßiges; Lieder sowie die wenigen Ensemblestellen sind mit melodischen Einfällen gestaltet [...].
Kapellmeister Hans Moltkau hatte die musikalischen Belange der Aufführung bestens gewahrt und für eine flüssige, schmissige Ausarbeitung gesorgt. Die Spielleitung lag bei Ottomar Mayr in gewiegten Händen, die alle Bühnenvorgänge in steter Bewegung und flottem Fortgang hielten [...]. Das ausverkaufte Haus spendete allen Darstellern und Mitwirkenden vielen wohlverdienten Beifall."
Mit Richard Billinger und seiner Komödie Stille Gäste kam am 11. August ein von den Nationalsozialisten geschätzter Vertreter der Gegenwartsliteratur zu Wort. Seine Bühnenstücke erfuhren im Tiroler Landestheater eine kontinuierliche Pflege. So waren die Stillen Gästenach Gigant und Melusine schon die dritte Billinger-Inszenierung, für die sich insbesondere Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth engagierte. Aus einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 10. August 1942 (Seite 5) erfährt man zum Autor und zur Thematik seiner Stücke Folgendes:
"[...] Richard Billinger, der zu den bedeutendsten Dramatikern der Gegenwart gehört, ist ein Bauernsohn aus dem Inntal, geboren 1893 in St. Marienkirchen bei Schärding [...]. Der süddeutsch-bäuerlichen Welt, der Richard Billinger entwachsen, blieb der Dichter immer treu. Immer sind bäuerliche, erd- und naturverbundene Menschen Hauptgestalten seiner Dichtungen, die Schicksale dieser Gestalten verflechten sich mit dämonischen Kräften [...]. Die Komödie Stille Gäste, die bereits 1933 uraufgeführt wurde, spielt in einem alten geheimnisvollen Schloß, in dem ein Wiener Brautpaar seltsame Erlebnisse mit den Ahnen des Hauses hat [...]."
Von der Aufführung, bei der der Dichter auf Einladung der Intendanz des Tiroler Landestheaters anwesend war, berichtet Karl Paulin. Er erkennt klug, dass sich hinter Billingers vermeintlicher Blut-und-Boden-Thematik nicht die Idylle des Bauernlebens verbirgt. Vielmehr ist es das Anliegen des Autors, aus seinem persönlichen Erleben die ländliche Umwelt als Bedrohung einer Urgewalt entfesselter dämonischer Kräfte zu empfinden und diese Vorstellung in Bildern von expressionistischem Symbolismus seltsam-skurriler Gestalten und Situationen zu transformieren, die nicht eine naturalistische, sondern eine tiefenpsychologische Interpretation der Erfahrung ausdrücken (Innsbrucker Nachrichten, 13. August 1942, Seite 4):
"Richard Billinger, eine der stärksten Persönlichkeiten der alpendeutschen Gegenwartsdichtung, schöpft im Gegensatz zu manchen stoffarmen Dramatikern aus einer Ueberfülle, er gestaltet in seinen Bühnenstücken das bunte Wechselspiel des Lebens, das Auf und Ab der Dinge und Menschen, wie sie der Tag und das Schicksal an die Oberfläche spülen, dann wieder verschlingen und wieder auf kurze oder längere Zeit auftauchen lassen. Diese Fülle des Erlebens drängt den Gestaltenden zu skizzenhafter problematischer Charakterisierung, läßt da und dort ein Motiv aufklingen, eine Figur erscheinen und wieder verschwinden, so daß typische Billinger-Stücke mehr das Puppen- und Maskenspiel des Lebens, als ein einzelnes dramatisches Geschehen, wie es z. B. Karl Schönherr in strengster Konzentration der Bühne gibt, spiegelt [...].
Nun lernen wir eine ältere Komödie Billingers kennen; Stille Gäste, entstanden und uraufgeführt 1933, zeigt die Ursprünglichkeit des Dichters, seine im Triebhaften, Dämonischen, Elementaren wurzelnde Eigenart noch deutlicher, gleichzeitig aber auch die merkwürdige unausgegorene Mischung seiner dramatischen Mittel. Märchenhaftes und Symbolisches, Realismus und Gespensterspuk, blutvolle Sinnlichkeit und romantische Verklärung, Bäuerliches und Städtisches sind in dieser Komödie derart verflochten, daß sich zwar kein klares Endergebnis, aber eine vielfarbige Fülle von Stoffen und Gestalten in den fünf Bildern über die Bühne bewegt [...].
Das Personenverzeichnis erfordert nicht weniger als 19 Rollen [...].
Unter der Spielleitung Siegfried Süßenguths kamen die Stillen Gäste zu einer Erstaufführung, die alle vorhandenen Kräfte unseres Schauspielpersonals in den Dienst des Werkes stellte. Der wesentlichen Bedeutung des Szenischen, namentlich der wirklichkeitsgetreuen Milieuwiedergabe, hat Hans Siegert in seien künstlerisch vollendeten Bühnenbildern, besonders im Schloßzimmer, dem Metzgerladen und der Prunkstube, Rechnung getragen [...].
Richard Billinger, der persönlich der Innsbrucker Erstaufführung seiner Komödie beiwohnte, wurde nach dem fünften Bild mit dem Spielleiter und den Darstellern wiederholt vor die Rampe gerufen und mit lebhaftem Beifall bedankt."
Das zum ursprünglichen Termin am 9. März 1942 geplante Gastspiel der renommierten Tänzerin Gret Palucca in Innsbruck (vgl. Details oben) wurde offensichtlich in das Sommerprogramm verlegt, denn die Innsbrucker Nachrichten vom 22. August 1942 bringen auf Seite 6 eine Vorankündigung wie folgt:
"Die berühmte Tänzerin Palucca gibt in diesem Jahr wieder ein einmaliges Gastspiel im Tiroler Landestheater. Ihr Programm enthält eine neue, ungewöhnlich reiche Tanzfolge, unter anderem: Aufforderung zum Tanz, Slawische Tänze, Menuette von Mozart und Beethoven, Im spanischen Rhythmus. Die Palucca wurde auf ihrer letzten Deutschland-Gastspielreise überall mit ungewöhnlich großem Beifall aufgenommen und es steht somit auch Innsbruck ein großes Erlebnis bevor."
"Die Palucca tanzt" melden die Innsbrucker Nachrichten vom 29. August 1942, Seite 5: "Die Palucca gab am Tiroler Landestheater ein Tanzgastspiel. Die Besucher wurden Zeugen einer durch vollendete Körperbeherrschung und brillante Technik unterbauten Ausdruckskunst von betonter Eigenart. Zwei slawische Tänze von Dvorak bildeten den beschwingten Auftakt, dem Beethovens wundervolle, poesiedurchwehte Mondscheinsonate folgte. Brahms Ungarischer Tanz gab der Tänzerin Gelegenheit zu ihrer einfallsreichen Darbietung. Drei Menuette und zwei spanische Tänze beschlossen die Tanzfolge, die von Helga Dohler verständnisvoll am Flügel begleitet wurde."
Nach Billingers Stille Gäste kam als weiteres Highlight der Gegenwartsliteratur John Knittels Via mala, ein "volkstümliches Drama in sechs Bildern", das der Autor nach seinem gleichnamigen Roman dramatisiert hatte, zur Aufführung. Das Stück hatte nach seiner Premiere im März 1940 im Tiroler Landestheater etliche Wiederaufnahmen erlebt und gehörte so zu den populärsten und erfolgreichsten Schauspielen des Hauses (vgl. Innsbrucker Nachrichten vom 24. August 1942, Seite 5).
Als "Höhepunkt der Sommerspielzeit" wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. September 1942 (Seite 3) ein Gastspiel von Intendant Staatsschauspieler Heinrich George mit Walter Süßenguth vom Schillertheater Berlin in Calderón de la Barcas Der Richter von Zalamea geschildert:
"Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth, der Bruder des gastierenden Walter Süßenguth, besorgt die Inszenierung des Stückes, das in der freien Nachdichtung von Wilhelm von Scholz zur Aufführung kommt.
Die Aufführungen sind für Sonntag, 6., Montag 14., Dienstag, 15., und Mittwoch, 16. September vorgesehen. Die ursprünglich für Sonntag, 12., vorgesehene Aufführung ist auf Mittwoch, den 16. September, verschoben, da Intendant Heinrich George zur Biennale nach Venedig berufen wurde. Die für Sonntag, den 12. September, bereits gelösten Karten behalten für Mittwoch, den 16. September Gültigkeit."
Die erste Vorstellung im Bereich des Schauspiels in der Spielzeit 1942/43 galt traditionsgemäß einem Meisterwerk der deutschen Klassik. Am 26. September 1942 wurde mit Friedrich Schillers Freiheitsdrama "Die Räuber" diese Usance fortgesetzt und wiederum ein Theaterstück des großen deutschen Dichters ausgewählt, nachdem dem Innsbrucker Publikum bereits in früheren Jahren mit "Wilhelm Tell", "Maria Stuart" und "Wallenstein" sein überragendes Schaffen mit Standardwerken nahe gebracht wurde. Über die Aufführung und die Problematik der Umsetzung der Sturm-und-Drang-Thematik in ein gegenwärtiges Verständnis schreibt Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1942, Seite 5:
"[...] Nun haben am 26. d[ieses] M[onats September] Die Räuber ihr unzerstörbares Bühnenleben bewährt; des Dichters kraftgeniale Sätze, in diesem Frühwerk noch zugeschliffen vom klassischen Pathos, klingen wie Fanfarenstöße einer Zeit, die gar nicht so ferne ist und in der auch ein höherer Wille an den morschen Stützen des Bestehenden rüttelte. Das Zeitlose dieser Dichtung immer wieder in das Licht der Gegenwart zu heben, ist das Problem jeder Räuber-Inszenierung, die den Spielleiter vor besondere dramaturgische und szenische Aufgaben stellt.
In beiden Richtungen hat Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth Vorbildliches geleistet und eine Neuinszenierung herausgebracht, die als wahrhaft festlicher Auftakt des Schauspiels im Reichsgautheater zu werten ist [...].
Was eine stilvolle einfühlende Szenenkunst als Rahmen einer Klassikervorstellung bedeuten kann, ersahen wir an den Bühnenbildern Hans Siegerts, der wieder, wie schon so oft, sich ebenbürtig neben Spielleiter und Hauptdarsteller in den Dienst der Dichtung stellte und daher auch seinen wesentlichen Anteil an dem vom Publikum durch begeisterten Beifall bestätigten Erfolg hat.
Nach diesem künstlerisch hochwertigen Beginn dürfen wir wohl mit berechtigten Erwartungen der Entfaltung des weiteren Spielplanes des Sprechstückes an unserem Reichsgautheater entgegensehen.“
Die erste Wiederholung am 28. September war eine Sondervorstellung für die Hitler-Jugend. Weitere Aufführungen gab es am 30. September und 2. Oktober (Innsbrucker Nachrichten vom 25. September 1942, Seite 5).
Als Operettenpremiere folgte am 3. Oktober Die Dubarry von Hans Martin Cremer, mit der Musik nach Carl Millöcker (1842-1899) von Theo Mackeben (1897-1953). Karl Senns Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Oktober 1942, Seite 4, vermittelt eine gute Vorstellung von der erfolgreichen Präsentation dieser Neuheit:
„Karl Millöckers 1879 in Wien mit großem Erfolg uraufgeführte Operette Gräfin Dubarry erfuhr durch Hans Martin Cremer eine vollständige textliche, umfangreiche und sehr wirkungsvolle Neufassung und durch Theo Mackeben eine musikalisch modern gehaltene, dem Text entsprechende glücklich gelungene Neubearbeitung. In dieser neuen Gestaltung ging Die Dubarry seit 1931 über zahlreiche Bühnen der Welt. Am Samstag, den 3. Oktober [1942] wurde sie am Reichsgautheater [Innsbruck] als erste Operette der neuen Winterspielzeit in prachtvoller szenischer und musikalischer Aufmachung gegeben. Die Bombenrolle der Jeanne, der Dubarry, gab unserer Soubrette Erika Feichtinger Gelegenheit, sich als Sängerin von großem Format zu zeigen. Wie sie das Aufsteigen der kleinen Modistin Jenanne Vaubernier zur Gräfin Dubarry und zur Freundin König Ludwigs XV. dramatisch gestaltete, diese große Partie musikalisch sicher beherrschte und mit ihren prächtigen, glänzenden Stimmitteln scharmant durchführte, war vor allem auch für sie ein großer Erfolg […].
Kapellmeister Hans Moltkau als musikalischer Leiter war dem Werk mit seiner blühenden, schwungvollen Melodik ein sorgsamer Betreuer und temperamentvoller Gestalter. Das Orchester wie der durch den Polizeichor verstärkte Chor gaben ihr Bestes.
In liebevoller Kleinarbeit hatte Spielleiter Poldi Harlanns in schönen, bunt bewegten Bühnenvorgängen und prachtvoll gestalteten Gruppenbildern den Geist echten Rokokos auf die Bühne gezaubert. Zusammen mit Hans Siegerts einzigartigen Bühnenbildern, den vielen hunderten, immer wieder gewechselten Kostümen der Solisten, des Chores und der vielen Tanzgruppen, von Eva Lentz und Ferdinand Madl stilvoll und in großer Farbenpracht geschaffen, bot die Bühne eine Augenweide besonderer Art. Auch die vielen Tänze Gretl von Heimburgs, Hildegard Hoyers und der zahlreichen Tanzgruppen fanden verdiente Anerkennung. Eldy und Nina Joung boten als Gäste im fünften Bild einen akrobatischen Tanz über einen Satz aus Bizets Arlesienne als sehr beifällig aufgenommene Sondereinlage.
Der große Beifall nach einzelnen Nummern und besonders am Schluß seitens des ausverkauften Hauses läßt darauf schließen, daß die fast vier Stunden währende Aufführung sehr gefiel und viele Wiederholungen die große Arbeit der Vorbereitungen lohnen werden.“
Zuvor, am 29. September, war die Erfolgsoperette mit heimischem Flair Liebe in der Lerchengasse wie üblich vor ausverkauftem Haus gegeben worden.
Im Rahmen seiner Tournee kam der deutsche Tanzstar Harald Kreutzberg im Herbst 1942 zu einem Gastspiel auch wieder nach Innsbruck. Er stellte im vollbesetzten Reichsgautheater am 19. Oktober sein neues Programm vor, wie Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Oktober 1942 mitteilt (Seite 4):
„Die Kunst Kreutzbergs greift weit über die landläufigen Bezirke musikalisch beschwingten Tanzes hinaus und umfaßt die Gestaltungskraft eines Körpers, der in seiner melodiösen Rhythmik das Leben selbst in seiner unerschöpflichen Fülle spiegelt. Was immer Kreutzberg vorführt, es zeigt die erstaunliche Wandlungsfähigkeit einer Sprache der Mimik und der Bewegungen, die schlechthin alles ausdeutet, was Menschen in Lust und Leid, in Kraft und Wehmut, in Liebe und Tod empfinden.
Das wurde an diesem Abend wieder so recht deutlich, der in allen Farben schillerte. Das ist in diesem Zusammenhang kein reines Wortspiel, denn Farben gehören wesentlich zu Kreutzbergs Tanzschöpfungen, sie beleben und vertiefen in kostümlichem Wechsel seine Bilder und geben ihnen das jeweilige Kolorit der Landschaft oder der Stimmung. Der vollendete künstlerische Ausdruck Kreutzbergs setzt sich aus der Harmonie von Gestalt, Bewegung, Temperament, seelischer Spiegelung und den Attributen der Kleidung und des Spieles zusammen.
Das Feierlich-Würdevolle im Tanz des Zeremonienmeisters verband sich unnachahmlich mit der Belebung der starren Form, tragische Tiefen eröffneten sich in den strengen, verhaltenen Rhythmen der Klage, ganz aus innersten Bezirken tönte der in Violett gehüllte Gesang der Nacht, in dem das Persönliche oft in dem Wallen der Gewänder unterzutauchen schien.
Sprengen diese und ähnliche Schöpfungen alle einengenden Grenzen, so offenbart sich Kreutzberg, der deutsche Künstler, doch am schönsten in den volksnahen Motiven seiner Tänze. Stand schon die Frühlingsweihe im Zeichen Hölderlins, so erstrahlte die Szenenfolge Aus einem alten Kalender in lyrischer Romantik. Wie verstand es da Kreutzberg ganz entzückend, den Wandel der Jahreszeiten durch bezeichnende humorvoll skizzierte Gesten anzudeuten! Und wie überschlug sich sein Till Eulenspiegel, übrigens mit dem Zeremonienmeister eine Wiederholung vom Vorjahr, wörtlich in schalkhaftem, echt deutschem Uebermut!
Ernst und Scherz mischte der Künstler, den Friedrich Wilckens am Flügel kongenial begleitete, im zweiten Teil des Abends meisterhaft. Großartig durchpulste seinen Landsknecht der Takt des Krieges, des Marsches und des männervertilgenden Kampfes. Liebenswürdiger als in Li Tai Pe kann die Verzückung eines Räuschchens tänzerisch nicht ausgedrückt werden. Und den Lustigen Kleinigkeiten, besonders der Vogelscheuche, die sich im Nu in einen fröhlichen Stromer verwandelte und dem grandios schaurigen dummen Gespenst, einer tänzerischen Studie von dämonischer Eigenart, folgte ein Beifall, der in seiner Stärke dem tiefen künstlerischen Eindruck entsprach, den auch dieses Kreutzberg-Gastspiel bei den Besuchern hinterließ.“
Wie in den vergangenen Jahren kam als Solotänzerin mit internationalem Renommee Ilse Meudtner (1912-1990) zu einem Gastspiel in die Gauhauptstadt. Heinz Cornel Pfeifer als Tanzexperte schreibt dazu ausführlich und mit Anteil nehmendem Engagement in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1942, Seite 3:
„Die eigenschöpferische Tanzkunst ist in Innsbruck ein gern gesehener Gast und ihre berufensten Interpreten treten alljährlich einmal im Zuge ihrer Gastspielreise auch in unserer Gauhauptstadt auf, um ihre Neueinstudierungen zu zeigen und die Höhe ihres Könnens unter Beweis zu stellen. Nach Harald Kreutzberg ist es nun wiederum Ilse Meudtner, die ihre Gedanken und Impressionen tänzerisch ausdeutete, während das große Talent unserer Stadt, Finy Pointner, erstmalig selbst auf Tournee gegangen ist und in Graz, Klagenfurt und Linz auftritt, woran sich demnächst weitere Städte reihen werden.
Ilse Meudtners Darbietungen überraschten diesmal durch strengere Formen, einen lapidareren Stil, der sich nur in einigen Tänzen heiteren Charakters aus der straffen Fassung löste, obwohl das Beschwingt-Schwebende als ihr eigentliches Element zu bezeichnen ist, wie die Tänze des Vorjahres bewiesen haben.
Mit einer ekstatisch-pathetischen Ausdeutung von Griegs Verkündigung einleitend, zeigte sie die noch vom Vorjahr bekannte Gefesselte nach Musik von Haussermann, ein Tanz, der in seiner ruhelosen Monotonie eigenartig anspricht, worauf Gespräch mit dem anderen nach den Preludes von Chopin, eine in ihrer Problematik etwas undurchsichtige Schöpfung, folgte. Südliches Temperament verband sich mit graziöser Beschwingtheit in den Spanischen Bildern, zwei Tänze nach [Joaquín] Turina und [Isaac] Albeniz, die eine frohe Note von Uebermut und Schelmerei aufwiesen. Sehr eindrucksvoll und dramatisch stark durchgearbeitet waren Lucrezia Borgia nach Cor de Groot, zwei Tänze, deren ersterer Festlicher Auftakt – Spiel mit der Macht eine glänzende Charakterstudie, deren zweiter Brauttanz der Lüge – Niedergang diese noch vertiefte und zum dramatischen Erlebnis in elementarer Weise formte. Vollendetes Raffinement in den prächtigen Kostümen unterstrichen diese Wirkung auf das beste. Nach der ebenfalls schon bekannten herzwarmen und köstlichen Episode Der gutherzige Schmetterlingsfänger nach Haydn beschloß Ilse Meudtner ihr Programm mit drei heiteren Tänzen unter dem Titel Träumereien, Seejungfrau nach Albeniz, Sehnsucht nach Flügeln nach Schubert und Sommernachtsgeschichte nach Haydn, von denen besonders die Seejungfrau von entzückender Anmut und Feinheit war.
Ilse Meudtner mit ihrem Begleiter am Flügel Chris Veelo wurde für den Abend mit herzlichem Beifall bedankt.“
Im Herbst 1942 feierte die Schauspielerin Gisa Ott ein seltenes Jubiläum, ihre vierzigjährige Zugehörigkeit als Künstlerin zum deutschen Theater und ihr fünfundzwanzigjähriges Wirken an der Innsbrucker Bühne. Aus diesem Anlass wurde Gisa Ott bei der „Erhebung der Innsbrucker Bühne zum Reichsgautheater“ zum ersten Ehrenmitglied ernannt. Aus dem gleichen Grund veranstaltete das Reichsgautheater am 25. Oktober 1942 einen „Ehrenabend“ für die Künstlerin mit einer Aufführung des volkstümlichen Lustspiels Die Toni aus Grinzing von Raimund Martin, wobei als Ehrengäste Gauleiter Franz Hofer und Innsbrucks Oberbürgermeister Dr. Egon Denz mit ihrer Anwesenheit und der Überreichung von Ehrengaben an die Künstlerin ihre grundsätzliche Zufriedenheit mit der kulturpolitischen Aufgabe des Theaters zum Ausdruck brachten. Karl Paulin schildert einfühlsam den Verlauf des Abends und verbirgt dabei nicht seine große Verehrung für die Schauspielerin (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Oktober 1942, Seite 5):
„[…] Ein Vierteljahrhundert künstlerischen Schaffens am Innsbrucker Theater, zugleich vier Jahrzehnte unermüdlicher Berufstätigkeit im Dienst deutscher Schauspielkunst erfuhren an diesem Abend eine Ehrung von seltener menschlicher Wärme. Wer so wie Gisa Ott sich selbst in jeder Rolle als Mittlerin dichterischer Werte ganz gab und gibt, wer solche künstlerische Saat an die Bewohnerschaft einer Stadt ausstreut, der darf mit stolzem Bewußtsein erfüllter Berufung die Früchte lebenslanger Arbeit ernten.
Ein solcher herbstlicher Erntetag mündete am Sonntag, den 25. d[ieses] M[onats Oktober 1942], in den Ehrenabend, den unser Reichsgautheater für sein Ehrenmitglied Gisa Ott bereitet hat. Ein anspruchsloses, gut gezimmertes volkstümliches Lustspiel Die Toni aus Grinzing bot den Rahmen für eine Huldigung an die vielbewährte Künstlerin, wie sie in solcher Herzensstärke auf unserer Bühne kaum je erlebt worden ist. Weit über den unmittelbaren schauspielerischen Anlaß drängten die Gefühle des Publikums und des Theaterpersonals zu elementarem Ausdruck, galt es doch, den Dank einer ganzen Generation für unverlierbare künstlerische Erlebnisse auszusprechen.
Nach dem zweiten Akt verwandelte sich die Bühne in einen Blütengarten. Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer, der auch persönlich dem Festabend beiwohnte, Oberbürgermeister Dr. Denz, Intendant Pflugmacher u. a. stellten sich mit Festgaben ein. In einer kurzen Ansprache faßte Schauspieldirektor Süßenguth die Glückwünsche des Personals zusammen, dem Gisa Ott stets ein leuchtendes Vorbild künstlerischer Pflichterfüllung und vollen Einsatzes von Kopf, Herz und Hand war. Als anschließend die Mitglieder unseres Reichsgautheaters einzeln der Jubilarin ihre Wünsche überbrachten und immer wieder begeisterte Beifallskundgebungen aus dem überfüllten Haus aufrauschten, da wurde es allen klar, daß an diesem Abend unsere Bühne der Schauplatz eines künstlerischen Familienfestes war, dessen Teilnehmer das einigende Band unzerstörbarer Liebe zur deutschen Kunst umschlang […].
Nach Schluß der Vorstellung versammelten sich die Mitglieder des Reichsgautheaters im Künstlerheim zu einer kameradschaftlichen Feier, deren Mittelpunkt neben der Jubilarin ihre aus Brünn angekommene 92-jährige Mutter bildete, die in erstaunlicher körperlicher und geistiger Frische am Ehrenabend ihrer Tochter teilnahm. Im Verlauf dieses gemütlichen Beisammenseins offenbarte sich so recht der echte kameradschaftliche Sinn, der die Künstler und Künstlerinnen unseres Reichsgautheaters verbindet.“
Karl Paulin hatte Gisa Ott unter dem Titel „Ein Leben im Dienste deutscher Schauspielkunst“ zu ihrem 60. Geburtstag in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. Mai 1942, Seite 7 eine Hommage gewidmet. Über ihre Rollen aus jüngster Zeit schreibt er:
„[…] Daß Gisa Ott auch in der Gegenwart auf der Höhe ihrer reifen Kunst steht, bewiesen einige ihrer neueren Rollen in den letzten beiden Spielzeiten. Wie sie das tragische Antlitz leid- und schicksalsgeprüfter Frauen prägt, zeigte z. B. ihre Mutter Lauretz in Via Mala und die Hexe Rebekka in Der Reiter, was sie der modernen Komödie für Glanzlichter aufzusetzen versteht, ihre Äbtissin im Aufruhr im Damenstift. Ein Musterbeispiel ihrer drastisch-grellen Großstadttypen war die unübertreffliche Frau Opferkuch im Gigant. Und in der bisher jüngsten stücktragenden Rolle, der Baronin Gülden-Unterfeld in der Kabinettskrise in Ischl, sammelten sich wie in einem Kristall die Vorzüge der Schauspielerin, die in allen ihren Wandlungen sich selbst und ihrer Kunst treu bleibt.“
Als Opernpremiere folgte am 1. November 1942 Giuseppe Verdis Ein Maskenball mit Kammersänger Rudolf Gerlach, der für die Spielzeit als Gasttenor verpflichtet wurde und mit Kathrin Bürkner, die für die erkrankte Emmi Maria Meißl einsprang. Die musikalische Leitung hatte Hans-Georg Ratjen, Ottomar Mayr besorgte die Inszenierung. Die Tänze gestaltete wie üblich Gretl von Heimburg, die Bühnenbilder schuf in bewährter Weise Hans Siegert (Innsbrucker Nachrichten vom 30. Oktober 1942, Seite 4).
Die Innsbrucker Nachrichten vom 3. November bringen auf Seite 5 eine überaus positive Beurteilung der Vorstellung:
„[…] Neu einstudiert, in ausgezeichneter Aufführung ging der Maskenball am Sonntag, den 1. November, am Reichsgautheater Innsbruck in Szene. Den König Richard sang Rudolf Gerlach als Gast und stellte mit ihm eine sympathische Figur auf die Bühne, die er gesanglich und darstellerisch gut durchgearbeitet hatte […].
Die musikalische Leitung lag bei Opernkapellmeister Hans Georg Ratjen in sicheren Händen. Die Aufführung hatte großen Zug und Schwung, war namentlich auch in den vielen, heiklen Ensemblesätzen sehr sorgfältig und genau. Klanglich und rhythmisch sauber vorbereitet klangen die von Hans Christian Grae einstudierten, durch Mitglieder der Innsbrucker Polizei-Sängerriege verstärkten Chöre. In bestem Zusammenwirken mit Orchester, Solisten und Chor spielte ein Musikkorps der Wehrmacht unter Leitung von Korpsführer Steiner im letzten Akt die Bühnenmusik. Die Spielleitung Ottomar Mayrs bot viel Ueberraschendes in schönen Bildern und wirksamen Bühnenvorgängen, die im genauen Zusammengehen mit der Musik das dramatische Gestalten stützte und straffte. Die künstlerisch wieder sehr wirksamen Bilder Hans Siegerts taten ein übriges, um der Aufführung das Bild von Vollendung und Geschlossenheit zu geben. Die Vorstellung wurde von dem ausverkauften Hause mit großem Beifall, wiederholt bei offener Szene, ausgezeichnet.“
Die erste Wiederholung der Oper erfolgte am 3. November (Innsbrucker Nachrichten vom 3. November 1942, Seite 5).
Bei der Vorstellung am 12. November sang Elfriede Kuntner aus Heidelberg als Gast die Amelia: „[…] Ihre Stimme ist in der Mittellage von eigenartiger, sonorer Färbung, in ihrem ganzen Umfang sehr ausgiebig und von dramatischer Schlagkraft. Ihr Spiel ist gut durchdacht und war, wie zum Beispiel in ihrer großen Szene am Hochgericht, von großer Wirkung.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1942, Seite 4).
Am 19. November schloss sich als heiterer Kontrapunkt an das bäuerliche Lustspiel Herz am rechten Fleck von Anton Hamik, der sich in diesem Genre mit den Erfolgsstücken Der verkaufte Großvater, Die lustige Wallfahrt und Das Verlegenheitskind schon bestens eingeführt hatte. Für dieses spezielle Repertoire war die „Gaubühne“ unter der Leitung von Albert Peychär jedenfalls der beste Garant einer erfolgreichen Präsentation. Die Gaubühne spielte bevorzugt amüsante Stücke im ländlichen Genre auf der Bühne des Gasthofes Breinößl in Innsbruck und versorgte damit den Bedarf eines lachverwöhnten Publikums mit nicht zu tief schürfender Thematik. Karl Paulin schildert seine Eindrücke von der Erstaufführung in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. November 1942, Seite 7:
„Die Zähmung Widerspenstiger ist seit Shakespeare ein beliebter, oft verwendeter, stets wirkungssicherer Bühnenstoff. Dabei muß es durchaus nicht immer eine Widerspenstige sein, an der sich die bändigende Kraft des Mannes bewährt, viel öfter erweist sich das sogenannte ‚starke Geschlecht’ als durch allerlei weibliche Künste und Einflüsse sehr wohl zähmbar. Mit besonderer Vorliebe greift die bäuerliche Komödie solche Stoffe auf und erreicht damit, ohne besonderen Aufwand, meist die angestrebte erheiternde Wirkung. Julius Pohls Schach der Eva und Maximilian Vitus’ Die drei Eisbären haben wir in Innsbruck als Beispiele dieser Art schon wiederholt gesehen. Auf gleichem Geleise fährt Anton Hamik, der Verfasser des Pflaumenkrieg[s] und des vielgespielten Verkauften Großvater, mit seinem vor Jahren von der Exl-Bühne erstaufgeführten Lustspiel Herz am rechten Fleck. Da ist es die resolute Wirtschafterin Christine Sternlein, die in fabelhaft kurzer, wohl nur auf dem Theater möglichen Zeit die drei verwahrlosten Brüder Wipf und ihren Hof auf Glanz bringt und so nebenbei auch das Glück eines jungen Paares begründet.
Unser Reichsgautheater ließ nun diese heitere Angelegenheit durch Mitglieder der Gaubühne unter Albert Peychärs Spielleitung aufführen, denen sich Anton Straka als bäuerlicher Liebhaber Loisl zugesellte. Lisl Hörmann trug als resche Christl ihr Herz am rechten Fleck und stand durch sympathisches, natürliches Spiel, das nur vielleicht in den ersten Szenen das Resolute um einen Grad schärfer hätte betonen können, im Mittelpunkt der Wirkung. Die ländlichen Busch-Figuren der Brüder Wipf wurden durch Gustl Burger, Sepp Schmid und Leo Gasser mit bewährten drastisch-komischen Mitteln gefärbt, das Ehepaar Pfister charakterisierte Sepp Fischer und Emma Gstöttner, ihre Tochter Sefferl Elly Thuille, den Pensionist Eibner Fred Tschofen. Aus meisterlicher volkstümlicher Spielkunst waren Louise Steinwanders herzwarmes Mutterl Lindner und Ludwig Hupfaufs Bürgermeister Pum geformt.“
Ein Kulturereignis von lokalpatriotischer Dominanz, das auch Gauleiter und Reichstatthalter Franz Hofer zum Besuch der Premiere bewegte, war am 6. Dezember die Aufführung von Josef Wenters Kanzler von Tirol. Josef Wenter war eine Tiroler Dichterberühmtheit. Seine dramatischen Werke erlebten an zahlreichen deutschen Bühnen, darunter auch dem Wiener Burgtheater, erfolgreiche Vorstellungen. „Mit der Neuinszenierung dieses großangelegten Werkes aus der Heimatgeschichte Tirols wird das Reichsgautheater Innsbruck zahlreichen Wüschen aus Publikumskreisen gerecht“ verkünden die Innsbrucker Nachrichten in einer Vorschau am 4. Dezember 1942, Seite 4. Von der Aufführung berichtet, wie bei literarischen Produktionen üblich, Schriftleiter Karl Paulin ausführlich am 8. Dezember 1942 (Innsbrucker Nachrichten, Seite 4):
„Das Lebensbild des geschichtlichen Kanzlers von Tirol, Wilhelm Bienner [!], hat der heimische Dramatiker Josef Wenter in seinem erfolgreichen Schauspiel Der Kanzler von Tirol um Wesenszüge bereichert, welche die Gestalt des aufrechten deutschen Staatsmannes am tirolischen Hof der Medicäerin Erzherzogin Claudia unserer Zeit um vieles näher rücken, als es bisher die trockene Historie und die gefühlvolle Sage und Dichtung vermochten. Aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, der zur Zeit Bienners an die Felsentore Tirols heranbrandete, erwachsen die Strömungen, mit denen der Kanzler als Kämpfer ringt, wir sehen ihn als überzeugten Feind der Gegenreformation, er verabscheut das Blutvergießen um des Glaubens willen, er verhilft dem ‚dritten Stand’, den Bauern und Bürgern, die gegen die jahrhundertelange Unterdrückung durch Adel und Geistlichkeit sich auflehnen, zur Geltung im Tiroler Landtag, in dessen Parteienstreit Bienner zuerst die Losung ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz!’ wirft, und er tritt mannhaft der Verschwendungssucht des jungen Landesfürsten Erzherzog Ferdinand Karl entgegen und weigert sich, schwere Steuern auszuschreiben ohne Sicherung verfassungsgemäßer Verwendung der Volksgelder. So trägt der Wentersche Kanzler soziale und politische Kräfte in sich, die sein Charakterbild so stark herausmeißeln, daß das dramatische Gegengewicht, die Liebesregungen des Menschen, dem vielgelesenen Roman Hermann Schmids nachgebildet, nur gedämpft zur Geltung kommen.
Der Kanzler von Tirol bildet dank seines Stoffes und der theaterkundigen Hand des Dichters eine der lockendsten Aufgaben jeder Bühne, wenn auch die Ueberzahl der Rollen, mehr als dreißig, große Anforderungen stellt, denen nur durch Heranziehung verfügbarer Kräfte aus allen Spielgattungen entsprochen werden kann. In der Spielzeit 1934/35 erzielte Der Kanzler von Tirol gelegentlich seiner Innsbrucker Erstaufführung einen Serienerfolg, der nach der ungewöhnlich beifälligen Aufnahme der gegenwärtigen Neuinszenierung wohl noch übertroffen werden dürfte.
Unter Paul Schmids Spielleitung setzten sich die besten Kräfte unsers Reichsgautheaters mit restlosem künstlerischem Eifer für die Dichtung ein; das Tempo der Aufführung, in den ersten Bildern nur allmählich sich steigernd, erreichte in der großen Landtagsszene seinen Höhepunkt und verdichtete sich in den letzten Szenen zu einer dramatischen Wirkung, die aus der Breite in die Tiefe mündete. Wilhelm Bienner, den Kanzler, formte Anton Straka aus dem männlichen Kern einer aufrechten, unbeugsamen, kämpferischen Persönlichkeit, die ihr Schicksal nicht erduldet, sondern aus dem eigenen Charakter heraus selbst bestimmt. Daß die Stimme des Herzens weniger vernehmbar war, lag ja schon in der Rolle. Bienners innerstes Wesen offenbarte sich am ergreifendsten in seinen letzten, von überquellendem tragischen Lebensgefühl beseelten Worten […].
Von ganz besonderer Schönheit war die kostümliche und szenische Ausstattung, in der die Bergumrahmung Innsbrucks immer wieder das Heimatliche mitschwingen ließ.
Welchen Eindruck das Schauspiel und seine Darstellung, der Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer beiwohnte, bei dem vollbesetzten Haus hinterließ, zeigte der Beifall, wie er in solch ungewöhnlicher, andauernder Herzlichkeit, die selbst das Fallen des sonst unerbittlichen Eisernen Vorhanges eine Zeitlang hemmte, nur ganz selten losbricht und für den sich der Spielleiter und seine Hauptdarsteller immer wieder bedanken konnten. In dieser stürmischen Zustimmung lag gewiß auch die Freude an einem heimatnahen Werk, mit dessen erfolgreicher Wiedergabe unser Reichsgautheater eine seiner schönsten kulturellen Aufgaben erfüllt.“
Kurz vor Weihnachten 1942 wurde Mozarts Singspiel in drei Akten Die Entführung aus dem Serail am 20. Dezember in das Programm genommen. In der Partie des Osmin gastierte Karl Grumann von den Städtischen Bühnen Augsburg. Über die Premiere informiert Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 22. Dezember 1942, Seite 4:
„[…] Das in der Geschichte der Oper so bedeutende Werk kam am Sonntag, den 20. Dezember, am Innsbrucker Reichsgautheater zur Aufführung […].
Mit großer Diskretion und sinnvoller Ausdeutung leitete Kapellmeister Hans-Georg Ratjen den musikalischen Apparat. Das sparsam und durchsichtig gehaltene Orchester war in seiner Hand ein einziges, mit aller Sorgfalt spielendes Instrument. Die Einstudierung der Chöre hatte Kapellmeister Hajo Hinrichs verantwortungsbewußt besorgt.
Der Schluß der Oper war durch Einfügung des türkischen Marsches aus Mozarts A-dur-Sonate, instrumentiert von [Johann Ritter von] Herbeck und einem darnach getanzten Ballett (Leiterin Gretl von Heimburg) mit der Solotänzerin Hildegard Hoyer wirkungsvoll gesteigert und gab der Szene, in der der großmütige Bassa den Liebenden die Freiheit schenkt, einen Zug ins Erhabene.
Die Inszenierung hatte Dr. Sigfrid Färber aus dem Geiste des Rokoko als orientalisches Märchen gestaltet und dem Werk damit einen wunderbaren Rahmen gegeben. Szenisch und kostümlich war alles auf eine einheitliche Linie gestellt; insbesondere waren auch die harmonischen Farbenwirkungen von Bildern und Kostümen (Eva Lentz und Ferdinand Madl) eine künstlerische Schau. Die in satter Farbenharmonie von Hans Siegert geschaffenen sechs Bilder im ovalen Rund zauberten Märchenlandschaften hervor. Der Beleuchtung, die verschiedene poetische Stimmungen verlangt, war Erich Stelzer ein sorgsamer Betreuer.
Das ausverkaufte Haus spendete allen Mitwirkenden besonders am Schluß der Vorstellung reichsten Beifall.“
Als Weihnachtspremiere gab es wie traditionell üblich eine Operettenvorstellung, diesmal mit Franz Lehárs populärster Schöpfung Die lustige Witwe. Die Innsbrucker Aufführung hatte allerdings inhaltlich einige Adaptierungen erfahren, womit die Aufführung am 25. Dezember 1942 in mancherlei Hinsicht eine Novität bedeutete. Dies hielt Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Dezember 1942 (Seite 4) nicht ohne sichtlichen Stolz fest:
„Franz Lehars Meisterwerk Die lustige Witwe war am 28. Dezember 1905 im Theater an der Wien mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt worden und hatte sich in kurzer Zeit fast alle Bühnen der ganzen Welt erobert. Ihrer in den 37 Jahren ihres Daseins – wohl nicht an der musikalischen, aber an der textlichen Seite und vor allem in der Aufmachung – etwas angegriffenen Schönheit etwas nachzuhelfen, hatte die Leitung des Reichsgautheaters veranlaßt, dem herrschenden Gebrauche folgend, ältere Operetten zeitgemäß umzugestalten, Die lustige Witwe einer Verjüngung in ihrer äußeren Erscheinung unter Verlegung der Handlung nach Luxor zu unterziehen und ihr einen etwas revueartigen Charakter zu geben.
Schauspieldirektor Siegfried Süßenguth war damit beauftragt worden; mit ausgezeichneten Einfällen hatte er diese Aufgabe glänzend gelöst. In seiner Gestaltung hat die Aufführung am Freitag, den 25. d[ieses] M[onats Dezember], im Reichsgautheater einer Premiere geglichen. Die lustige Witwe war noch lustiger und heiterer geworden und hat das ausverkaufte Haus durch dreieinhalb Stunden ausgezeichnet unterhalten. Zum Schlusse wolle der Beifall fast kein Ende nehmen. Die Aufführung war sehr sorgfältig vorbereitet mit den besten Kräften unserer Bühne besetzt und von Anfang an, musikalisch wie szenisch, auf ein großes Crescendo angelegt, das in dem rassigen, zur Wiederholung verlangten Cancan gegen Schluß des dritten Aktes seinen Höhepunkt fand.
Erika Feichtinger in der Titelrolle ließ im Gesang, wie in Spiel und Tanz alle Vorteile ihrer ausgezeichneten Gesangskunst, ihres lebendigen Spieles und ihrer sprudelnden Laune, ihrer blendenden Erscheinung in schönen Toiletten auskosten.
Björn Forsell als Graf Danilo Danilowitsch war ein vornehmer, gewichtiger Partner, der nicht nur in der Oper, sondern auch in der Operette sich immer wieder als wertvolle Kraft bewährt […].
Kapellmeister Hans Moltkau hielt das Leharsche Melos in schwungvollen Bahnen. Eine Jazzkapelle auf der Hinterbühne im dritten Akt, die als Einlage ein Potpourri von Lehar spielte, sei besonders erwähnt [!].
Die vielen schönen Bühnenbilder, gemalt von Hans Siegert, und kontrastreich belebt in der Inszenierung Siegfried Süßenguths, trugen viel zur ausgezeichneten Gesamtwirkung der Aufführung bei. Viel beschäftigt war auch das Ballett unter Leitung von Gretl von Heimburg, das besonders den Cancan des letzten Aktes effektvoll zur Aufführung brachte […].
Nach dem Erfolg der Erstaufführung zu schließen, dürfte der Operette eine lange Reihe von Aufführungen beschieden sein.“
Franz Pisecky erwähnt in seiner Übersicht „Kunst und Kultur“ in Tirol-Vorarlberg. Natur. Kunst. Volk. Leben (15. Jahrgang, 1943, Heft 2/3, Seite 45), dass Lehars Operette Die lustige Witwe in dieser Form bis Ende Mai 1943 45 Aufführungen erreichte.
Als Kinderprogramm zur Weihnachtszeit sah die Intendanz das lustige Märchenspiel mit Musik und Tanz in fünf Bildern Der verzauberte Schatz oder Fridolin und sein Knappe Kasperl von Chefdramaturg Sigfrid Färber vor. Das Stück war bereits 1940 im Verlag Buchner publiziert worden (Innsbrucker Nachrichten vom 30. Dezember 1942, Seite 4).
Breinößl-Bühne
Die Breinößl-Bühne hatte ihre Spielstätte im gleichnamigen "Großgasthof" in Innsbruck. Sie war mit ihrem ländlich geprägten Repertoire gewissermaßen das Volkstheater, mit stets ausverkauften Vorstellungen und einem Publikum, das sich zumeist mit unbekümmerter Theaterlust ergötzen konnte. Das Niveau der Präsentationen war überzeugend durch überwiegend professionelle Schauspieler, die als Gaubühne unter der Leitung von Albert Peychär organisatorisch zusammengefasst der Intendanz des Landestheaters beziehungsweise Reichgautheaters unterstellt war. Peychär agierte nicht nur als einfühlsamer Spielleiter und Schauspieler, sondern feierte auch als Verfasser oder Bearbeiter von amüsanten Theaterstücken Erfolge.
Im Februar 1942 gab es mit Wer anderen eine Grube gräbt von Albert Peychär und Anton Maly eine solche Premiere. Erwin Spielmann, der Rezensent der Aufführung, stellt in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Februar 1942, Seite 5, die Breinößl-Bühne und ihr neuestes Stück vor:
"Die aus dem kleinen Theaterleben unserer Stadt nicht mehr wegzudenkende Breinößl-Bühne ist längst anerkannt als sorgsame Pflegerin des guten Unterhaltungsstückes; als Heimatbühne darf sie dank ihrer vielseitig bewährten Kräfte, die sie aus eigenem Boden schöpft, den Bogen ihrer Darstellungen vom derben, grob gezimmerten Bauernschwank über Posse, Lustspiel und Komödie bis zum gehaltvollen, dramatischen Volksstück mit gleichbleibendem Erfolg spannen.
Ihren bisherigen Publikumserfolgen reihte die Bühne nun mit dem am Dienstag uraufgeführten Volksstücke Wer anderen eine Grube gräbt von Albert Peychär und Anton Maly einen neuen an [...].
Das gute, mit bühnensicherem Sinn entworfene Stück entbehrt nicht eines gesunden, dramatischen Kerns, der, stofflich gut geformt, seinen kräftigen Gehalt aus den tiefen seelischen Bezirken bäuerlichen Denkens und Fühlens holt. Mit instinkthaftem Urtrieb krallt sich das deutsche Bauernblut mit letzter Kraft an die Wurzeln des eigenen Seins, wenn ihm die Gefahr der Heimatlosigkeit aus unverschuldetem Unglück droht.
Um dieses Grundmotiv rankt sich der grünende Efeu eines gepfefferten Bauernhumors, der in dem mit ebensoviel Schlauheit wie kleiner Lebensphilosophie ausgestatteten Dorfpolizisten Wiehrler seine gelungene Verkörperung findet.
Gespielt wird über jeden Tadel gut. In der Rolle des Danler gibt Gustl Burger, in vortrefflich gelungener Maske, eine feine Charakterstudie, die in Gestik und Mimik an das Format seines großen Lehrmeisters von der Exlbühne, Eduard Köck, erinnert. Von stark gewinnender Wirkung, besonders in den ernsten Szenen, Hedi Kinberger als Bruggerbäuerin und Lisl Hörmann als Marei, deren überdurchschnittliches Talent sonderlich in der Erkennungsszene mit ihrem Vater (dem Fremden) in gemütsstarken Akzenten durchbricht. Der für Heiterkeit verantwortliche Dorfpolizist , wer könnte es anders sein als Sepp Fischer, dessen strohtrockener Humor die Lacher lichterloh aufbrennen läßt. Albert Peychär, der Mitverfasser, ist von seiner Tönung als distinguierter Fremder und blutwarmer Herzlichkeit in der Erkennungsszene, Midi Steiger bemüht sich erfolgreich um eine zungenfertige Walpurga, und Sepp Resch ist der unverbildete Naturbursch mit dem Herz am rechten Fleck auf den Leib geschrieben. Dem Volksstück wurde durch herzliche Beifallsbezeigungen eine verdient gute Aufnahme zuteil."
Die erfolgreiche Premiere veranlasste die Gaubühne, das Stück bei einem Gastspiel in Kitzbühel Ende März mit zwei Aufführungen "bei stets ausverkauftem Hause" zu bringen. "Das Spiel ging flott vor sich und [es] wurde den Darstellern nach jedem Akt reicher Beifall gespendet" (Tiroler Volksblatt vom 1. April 1942, Seite 4).
Als eher seltenes Kontrastprogramm vermittelte die Gaubühne Volksstücke mit ernstem nachdenklichem Inhalt, etwa mit dem Bauerndrama Monika Hart. Heinz Cornel Pfeifer meint dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. März 1942, Seite 5:
"Es ist begrüßenswert, daß unsere Breinößl-Bühne sich nicht nur auf Lustspiele leichtesten Inhalts beschränkt, sondern auch tragische Konfliktstoffe des bäuerlichen Lebens aufgreift und in dramatischer Gestaltung wiedergibt.
Monika Hart, ein vieraktiges Bauerndrama von Albert Martens, ist ein Stück, das langsam anläuft und in dem sich erst im letzten Akt die Konflikte in stärkster Spannung verdichten und lösen. Die gleichnamige Trägerin der Titelrolle, eine ledige Bergbäuerin, wird durch verschmähte Liebe eines aus Mitleid auf dem Hof aufgenommenen Landstreichers, dem sie Brot, Heim und Stellung als Jagdgehilfe verschafft, der sich aber ihrer jüngeren Schwester zuwendet, zur Verbrecherin und schließlich mittelbar zur Mörderin an ihrem Sohn [...]."
Mit dem Lachschlager 's rote Schneuztüachl wurde die grundsätzlich auf Heiterkeit abgestimmte Programmfolge der Breinößl-Bühne fortgesetzt: "Diese dreiaktige ländliche Komödie von Hannes Bauer ist ein ebenso lustiges wie dankbares Zugstück, es hat fast nur Hauptrollen und ist mit echtem Humor und urwüchsiger Fröhlichkeit förmlich geladen" (Innsbrucker Nachrichten vom 2. April 1942, Seite 5).
Ein weiterer kurzer Auszug aus Heinz Cornel Pfeifers Besprechung der Aufführung gibt Einblick in die besondere Atmosphäre solcher Produktionen, umrahmt von einem vielfach bierseligen Publikum in grundsätzlich lachfreudiger Stimmung:
"[...] Ein Kabinettstück für sich war Friedl Spörr als Küchenmadl Ursula Hirnnagl. So kurz ihre Rolle war, so war sie doch der Knalleffekt des ganzen Stückes. Ihr Bierdurst, der einem Korpsstudenten hätte Respekt einflößen können (angesichts der Besuchertische übrigens doppelt verständlich), stellt eine ebenso beachtlichte Leistung dar wie ihr zwerchfellerschütterndes Spiel, das Lachstürme und Beifall auf offener Szene auslöste.
Dem frohen und auflockernden Abend gaben Ferdl und Lisl Ziller mit einer Schuhplattlereinlage die letzte Rundung." (Innsbrucker Nachrichtenvom 2. April 1942, Seite 5).
Ende April 1942 feierte die Schauspielerin Luise Steinwander ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum: Sie vermochte es, vor allem als "Komische Alte" bei ihren Auftritten bei der Breinößl-Bühne "mit würzigem Humor und überwältigender Komik die Theaterbesucher immer wieder zu neuen Lachstürmen hinzureißen" (Innsbrucker Nachrichten vom 28. April 1942, Seite 7; vgl. dort eine ausführliche Beschreibung der Karrierestationen und der wichtigsten Rollen der beliebten Schauspielerin von Heinz Cornel Pfeifer).
Zu diesem Anlass gab die Breinößl-Bühne für ihre Jubilarin mit der Bauernposse Am eifersüchtigen Hof eine Benefizvorstellung, "in der sie von den zahlreichen Liebhabern unserer Bauernbühne im wie immer ausverkauften Saal auf das herzlichste gefeiert wurde" (Innsbrucker Nachrichten vom 30. April 1942, Seite 4). Auch die Politik nahm Notiz davon mit einem Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben des Gauleiters. "[...] Zahlreiche Blumengebinde der Kameradschaften des Landestheaters und der Gaubühne sowie sonstige Geschenke bewiesen die Wertschätzung und Anteilnahme, deren sich Luise Steinwander als verdiente Schauspielerin erfreut. Anschließend würdigte in einer kleinen Feier im Kreise der Kameraden Intendant M[ax] A[lexander] Pflugmacher die künstlerischen und menschlichen Qualitäten der Jubilarin."
Als Neueinstudierung folgte Anfang Mai das heitere Volksstück in zwei Akten Diejenige, welche ! von Hans Dengel. "[...] Einen Sonderbeifall holte sich in der Pause noch das Gesangsduo Triendl-Ziller, Zitherbeleitung Roman Loacker, mit gut vorgetragenen heimischen Liedern und Jodlern" (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Mai 1942, Seite 4).
Die Serie fröhlicher Stücke wird mit dem Schwank Die drei alten Schachteln fortgesetzt. Das "muss man sehen und hören", urteilt Hermann Fink begeistert in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Juli 1942 (Seite 5). "Dann hat man wieder einmal zwei Stunden bester und würzigster Unterhaltung."
Mit der Erstaufführung der dreiaktigen Posse Die Dorf-Venus von Hanns Hunkele unter der Spielleitung von Albert Peychär brachte die Breinößl-Bühne wiederum einen Erfolg auf die Bühne, der "den immer vollen Saal in fröhlichste Stimmung versetzte und zu zahllosen Heiterkeitsausbrüchen Anlaß gab" (Innsbrucker Nachrichten vom 1. September 1942, Seite 3). In der Titelrolle gab Elly Thuille ihre Premiere als Schauspielerin: "Eine Neuerscheinung, deren weitere Leistungen wir mit berechtigter Spannung entgegensehen, ist Elly Thuille, ein frisches, liebes und sich gut in den Rahmen fügendes Mädel, das schon jetzt temperamentvolles Spiel mit starker innerlicher Erlebniskraft zeigt. Der Liebreiz ihrer Erscheinung fand in der Titelrolle der Dorf-Venus Monika ihren treffenden Ausdruck." Umrahmt war ihr Auftritt von "urwüchsiger Komik der dörflichen Typen, deren Rollen reichlich mit eigenem Witz und zeitgemäßen Extempores gespickt sind" und den "stürmischen Beifall der Besucher" fanden.
Es gehörte außerdem zur Tradition der Breinößl-Bühne, sich den großen Tiroler Volksdramatikern Schönherr und Kranewitter zu widmen, vor allem nachdem die Gaubühne die Verantwortung für die Repertoiregestaltung übernommen hatte. Wieder kam in dieser Spielzeit mit Um Haus und Hof eine repräsentative Aufführung eines Stücks von Franz Kranewitter zustande. Heinz Cornel Pfeifer rechtfertigt die Programmwahl eines ernsten Stückes, obwohl in der Kriegszeit der Wunsch der Politik vorwiegend auf erheiternde Kulturproduktion ausgerichtet war, um den Schrecknissen des Krieges und seinen unausweichlichen Auswirkungen in der "Heimat" entsprechende Ablenkung entgegenzusetzen, um Befürchtungen zumindest kurzzeitig ruhig zu stellen (Innsbrucker Nachrichten vom 15. September 1942, Seite 5):
"Es ist schon genugsam begründet worden, daß in dieser, mit Ernst und Mühen oft bis zum Rand gefüllten Zeit die leichte Muse ein besonders gewichtiges Wort mitzureden hat. Auflockerung, Entspannung, etwas Heiterkeit und Frohsinn tut allen not, und so haben die verschiedenen Veranstaltungen ihren Schwerpunkt vielfach der Forderung der Zeit entsprechend verlagert. Humor, der in sorglosen Jahren keiner besonderen Beschwörung bedarf, ist jetzt mehr denn je ein willkommener Gast, erträgt sich doch vieles leichter und manches wird durch ihn überhaupt erst erträglich. So hat also die Freude ihre Kräfte mobil gemacht, die Unterhaltungsmusik, die Operette, der Schwank, die Posse und Komödie erfüllen heute eine besondere Aufgabe, Rundfunk, Theater und Film stellen sich in ihren Dienst, ohne dabei jedoch die große Linie zu verlieren und die ernste Muse, als die größere und schönere Schwester, ganz in den Schatten zu stellen.
Der gewaltige Erfolg Heinrich Georges an unserem Landestheater und bei seiner Dichterlesung sowie das letzte Symphoniekonzert des Mozarteum-Orchesters haben erst kürzlich bewiesen, daß die Aufnahmefähigkeit für schwerere Kost durchaus nicht gelitten hat und daß sich diese nicht nur an einen bestimmten Kreis wendet, bewies wiederum der Kranewitter-Abend, den am Samstag, den 12. September, die Breinößl-Bühne gab.
Um es vorweg zu nehmen es war eine Aufführung, die auch an der Großbühne in Ehren bestehen könnte! Man muß seine helle Freude daran haben, zu sehen, welch prachtvolles Material in dieser, zu unrecht immer etwas über die Achsel angesehenen Gaubühne steckt, wie der heimische Nachwuchs hier an der Arbeit ist, wie das gärt und siedet, brodelt und zischt, nach Ausdruck ringt und um die Gestaltung, um echtes Künstlertum kämpft. Da ist eine Spielgemeinschaft am Werk, die in heißem Bemühen vorwärts drängt, unablässig schürft, am Werk und an sich arbeitet, Kameradschaft hält und sich nicht verkapselt, sondern bereitwillig, ermunternd und fördernd jungen Talenten in den Sattel hilft. Wohl ist in ihrem Spielplan der Schwank, die bäuerliche Posse dominierend und das kann ja ganz gut so sein und bleiben weil auch an dieser Kleinbühne das Große nicht vergessen wird, das von Zeit zu Zeit Aufführungen von Format erlebt. Freilich können jetzt durch mancherlei Einrückungen die Rollen nicht alle nach Wunsch besetzt werden das ist ja überall so , der durchschlagende Erfolg, den Kranewitters Um Haus und Hof bei den begeistert mitgehenden Besuchern erzielte, ist jedoch nicht nur ein Zeugnis für den Wert des Stückes und die Gestaltungskraft der Darsteller, sondern bestätigt, daß auch den Besuchern, die hier oft dach nur das Gaudium suchen und herzhaft lachen wollen, ein gutes, kraftvolles Werk keine Zumutung bedeutet und sie sich willig von der Dramatik in Atem halten und bannen lassen.
Fast die gesamten Darsteller der Gaubühne traten an und gaben den Gestalten jene harte bedingungslose Realistik, die der dichterischen Vision Franz Kranewitters entsprach. Figuren wie aus Zirbenholz geschnitzt sind es, die die dramatisch bewegte Handlung tragen. Es ist nicht Kranewitters bestes Werk; mancher ihm sonst fremde Ueberschwang ist darin, viel Gewaltsames und Allzugrelles, das den starken Effekt sucht, Bühnenwirkung erzielen will, trotz kleiner Schwächen aber hoch über manchen Erzeugnissen zeitgenössischer Autoren steht, die sich am bäuerlichen Drama versuchen.
Eine überragend starke Leistung boten Friedl Spörr als Lotter-Lena und Spielleiter Albert Peychär als deren verkommener Bruder. Vollendete Charakteristik ließ die beiden in ihren schlechten Anlagen, dem überkommenen minderwertigen charakteristischen Erbgut, tatsächlich als Bruder und Schwester erscheinen. Verdorben, schurkisch, abgefeimt und tückisch der eine, hemmungslos, sinnlich, berechnend und triebhaft die andere im Keim ihres Wesens vergiftet beide. Neben der absoluten Verworfenheit des Bruders brachte immerhin Lenas Schicksal, die nur heraus wollte aus dem Schmutz und der Erniedrigung, Saiten aus Teilnahme zum Schwingen. Ein starkes Spiel lieferte auch Gustl Burger als Hies, der saft- und kraftlose Sohn des Klotzenbauern, den Ludwig Hupfauf darstellte. Ein Meisterstück der Maske war Sepp Schmidts Zaggler und des jungen Leo Gassers Winkeladvokat Dr. Gramperle, auch im Spiel ein realistisches Spiegelbild dörflicher Typen um die Jahrhundertwende, zu denen sich Luise Steinwander trefflich als Armenhäuslerin Ursch gesellte. Fred Tschofen brachte als zweiter Sohn Franz dramatische Elemente ins Spiel, sowie auch Hedi Kinberger als Kathl, Midi Steiger als bösartige Schwiegertochter Anna, Elli Thuille als Ziehtochter Maria und Sepp Fischer als Vorsteher ihr Bestes zum Erfolg des Stückes beitrugen.
Anhaltender starker Beifall dankte den Darstellern für die so überaus gelungene Aufführung."
Mit der Bauernkomödie Der Musikanten-Simerl von Franz Gischel setzte die Breinößl-Bühne das für sie typische Repertoire fort und "erntete damit die volle Zustimmung des immer ausverkauften Hauses" (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Oktober 1942, Seite 4).
Mit Simmerl auf Brautschau präsentierte die Breinößl-Bühne neuerlich einen "starken Lacherfolg". Die ausgelassene Stimmung solcher Abende schildert Heinz Cornel Pfeifer trefflich in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Oktober 1942 (Seite 5):
"Lachen ist gesund heute mehr denn je und wenn auch in dem dreiaktigen Schwank Simmerl auf Brautschau von Frank und Horst, der gerade in der Breinößl-Bühne über die Bretter, die das Dorf bedeuten, geht, unwahrscheinlich viele Teppen vorkommen, so erfüllt er immerhin den guten Zweck, daß sich die Besucher aufs fidelste unterhalten und ein Lachsturm nach dem anderen durch den Saal braust. Der Schlauen sind übrigens auch nicht weniger und so findet man in beiden Lagern manche wirklichkeitsnahe Figur aus dem dörflichen Leben, die dem Stück jene kräftige Würze, wie sie etwa dem Wildbret die Beize ist, gibt. Ein tüchtiger Schuß launiger extempori macht sie noch besonders g'schmackig".
Wieder einmal kann es ein reicher Bauer, der Brunnenhofer, nicht leiden, daß seine fesche Tochter das arme Knechtl heiraten möchte, sondern der außer mit einem großen Hof und Geldsack auch mit einer guten Portion Dummheit behaftete Simmerl soll der Eidam werden. Da springt dem Paar ein ganz 'Ohdrahter', der Kohlbrenner Tomerl, bei, der den Bauer[n] und den dumm-schlauen Bräutigam mit dem Märchen von der weißen Leber" der Bauerntochter tüchtig ankohlt", worauf schließlich das Knechtl sein Regerl kriegt, der Simmerl aber in seiner kostbaren Art höchst würdigen Gretl das zu ihm passende Weiberl findet [...].
Ein reizvolles Mannbild war der Simon Simmerl von Spielleiter Albert Peychär, eine kostbare Mischung von Dummheit und Bauernschläue, Leichtgläubigkeit und instinktsicherer Gewitztheit, die jeden kleinen Schwindel unfehlbar wittert, auf den großen aber totsicher hereinfällt. Spiel und Maske rechtfertigten die schallende Heiterkeit, die man seinem Auftreten zollte. Lachstürme aber entfesselte Sepp Fischer in der Bombenrolle des Kohlbrenner Tomerl, eine Figur von bezwingender Komik und übermütigster Zeichnung. Wie dieser Gelegenheitsgeschäftemacher mit List und Tücke die ganze Gesellschaft anflunkert, dabei eine recht einnehmende" Tätigkeit entwickelt und mit durchtriebener Schlauheit schließlich alles zu einem guten Ende führt, ist wohl unnachahmlich. Die Erklärung der sonderbaren Krankheit von der weißen Leber, gespickt mit zeitnahen eigenen Glossen, trieb den Zuschauern die Lachtränen in die Augen [...]."
Ein weiterer "stürmischer Lacherfolg" stelltet sich mit dem bäuerlichen Schwank Der Lausbua von Hans Dengel ein. Heinz Cornel Pfeifer, der nahezu alle Premieren der Breinößl-Bühne in den Innsbrucker Nachrichten vorstellte, erwies sich auch bei der letzten Erstaufführung des Jahres 1942 als der berufene, mit Fantasie und Wortwitz agierende Berichterstatter (Innsbrucker Nachrichten vom 19. Dezember 1942, Seite 5):
"Diese dreiaktige Posse von Hans Dengel läuft in den ersten Akten zwar etwas schwerfällig an, im letzten aber verdichtet sich die Situation zu einer Komik von geradezu explosiver Wirkung. Wenn Vater, Vetter und die beiden Söhne in eine Wirtschafterin verliebt sind und sich zum Schluß alle in der Knechtkammer ein Stelldichein geben, platzt natürlich die mit raffiniertem Theatereffekt gefüllte Bombe und es gibt neben zwei glücklichen Pärchen freilich auch solche, die das Nachsehen haben.
Daß die Bombenrolle des Lausbuam nur der kleine Leo Gasser mit diesem zungenfertigen Schnabel und witziger Frechheit so spielen konnte, versteht sich am Rande. So ganz nebenbei debütierte er außerdem als Spielleiter und sorgte mit einer verblüffenden Sicherheit für den flüssigen Ablauf der Auftritte. Ein kostbares Stück zwerchfellerschütternder Komik war Sepp Fischer als der verliebte alte Brunnenbauer, ein Komiker von hinreißender Wirkung, eine Figur, wie sie Wilhelm Busch nicht besser hätte zeichnen können. Ganz prachtvoll skizziert war auch der Vetter Gustl Burgers, bieder-schlau und pfiffig, der für seine Hilfe in allen Liebesnöten der Hausbewohner eine recht 'einnehmende' Tätigkeit entwickelte. Daß die blitzsaubere Wirtschafterin der Lisl Hörmann alle Mannsbilder dieses Hofes verrückt machte, glaubte man ihr gerne. Herzig und lieb, wenn auch der Rolle nach nicht so unschuldsvoll als sie aussieht, war die Tochter Hanna des Brunnenbauers, Elli Thuille, die sich, um die Einwilligung des Vaters zu erzwingen, schon etwas vorzeitig die süßen Früchte vom Baume der Ehe gepflückt hatte. Luise Steinwander als 'zutatige' alte Magd Zenz lieferte wiederum ein Kabinettstück ihrer fein erfaßten und bewährten Darstellungskunst, die im Tragischen wie im Heiteren gleichermaßen abgerundet ist. Sepp Schmid als Bauernsohn Ludwig und Albert Peychär als Holzfäller Bertl vollendeten mit ihren charakteristischen Typen die wohlgelungene Aufführung, die sich tosenden Gelächters und jubelnden Beifalls erfreute. Besonders erwähnt sei aber noch ein den Besuchern unsichtbar Bleibender, nämlich Toni Kircher, dessen von vieler Liebe und Hingabe an die Bühne zeigenden neuen und stilechten Dekorationen einen nicht unerheblichen Anteil an den Dauererfolgen dieser Kleinkunstbühne haben."
Exl-Bühne
Die 1902 gegründete Exl-Bühne beging 1942 ihr 40-Jahr-Jubiläum, und einer der tragenden Säulen ihrer Schauspielkunst, Eduard Köck, feierte seinen 60. Geburtstag. Daher titulierte Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Februar 1942 (Seite 4) "Ein Meister tirolischer Bühnenkunst": Er charakterisiert die Exl-Bühne als eine Kulturinstitution, die im "Kulturschaffen des Reiches als vollendete künstlerische Form alpenländischer Menschendarstellung zum Begriff geworden ist". Dies verdanke sie neben dem Gründer Ferdinand Exl vor allem der "schöpferischen Lebensarbeit Eduard Köcks, die mit dem Werden, Wachsen und Reifen dieser klassischen Volksbühne untrennbar verbunden ist".
Zu Eduard Köcks Darstellungskunst und seinem vielseitigen künstlerischen Wirken auf der Bühne und im Film, womit auch ein Einblick in Innsbrucks Theatervergangenheit verbunden ist, fährt Karl Paulin fort:
"Eine schicksalhafte Fügung hat Ferdinand Exl und Eduard Köck anläßlich der Gründung des Deutschen Männergesangvereines Innsbruck zusammengeführt und damit auch schon die wesentlichen Grundlagen für die von Exl geplante Schaffung einer eigenen Volksbühne vorbereitet [...].
Ein Charakterdarsteller von so vielseitiger schauspielerischer Auswirkung, die alle Abstufungen von der ulkigsten Posse bis zu dämonischer Tragik umfaßt, ist wohl kaum je über die deutsche Bühne geschritten. Anzengruber formte die Grundlinien dieses schauspielerischen Naturells, die Tiroler Dramatiker Kranewitter und Schönherr vertieften und steigerten seine Kunst, die in ihren elementaren Bindungen dem gleichen tirolischen Heimatboden angehört. Wir können uns heute die Hauptgestalten Karl Schönherrs kaum anders denken, als in Eduard Köcks schauspielerischer Verkörperung [...].
Das Profil des Schauspielers Eduard Köck wäre nicht vollständig, wenn man nicht auch seine vielseitige künstlerische Tätigkeit im Innsbrucker Stadttheater während der Direktion Ferdinand Exl (1916-1920) und in den Kammerspielen (1919-1922) streifen würde. Damals hat Köck seine darstellende Kraft in einer Reihe von Rollen aus dem klassischen und modernen Drama geübt und gereift. Goethe, Schiller, Björnson, Gerhart Hauptmann, Ibsen, Strindberg haben dem literarischen Gestaltungsdrang des großen Volksschauspielers Nahrung gegeben. Sein Spiegelberg in den Räubern, sein Dr. Stockmann im Volksfeind, sein Johannes Rosmer in Rosmersholm waren nicht Experimente, sondern Bausteine im Gesamtwerk des Künstlers.
Eine solch ausgeprägte Charakterbegabung in ihrer Echtheit und Vielfalt konnte dem Film nicht entgehen. Und so sehen wir in den letzten Jahren Köck in der ersten Reihe volksverbundener deutscher Filmdarsteller. Schon 1921, bei der ersten, noch stummen Verfilmung von Schönherrs Glaube und Heimat, die zum Teil im Schloß Am[b]ras spielte, wirkte Köck mit seinem Freunde von der Exl-Bühne mit.
Seit der Tonfilm mit besonderer Vorliebe Landschaft und Motive aus dem alpenländischen Volksleben und der Bauernwelt gestaltet, tritt Eduard Köck immer häufiger in tragenden und ragenden Filmrollen auf die lichtbewegte Leinwand. Sei Hauptmann in Standschütze Bruggler, sein Vater im Verlorenen Sohn, der Waldrauscher im Waldrausch umrissen schon das Hauptgebiet, auf dem dieser schauspielerische Vollmensch daheim ist wie kein Zweiter. Zeigte Köck als alter Knecht in Frau Sixta mehr die milden und lebensklugen Eigenschaften eines bäuerlichen Menschen, so drückte sein Vater in der Geierwally eine fast übermenschliche Härte des Charakters aus, die in der letzten großen Köck-Gestalt, den Matthias Ferner im Meineidbauer zu erschütternder Tragik sich wandelt. Daß der Künstler auch zu Großstadtfilmen herangezogen wird, beweist seine jüngste Rolle, der Leibarzt Doktor Karl Luegers im Film Wien 1910, der eben in Arbeit ist.
So steht der Sechziger im Zenith seines Wollens und Wirkens. Nach wie vor bildet er den geistigen Führer und das künstlerische Gewissen der Exl-Bühne und gibt außerdem dem deutschen Film eine Reihe von Menschenbildern, wie sie nur die Kraft und das Blut dieses Tiroler Künstlers in höchster schauspielerischer Lebenstreue gestalten. Der Heimat Glückwunsch an Eduard Köck gilt einem noch langen, früchteschweren Lebensherbst im Dienst der deutschen Volkskunst."
Das 40-Jahr-Jubiläum der Exl-Bühne wurde, ihrem Renommee als bedeutendem Vermittler kultureller Ideale der Parteiideologie entsprechend, bis hinauf zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph Goebbels wahrgenommen. Dieser sandte ein Glückwunschtelegramm und ließ eine "Ehrengabe" überreichen. Daher wurden die Festlichkeiten in Wien zu einer Propagandaaktion in den Formen nationalsozialistischer Inszenierung. Die "Jubiläums-Woche" wurde im Theater in der Praterstraße am 31. März vormittags mit einem "festlichen Betriebsappell" eingeleitet. Die Bühne war mit den "Symbolen der Bewegung geschmückt". Der stellvertretende Direktor der Exl-Bühne Ernst Auer begrüßte die Ehrengäste. In seiner Rede stellte er den "Gemeinschaftsgedanken in den Vordergrund seines Rückblicks auf die Geschichte der Exl-Bühne". Als weiteren Hinweis auf die treue Parteigefolgschaft hofierte er die anwesende NS-Prominenz mit der Feststellung, dass "der Beitrag der Exl-Leute zum Endsieg" wie in der Vergangenheit ihre "unermüdliche künstlerische Arbeit im Dienste unseres Volkes" sein würde.
Über den Verlauf des Festaktes, die Festvorstellung sowie den anschließenden Empfang im Hotel Bristol berichtet Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. April 1942, Seite 5:
"[...] In Vertretung des Propaganda-Ministeriums sprach der Leiter des Reichspropagandaamtes Wien P[artei]g[enosse] Frauenfeld der Exl-Bühne die herzlichen Glückwünsche des Reichsministers Dr. Goebbels aus, der in Würdigung der hohen Bedeutung dieser mustergültigen Volksbühne Frau Direktor Ilse Exl eine Ehrengabe überreichen ließ. Die tiefen Kräfte, in denen die Exlbühne wurzelt, reichen in das Seelische, sie sind schöpferischer Natur, das beweist u. a. ihre Vermittlung unserer großen Volksdichter, eines Karl Schönherr u. a. Möge die Exl-Bühne auch in ihrem weiteren Wirken das bleiben, was sie ist: der Stolz und die Freude unserer Heimat und unseres Volkes.
Gaukulturreferent Thomas vermittelte die Glückwünsche des verreisten Reichsstatthalters Baldur von Schirach, der den Exl-Leuten für den ungewöhnlich tiefen Eindruck danken ließ, den ihm ihre Kunst im Rahmen der Morgenfeier im Akademietheater [Wien] hinterlassen hatte. Als Zeichen der Anerkennung des Reichsstatthalters überreichte der Redner dessen Bild mit Widmung an Ilse Exl, Eduard Köck und Ludwig Auer.
Die Leiterin der Jubelbühne, Frau Direktor Ilse Exl, sprach an Stelle ihres [erkrankten] Vaters der Gefolgschaft der Exl-Bühne den Dank für beispielgebende Betriebstreue und aufopfernde Mitarbeit am gemeinsamen Werk aus und gab die Parole aus für die zukünftige Arbeit: den weiteren vollen Einsatz aller Kräfte im kulturellen und künstlerischen Wirken an der Inneren Front.
Nach Verlesung eines Huldigungstelegrammes an den Führer schloß der Betriebsführer den feierlichen Betriebsappell.
Reichsminister Dr. Goebbels hat in einem Telegramm der Jubelbühne seine Glückwünsche für weitere künstlerische Erfolge ausgesprochen.
Der Heimatgau Tirol-Vorarlberg der Exl-Bühne war ebenfalls bei der festlichen Veranstaltung des 40. Geburtstages unter den Glückwünschenden vertreten. Im Auftrag des Gauleiters und Reichsstatthalters Hofer überbrachte Gauhauptmann SS-Standartenführer Gustav Linert einen mächtigen Lorbeerkranz, desgleichen Opernsänger von Berenkamp im Auftrag des Intendanten Pflugmacher vom Tiroler Landestheater.
Als Festvorstellung ging an diesem Abend Ludwig Anzengrubers Schauspiel Der ledige Hof in Szene. Diese Stückwahl war zugleich ein Treuebekenntnis der Exl-Bühne zu dem großen Wiener Volksdramatiker, in dessen Zeichen Ferdinand Exl und seine Getreuen vor 40 Jahren ihr künstlerisches Werk begonnen haben.
Die Aufführung entsprach in ihrer künstlerischen Höhe dem festlichen Anlaß. Vier Mitwirkende, Anna Exl, Mimi Auer-Gstöttner, Eduard Köck und Ludwig Auer, die schon am ersten Tag vor vierzig Jahren mit Ferdinand Exl auf der Bühne gestanden, zeigten ihre Kunst in edler Vollreife. Das Wiener Publikum bereitete den Exl-Leuten eine stürmische Huldigung; nach dem dritten Bild verwandelte sich die Bühne in einen Blumengarten, immer wieder konnten sich die Exl-Leute für den begeisterten Beifall bedanken, der einer Meisteraufführung galt, zu deren künstlerischem Gelingen sich die Begründer mit der jungen Generation der Exl-Bühne verbunden hatten.
An die Festvorstellung schloß sich ein Empfang im Hotel Bristol, zu dem Generalreferent Thomas in Vertretung des Reichsstatthalters von Schirach geladen hatte. Im Verlauf des Empfanges sprach Vizebürgermeister Ing. Blaschke, Leiter des Kulturamtes der Stadt Wien, den Exl-Leuten die Glückwünsche der Stadt Wien aus, die mit freudigem Stolz der Exl-Bühne eine bleibende Heimstatt bereitet hat.
Am Donnerstag, den 2. d[ieses] M[onats April], wurde die Jubiläumswoche mit einer festlichen Aufführung von Julius Pohls Lustspiel Die fünf Karnickel geschlossen, die zugleich einem der hervorragendsten Mitglieder der Exl-Bühne, Ludwig Auer, zum 60. Geburtstag und zum 40jährigen Bühnenjubiläum gewidmet war. Die glänzende Darstellung war ein Musterbeispiel der erheiternden Kunst der Exl-Bühne und stellte Ludwig Auer, ebenso wie wenige Tage vorher Eduard Köck, in den Mittelpunkt von Ehrungen, die in ihrem Ausmaß und in ihrer Herzenswärme die tiefe Wirkung seiner begnadeten Kunst aufzeigte."
Anlässlich des Exl-Jubiläums publizierte der wohl beste Kenner und begeisterte Verehrer der Kunst der Exl-Bühne, Karl Paulin, eine hymnische Würdigung, deren Glaubwürdigkeit die Gedankentiefe und Eleganz der Formulierung bestätigt (Innsbrucker Nachrichten vom 28. März 1942, Seite 3):
"[...] Vierzig Jahre Exl-Bühne. Welche Fülle von Arbeit, Kampf, zähem Ringen und krönendem Erfolg umschließen diese zwei Worte, die heute nicht nur Tirol und in allen deutschen Gauen, sondern weit darüber hinaus zu einem feststehenden Begriff alpenländischer Volkskunst geworden sind! Es wäre müßiges Beginnen, zu dieser festlichen Gelegenheit auch nur in großen Zügen einen Ueberblick oder eine Rückschau auf die Leistungen der Exl-Bühne zu versuchen. Wir alle haben ja kürzere oder längere Zeit hindurch das Wirken der Exl-Leute selbst miterlebt und nachgefühlt; wenn irgendwo dichterisch geformtes Leben sich im Spiegel der Sprechbühne mit echtestem Herzschlag wiederholt, so auf der Exl-Bühne, die, aus dem Volk erwachsen, zum Volk spricht [...].
Die ersten Erfolge bestätigten den rechten Weg Ferdinand Exls, der nun in unbeirrbarer Zielsicherheit an den Aufbau seiner Bühnen schritt. Damit wurde eine Idee zur gemeinschaftlichen Tat, die wir erst heute rückschauend in ihrer vollen Bedeutung erkennen. Zu einer Zeit, da der Gemeinschaftsgedanke noch kaum geboren war, stellte Ferdinand Exl alle Kräfte seiner Mitwirkenden in den Dienst des Gesamtkunstwerkes, unter seiner Führung wurde die Unterordnung des einzelnen unter das Ganze zu selbstverständlicher Pflicht, er forderte den besten Einsatz auch für die kleinste Rolle und erzielte damit im genialen Zusammenwirken mit seinem ersten und ältesten Mitarbeiter, Oberspielleiter Eduard Köck ein einzigartiges künstlerisches Zusammenspiel, die vielbewunderte Ensemblekunst der Exl-Bühne.
Daß auf diesem Weg die Fühlung mit dem Volk nie verloren ging, dafür sorgte neben dem Grundsatz der Darstellung: Wahrheit und Natürlichkeit, die gesunde Mischung von ernster und heiterer Muse im Spielplan der Exil-Bühne [...]. Waren in den ersten Jahren noch Gesangeinlagen, Zitherspiel und Schuhplattler sowie das Goaser-Quartett manchmal Bestandteil der Vorstellungen, so sorgte später besonders Julius Pohl, der selbst jahrelang als Darsteller zu den Exl-Leuten gehörte, durch seine vielgespielten bäuerlichen Lustspiele und Schwänke für nie versiegenden Bühnenhumor.
Ein wichtiges Feld eröffnete sich der Exl-Bühne in der Pflege und Darstellung der tirolischen Bühnendichtung. Es war wohl mehr als ein Zufall, daß der Aufstieg der beiden bedeutendsten Tiroler Dramatiker Franz Kranewitter und Karl Schönherr mit dem Werden und Wachsen der Exl-Bühne zeitlich zusammenfiel. Daher fanden diese großen Menschengestalter auch schon das ideale vermittelnde Bühneninstrument. Dichter und Darsteller nannten ja den gleichen Tiroler Boden ihre Heimat, verwandte Anlagen, gründlichste Kenntnis von Land und Menschen, gleiche aus Blut und Boden quellende innere Strömungen ergaben ein gegenseitig befruchtendes Zusammenwirken. Diese wechselseitig anregende Wirkung zeigte sich besonders auch im Schaffen zweier weiterer tirolischer Bühnendichter, Rudolf Brix und Hans Renz (Ranzi), deren Werke im Spielplan der Exl-Bühne einen wesentlichen Raum einnahmen.
In der Gestaltung bäuerlicher Menschen dichterischer Prägung wuchsen die Exl-Leute zu Volksschauspielern von einzigartiger Natur- und Lebenstreue. Die vollkommene Durchdringung jeder Rolle in Gebärde, Mundart, Maske und Kleid schuf in Verbindung mit der Echtheit des Szenenbildes Typen, die zum dauernden Bestand volkstümlicher deutscher Bühnenkunst zählen und heute vielfach schon geschichtliche Umrisse zeigen [...].
An dem 40jährigen Jubiläum der Exl-Bühne, das an ihrer gegenwärtigen Wirkungsstätte in Wien im Rahmen einer Jubiläums-Woche festlich begangen wird, nimmt Tirol als Heimat und Wiege dieser Künstlerschar besonderen Anteil. Innsbruck hat von jeher die Exl-Bühne mit freundlicher Anteilnahme begleitet. Ferdinand Exl und Eduard Köck tragen den goldenen Ehrenring der Stadt, die das 20-, 25- und 30jährige Jubiläum festlich begangen hat und nun hofft, daß uns die Jubelbühne als Gast im kommenden Sommer in einer Reihe von Meisteraufführungen einen Querschnitt ihres künstlerischen Schaffens aus vier Jahrzehnten erleben läßt [...]."
Ein weiteres kleines Jubiläum beging die Exl-Bühne mit der 50. Aufführung von Anton Hamiks bäuerlicher Groteske Der verkaufte Großvaterauf ihrer Wiener Bühne in der Praterstraße, die sie seit Beginn des Jahres 1941 unter der Direktion von Ferdinand Exls Tochter Ilse Exl bespielte:
"[...] Es gab eine lange Reihe von Hervorrufen und einen ganzen Garten von Blumen nicht nur für den Träger der Titelrolle, sondern auch für Eduard Köck als den erbschleicherischen Haslinger, für Franz Ludwig (Kreithofer), Leopold Esterle (Lois), Maria Wiesinger (Zenz), Mimi Gstöttner-Auer (Haslingerin), Herta Agostini (Eva) und Ernst Auer (Martl)" (Innsbrucker Nachrichten vom 7. März 1942, Seite 7).
Anlässlich ihres 40-Jahr-Jubiläums kam die Exl-Bühne zu einem mehrwöchigen Gastspiel nach Innsbruck, wo sie wie in den vergangenen Jahren ausgenommen 1941 den Sommerspielplan des Tiroler Landestheaters mit einer Reihe von Aufführungen gestaltete. Eine Vorschau auf das Programm, das außer dem klassischen Repertoire der Exl-Bühne mit den Volksdramatikern Anzengruber, Schönherr und Kranewitter die Uraufführung eines Auftragswerkes mit Thematik aus Tirols "Heldenzeit" einschloss, bot der Dramaturg des Landestheaters, Sigfrid Färber, in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Mai 1942, Seite 5:
"Am Sonntag, 31. Mai 1942, endet die Spielzeit 1941/42 des Tiroler Landestheaters mit der Aufführung von Liebe in der Lerchengasse. Aber nur drei Tage hält das Theater seine Pforten geschlossen. Schon am Donnerstag, 4. Juni 1942, während das Ensemble des Landestheaters Abstechervorstellungen und Gastspiele im Gau durchführt, wird das Jubiläumsgastspiel der Exl-Bühne eröffnet.
Die Exl-Bühne, die im Jahre 1902 in Innsbruck von Direktor Ferdinand Exl ins Leben gerufen wurde, konnte in diesem Frühling ihren vierzigsten Geburtstag begehen. Vierzig Jahre hat die Exl-Bühne ein bestimmtes künstlerisches Programm verfolgt und durchgekämpft, getreu den Idealen, die den Gründer Ferdinand Exl beseelten, und allen Widerständen zum Trotz ist die Exl-Bühne zur berühmtesten volkstümlichen Spielgemeinschaft des Reiches emporgestiegen, die heute auf Gastspiele in rund 250 Orten ihres Vaterlandes und des benachbarten Auslandes zurückblicken kann und die sich als geschlossene Spielgruppe mit dem Meineidbauer auch den Film eroberte. Das künstlerische Programm umreißt Prof. Dr. Josef Gregor in bündigen Worten: Das feste, bis zum heutigen Tag verfolgte Programm blieb, wertvolle Stücke durch das ganze deutsche Land zu tragen und mit der Kraft des ursprünglichsten deutschen Theaterbodens zu erfüllen dem des Landes Tirol. Aus diesem Programm fließt das Packende der Leistung, der heute wie vor hundert Jahren noch eignet, was das Theater der Großstadt so leicht vergißt: Begeisterung, Erdverbundenheit, Glaube!" [...].
Der Spielplan im Monat Juni bringt von den bedeutendsten volkstümlichen Tiroler Dramatikern Karl Schönherr und Franz Kranewitter die Komödie des Lebens Erde, mit der das Gastspiel eröffnet wird, ferner die Einakter Der Naz und Der Giggl aus den Sieben Todsünden und den Einakter Die Bildschnitzer. Vom Klassiker des Volksstücks Ludwig Anzengruber gelangt Der ledige Hof zur Darstellung. Mit dem volkstümlichen Drama Via mala nach dem Roman von John Knittel reiht sich den altbewährten Stücken ein modernes Schauspiel an, das bedeutendste Erfolgstück in der Reihe der Exl-Neuinszenierungen. Die heitere Muse ist mit Julius Pohls Die fünf Karnickel vertreten, mit Anton Hamiks bezaubernder Humoreske Der verkaufte Großvater und schließlich mit Friedrich Hedlers erst jüngst uraufgeführter Komödie Der Floh im Ohr.
Im Monat Juli sieht der Spielplan neben weiteren Werken von Kranewitter und Schönherr und neben anderen Neuinszenierungen heitere Stücke, das in Innsbruck seit zwanzig Jahren nicht mehr gespielte Komödienspiel von Rudolf Brix Balduin und Filimunde vor, ferner die Uraufführung Das Mädchen von Spinges des Innsbrucker Autors Max Tribus, der erst vor kurzem mit der Uraufführung seines Peter Anich sich als neues Talent heimatlicher dramatischer Kunst bewährte."
Die Eröffnungsvorstellung des Jubiläumsgastspiels der Exl-Bühne mit Karl Schönherrs Erde am 4. Juni im Tiroler Landestheater nahm die lokale Parteiprominenz natürlich zum Anlass, dem überregional gefeierten Repräsentanten tirolischen Kulturpatriotismus durch ihre Anwesenheit Referenz zu erweisen. An diesem festlichen Abend nahmen also sowohl Gauleiter und Reichsstatthalter Franz Hofer, der Stellvertretende Gauleiter Befehlsleiter Herbert Parson "sowie zahlreiche führende Männer aus Partei, Staat und Gauhauptstadt" teil. Sie alle erlebten die zündende Anteilnahme des Publikums, das der Wiedergabe von Schönherrs Komödie "stürmischen Beifall" zollte, "in den sich nach jedem Aktschluß begeisterte Zurufe mischten." So entbot "das in allen Rängen vollbesetzte Haus den Exl-Leuten die herzliche Begrüßung der Heimat, die gerade im 40. Jahre des Bestandes dieser klassischen deutschen Volksbühne mit besonderer Freude die berühmten Landsleute in der Heimat selbst, aus der sie und ihre Kunst hervorgegangen sind, begrüßte". Der Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juni 1942, Seite 4, betont schließlich die enthusiastische Stimmung am Ende der Vorstellung: "Blumenspenden und nicht endenwollende Beifallsstürme beschlossen den festlichen Eröffnungsabend und gaben dem Dank und der Begeisterung für die Exl-Leute überwältigenden Ausdruck."
Die besondere Attraktion des Innsbrucker Gastspiels der Exl-Bühne war die Uraufführung des historisch-patriotischen Schauspiels in drei Akten Das Mädchen von Spinges des jungen Tiroler Autors Max Tribus am 8. Juli 1942 im Tiroler Landestheater. Dieser Stoff mit seiner Idealisierung tirolischen Heldentums interessierte natürlich auch den Gauleiter und Reichsstatthalter Franz Hofer, der der Vorstellung "mit einer Anzahl seiner Mitarbeiter beiwohnte". Über das Stück und seine Präsentation durch die Exl-Bühne schreibt Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichtenvom 10. Juli 1942, Seite 4:
"Aus der Heldenreihe der Tiroler Befreiungskriege ragt die Gestalt des Mädchen von Spinges auf, umrankt und umwoben von heroischem Mythos, geschichtlich kaum erkennbar, ist doch ihr Name und ihre Persönlichkeit bis in die neueste Zeit wissenschaftlich umstritten. Nur der Bericht eines allerdings maßgebenden Augenzeugen, des Landsturmoberkommandanten Dr. Philipp von Wörndle, der das Treffen bei Spinges am 2. April 1797 befehligte, beglaubigt die Tat dieser ungenannten bäuerlichen Kämpferin, die, mit fliegenden Haaren auf der Friedhofsmauer stehend, die anstürmenden Feinde mit ihrer kräftig geführten Heugabel hinunterstieß.
Diese freie allgemeine Fassung einer heldischen Erscheinung gab natürlich der Dichtung und dem Drama freien Spielraum, der denn auch vom patriotischen Volksstück ausgiebig benützt wurde; so hat u. a. die Geschichte vom Mädchen von Spinges in der dramatischen Bearbeitung Josef Ernsts auf den Brettern des alten Pradler Bauerntheaters und ländlichen Laienbühnen die Zuschauer begeistert.
Max Tribus, der nun innerhalb von vier Monaten zwei Uraufführungen am Tiroler Landestheater herausgebracht hat gewiß ein schöner Erfolg für den jungen Dramatiker und ein Beweis für die Förderung heimatlicher dramatischer Bestrebungen hat in seinem Schauspiel Das Mädchen von Spinges nach seinen eigenen Worten versucht, diese frauliche Tiroler Heldengestalt möglichst ihrem Charakter getreu, menschlich schlicht aus der bäuerlichen Umwelt heraus darzustellen [...].
Tribus hat im übrigen die bühnenwirksamen Elemente seines Schauspiels herausgearbeitet und gab besonders den Szenen, wo die Freiheitsliebe und der Kampfeswille der Spingeser zum Ausdruck kommen, einen starken inneren Impuls.
Die Exl-Bühne hat unter der Oberspielleitung Eduard Köcks dem neuen Schauspiel aus der heimatlichen Geschichte alle darstellerische und szenische Sorgfalt gewidmet. Im Mittelpunkt stand Ilse Exl als Katharina Lanz, echt und tiefempfunden, an den Wendepunkten der Handlung von tragischen Schauern durchschüttert. Die stärkste darstellerische Leistung lag bei Anna Zötsch, welche das Pichler-Barbele, Totenweibele und Intrigantin zugleich, wohl die gelungenste Gestalt des Schauspiels, mit nicht zu übertreffender Schärfe und Lebenswahrheit spielte [...]."
Dass der so erfahrene und literarisch überaus kundige Karl Paulin das Stück von Max Tribus nicht als eine Glanzleistung der dramatischen Kunst empfand, kommt wohl in seinem Schlusssatz zum Ausdruck: "Die Uraufführung fand einen außerordentlichen stürmischen Beifall, der den Verfasser und die Exl-Leute wiederholt vor die Rampe rief und besonders der Darstellungskunst der Exl-Bühne galt."
Am 28. Oktober 1942 verstarb Ferdinand Exl, der Begründer der nach ihm benannten Bühne im 68. Lebensjahr. Karl Paulin widmete ihm in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Oktober 1942, Seite 3-4 einen einfühlsamen und von ehrlicher Hochachtung erfüllten Nachruf:
"[...] Eine Rückschau auf dieses nun vollendete schöpferische Leben, läßt uns die Grundkräfte klar erkennen, die den Menschen und Künstler Ferdinand Exl geformt haben: ein stahlharter Wille und unbeirrbare Treue zu sich selbst und zum Ideal einer neuen volkhaften, alpenländischen Menschendarstellung.
Blut und Boden haben sich selten so bildnerisch ausgeprägt wie in dem Postbeamtensohn Ferdinand Exl, der, am 30. Mai 1875 zu Innsbruck geboren, von früher Jugend an den angeborenen Trieb zum Theater spürte und ihm, allen Hindernissen zum Trotz, eine lebenformende Richtung gab. Alttirolische Spielfreude führte den jungen Buchbinder auf die Bretter des alten Pradler Bauerntheaters, wo er bald als 'Held' und 'Ritter' sich die ersten Sporen verdiente. Sein im Innsbrucker Stadttheater für künstlerische Werte geschärfter Sinn stand aber höher; aus den Reihen des deutschen Männergesangvereins Innsbruck wählte sich Exl einige gleichgesinnte und -begabte Gefährten und wagte mit ihnen, nur im Vertrauen auf die eigenen Kräfte, den Sprung in die künstlerische Selbständigkeit. Der 31. März 1902 wurde zum Geburtstag der Exl-Bühne, zugleich der bedeutungsvollste Augenblick im Leben ihres Gründers, der von diesem Zeitpunkt an nur ein Ziel kannte: die Ausgestaltung einer alpenländischen Volksbühne, der die künstlerische Darstellung des dichterischen Volksstückes zur höchsten Pflicht wurde [...].
Was uns heute besonders deutlich wird, ist die Gemeinschaftsidee, welche Ferdinand Exl in seinem künstlerischen Schaffen zu einer Zeit verwirklicht hat, da auch im Theaterleben Künstlerselbstsucht und Starwesen blühten und sich jede außergewöhnliche Kraft nur auf Kosten des Ganzen zu entfalten suchte. Da hat der Tiroler Bauernspieler seine Getreuen zu gemeinschaftlicher Arbeit zusammengefaßt, sie in eiserner Disziplin zur Unterordnung unter das verpflichtende Gesetz der Kunst geführt und damit eine Harmonie des Gesamtspiels erreicht, die auf deutschen Volksbühnen nicht ihres gleichen findet. So sind die Exl-Leute aus der Enge und Verflachung des landläufigen Bauerntheaters der letzten Jahrzehnte zu einer künstlerischen Höhe aufgestiegen, die sie zu den bedeutendsten Darstellern alpenländischer Bühnendichtung ernster und heiterer Art reifen ließ.
Daß die gegenseitige künstlerische Anregung zwischen Exl-Bühne und Dichtung besonders auf das tirolische Drama, auch befruchtend wirkte, ist aus dem zeitgenössischen Schaffen eines Kranewitter, Schönherr, Brix, Renz u. a. unverkennbar.
Bis an die Schwelle des 40. Spieljahres leitete Ferdinand Exl seine Bühne selbst, dann, im Februar 1941, übergab er sie den Händen seiner Tochter Ilse, die seither das Erbe des Vaters weiterführt. Ferdinand Exls führende und organisatorische Tätigkeit hat sich aber nicht nur mit dem Ausbau der Exl-Bühne begnügt, die während ihres Bestandes deutsche Bühnenkunst im tirolischen Volkskleid nicht nur durch den gesamtdeutschen Raum, sondern auf Gastspielfahrten durch zahlreiche andere europäische Staaten getragen hat, sie drängte den unermüdlichen, von künstlerischem Fanatismus erfüllten Mann zur Leitung des Innsbrucker Stadttheaters, an dessen Spitze er in den Jahren 1916 bis 1920 stand, und zur Gründung der Innsbrucker Kammerspiele, die von 1919 bis 1922 beim Grauen Bär in Innsbruck als vorbildliche, darstellerisch hochstehende Kleinkunstbühne ein unvergessenes Zeugnis der hohen literarischen und schauspielerischen Ziele Ferdinand Exls bildeten [...].
Den Jahren des Ringens und Kämpfens um die Erneuerung deutscher Bühnenkunst folgte ein Aufstieg, der Ferdinand Exl neben dem Bewußtsein eigenster Erfüllung auch die Anerkennung seiner engeren Heimat brachte. Zum Silberjubiläum der Exl-Bühne wurde ihm 1927 der Goldene Ring der Stadt Innsbruck verliehen; seit wenigen Monaten zählt unsere Gauhauptstadt den Schöpfer der Exl-Bühne zu ihren Ehrenbürgern [...]."
Das Begräbnis Ferdinand Exls, der als aufrechter und treuer Gefolgsmann kultureller Parteiinteressen bis in höchste Kreise der NSDAP für seine Tätigkeit Anerkennung gefunden hatte so zählte er es zu seinem "größten Erlebnis", anlässlich der Tage der Deutschen Kunst in München 1938 "Gast des Führers gewesen zu sein" (in Alpenheimat 1941, S.85) setzte eine öffentliche Demonstration der außergewöhnlichen Wertschätzung des Verstorbenen in Gang, besonders auch durch Parteikreise. Äußeres Zeichen war die erlesene Ehrung, dass Exls Sarg eine Hakenkreuzfahne bedeckte und dass ihn Standschützen in Speckbacher-Tracht, unter Begleitung der Trauerklänge des Gaumusikzugs, zu Grabe trugen. Am offenen Grab sprach Kreisleiter Dr. Primbs als Vertreter des verhinderten Gauleiters "Worte des Gedenkens an den vorbildlichen Kämpfer Exl, dessen künstlerisches Wirken der nationalsozialistischen Jugend in den Jahren der Systemzeit nicht nur Entspannung und Erhebung, sondern ein leuchtendes Beispiel bot. Exls Geist und Wille, seine unbedingte Treue zu Volk, Heimat und zu seinem künstlerischen Ideal werden weiter in der Gemeinschaft wirken, die er geschaffen in der Exl-Bühne, deren Kunst ja schon seit ihren Anfängen der Volksgemeinschaft gehört. Anschließend legte der Kreisleiter einen mächtigen Lorbeerkranz des Gauleiters und Reichsstatthalters sowie einen Kranz im eigenen Namen nieder, denen noch unzählige Blumengrüße folgten" (Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1942, Seite 3).
An Ferdinand Exls Beerdigung nahmen von Parteiseite ferner Gaupropagandaleiter Karl Margreiter und Gaupresseamtsleiter Franz Pisecky teil. Die Gauhauptstadt gab ihrem verstorbenen Ehrenbürger die Ehre durch höchste Repräsentanten mit Oberbürgermeister Dr. Egon Denz und Bürgermeister Edmund Christoph. Außerdem schritten Mitglieder des Gaustabes und des Kreisstabes sowie eine "Hundertschaft der Politischen Leiter" im feierlichen Trauerzug, an der Spitze freilich die engsten Familienangehörigen, dazu "eine große Zahl von Leidtragenden aus allen Schichten der Bevölkerung", Schauspieler, Schriftsteller, Künstler sowie zahlreiche persönliche Freude Ferdinand Exls.
Im Namen der Exl-Bühne und im Namen der Tiroler Dichter und Dramatiker widmete Rudolf Brix dem verstorbenen Theaterdirektor und großen Volksschauspieler "freundschaftliche Abschiedsworte, die das Wesen Ferdinand Exls als Mensch und Künstler charakterisierten und ihm den Dank, die Liebe und die immerwährende Treue der Heimat aussprachen. Der Deutsche Männergesangverein Innsbruck bot seinem Ehrenmitglied mit Silchers Bardenchor den letzten Gruß. Nach den Klängen des Liedes vom Guten Kameraden senkten sich die Fahnen der Bewegung über dem Sarg Ferdinand Exls. In einer wundervollen landschaftlichen Stimmung goldenes Morgengewölk zog über den lichtblauen Himmel nahm in dieser Stunde auch die Bergheimat Tirol Abschied von ihrem großen Sohn" (Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1942, Seite 3).
Ferdinand Exl, "Aus meinem Theaterleben", 1941
Puppenspiele und Marionettentheater
Das Puppenspiel in Innsbruck wurde von der NS-Frauenschaft kultiviert. Hier war es besonders die Klavierlehrerin Margarete Jenewein, die diese Tradition von ihren Vater übernommen hatte und mit Engagement wie auch mit Geschick weiterführte. Um kontinuierliche Vorstellungen zu ermöglichen, hatte die NS-Frauenschaft in ihrem Heim in der Anichstraße 36 eine Kleinbühne eingerichtet und mit der Geburt der Komödie von Franz Pocci eröffnet. Karl Paulin informiert in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1942 (Seite 4) über die Geschichte des Zustandekommens dieser originellen Institution, die Pocci-Aufführung und künftige Pläne der Organisatorin:
"[...] Puppenspiele, Marionettenbühne, Kasperltheater sind als volkstümliche Miniaturform der Sprechbühne auch in Tirol längst heimisch, und zwar in der urwüchsigen Form des landesüblichen Höttinger Peterlspieles, das in ungeschminkter Mundart schon seit alter Zeit jung und alt im Bannkreis des Innsbrucker Stadtturms ergötzt. Wir haben wiederholt über das noch vom alten Peter Vögele aus unmittelbarer Überlieferung meisterhaft aufgeführte Höttinger Peterlspiel berichtet, das nun nach dem Tod des Vaters von seinen Söhnen gelegentlich, kürzlich z. B. beim Templwirt, dargeboten wird.
Die Innsbrucker Marionettenspiele stehen unter der Leitung ihrer Inhaberin Margarete Jenewein, die schon vom Vater her auf das engste mit der heimatlichen Kleinbühnenkunst verbunden ist. Denn sie ist die Tochter des im Jahre 1919 verstorbenen städtischen Beamten A. Rudolf Jenewein, dem wir die literarische Erfassung, Aufzeichnung und Herausgabe des Höttinger Peterspieles und der Alt-Innsbrucker Hanswurst-Spiele verdanken.
Ganz im Sinne des väterlichen Vorbildes hängt Fräulein Jenewein mit dem Herzen an den alten schönen Puppenspielen und zeigt schon durch ihre Stückwahl, daß sie einen höheren dichterischen Zweck mit diesen heiteren Vorführungen verbindet. Durch werktätige Unterstützung von Frau Hauptschuldirektor Witsch gelang es, einen geeigneten Raum für die Innsbrucker Marionettenspiele im Heim der NS.-Frauenschaft bereitzustellen, in welchem die heute noch primitive Puppenbühne von der Leiterin und einer kleinen Gruppe theaterbegeisterter Mitspieler in Betrieb gesetzt wird.
Franz Pocci, der gräfliche Kasperl-Dichter, der Vater neuzeitlicher wertvoller Puppenspiele, hat das erste Wort und bestimmt damit den Ton der Innsbrucker Marionettenbühne. Seine Geburt der Komödie ist gewissermaßen ein Mikrokosmos des Puppenspieles; der Tanz, den die biederen Kleinbürger um das geheimnisvolle Riesenei aufführen, das ein rätselhafter Vogel mitten in das Städtchen gelegt hat und dem zum Schluß Kasperl Larifari entspringt, sprüht alle Arten von Lustigkeit bis zur derbsten komischen Wirkung, gewährt aber dabei dem seiner hinhorchenden Zuschauer einen Blick in das satirische und symbolisch beleuchtete Menschentreiben.
Ganz wesentlich hebt und beschwingt die von einem jungen Innsbrucker, Anton Kratz [(1917 Sambor /Galizien-1980 Innsbruck)], stammende Musik in ihrer flotten lockeren Art nicht nur den Gang der Handlung, sondern auch die vielen eingestreuten Lieder, so daß die ganze musikalisch umrahmte Komödie die heiterste Wirkung auslöste. Dazu gehört wohl auch die drastische Ausführung der Puppenköpfe und die geschickte Anfertigung der Kostüme, beides ein Werk Frl. Jeneweins.
Nicht zu vergessen sind die originellen Bühnenbilder, mit denen der heimische Maler C. H. Kühn dem Spiel einen bunten Alt-Innsbrucker Rahmen gab.
Der Erfolg der ersten Aufführungen bestärkt die Leiterin in ihrer Absicht, den Spielplan der Innsbrucker Marionettenbühne auch weiterhin entsprechend auszugestalten. Demnächst sollen Goethes Puppenspiel Scherz, List und Rache, vertont von J[osef] E[duard] Ploner, dann das Alt-Innsbrucker Hanswurst-Spiel Don Juan, weiters ein Hans-Sachs-Puppenspiel u. a. m. zur Aufführung kommen."
Goethes Singspiel erforderte mit den nicht weniger als 13 Personen, die mit Spiel, Gesang und Musik beschäftigt waren eine aufwändige Vorbereitung. Es ging schließlich im Juni 1942 mit Ploners Musik in Szene. "Der musikalische Teil der Aufführung gewann besonders auch durch die vorzüglich durchgeführten Gesangspartien des Scapin (Toni Schiechtl), der Scapine (Hilde Schuler) und des Doktors (Opernsänger Edmund Falkner)" (Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Juni 1942, Seite 4).
Die Aufführungstradition des Höttinger Peterlspiels war noch lebendig. Dies bestätigt Maria Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. Februar 1942, Seite 3:
"Seit Jahrzehnten war ein Besuch des alten Höttinger Peterlspiels eine der Hauptfreuden der Innsbrucker Jugend in der Faschingszeit. Der handfeste Peterl mit seiner flinken Zunge, dem guten Mutterwitz, dem ehrlichen Herzen und seinen mannigfachen Lebensschicksalen bildete stets eine Quelle lachender Fröhlichkeit. Der Kriegszeit angemessen, trat der gute Peterl heuer recht bescheiden auf. Auch ist er aus dem Vortragssaal in die gemütliche Wirtsstube zurückgekehrt, wo seine urige Art bei leisem Gläsergeklirr und Pfeifenrauch sich erst so richtig entwickeln kann. Mit leiser Wehmut werden die ältesten Zuschauer bei der Vorstellung im Gasthof Templ am 17. d[ieses] M[onats Februar] der Zeit gedacht haben, da sie als Kinder über schmale Wege mitten durch die Felder in die gleiche Stube zum geliebten Peterl liefen. Die Buben und Mädln, die heute mit erwartungsfrohen Augen die Kerzen vor der einfachen Bühne aufflammen sehen, kennen weitum nur mehr Straßen und Häuser. Doch der Peterl ist auch ihr guter Freund. Wer aber nicht im Bannkreis unserer Berge aufgewachsen ist, mag umsonst Fühlung suchen mit dem Peterl, seinen Freunden und Feinden, die hiesigen 'tuts hoamelen'. Fast vergessene mundartliche Worte klingen auf, kernige Aussprüche, alte Bräuche bis zur Ziegersuppe am Morgen, die längst mehr oder weniger würzigem Kaffee gewichen ist. Unberührt von allen abschleifenden Einflüssen der Zeit haben sich die alten Spässe und Lieder, um die mit Herzblut bezahlte Lebensweisheit schwingt, erhalten, ein Verdienst der Söhne des alter Peter Vögele, der den Peterl und seine Schar durch Jahrzehnte Generationen von Innsbruckern vertraut machte. Darum waren auch jung und alt in der großen Veranda beim Templ, trotzdem arge Verspätung durch widrige Umstände den Peterl zur Eile zwangen, aufs beste unterhalten und niemand kargte mit schallendem Beifall."
Auch im Jahr 1942 kam das berühmte, 1913 von Bildhauer Anton Aicher gegründete Salzburger Marionettentheater auf seiner Gastspielreise wieder nach Innsbruck und schloss in seinen Tourneeplan Telfs mit ein. Die Innsbrucker Nachrichten vom 31. Oktober 1942 bringen auf Seite 6 eine Programmvorschau:
"[...] Die bevorstehenden Gastspiele in Innsbruck und Telfs bringen in den Nachmittagsveranstaltungen, hauptsächlich für Kinder, das Märchenspiel Rumpelstilzchen, nach dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm, in fünf Akten. Die Abendvorstellungen für Erwachsene zeigen drei Einakter, Bastien und Bastienne, komische Oper von W. A. Mozart, Columbine, ein Puppenspiel von Hans Seebach, und Wolfgang und der Selchermeister, ein heiteres Genrebild aus Mozarts Jugend, von Hans Seebach. Die künstlerische Gesamtleitung hat Hermann Aicher."
Die vielfältige Tätigkeit des Salzburger Puppenspiels im Dienst parteikonformer Kulturbestrebungen wird besonders hervorgehoben: "Ueber dreihundert Gastspielfahrten durch alle europäischen Länder haben überall Zeugnis abgelegt für deutsche Kultur und Kunst. Immer wurde deutsch gespielt, für die Volksdeutschen dieser Länder und für die Besucher von 27 Nationen. Im Auftrage der NSG. Kraft durch Freudewurden seit 1937 bis 1942 in 359 Städten Vorstellungen mit rund 400.000 Besuchern durchgeführt. Als Fronttheater waren die Marionetten sieben Monate in Norwegen, außerdem in Rumänien und Dänemark eingesetzt und haben in vielen Vorstellungen unsere Soldaten erfreut."
Maria Randolf schildert ihre Eindrücke vom Auftritt der Salzburger Puppenschauspieler in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. November 1942, Seite 3:
"[...] Alles ist in harmonischer Bewegung, die so vollkommen mit Wort und Lied oder musikalischer Untermalung zusammenklingt, daß man beinahe erstaunt ist über die geschlossenen Lippen der Träger des anmutigen Spiels. Freud und Leid, Liebe und Enttäuschung, Glück und Verzweiflung scheinen die Puppenherzen bis zum Zerspringen zu erfüllen, doch alles überwindende Liebe und versöhnender Humor lösen düster drohende Konflikte. Die vielen Kinder, die in den Nachmittagsvorstellungen das Märchen vom Rumpelstilzchen von den Puppenspielern dargestellt sahen, erlebten in heller Freude wohl die Verwirklichung ihrer schönsten Phantasien um die Müllerstochter und den Waldgeist, dessen Erpressungsversuch im letzten Augenblick schmählich zuschanden wird." Auch die Zuschauer der Abendvorstellung "ließen sich gerne völlig gefangen nehmen vom Zauber des Spiels, das sich vor einem künstlerisch gestalteten Hintergrund abrollte und in seiner feinen Mischung von Wahrheit und Dichtung, Humor und Satire, seiner tiefen menschlichen Verbundenheit wie abgeklärten Entrücktheit eine heitere, klare Stimmung schuf [...]."
Revue und Varieté
Die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude war mit der Vielzahl ihrer Aktivitäten vor allem bestrebt, die Freizeitgestaltung nicht den "Volksgenossen" selbst zu überlassen, sondern diese durch planvoll konzipierte Angebote zu reglementieren. Ideologisches Ziel war die Zurückdrängung des Individualismus zugunsten einer gesellschaftlich-kulturellen Neuordnung des sozialen Gefüges im Sinne einer in Heimatgefühl, Nationalstolz und Gemeinschaftserlebnis geschlossen agierenden und denkenden Bevölkerung. So stand die Freizeit ebenso im Dienst der Politik und war wesentlich von kulturellen Aktivitäten erfüllt, die neben ihrer reaktivierenden Funktion vor allem das Volksbewusstsein als "deutsche Menschen" bestärken sollte, deren Überlegenheit sich im Kulturschaffen besonders manifestiert. Mit Kriegsbeginn und vor allem, seit der Siegeszug der Wehrmacht 1942 ins Stocken geriet, modifizierte die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freudeihr Programmkonzept dahingehend, dass nun, wegen der Belastungen durch den Krieg, das Schwergewicht der Veranstaltungen mit vielen Revuen und Varietés auf dem unbekümmerten Sektor lag, was die Sorgen und Bedrängnisse des Alltags zumindest kurzzeitig vergessen lassen sollte. Das vielfältige, kunterbunte und kontinuierlich präsentierte Angebot reichte von Eislaufrevuen über Zirkusvorstellungen bis zum Auftritt von Zauberkünstlern, Akrobaten, Komikern, vielfach in der Inszenierung des Bizarren, Exzentrischen, Urkomischen und Sensationellen.
Am 24. Jänner 1942 veranstaltete die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude zusammen mit dem Innsbrucker Eislaufverein eine "große Ausstattungs-Eis-Revue mit Weltmeister Karli Schäfer". Werbewirksam verkünden die Innsbrucker Nachrichten vom 21. Jänner 1942, Seite 3: "[...] Die Innsbrucker Eissportfreunde werden damit Gelegenheit haben, die weltbekannte Tanzgruppe Karli Schäfers erstmalig in Innsbruck zu sehen."
Erwin Spielmann beschreibt in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. Jänner 1942, Seite 3, ausführlich und mit begeisterter Anteilnahme die mit großem Werbeaufwand angepriesene Eisrevue, die an die 4000 Besucher angelockt hatte:
"[...] Dieses Ensemble ist von einem überragenden Lehrmeister schöpferisch gestaltet, indem es sich vom Herkömmlichen trennt und neue Wege geht, die die strenge Technik wohl als Grundelement beibehalten, sie aber unterordnet dem Drange nach der individuellen Tanzkomposition, die durch ihre typisch wienerische Note und persönliche Färbung diesem kleinen Märchenlande im unbedingten Sinne den Riesenerfolg sichert, wo immer es sich zeigen wird.
Es können aus den rund 20 Programmnummern des von Frau Holle leider mißgünstig behandelten Abends nicht alle Erwähnung finden, auch wenn sie es verdienten. Ein farbenblitzender, fröhlich stimmender, in schillerndem Kolorit duftender Reigen vom ersten bis zum letzten Schritt, der in einzelnen Nummern aber doch krönende Höhepunkte fand. Die am hellsten aufstrahlenden Sterne: Herta Wächtler und Trude Rothe-Schweickhardt, bieg- und schmiegsam wie Weidengerten, von untadeligem Wuchs, von unübertrefflicher Sicherheit im Technischen, sind beide für die Revue prädestiniert. Und Weltmeister Karl Schäfer mit seinen unnachahmlichen Monden, in seinem künstlerisch großangelegten Paartanz mit Herta Wächtler, der an tänzerischer Verschmelzung zweier ebenmäßiger Partner nicht mehr zu steigern ist.
Der Glanzpunkt des ersten Teils [war] wohl die von Herta Wächtler mit unvergleichlicher Verve in einem cyklamenfarben besetzten Silberkleid getanzte Rossini-Phantasie, die besonders lebhafte Beifallsbezeugungen auslöste. Rund herum der von Rothe-Schweickhardt ganz köstlich marschierte Militärmarsch, Martha Wittmann als reizendes, Quetschorgel quetschendes Tiroler Dirndl, Fritzi Gillard mit einem schwarzsilbern beflügelten Tango, und die heiteren Saiten in diesem märchenhaften Reigen schlug Bubi Preindl in einer urkomischen Nummer mit viel Erfolg und weithin schallendem Echo an. Karl Schäfer [wurde] zu seinen Improvisationen schon beim Auftritt mit Sonderbeifall empfangen.
Wie erlesen geschmackvoll doch die Kostümierung Herta Wächters in ihrem mit ebensoviel Temperament wie fraulicher Anmut gezeigten ungarischen Tanz. Das Traumbild, von Trude Rothe-Schweickhardt in mohnfarbenem Kleid getanzt, ein weitere Höhepunkt. Der natürliche, so völlig ungekünstelte, bis in die Fingerspitzen ausstrahlende Scharm der blonden Wienerin feierte hier bei innigstem Aufgehen in der Musik höchste Triumphe. So eistanzen, das kann nur eine Wienerin, das ist aus echtem Wiener Blut geboren. Besonders originelle auch die Deutschmeister-Szene, in der Elfi Hussak mit gewinnender Natürlichkeit und in duftigem Blau-Weiß ein Wiener Wäschermädel aufs nicht immer spiegelnde Parkett legte. Eine schmissige Polka (Rothe-Schweickhardt), ein bayrischer Landler dazwischen und den spannungserfüllten Schlußpunkt setzte Bubi Preindl mit seinen akrobatischen Sprüngen über Fässer und durch einen brennenden Fackelkranz.
Doppelt schade, daß die äußeren Voraussetzungen nicht die besten sein konnten, wie auch die Wirkung durch Nur-Scheinwerferlicht weit mehr gesteigert worden wäre. Wenn der Abend trotz dieser hinderlichen Begleitumstände zu einem Riesenerfolg wurde, so erhellt daraus um so stärker das großartige Können dieser von Weltmeister Schäfer mit künstlerischer Eigenwilligkeit geformten Revue-Truppe, die, den Weltruf der Wiener Eislaufschule auf diese neuzeitliche Art zu gesteigertem Ansehen zu bringen die inneren, tiefen Werte besitzt."
Im Rahmen seines zehnjährigen Bühnenjubiläums trat der auch überregional bekannte Tiroler "Zauberkünstler" W. M. Frascati (Willi Mair) aus Matrei am Brenner Anfang Februar im Stadtsaal Innsbruck Stadtsaal auf. Heinz Cornel Pfeifer berichtet von diesem Abend mit neuen Zauberkunststücken in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Februar 1942, Seite 4:
"[...] Seine immer neuen verblüffenden Tricks sind auch so überraschend, daß die Besucher mit Beifall nicht sparen und ein Abend bei Frascati stets das Bewußtsein hinterlässt, einige heitere und schöne Stunden verbracht zu haben. Mit amüsantem Geplauder führt er eine Fülle von Zauberkunststücken vor, an die sich nur ganz große Könner wagen dürfen. Bemerkenswert ist dabei, daß Frascati nie einen Lehrmeister hatte, sondern sich in mühsamster Arbeit alles selbst beibrachte und so vom Schlosserbuben zum gerngesehenen und begehrten Gast aller Varietébühnen des Reiches aufstieg [...]."
"Der Zauberkünstler W. M. Frascati auf Reichstournee" lautet die Schlagzeile in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. April 1942, Seite 5: "Der bekannte heimische Zauberkünstler Willi Mair-Frascati, der einzige Tiroler 'Magier', findet auf seiner Gastspielreise durch das Reich überall freudigste Aufnahme und beste Anerkennung, wie eine Anzahl Artikel aus den verschiedensten führenden deutschen Tageszeitungen beweisen. Zwei ausverkaufte Abende im Berliner Beethovensaal hatten so großen Erfolg, daß im Mai vier weitere Abende angesetzt werden mußten. Weit über die Grenzen seiner engeren Heimat hinaus hat sich W. M. Frascati den Ruf eines hervorragenden Könners in seinem Fach erworben."
Im Winter 1942 zeigte der Tiroler Zauberkünstler seine viel bewunderten Fertigkeiten als Magier auch im Rahmen einer Gastspielreise in die mit Deutschland verbündeten Balkanstaaten (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Dezember 1942, Seite 4).
Frascatis Vorbild, der seit Jahrzehnten durch seine Auftritte in Innsbruck bekannte Rudolf Winterri, hatte nichts an Interesse und Zugkraft verloren. Bei seinem Gastspiel Ende März 1942 in Innsbruck war der Große Stadtsaal überfüllt. Winterri verstand es, "als unübertrefflicher Zauberkünstler mit viel Geschicklichkeit und geist- und witzvoller Beredsamkeit eine Reihe undurchschaubarer Kunststücke mit Spielkarte, Seil u. dgl. in die Zuschauer zu zaubern [...]" (Innsbrucker Nachrichten vom 23. März 1942, Seite 4).
Ebenfalls auf Einladung der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude war das Apollotheater Augsburg im Innsbrucker Stadtsaal zu Gast. In den Ankündigungen wurde den Besuchern ein "bunter Bilderbogen köstlichen Humors schöner Revuetänze und internationaler Artistik" versprochen, somit waren beide Vorstellungen schon nach wenigen Tagen ausverkauft.
"[...] Ein Dutzend hübscher Mädchenköpfe begrüßte als lustige Farbtupfen über eine Palette verteilt die vielköpfige Menge, die dann auch gleich dem wortgewandten Ansager Jonny Frey die ersten Lachsalven zollen mußte, denen im Verlauf der flott abgewickelten Vorstellung noch manche fröhliche Zustimmungskundgebung folgen sollte. Da war der Musikal-Exzentriker Alex Schumilevsky, der frischfröhlich den alten Schlager von der Holzauktion im Grunewald auf Scheitern herunterklopfte, daß es nur so eine Art hatte, und schmelzende Operettenweisen der einzigen Saite einer Geige oder ähnlichen nie gesehenen Instrumenten entlockte. Paul Beckers und Axel Stamer philosophierten in zwerchfellerschütternden Zwiegesprächen, um schließlich in einem Sketch letzte Proben blühendsten Blödsinns zu verzapfen. Die drei Rethlens ernteten mit ihrem tüchtigen Können als ausgezeichnete Handvoltigeure begeisterte Anerkennung. Jens Schlichtholz step[p]te über die Bretter, daß seine Beine mit den Frackschwänzen um die Wette flogen, und die vier Spurgats verblüfften als silberglänzende Wunderfiguren durch linienschöne lebende Bilder sowie Kraft und Biegsamkeit ihrer Körper. Zwischen diesen Nummern tauchten immer wieder die flotten Girls mit ihrer Meisterin Anna Zelano auf, als Ungarinnen, als Rumäninnen oder in schleierumflossenen Wiener Walzergewändern und erfreuten durch den hübschen Gesamteindruck wie die Grazie jeder einzelnen. Als zum Finale die gesamte Künstlerschaft noch einmal gemeinsam auf die Bühne kam, wurde sie von der fröhlich gestimmten Zuschauerschar für die gebotenen genußreichen Stunden herzlich bedankt." (Marie Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Februar 1942, Seite 5).
Auf diesen für ein Varieté so typischen Mix von Schlagermelodien, Akrobatik, Sketch, Tanz, "flotten Girls", Internationalität, Exzentrik und Wortklamauk folgte am 3. März im Innsbrucker Stadtsaal mit dem Auftritt des Simpl aus München ein köstlicher Abend erlesener Kleinkunst. Karl Paulin schildert einmal mehr in seiner überlegenen Wortgewandtheit den Verlauf des von der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freudeinitiierten Gastspiels, das für beide Vorstellungen ausverkauft war (Innsbrucker Nachrichten vom 5. März 1942, Seite 5):
"[...] Wenn auch zur eigentlichen intimen Entfaltung der Stimmung solcher Darbietungen eine wirkliche Kleinbühne und ein gesellig-gastlicher Rahmen gehören, so hätten die doch nie die Menschenmenge gefaßt, die nun im Stadtsaal der Simpl-Schar und ihrem Hauptgast, dem filmberühmten Gustav Fröhlich, lauschen konnte.
Theo Prosel, der Simpl-Wirt oder Obersimpler bewährte sich als wahrer Tausendsassa. Er machte uns nicht nur mit seinen Leuten bekannt, sprach die verbindenden Worte zwischen den einzelnen Nummern, sondern spielte auch selbst die Hauptpartien in den von ihm verfaßten Sketches. Schon die Schule der Ehe streute scharfes attisches Salz auf Theorie und Praxis. Die Wiege dieses Grafen Bobby stand zwar kaum in der Donaustadt, sein unfreiwilliger Humor wirkte aber trotzdem zwerchfellerschütternd. Und wie in der Ritteroper Der Kreuz- und Querfahrer neuzeitliche Musikklänge unbekümmert mit mittelalterlicher Romantik und zeitüberwindendem, derben Humor verwoben wurden, das konnte man wohl nur den Simpl-Leuten und ihrem Meister Prosel glauben.
Aber ganz ohne erzieherische Absicht waren auch diese Plaudereien, Parodien und Brettllieder nicht; die sarkastischen Strophen von der 'Kosmetik' und die beiden Szenen aus dem Panoptikum des Alltags, im Kaffeehaus und im Kino, enthalten einen belehrenden Kern in drastischer Hülle. Die einzelnen Künstler und Beiträge schillerten in den verschiedensten Farben. Lia Dahms, die Hamburgerin, traf Ton und Stimmung des Chansons vorzüglich, Ully Engel und Hannelore Schrötter vertraten verschiedene Gesangsbegabungen, Heinz Reitter den jugendlichen Komiker. Von der Blässe des Brettldichters Dr. Ernst Klotz hob sich das fessellose Temperament Irmgard Roode-Henleins in ihren ungarisch gefärbten Darbietungen umso greller ab.
Der lang erwartete Hauptpunkt des Programms kam wie es sich für einen 'Punkt' gehört zum Schluß: Gustav Fröhlich. Durch die einfache, im wahrsten Sinn des Wortes ungeschminkte Natürlichkeit seines Wesens und Auftretens, die im Gegensatz zur bunten Fülle des übrigen Programms stand, gewann der uns aus unzähligen Filmen, zum Teil noch aus der stummen Zeit, bekannte Künstler sofort die Fühlung mit den Zuhörern. Gustav Fröhlich, der Mensch an sich, trat uns ohne den Zauber der Leinwand und ihrer Ausstattung so sympathisch entgegen, daß seine ebenso aufrichtigen wie absichtsvollen Enthüllungen" aus seinem Privatleben sicherlich nicht ohne Wirkung blieben. Vielleicht bekehren Gustav Fröhlichs offene Worte manche Filmschwärmende von ihrer unangebrachten, auf das Privatleben der Filmkünstler gerichteten Neugierde.
Gustls Erlebnisse beim Einrücken zur Wehrmacht wenn's auch nicht aufs Haar stimmt, könnt's doch so gewesen sein ergänzten sein Charakterbild auf heiterste Weise. Und als der beliebte Künstler seine persönliche Bekanntschaft mit der großen Gemeinde seiner Innsbrucker Verehrer und Verehrerinnen durch eine meisterhaft angelegte Verteilung von handbeschrifteten Lichtbildern bekräftigte, da gab es einen lustigen Wettlauf der mit Vornamen aufgerufenen Weiblichkeit. Damit war die Stimmung auf eine Höhe gestiegen, die den Abschluß des Abends als unvermittelt empfinden ließ."
Bereits einen Tag später trat im Großen Stadtsaal wieder ein bekannter Humorist auf, dessen virtuoses Geschick, dem Publikum "Lachsalven" zu entlocken, von originellen Musikbeiträgen betont wurde. Erwin Spielmann schreibt in den Innsbrucker Nachrichten vom 6. März 1942, Seite 5:
"Trotz des Tags zuvor stattgefundenen Gustav-Fröhlich-Abends besaß der 'Heitere Abend' im Stadtsaal, wieder von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude veranstaltet, Anziehungskraft genug, den Saal beinahe wieder bis auf den berühmten letzten Stuhl zu füllen. Die Veranstaltung brachte, wie immer, eine vortreffliche Vortragsfolge, die ihr stärkstes und heiterkeitserfüllendes Kolorit durch den Humoristen Karl Peukert erhielt, ohne die Leistungen der übrigen Mitwirkenden zu schmälern.
Karl Peukert, ein Münchner, ist einer jener begnadeten Künstler, die Humorist aus einer inneren Berufung heraus sind. Sein Humor ist einfach, gesund und natürlich, unter Verzicht auf äußere Aufmachung und billige Zoten versteht es dieser Künstler, im flüssigen Plaudertone Pointe auf Pointe zu setzen, daß der Saal ein aufs andere Mal in einer dichten Kette von Lachsalven erdröhnt. Peukert trägt die Angriffsflächen seiner sarkastischen Lebensbetrachtung mitten ins Alltagsleben, und wenn er scheinbar menschliche Schwächen noch so scharf pointiert, ist dieser Humor doch in seinem beschwingten Ausklingen stets von einer tiefen Menschlichkeit getragen, die uns immer wieder in liebenswürdigstem Tone sagt: so sind die Menschen, und daher auch wir selbst. Darum ist Peukert nicht Komiker, sondern wirklicher Humorist und damit echter Künstler. Er bestritt den größten Teil des Programms allein und im Zusammenwirken mit der Vortragskünstlerin Hanna Reichard, trotzdem hätte man den Abschied von ihm noch um eine weitere Stunde gerne verschoben gesehen.
Maria Szantho, eine temperamentgeladene Ungarin, gefiel in einigen Tänzen ausgezeichnet. Käte Tellheim ist eine großartige Jodlerin, die außerdem auch singen kann. Ihr glockenreiner, in den höheren Lagen besonders vorteilhaft zur Geltung kommender Sopran gab den vorgetragenen alpenländischen Volksliedern eine eigene warmherzige Note. Der Beifall nach jedem Lied steigerte sich zum Orkan nach dem mit tiefem Gefühl und verschwenderischer Stimmfülle gesungenen Erzherzog-Johann-Jodler. Das Dietrich-Schrammel-Quartett sorgte für eine gute musikalische Umrahmung des Abends."
Das Tanzorchester Bernhard Etté sorgte Ende März für heitere Stimmung:
"[...] Die Liebhaber schmissiger, in die Glieder fahrender Tanzmusik kamen am Montagabend [30. 3. 1942] in der von der NS.-GemeinschaftKraft durch Freude veranstalteten Musikrevue Bernhard Etté vollauf auf ihre Rechnung. Die bekannte 25 Mitglieder zählende Kapelle gastierte im Stadtsaal und über zwei Stunden lang schwang Rhythmus und Synkope den Taktstock. Flott und exakt vorgetragene Schlager, Tanzweisen und Tonfilmmelodien, einmal feurig, einmal sentimental, gab es zu hören, doch hätte dieses Nur-Schlagerprogramm entschieden gewonnen, wenn man auch einmal einen Walzer, eine Opern- oder Operettenmelodie oder eine Ouvertüre eingestreut hätte, um dieser Jazz-Monotonie [entgegen] zu steuern.
Bernhard Etté ist darin Meister, ein Wissender um klangliche Effekte, die er noch durch ständige Einzelaktionen der verschiedenen Solisten jeder wieder ein Meister auf seinem Instrument unterstützt. Vier schöne Frauen mit klangvollen Stimmen, ein Belcanto, eine Virtuosin auf dem Akkordeon und ein Stepptänzer vervollständigten das Ensemble, dem das ausverkaufte Haus herzlichen Beifall spendete." (Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. April 1942, Seite 5).
Die dichte Folge des Unterhaltungsprogramms der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude wurde am 31. März mit einer Sonderveranstaltung für die Wehrmacht im Großen Stadtsaal mit bekannten Künstlern aus "Film, Bühne und Rundfunk" fortgeführt. Maria Randolf berichtet in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. April 1942, Seite 5:
"[...] Hans Albert Herbrandt, in unserem Gau gut bekannt als erfolgreicher Leiter zahlreicher Wunschkonzerte, bildete mit seiner Kapelle sozusagen das Rückgrat des Abends. Er bot mit seinen acht Männern vom Reichssender Belgrad musikalische Unterhaltung im besten Sinne des Wortes. Die Musiker zeigten sich als Streicher wie Bläser gleich vortrefflich, so daß durch Wechsel der Instrumente immer neue Klangfarben in das ausgezeichnete, kultivierte Zusammenspiel gemischt werden konnten. Hans Albert Herbrandt erwies sich aber nicht nur als umsichtiger Leiter; er ist auch ein Meister auf der Geige, der er in den Violinsolos Der alte Stephansturm von Briedl und Souvenir von Frantisek Alois Drdla in sauberem Spiel schmeichelnd-schmelzende, klangschöne Weisen entlockte.
Ein aus vielen Liederstunden des Reichssenders Hamburg wie des Deutschlandsenders bekannter Sänger stellte sich in Rupert Glawitsch den Innsbruckern erstmals persönlich vor. Maria Magdalena von Schröder, In der blauen Mondnacht von [Edmund] Nick waren die Lieder, mit denen er sich erneut in aller Herzen sang, um dann in dem bekannten Mei Mutterl war a Wienerin auch dem achtsamsten Ohr nicht den Schimmer eines Verdachtes kommen zu lassen, daß dem etwa nicht so wäre. Bei allem Wohllaut seines hellen Tenors und gefühlvollem Vortrag bewahrt sich Rupert Glawitsch vor jeder weichlichen Sentimentalität, er singt frisch und männlich, ohne Spur von Manieriertheit. Ebenfalls aus dem Rundfunk wohl bekannt war Betty Sedlmayr, eine jugendfrische, schöne Sängerin von beschwingter Anmut und entzückender Schelmerei. Mit glockenklarer Stimme sang sie Das Lied vom schwachen Stündchen, Sag beim Abschied, Draußen in Sieveringu. a. m. und konnte sich nur mit Mühe den sie umjubelnden Beifallstürmen entziehen. Gerda Maurus, aus vielen Filmen vertraut und beliebt, brachte in Tonfilmliedern und alten Wiener Chansons ihre vollendete Vortragskunst trefflich zur Geltung. Das Solotanzpaar des Deutschen Opernhauses in Berlin, Maja Crist und Orest entzückte in einem stilvollen Menuett und einem Straußschen Walzer, wobei sich alle Körperschwere in Musik und Bewegung aufzulösen schienen. Die verbindenden Worte sprach Thesia Orba, musste aber nach einer bedauerlichen Sturzverletzung von Gisela Morgen abgelöst werden. Die reiche Vortragsfolge klang aus in das Schlußlied des Belgrader Wachpostens, Herms Niels Lilly Marlen, im letzten Refrain von allen Zuschauern fröhlich mitgesungen. Frohgestimmte Besucher dankten den Künstlern für schöne genussreiche Stunden. Am 6. und 7. April findet je eine allgemein zugängliche Wiederholung des hübschen Abends statt."
"Drei Stunden Humor und Artistik", die Schlagzeile der Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1942, Seite 4, umschreibt treffend die Charakteristik eines Varietéabends. Wie sehr die Menschen nach freudiger Abwechslung gierten, macht der einleitende Satz deutlich: "Es gehört seit je zum äußeren Bild der Veranstaltungen der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, daß der Große Stadtsaal keinen freien Stuhl mehr aufweist." Das enorme Publikumsinteresse galt diesmal dem Humoristen Adam Müller aus München, der es verstand, "für kurze Stunden heiter beschwingte Sorglosigkeit" zu bereiten. Den artistischen Teil des wie im Varieté üblich bunten Programms bot die "Gelenkakrobatin" Konny Gilda, "die auch ein von gleichmäßig vorteilhaft gewachsenen Frauen bestrittenes Ballett in origineller Aufmachung zum Erfolg führte". Für Hundeliebhaber gab es Dressurakte zu bestaunen, und die "zwei Buxtons" aus Ungarn sorgten für Aufsehen mit ihren akrobatischen Leistungen. Nicht alltägliche Artistik zeigte Hella Hodgini "mit ihren wirbelnden Fußbalance-Vorführungen". Ein Zauberer und seine mit "graziösem Fächerspiel" agierende Partnerin ergötzen das Publikum ebenso wie zuletzt eine ungarische Akrobatengruppe.
In den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Mai 1942, Seite 7 ist ein Unterhaltungsabend mit Oskar Paulig und seiner Künstlertruppe als "ein frohes Wiedersehen" angekündigt: "[...] Vor dreieinhalb Jahren, im November 1938, gastierte dieser bekannte Humorist in Innsbruck. Damals war es ebenfalls die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, welche in Gemeinschaft mit dem Reichssender Wien unter dem Motto Musik und Frohsinn einen bunten Abend veranstaltete, welcher über den Rundfunk von Innsbruck aus übertragen wurde. Der von Humor direkt übersprudelnde und immer wieder neue Lachstürme erzeugende Vermittler dieses Programms war Oskar Paulig. Jeder Frühaufsteher wird sich auch noch gerne mit einem inneren Schmunzeln an den lustigen Morgenwecker des Reichssenders Wien erinnern, der es so gut verstand, selbst diejenigen, welche mit dem linken Fuß aufgestanden waren, eine frohe Stimmung für ihr Tageswerk mit auf den Weg zu geben."
Ein niveauvolles Kontrastprogramm, doch wiederum mehr die heitere Seite der Kunst betonend, bot die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freudewenige Tage später:
"Am 11. und 12. Mai wird den vielen Freunden der vornehmen und eigenartigen musikalischen Unterhaltungskunst des berühmten ungarischen Geigers Barnabas von Geczy eine besondere Ueberraschung durch zwei Großkonzerte des Künstlers geboten, die von der NS.-GemeinschaftKraft durch Freude durchgeführt werden.
Es ist eigentlich nicht nötig, Barnabas von Geczy dem Innsbrucker Publikum vorzustellen. Wer hat die feine und starke Wirkung seines Geigenspiels und Musizierens seiner nun seit gut zehn Jahren bestehenden Kapelle nicht schon erlebt? Barnabas von Geczy ist das wissen wir längst nicht einer unter vielen modischen Unterhaltungsmusikern, er ist ein Künstler von besonderer Eigenart, ein Musiker, den nicht der Zufall, sondern eine besondere Neigung dazu getrieben hat, die schon begonnene Laufbahn des Konzermeistermeisters an der Budapester Oper aufzugeben, sich mit einer Schar selbstgewählter Musiker der Pflege einer guten Unterhaltungs- und Tanzmusik zu widmen und so ein großes geigerisches Talent ganz in den Dienst dieser Kunst zu stellen." (Innsbrucker Nachrichten vom 8. Mai 1942, Seite 5).
Für die Verwundeten der Lazarette in Innsbruck und Hall sowie für die Wehrmacht gab es am 12. Mai um 15 Uhr im Großen Stadtsaal Innsbruck noch ein Sonderkonzert mit Barnabas von Géczy bei freiem Eintritt (Innsbrucker Nachrichten vom 8. Mai 1942, Seite 5).
Mit der Schlagzeile "Triumph der guten Unterhaltungsmusik" gibt Heinz Cornel Pfeifer seine Eindrücke vom Auftritt des Ungarischen Geigenkünstlers und seiner Kapelle begeistert wieder (Innsbrucker Nachrichten vom 13. Mai 1942, Seite 5):
"In seinem ersten von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude am Montag, den 11. Mai, im ausverkauften Stadtsaal veranstalteten Konzert feierte 'die gute Unterhaltungsmusik', als deren einer der besten Vertreter Barnabas von Géczy angesprochen werden kann, begeisterte Zustimmung und Anerkennung, ein Beweis, daß das Gute sich im Geschmack des Publikums vom Mittelmäßigen oder Minderwertigen doch deutlich genug abhebt, um sich restlos durchzusetzen. Barnabas von Géczy, ein Geiger, bei dem sich Virtuosität und Gefühl die Waage halten, hat sich mit seinen Solisten die Herzen der Innsbrucker im Sturm erobert die Ohren gehörten ihm schon lange aus den vielen Rundfunksendungen.
Im ersten Teil seiner reichhaltigen Vortragsfolge bot die fabelhaft zusammengespielte Kapelle einige Mitglieder wirkten schon 16 bis 18 Jahre in ihr gehaltvolle Musikstücke, wie Boccherinis Menuett, Schuberts Deutsche Tänze und Solveigs Lied von Grieg in vollendetem Vortrag zu Gehör, wonach sich die Geigentöne des Meisters in Liedern, Fantasien und Zigeunerweisen seiner ungarischen Heimat jubelnd über die Begleitinstrumente schwangen und funkelnde Passagen, virtuose Staccatis [!] und Doppelgriffe das atemlose Publikum in den Bann seiner Musik zwangen. Der zweite Teil brachte Melodien von Heuberger, Künneke, Suppé und anderen sowie beliebte Lieder und Tanzweisen, während die Solisten E. Kaschubek am Klavier und der Cellist Heinz Gerhardt im Solospiel Einlagen gaben, die ihr hohes Können gepaart mit seiner Einfühlung und Versenkung in die Musik unter Beweis stellten.
Begeisterter Beifall dankte für jede einzelne Darbietung, unzählige Hervorrufe des Meisters und seiner Künstler, der sichtlich erfreut und gerne immer wieder zur Geige griff, am Schluß des hübschen Abends gaben diesem eine Note von Herzlichkeit und beschwingter Freude, wie man ihn noch kaum einmal erleben konnte."
In den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Mai 1942, Seite 5, wird ein Gastspiel des Zirkus Krone aus München für "in allernächster Zeit" angekündigt: "[...] Mittelpunkt dieses traditionsreichen Zirkusunternehmens bleibt die Dressur von gelehrigen Tieren, Pferden, Löwen, Tigern und Bären. Ein Schuß Humor, waghalsige Artistik geben der Spielfolge internationalen Charakter, mehr als 12 Nationen sind in der reisenden Krone-Stadt vertreten. Schon sind die Vorbereitungen soweit gediehen, daß nur noch einige kriegsbedingte Schwierigkeiten zu überbrücken sind, bis eine ganze Stadt auf Rädern nach Innsbruck kommen wird."
Presseberichte über eine Vorstellung ließen sich nicht finden. Damit erscheint es unsicher, ob das Gastspiel in Innsbruck wirklich zustande kam. Hingegen ist das Eintreffen des Zirkus Europa in Kufstein ausführlich im Tiroler Volksblatt vom 7. September 1942, Seite 7, dargestellt:
"Wir haben sie lange in Kufstein vermisst, die bunte Welt des großen Zirkus. Und nun ist sie doch auf drei Tage zu uns gekommen. Begreiflich, daß sie ganz Kufstein sofort in ihren Bann zog. Auf der Sternwiese waren sie aufgefahren, die Tierwagen, Requisitenfahrzeuge und all das andere rollende Material, das ein richtiger großer Zirkus mit sich führt. Ihr bunter Inhalt ergoß sich rasch über den ganzen zur Verfügung stehenden Raum, und schon nach wenigen Stunden war Ordnung in das zuerst unentwirrbar scheinende Durcheinander eingekehrt. In der Mitte der Wagenburg erhob sich stattlich die Zeltwölbung einer viermastigen Manege, während von der Stirnseite des Areals her der Name Europa in großen Buchstaben leuchtete.
So imposant wie sein Aufmarsch, so überzeugend war dann auch die Eröffnungsvorstellung des Zirkus Europa. Das Programm, an sich genau jene Mischung von Abenteuer, Kunst und Artistik, in der sich so recht das Wesen des Circensischen widerspiegelt, hatte Tempo, Schwung, Vielseitigkeit und Qualität. Aus dem farbigen Wirbel der Geschehnisse hoben sich dann einige Nummern besonders wirkungsvoll ab. Zum Beispiel: Eveline de Kok mit ihren sieben Panthern. Schwer zu sagen, was diese Nummer anziehend erscheinen ließ, die beherrschte Grazie der schlanken Frau oder die unerhörte Geschmeidigkeit der buntgefleckten, grünäugigen Katzen. Auch die andere Raubtier-Nummer, die der Zirkus bot, trug den Stempel des Außergewöhnlichen. In einer engen Gitterkugel rasten ein Mann und ein Mädchen auf Fahr- und Motorrädern die steilen Wände hinan, während sich auf dem Boden des Kugelhohlraumes drei ausgewachsene Löwen befanden. Hier hat doch wohl jeder richtig aufgeatmet, als die wagemutigen Fahrer wieder aus dem Bereich der übrigens recht manierlichen Wüstenkönige entronnen waren. Was sonst noch besonders frappierte, das waren neben den Darbietungen Pomis, des Mannes mit den eisernen Schulterblättern, die glänzenden Reiterkünste Don Carlos und die Drahtseilakrobatik des jungen Artisten Rösner. Daneben aber gab es noch prächtige Freiheitsdressuren, atemberaubende Darbietungen am fliegenden Trapez, einen ausgezeichneten Fahrradakt, ein temperamentvolles Pußta-Ballett, einen prächtigen Jongleur und ein ganzes Arsenal lustiger Spaßmacher. Nicht zu vergessen die schneidig spielende Zirkuskapelle.
Der Erfolg der ersten (und aller weiteren) Vorstellungen des Zirkus Europa war der Güte seines Programms angemessen. Auch die Tierschau fand mit Recht das lebhafte Interesse des Kufsteiner Publikums. Hier waren es vor allem der Australische Strauß (Emu), das gefleckte Hyänenpaar aus Afrika, das Südamerikanische Stachelschwein und die Dromedare (Kamele) aus Arabien, die neben den Löwen und Panthern die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Für die Kinder bedeutete es eine besondere Belustigung, dem possierlichen Spiel der Affen zuzusehen oder sich am Anblick weißer Kaninchen und blitzender Edelfasanen zu erfreuen."
Im August veranstaltete die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude einen Varietéabend, in dessen Mittelpunkt der Komiker Werner Kroll, "der oft kopierte, aber nie erreichte Parodist aller möglichen Stimmen bekannter Künstler und zugleich Humorist in Großformat", agierte. Mit der aufreizenden Schlagzeile "Ein Programm, wie es Innsbruck noch nie erlebte" versucht Heinz Cornel Pfeifer die Aufmerksamkeit seiner Leser zu erreichen:
"Was diese zerknutschte, urkomische Figur als Rundfunkansager da oben von sich gab, war eine ununterbrochene Attacke auf Zwerchfell und Tränendrüsen, ein brausendes Gelächter löste das andere ab und es war schön, einmal wieder vor Lachen erschöpft zu sein. Die täuschende Nachahmung der Stimmen von Hans Moser, Lingen, Rühmann, [Enrico] Caruso, Groh, Laale Andersen, Zarah Leander und vieler anderer ist eine Gabe, die Werner Kroll in höchster Vollendung besitzt. Tobender Beifall und nicht endenwollendes Gelächter riefen ihn immer wieder zu Zugaben an die Rampe."
Vorangegangen war dieser parodistischen Sonderleistung "ein Reigen hervorragender Akrobatik": "Ganz reizend waren die Schattenspiele von Meister Tommsen, dessen kunstfertige Hände die entzückendsten Tierszenen und Köpfe großer Männer als Silhouetten auf die Leinwand zauberten, was die Zuschauer immer wieder in Ruf heller Freude ausbrechen ließ. Ihm folgte das Tricktänzerpaar Zolnay-Pleß mit virtuosen Tänzen. Fabelhaft und einmalig Lydia Wieser in ihrem berühmten birmesischen Tempeltanz und dem Tanz der sieben Schleier. Die Hände dieser Frau sind wie atmende Wesen mit Eigenleben, die Arme wie züngelnde Schlagen, die Bewegungen voll klassischer Schönheit und lebendiger Ruhe. Ueber ihren wunderbaren Tanzschöpfungen konnte man sogar den mangelhaften Hintergrund vergessen." Die Buntheit eines Varietéprogramms komplettierten natürlich auch die Kunststücke eines Zauberers und weitere Darbieten von Exzentrik, Exotik sowie Sensationslust:
"Ein Zauberkünstler, Rolf Hansen, verblüffte mit erstklassigen und schwierigen Darbietungen, worauf, kaum daß man sich etwas erholt hatte, die beiden Kaskadeure Rul und Laux in ihren urkomischen Akrobatik- und Boxszenen aufs neue die Besucher zu tosendem Gelächter hinrissen. Auch das wieder eine Glanznummer, wie man sie in dieser Vollendung selten zu sehen bekommt. Eine prachtvolle Leistung zeigte dann noch die akrobatische Tänzerin Eveline Petersen, eine durchgebildete, klassisch modellierte Gestalt, mit ihren Tanzschöpfungen Harmonie und Tempo, worauf die zwei Battons, exzentrische Musikal-Humoristen mit übermütigen Szenen noch einmal die Lachmuskeln der Besucher stark in Anspruch nahmen.
Die reichhaltige Folge, umrankt von den flotten Weisen und musikalischen Untermalungen der vorzüglichen Kapelle Mario Rogani, schloß nach zweieinhalb Stunden unter dem brausenden Beifall der dankbaren Besucher des ausverkauften Hauses. Also ich hab Tränen gelacht! war das einmütige Urteil aller Besucher, die am Sonntagabend im Stadtsaal das von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude gebotene große Varietéprogramm mit Werner Kroll und seiner Reihe allerbester Künstler sahen [...]." (Innsbrucker Nachrichten vom 11. August 1942, Seite 5).
"Musik für dich" lautete das einnehmende Motto eines "bunten Abends" gegeben auf Initiative der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude am 6. November 1942 im Großen Stadtsaal mit dem Orchester Hilden Arnold, das "die Lieblingsweisen unserer modernen Unterhaltungsmusik in ihrem ganzen eingänglichen, mitreißenden Schwung erklingen" ließ, wie Marie Randolf ihren Lesern in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. September 1942, Seite 5, begeistert mitteilte. Als Solistinnen an exponierter Stelle waren offensichtlich ausschließlich Frauen beteiligt, wohl ein Tribut, das der nun schon lange anwährende Krieg einforderte:
"Unter den auch als Solisten erfolgreich hervortretenden Gästen überraschte vor allem Emmi Killian als Meisterin auf dem Violoncello, auf dem Saxophon und auf der Trompete. In vollen, weichen Akkorden zauberte sie Chopins Nocturno aus dem Streichinstrument mit derselben Sicherheit, die später die Zuhörer bei ihren Bläservorträgen verblüffte. In die musikalischen Vorträge eingestreut waren mit zwar großer, aber klarer, wohlklingender Stimme vorgetragene Lieder Elly Sättlers sowie mit jugendlicher Anmut durchgeführte Tanznummern Traute Bruckmanns. Einen Höhepunkt des reich bedachten Programms bildete das Auftreten Else Rambauseks vom Reichssender Wien, die mit charmantem Geplauder und philosophisch angehauchten Versen die Zuhörer gleichermaßen mitriß und immer wieder Lachsalven auslöste. Alles in allem der reiche Beifall des gut unterhaltenen Publikums war von den Gästen wohl verdient."
Varieté ohne Ende: "Drei Stunden Artistik und Humor" titelt Heinz Cornel Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Oktober 1942, Seite 4:
"Am Samstag bot die Deutsche Arbeitsfront im Großen Stadtsaal allen Freunden der Artistik wieder einen ihrer beliebten Abende, der eine große Zahl bester Künstler an die Rampe treten ließ und das volle Haus mit Musik, Tanz, Artistik und Humor aufs beste unterhielt. Begleitet vom Kayser-Trio und mit verbindenden Worten des bekannten Rundfunk-Humoristen Ernst Walden versehen, rollte eine reichhaltige Vortragsfolge ab, die den herzlichen und reichen Beifall der Besucher auslöste. Vier frische Mädel das Dürr-Ballett eröffnete den Reigen der Darbietungen mit bravourös hingelegten Stepptänzen, worauf die junge Nachwuchstänzerin Lydia auf dem Einrad fahrend Fangspiele zeigte. Tänzerisch ausgezeichnet war der Ungarische Schäfertanz der 2 Doliwer, wenn auch die Kostüme recht phantasievoll wirkten. Fröhliches Lachen löste der ulkige Dialog der beiden Gleichgewichtskünstler Tonitoff aus, nach denen die kindlichen Geschwister Lazar, graziös wie die Schmetterlinge und biegsam wie die Gerten, neue rhythmisch-akrobatische Tanzfiguren zeigten. Eine prachtvolle Nummer gaben die Los Angelos zum besten, zwei Männer, die mit einer reizenden Frau Fangball spielten, Kraft und Geschicklichkeit vereinend. Einem turnerisch hervorragenden Akt auf Barren und Reck der 2 Korbin, deren einer Partner sich schließlich als Frau entpuppte, folgte sodann die Tanz-Jongleuse Julietta mit überaus originellen Darbietungen. Einen komischen Stepp tanzten Alfredo und Nanette, worauf die 4 Tahlitian mit schwermütigen Liedern und hingebend-weichen Tänzen der Südsee sowie die 3 Allegro mit der hervorragendsten Nummer des Abends, einen komisch-exzentrischen Auftritt von geradezu verblüffender Wirkung, die vollgelungene Veranstaltung beschlossen."
Ein bunter Abend beschloss im Dezember 1942 den nahezu allmonatlichen Varieté-Reigen, bei dem die Artistik dominierte und der im "ausverkauften Haus sehr beifällig aufgenommen wurde." Wie so oft ist Heinz Cornell Pfeifer der versierte, engagierte Reporter:
"[...] Die Zwei Anuschkas tanzten eingangs ungarische Tänze, wonach der Akrobat Warell einen schwierigen Gleichgewichtsakt auf der freistehenden Leiter vorführte. Marie Luise Friedrichs, eine blonde Zarah Leander, imitierte die bekannte Künstlerin mit Liedern und die Drei Osmani vereinten in ihren rhythmisch-artistischen lebenden Bildern Kraft und Anmut. Zwei Bodenakrobaten von Format, die mit Humor und scheinbar spielender Leichtigkeit ihre Nummern abwickelten waren For & Co, denen ein ausgezeichnetes Tanzpaar, Los Ibera mit sehr schönen spanischen Tänzen in heimatlichen Kostümen folgte. Auf eine weitere Tanzgruppe, die Drei Argentinos, deren Darbietungen wieder in die Bezirke der Artistik griffen, brachten die Zwei Mikos einen gewagten Luftakt auf zwei getragenen Stangen, worauf die Vier Dubskys mit Schleudertechnik ikarische Kunst boten und den reichhaltigen Abend beschlossen. Ein Ansager, der wirklich sprühende Laune und echten Humor besaß, Hermann Wagner, umrahmte und verband mit treffendem Witz und frisch-fröhlichem Geplauder die einzelnen Nummern, so daß das Publikum sich zwei Stunden auf das beste unterhielt und amüsierte, was der reiche und herzliche Beifall auch zum Ausdruck brachte." (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Dezember 1942, Seite 4).
Symphoniekonzerte
Die Symphoniekonzerte standen weiterhin unter der Obhut des Tiroler Landestheaters bzw. Reichsgautheaters und somit im Machtbereich des Intendanten. Damit hatte sich Max Alexander Pflugmacher, den ein enges Vertrauensverhältnis mit Gauleiter Franz Hofer verband, seinen dominierenden Einfluss auf das nationalsozialistische Kulturgeschehen im Gau Tirol-Vorarlberg für den Bereich der Hochkultur konkurrenzlos gesichert. Wie sehr man dem getreuen und willigen Günstling von Seiten der Machthaber Wohlwollen entgegenbrachte, zeigt auch das Faktum, dass man ihm 1941 neben seinen umfangreichen Agenden im Landestheater auch noch das Amt des Präsidenten des Musikschulwerkes anvertraut und damit seine kulturpolitisch exponierte Stellung komplettiert hatte.
Im Jänner 1942 kam im Rahmen des 5. Symphoniekonzertes der Saison 1941/42 das Gewandhaus-Kammerorchester Leipzig nach Innsbruck, auf Einladung der Intendanz des Tiroler Landestheaters. Das renommierte Ensemble hatte als kultureller Botschafter eine Konzertreise nach Italien unternommen und befand sich nun auf seiner Rückfahrt. Auf seinen Innsbrucker Auftritt wird in einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Jänner 1942, Seite 8, aufmerksam gemacht:
"[...] Das berühmte Orchester bringt ein erlesenes Programm mit deutschen und italienischen Meisterwerken, das Concerto grosso in a-moll von Antonio Vivaldi, die D-dur-Symphonie Nr. 23 ohne Menuett von W. A. Mozart, ferner eine Symphonie von Joseph Haydn und eine Symphonie [!] da camera für 17 Instrumente des zeitgenössischen italienischen Komponisten Giovanni Salviucci."
Karl Senn geht in seiner Konzertbesprechung in den näher auf das zeitgenössische Werk des italienischen Komponisten ein (Innsbrucker Nachrichten vom 29. Jänner 1942, Seite 5):
"[...] Eine Neuheit bildete die Sinfonia da camera für 17 Instrumente von Giovanni Salviucci (1907 bis 1938). Dieser, ein Schüler von A[lfredo] Casella und O[ttorino] Respighi, wurde mit mehreren seiner Werke preisgekrönt. Auch die Kammersymphonie für 17 Instrumente ist ein preisgekröntes Werk. Sie ist in gemäßigt modernem Stil geschrieben, in der Erfindung der Themen interessant und ergiebig, ohne aber das thematische Material erschöpfend auszubeuten. Man hat öfters den Eindruck einer Illustrationsmusik. Abgesehen davon bringt das Werk schöne, tiefe Stimmungen, ist in der Behandlung der Instrumente sehr geschickt und oft von überraschend eigenartiger Wirkung, gibt aber den einzelnen Spielern mitunter schwere Aufgaben. Das Werk wurde von den Zuhörern mit großem, Beifall aufgenommen."
Zu dem in der Programmvorschau nicht erwähnten Siegfried-Idyll von Richard Wagner führt Karl Senn, offensichtlich beeindruckt, aus: "[...] Einen ganz großen Erfolg erspielte sich das Kammerorchester mit Richard Wagners Siegfried-Idyll, das in technischer wie geistiger Hinsicht eine geradezu vollendete Aufführung erfuhr und in seinen wunderbaren Stimmungen voll reicher poetischer Eingebungen wie eine Offenbarung wirkte [...]".
Das Tiroler Landessymphonieorchester bestritt das 6. Symphoniekonzert im Februar 1942 unter der bewährten Leitung von Musikdirektor Fritz Weidlich. Das Programm entsprach wie üblich den Partei-Richtlinien. Anton Bruckner war der meistgespielte Symphoniker der nationalsozialistischen Ära, von ihm erklang also die 3. Symphonie. Ferner kam Johann Sebastians Bachs 5. Brandenburgisches Konzert zur Aufführung, dazu ein neues Orchesterwerk mit dem Titel Salzburger Hof- und Barockmusik von Wilhelm Jerger (1902 Wien-1978 Linz), des Vorstands der Wiener Philharmoniker und Landeskulturwalters der NSDAP in Wien.
Zum Konzert am 19. Februar schreibt Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Februar 1942, Seite 7:
"[...] J. S. Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 5 in D-dur für Klavier, Flöte und Violine mit Begleitung von Violine, Viola, Violoncello und Continuo eröffnete den Abend [...].
Musikdirektor Fritz Weidlich spielte den Klavierpart und leitete vom Klavier aus die Aufführung, energisch, den motorischen Aufbau kräftig zusammenballend.
Eine Neuheit für Innsbruck war die Salzburger Hof- und Barockmusik von dem Wiener Philharmoniker Wilhelm Jerger, geboren am 27. September 1902 in Wien. Auch diese Musik ist aus dem Geiste barocker Kammermusik geboren, etwa aus dem 17. Jahrhundert entstammend. Sie ist für großes Orchester bearbeitet, klingt dank der gekonnten Instrumentation ausgezeichnet und wirkt sehr ansprechend [...].
Das Hauptwerk des Abends war Anton Bruckners dritte Symphonie in d-moll [...].
Die Aufführung der Dritten im letzten Konzert stand unter einem guten Stern. Meister Weidlich hatte das geniale Werk ausgezeichnet vorbereitet und seinen Gestaltungswillen zur Hochform geführt, alles klar und plastisch gegliedert; feinste Klangabstufungen und Schattierungen gaben ihm die Möglichkeit, die gewaltigen Steigerungen in riesenhafte Höhen zu führen, andererseits die seelenvolle Tiefe des langsamen Satzes breit hinströmend zu innigstem Ausdruck zu bringen. Das Orchester folgte mit Begeisterung seinem Führer und erzielte mit dem gewaltigen Werk eine ungewöhnliche Wirkung, was auch von den Besuchern dankend anerkannt wurde."
Im 7. Symphoniekonzert fand auch ein Tiroler Komponist Berücksichtigung: Robert Nessler (1919 Innsbruck-1996 Hall in Tirol). Über die Uraufführung des Werks und den Innsbrucker Komponisten informiert Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. April 1942, Seite 5:
"Das am Freitag, den 3. d[ieses] M[onats April 1942], im Landestheater veranstaltete Konzert des Tiroler Landes-Symphonieorchesters brachte unter Leitung von Opernkapellmeister Hans-Georg Ratjen zu Beginn zwei Neuheiten. Zuerst die Kleine Streichersuite in drei Sätzen vom jungen Innsbrucker Robert Nessler. Das Werk ist geschickt gemacht, formschön und klangvoll. Für eine Erstlingsarbeit bedeutet sie einen schönen Erfolg. Sehr hübsch ist es, wie Nessler im ersten Satz ein kurzes, ausdrucksvolles Motiv kontrapunktisch entwickelt und aus dieser Entwicklung heraus zu einer recht temperamentvollen Durchführung bringt. Am schönsten ist unstreitig der zweite Satz, ein Largo arioso, hauptsächlich von einem, von Konzertmeister [Roman] Wisata mit prachtvollem Ton und tiefem Empfinden gespielten Violinsolo getragen. Er ist voller reicher, inniger Stimmungen, in der melodischen Führung eigenartig und harmonisch interessant. Der letzte Satz lehnt sich in Stil und Durchführung an alte Meister an, ist vornehm in seiner Haltung und nimmt rein konzertmäßigen Verlauf, Musik um der Musik willen.
Robert Nessler, 1919 geboren, hat nach Abschluß seiner musikalischen Studien am Innsbrucker Konservatorium Komposition bei Professor Joseph Haas in München studiert. Für die Suite, die Hans-Georg Ratjen sehr fein vorbereitete und ganz ausgezeichnet seinen Zuhörern dargeboten hatte, konnten Dirigent wie Komponist sehr viel Beifall entgegennehmen."
Als zweite Neuheit des Abends stand die Wiener Symphonie von Paul Graener (1872 Berlin-1944 Salzburg) auf dem Programm. Mit dieser Wahl wurde nicht ausschließlich der Komponist zu seinem 70. Geburtstag geehrt, sondern auch den Erwartungen der Partei entsprochen. Graener war zeitweilig Präsident der Reichsmusikkammer und mit dem Machtantritt der NSDAP der am meisten aufgeführte lebende Komponist in Deutschland, eine Legende der nationalsozialistischen Kulturpolitik.
Karl Senn kommentierte den weiteren Konzertverlauf wie folgt:
"Die Krönung des Abends war aber das Auftreten von Professor Elly Ney mit Beethovens Klavierkonzert in G-dur, Werk 58. Elly Ney, die Beethovenspielerin, hat das Werk zu einem nachhaltenden Erlebnis gestaltet und die Zuhörer damit bis aufs tiefste erschüttert und zugleich beglückt. So viel Innigkeit, so tief empfunden und mit so viel glühendem Schwung hat man dieses Werk wohl noch kaum gehört. Elly Ney ist die Frau, die um die Geheimnisse in Beethovens Schaffen weiß und diese ihren Zuhörern auch vermitteln kann. Dazu kam noch, daß Kapellmeister Ratjen mit seinem Orchester ein kongenialer Ausdeuter des wunderbaren Werkes war, so dass eine verschwenderische Fülle leuchtender musikalischer Schönheit die Zuhörer in Bann hielt.
Den Schluß des Abends bildete Beethovens Fünfte Symphonie in c-moll, Werk 67, in allen Sätzen voll Erhabenheit und mit voller Hingebung an den Genius-Beethoven gespielt. Es war einer der schönsten Abende, die man unter Kapellmeister Ratjens Leitung in Innsbruck erlebt hat. Dementsprechend groß war auch der Beifall der dankbaren Zuhörer."
Auch das 8. Symphoniekonzert am 30. April 1942 brachte wiederum die Begegnung mit dem Werk eines Tiroler Komponisten. Das Tiroler Landes-Symphonieorchester unter Fritz Weidlich spielte zu Beginn den ersten Satz Schwur aus der Symphonischen Suite 1809, das Opus 101 von Karl Senn nach Bildern von Albin Egger Lienz. Albert Riester bringt in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Mai 1942, Seite 4, den Lesern die Entstehung und Präsentation des Werkes nahe:
"[...] Die Idee zu dieser Tonschöpfung entwickelte Karl Senn im Jahre 1922 in Wien bei einem Zusammentreffen mit Meister [Albin] Egger [Lienz], der daran lebhaftesten Anteil nahm. Im Jahre 1932 schuf Senn seine dreisätzige Symphonische Suite 1809 mit den Sätzen Schwur, Nach der Schlacht am Berg Isel [richtig: Ave Maria nach der Schlacht am Bergisel] und Totentanz. Daß Senn ein großer symphonischer Wurf gelungen war, bewies der 1940 uraufgeführte grandiose und zutiefst aufwühlende Totentanz. Vergangenen Donnerstag hörten wir die Uraufführung des 1. Satzes Schwur. Das Bild Eggers zeigt den Tiroler Freiheitshelden Speckbacher mit der Fahne Tirols, umgeben von seinen Getreuen.
Senn erweitert die Idee des Malers und läßt ganz Tirol zum Schwur antreten. Ein Kampfruf der Hörner, der von den Trompeten übernommen wird, leitet das musikalische Geschehen ein und taucht immer wieder auf. Rhythmisierte Streicherfiguren lassen das Zusammenströmen der Männer vermuten. Kontrapunktische Gegenthemen künden von verschiedenen Meinungen. Ein lyrisches Zwischenspiel von wunderbarer Zartheit, das von den Holzbläsern eingeleitet und dann von den Streichern übernommen wird, wird gestört von Elementen, die die Einigkeit verhindern wollen. Schließlich siegt in strahlender Steigerung der Kampfruf, die Einigkeit ist errungen und die Treue zur Heimat verbindet in heiligem Schwur die Männer unter der Fahne.
Trotzdem die Aufführung dieses Werkes einen großen Orchesterapparat und eine sorgfältige, auch geistige Vorbereitung der Ausführenden erfordert, war Fritz Weidlich mit sichtlicher Hingebung am Werk, so daß wir immerhin die Gedankentiefe der Komposition erahnen konnten. Sehr begrüßen würden wir die einheitliche Gesamtaufführung der Suite, deren erster Satz ja das kommende symphonische Geschehen vorbereitet und nicht ohne weiteres aus dem Gepräge des ganzen herausgenommen werden kann."
Das Konzert wurde fortgesetzt mit dem Concerto romantico für Violine und Orchester von Riccardo Zandonai [(1883 Saccao/Rovereto-1944 Pesaro)] einem "der führenden zeitgenössischen Komponisten Italiens" mit Konzertmeister Roman Wisata als Solisten und Antonín Dvoráks "5. Symphonie in e-moll" (richtig: Symphonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt). Albert Riester resümiert: "Dirigent und Orchester wurden stürmisch gefeiert."
Das letzte Konzert des Tiroler Landes-Symphonieorchesters der Saison 1941/42 war zugleich das Abschiedskonzert für Musikdirektor Fritz Weidlich. Das beharrliche Bemühen von Intendant Max Alexander Pflugmacher, einen unliebsamen, weil überaus begabten Künstler los zu werden, war schließlich erfolgreich verlaufen. Dem scheidenden Ausnahmemusiker zu Ehren, wurde das Konzert außerhalb der Reihe des Orchesterzyklus als Meisterkonzert in das Veranstaltungsprogramm der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude übernommen, vom Landestheater in den Großen Stadtsaal verlegt, an den Ort, wo Musikdirektor Weidlich über so viele Jahre dem Innsbrucker Konzertpublikum herausragende Musikerlebnisse bereitet hatte. Karl Senn weiß in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Mai 1942, Seite 5:
"Das letzte Symphoniekonzert dieser Saison am Mittwoch, den 27. d[ieses] M[onats Mai] im Großen Stadtsaal, veranstaltet mit der Deutschen Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, ausgeführt durch das Tiroler Landessymphonieorchester, galt dem Abschied unseres Meisterdirigenten Fritz Weidlich. Unter besonders günstigen künstlerischen Bedingungen verlegt er seine künstlerische Tätigkeit als Konzert- und Operndirektor nach Lemberg, um dort, nach einer fast vierhundertjährigen, teils polnischen, teils russischen Herrschaft, als Träger und Förderer deutscher Kultur an hervorragender Stelle zu wirken.
Als Musikdirektor Fritz Weidlich im Jahre 1937 nach Ausscheiden Professor Rudolf Kattnigs [(1895 Töbring/Kärnten-1955 Klagenfurt)] die Leitung des Innsbrucker Musikvereins übernahm, wußte man, daß man einen ausgezeichneten Musiker dafür gewonnen hatte. Wie sich aber Direktor Weidlich im Laufe der sieben Jahre als Leiter der Schule, ganz besonders aber als ausgezeichneter Dirigent und hervorragender Pianist entwickelte, ging über jedes Erwarten.
Direktor Fritz Weidlich kann als unbestreitbares Verdienst für sich in Anspruch nehmen, das Musikleben unserer Stadt auf eine ungewöhnliche Höhe gebracht zu haben.
Als erste Vortragsnummer kam Georg Friedrich Händels Concerto grosso in C-dur in der Bearbeitung durch Felix Mottl zu Gehör. Diese Bearbeitung ersetzt das Cembalo durch Holzbläser, Hörner und Trompeten [...]. Direktor Weidlich hat durch feinste dynamische Schattierungen die unstilistische Bearbeitung auszugleichen versucht. Die Soloviolinen waren bei Konzertmeister Roman Wisata und Josef Drevo, das Solovioloncello bei Max Becke in besten Händen [...].
Dann spielte Professor Rudolf Metzmacher aus Frankfurt den Solopart des Konzertes für Violoncello und Orchester in D-dur von Joseph Haydn [...].
Den Abschluß des Konzertes bildete Anton Bruckners vierte Symphonie, die Romantische [...].
Das Orchester, für dessen Verstärkung durch Mitglieder der bayerischen Staatskapelle die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude keine Mittel gescheut hat, spielte ausgezeichnet, war großartig in der Entwicklung machtvoller Steigerungen, in den zarten Details von wunderbarer Süße des Klanges; alles in allem ein williges Instrument in der Hand seines Dirigenten.
Der Beifall war über alle Maßen groß. Direktor Weidlich mußte auf die endlosen Hervorrufe immer wieder auf dem Podium erscheinen, um dafür zu danken; die Musiker hatten längst ihre Pulte verlassen, immer aber brandeten neue Beifallsstürme und Zurufe auf, um dem scheidenden Meisterdirigenten Verehrung und Treue zu versichern. Der Saal war übervoll und hätte mit denen, die nicht hinein konnten, wohl noch ein zweitesmal gefüllt werden können."
Über die kulturelle Tätigkeit Fritz Weidlichs in Lemberg bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 30. Juni 1942 auf Seite 4 folgende Notiz: "Der ehemalige Leiter des Innsbrucker Konservatoriums, Professor Fritz Weidlich, als Dirigent von Opern- und Symphoniekonzerten und auch als Pianist und Kammermusiker bekannt, ist vom Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank zum Musikdirektor der Stadt Lemberg berufen worden. Professor Weidlich wird für Lemberg ein Symphonieorchester zusammenstellen, das sich in erster Linie auf das Orchester des Lemberger Opernhauses stützen wird. Bereits im Herbst soll dieses neue Orchester der Stadt Lemberg seine Tätigkeit aufnehmen. Darüber hinaus wird Weidlich Operngastspiele führender deutscher Bühnenkünstler im Lemberger Opernhaus leiten."
Als Fritz Weidlich zu Weihnachten 1942 seine Familienangehörigen, die in Innsbruck zurückgeblieben waren, besuchte, teilte er seine Lemberger Erfahrungen in einem Gespräch dem Komponisten Emil Berlanda mit, der diese Begegnung in seiner Autobiographie (Typoskript um 1950, Kopie Archiv Institut für Tiroler Musikforschung, Seite 274) festhielt:
"[...] Dafür erzählte er [Weidlich] mir, der sich als durch Pflugmacher aus Innsbruck hinausgeworfen betrachtete, dass er in Lemberg ausgezeichnet lebe und mit ausreichend Lebensmittelzulagen versorgt wäre, in der Villa eines vertriebenen Juden komfortabel wohne und dass er bereits einen einflussreichen Kreis von Freunden und Bewunderer seiner Kunst versammle, der bis über Krakau hinaus reiche, wo er sich öfters zeige und dort ein gerngesehener Gast bei höchsten Funktionären der Partei sei [...]". Nach dem Krieg kehrte Fritz Weidlich als Musikdirektor nach Innsbruck zurück. Unter anderem stellte er in Innsbruck mit der Erstaufführung von Gustav Mahlers gigantischer Dritter Symphonie am 3. April 1950 erstmals ein Werk des großen österreichischen Komponisten vor.
Im Rahmen der festlichen Eröffnungswoche des Reichsgautheaters fand am 28. September das erste Orchesterkonzert der Saison 1942/43 statt. Am Pult des durch Mitglieder des Münchner Opernorchesters verstärkten, nun als Symphonieorchester des Reichsgaus Tirol-Vorarlberg firmierendem Ensemble agierte nun gewissermaßen als Chefdirigent Hans-Georg Ratjen. Das Programm eröffnete das Vorspiel zu Dornröschen von Engelbert Humperdinck. Als lokaler Musikbeitrag war Emil Berlandas Meisterkomposition Variationen überein Thema von W. A. Mozart für großes Orchester eine gute Wahl, da eine "harmonisch interessant gestaltete, abwechslungsreich aufgebaute, effektvoll instrumentierte" Arbeit (Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. September 1942, Seite 3). Zum weiteren Programmverlauf meinte Karl Senn:
"Als Solist für das Konzert war Professor Ludwig Hoelscher mit Anton Dvoraks H-moll-Konzert für Violoncello und Orchester gewonnen worden [...]. Professor Hoelschers temperamentgesättigte Wiedergabe war durchdrungen von glanzvoller Virtuosität. Sein männlich kraftvoller Ton, seine prachtvolle Kantilene, wie sein technisch überlegenes Spiel überhaupt ließen ihn als ganz großen Künstler erkennen.
Den Schluß des Abends bildete die zweite Symphonie in D-dur von Johannes Brahms [...].
Hans-Georg Ratjen ließ allen Werken eine überaus sorgsame Ausführung zuteil werden. Vor allem ist er sehr sauber im Rhythmischen, sorgfältig in allen Details und öffnet sich damit den Weg zur großen Linie. Mag ihm auch Brahms besonders gut liegen, seine Liebe und Sorgfalt wendet er allen Werken zu, die unter seiner Hand zum Blühen kommen. So wurde der Abend ein künstlerisch restlos befriedigendes Erlebnis."
Das zweite Konzert des Reichsgau-Symphonieorchesters am 25. Oktober 1942 im Großen Stadtsaal Innsbruck unter Dirigent Hans-Georg Ratjen wurde in Reverenz an nationalsozialistische Musikproduktion mit der Tokkata "Werk 27" des engagierten Parteigängers Kurt Rasch (1902 Weimar-1986 Berlin), eröffnet, als Innsbrucker Erstaufführung. Die im Konzertprogramm folgende Symphonische Dichtung Finlandia von Jean Sibelius hat Karl Senn in seiner Konzertbesprechung in den Innsbrucker Nachrichten vom 27. Oktober 1942 (Seite 5) irrtümlich dem norwegischen Komponisten Christian Sinding zugeordnet. Beethovens 5. Klavierkonzert prägte die Nationalpreisträgerin für Klavier 1939, die Münchnerin Rosl Schmid (1911 München-1978 ebd.) mit der Noblesse ihrer Vortragskunst:
"In ihr lernte man eine Pianistin von ganz ausgezeichneter Begabung kennen. Ihre Technik ist brillant und sehr sauber, die verfügt über die vielfältigsten Anschlagsarten, sie weiß um das Geheimnis der großzügigen Linienführung und damit um Ausdruck im Inhaltlichen wie im Formalen. Wie männlich heroisch gelangen ihr die kriegerischen Rhythmen des ersten Satzes und wie schön wiederum die zarten Farben des poesievollen zweiten, H-dur-Satzes, ebenso wie das stürmisch aufjubelnde Rondo. Es war ein hoher Genuß, die von dem Orchester ausgezeichnet begleitete Künstlerin in dem prachtvoll gebrachten Werk zu hören.
Eine in ihren klanglichen Möglichkeiten sorgfältig ausgewogene, im idyllischen Gepräge gut gelungene Aufführung erfuhr Beethovens Hymnus an die Natur, die Pastoral-Symphonie, Werk 68. Namentlich war der zweite Satz in seiner rhythmischen Unbeschwertheit auf den Grundton des Idylls gestimmt und hielt in der poetischen Entwicklung des thematischen Aufbaues, fern jeder Romantik, doch in lieblichstem Reiz gefangen. Die Symphonie bildete einen stimmungsvollen Gegensatz zu dem vorausgegangenen heroischen Klavierkonzert und wirkte in dieser Zusammenstellung ganz eigenartig. Kapellmeister Ratjen hatte damit eine dankbare Aufgabe wieder trefflich gelöst."
Beim dritten Symphoniekonzert des verstärkten Symphonieorchesters des Reichsgaues Tirol-Vorarlberg am 4. Dezember 1942 trat Intendant Max Alexander Pflugmacher selbst als Dirigent in Erscheinung und wird auch gleich in der Berichterstattung hofiert. Am Orchesterpodium des Großen Stadtsaals waren aus akustischen Gründen bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Karl Senn informiert (Innsbrucker Nachrichten vom 7. Dezember 1942, Seite 5):
"War die nicht ausgeglichene Akustik des Stadtsaales mit die Ursache gewesen, die Symphoniekonzerte in das Theater zu verlegen, so wurde nun durch Erhöhung des Podiums mit Glück versucht, bessere akustische Wirkungen zu erreichen. Der Orchesterklang ist nun einheitlicher und ausgeglichener, auch durchsichtiger und schwingender geworden. Man war zwar zu Beginn ganz überrascht von dem gegen früher ganz anderen Klang des Orchesters. Die Klangpracht des Blechs kommt viel intensiver zur Wirkung, besonders die Trompeten leuchten viel heller, der Streicherklang ist einheitlicher. Diese Maßnahme ist wohl der Fürsorge des Intendanten Pflugmacher zu danken, der nun auch als Dirigent des Symphonieorchesters sich dem großen Kreis der Freunde von Symphoniekonzerten in seiner temperamentvollen, rassigen Stabführung als Meister des Taktstockes zeigte."
Hans Pfitzner und Richard Strauß, zwei von der nationalsozialistischen Kulturpropaganda besonders geschätzte Komponisten standen im Zentrum des Innsbrucker Konzerts vom 4. Dezember 1942, das mit Pfitzners Ouvertüre zu Kleists Käthchen von Heilbronn eröffnet wurde. Darauf folgten drei Lieder von Richard Strauß mit Orchester: Winterweihe, Freundliche Vision und Winterliebe, vorgetragen vom Mitglied des Reichsgautheaters Björn Forsell. Richard Strauß' brillante "in jugendlichem Ueberschwang bravourös" komponierte "und in klanglichen Ekstasen schwelgende" Tondichtung Don Juan beendete das Konzert. Als Novität gab es die Premiere eines Erstlingswerks für Orchester eines Tiroler Komponisten:
"Weiters kam dann zur Uraufführung eine Symphonische Musik für Orchester in zwei Sätzen, eine langsame Introduktion und ein Mäßig bewegt als zweiter Teil von dem Innsbrucker Anton Steyrer, der als Komponist zum ersten Male vor einem größeren Zuhörerkreis in Erscheinung trat. Die Symphonische Musik ist neben Liedern und Klavierstücken seine erste Arbeit für Orchester. Steyrer ist Autodidakt. Staunenswert, wie er den großen Orchesterapparat zu meistern versteht. Die thematische Erfindung ist vornehm, etwa in der Art Regers und Bruckners, aber auch in vielem ganz Eigenes verratend, gehalten, vielfach wie in der Introduktion, polyphon durchgeführt. Formal und besonders in den Steigerungen gegen Schluß spürt man den jungen, gärenden Wein. Es wird sich noch manches glätten und klären; jedenfalls kann man von dem jungen, erst 22jährigen Komponisten noch viel Schönes erwarten. Intendant Pflugmacher ist es zu danken, wieder einen Tiroler Komponisten mit einem gehaltvollen Werk den Weg in die Oeffentlichkeit gebahnt zu haben."
Sonderkonzert Land im Gebirge
Als „Feierstunde der Heimat“ wurde in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Dezember 1942 von der Kulturredakteurin wie strammen Volksgenossin Ehrentraut Straffner für den 11. Dezember im Großen Stadtsaal Innsbruck ein Sonderkonzert angekündigt (Seite 5). Als exklusiver Veranstalter dieses patriotischen Ereignisses trat die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Gau Tirol-Vorarlberg auf. Den Ehrenschutz übernahm nicht nur formhalber, sondern mit tiefster Überzeugung Gauleiter und Reichsstatthalter Franz Hofer, entsprachen doch Idee und Konzept des Programms vollständig seinem Kulturverständnis. Bei diesem außergewöhnlichen Konzertprojekt wurde der „Versuch unternommen, eine ausschließlich aus der Kraft und Eigenart unserer Heimat gewachsene Feierstunde zu gestalten. Idee, Wort und Musik sollen in diesen eineinhalb Stunden so ineinandergreifen, daß jedermann die besondere Kulturkraft unserer Heimat offenbar wird.“ Diese „Idee“ stammte mit höchster Wahrscheinlichkeit vom Komponisten Josef Eduard Ploner, der im Frühjahr 1941 von seinem Brotberuf in der Landesbuchhaltung auf Fürsprache und Intervention des Gauleiters in den Kulturdienst der Partei übernommen worden war. In der Abteilung II der Reichsstatthalterei konnte Ploner nunmehr seiner künstlerischen Tätigkeit nachgehen und seine Fähigkeiten ausschließlich der nationalsozialistischen Kulturpolitik widmen. Im Ambiente seiner Überzeugung animiert schaffend, trat er nun mit einer Vielzahl von parteikonformen Aktivitäten öffentlich in Erscheinung, zum Beispiel mit dem Gauliederbuch Hellau, das er „im Auftrag“ des Gauleiters publizierte (Potsdam: Ludwig Voggenreiter 1942) aber auch mit Liedbearbeitungen für die Hitlerjugend und weiteren Kompositionen für den Gebrauch bei Festanlässen der Partei, etwa zur Feier zum 9. November, wo der Gaumusikzug 1942 seine Heldenmusik spielte. Den Schwerpunkt seiner Unternehmungen im Sinn der Partei-Ideologie übte Ploner im Bereich der musikalischen Volkskultur aus, deren traditionelle Überlieferungsformen er mit Engagement zu bewahren trachtete und deren „artfremde“ Auswüchse er mit Leidenschaft bekämpfte. Ohne seine Tätigkeit im Dienst der nationalsozialistischen Machthaber glorifizieren zu wollen, muss man bei objektiver Betrachtung seines kulturellen Wirkens ehrlicherweise festhalten, dass durchwegs künstlerische Qualität sein Schaffen kennzeichnet und sein Engagement im Bereich der musikalischen Volkskulturpflege wesentliche Voraussetzungen für den gegenwärtig auch überregional angesehenen Standard der Tiroler Musikkapellen begründete. Wenn die Musikkapellen heute mehr musizieren als marschieren, so haben Josef Eduard Ploner sowie seine Schüler Sepp Thaler und Sepp Tanzer dafür mit Sicherheit die grundlegenden Vorarbeiten geleistet.
Das Programmfundament der als offizielle Parteiveranstaltung geplanten patriotischen Kulturhuldigung bestimmten „selbstverständlich ausschließlich Werke“, „die im Lande gewachsen und mit der Geschichte unseres Landes aufs engste verknüpft sind“. Im Detail teilt Ehrentraut Straffner dazu im Sprachtopos liniengetreuer Formulierungserwartung mit (Innsbrucker Nachrichten vom 7. Dezember 1942, Seite 5):
„[…] Zu der Musik, einem Vor- und einem Zwischenspiel, die Josef Eduard Ploner zu dem den meisten Innsbruckern von einer eindrucksvollen Aufführung im Reichsgautheater bekannten Schauspiel Michel Gaismair von Josef Wenter geschrieben hat, wird die Gestaltung der dritten Szene des zweiten Aktes dieses Schauspieles durch Sepp Nigg als Alleinsprecher gestellt. Zeigt diese Szene in ihrer markanten Gegenüberstellung des in volksfremden Gedankengängen sich bewegenden Habsburgers und des die Urkraft deutschen Volkstums verkörpernden Tiroler Bauernführers in eindringlichster Form das vor Geschichte und Dichtung gültig gewordene Gesicht des Menschen aus unserer Bergwelt, so behandelt das von Karl Springenschmid geschriebene Vorwort Tirol Sinn und Wesenheit unserer heimatlichen Art und Geschichte. Als Mythos ewigen Bergbauerntums ist schließlich die Kantate zu werten, die Josef Eduard Ploner nach vier Gedichten aus der Sammlung Nie stirbt das Land von Josef Georg Oberkofler geschaffen hat. Bewußt in die Form urdeutscher Musikformen gekleidet, verbindet dieses Werk Allgemeinverständlichkeit mit einer geradezu monumentalen Wucht und wird auf diese Weise der sprachlichen Prägung, die Josef Georg Oberkofler in seinen Gedichten dem Wesen des Bergbauerntums gegeben hat, gerecht. Die Ehre der Gestaltung dieses Abends teilen sich das Orchester des Reichsgautheaters unter Kapellmeister Hans Georg Ratjen, der Deutsche Männergesangverein, drei Klassen der Lehrerinnenbildungsanstalt und ein Kinderchor der Jugendgruppen der NS.-Frauenschaft sowie als Sprecher Sepp Nigg München […]“.
Die Aufführung wurde zu einem bombastischen kulturellen Eigenlob in der Demonstration durch künstlerische Formung überhöhter ideologischer Transformation historischer Gestalten und gesellschaftspolitischer Wunschvorstellungen. Über den Ablauf des monströsen Heimatabends in Anwesenheit höchster Parteifunktionäre informiert Karl Senn ausführlich, mit affirmativer Anteilnahme in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. Dezember 1942, Seite 4:
„Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Gau Tirol-Vorarlberg, veranstaltete am Freitag, den 11. Dezember, im Großen Stadtsaal unter dem Ehrenschutz des Gauleiters und Reichsstatthalters Franz Hofer, in Anwesenheit des Stellvertretenden Gauleiters Befehlsleiter Parteigenosse Parson, mehrerer Gauamtsleiter und des Bürgermeisters Pg. [Edmund] Christoph eine heimatliche Feierstunde, bei der drei Tiroler: Josef Wenter, Joseph Georg Oberkofler und Josef Eduard Ploner mit bedeutenden Werken zur Aufführung kamen. Eine große Zahl von Mitwirkenden waren aufgeboten worden: der aus der Exl-Bühne hervorgegangene, jetzt in München als Mitglied des Staatsschauspiels, bzw. seiner Kammerspiele wirkende Sepp Nigg als Sprecher, das verstärkte Reichsgautheater-Orchester unter Leitung von Kapellmeister Hans-Georg Ratjen, der Deutsche Männergesangverein Innsbruck, ein Chor der Lehrerinnenbildungsanstalt und ein Kinderchor der Jugendgruppe der NS.-Frauenschaft.
Josef Eduard Ploners Vorspiel zu Josef Wenters Schauspiel Michel Gaismair, das den Abend eröffnete, bringt nach kurzen, einleitenden Takten kriegerische, sich kräftig steigernde Motive, die, von einem kurzen lyrischen Satz abgelöst, bald wieder von neuem über einen, wie ein Marsch der Landsknechte anmutenden dritten Teil in den Kampfgeist des Anfangs überleitet und zu einem hymnenartigen Schluß gesteigert werden, so den Abschluß des Dramas in die Gegenwart rückend.
Dann trug Sepp Nigg in vollendeter Vortragskunst die dritte, den Höhepunkt bildende Szene aus dem zweiten Akt von Josef Wenters Schauspiel Michel Gaismair die Begegnung Gaismairs mit dem Tiroler Landesfürsten Ferdinand, vor. In klarer, deutlicher Aussprache charakterisierte er die Personen des Dramas im Tonfall und in der Sprechweise; durch packende Steigerungen in der Ausdrucksweise wußte er die Zuhörer in seine und damit des Werkes Bann zu ziehen. Auch das später gesprochene Vorwort Tirol von Karl Springenschmid fand durch seinen packenden Inhalt wie durch die mustergültige Wiedergabe bei den Zuhörern freudigen Widerhall. Zwischen beiden Vorträgen spielte das Orchester Ploners Zwischenspiel zu Michel Gaismair, das aus romantischem Waldesrauschen zu dramatischer Steigerung geführt wird.
Den Abschluß bildete Das Land im Gebirge, eine Folge für gemischten Chor und großes Orchester nach Gedichten von Joseph Georg Oberkofler in der Vertonung von Josef Eduard Ploner. Es sind fünf gedankentiefe, edle und sprachlich hochstehende Gedichte, die sich Ploner zur Vertonung auswählte. Wie man schon kürzlich gelegentlich der Veranstaltung zum Tage der Hausmusik feststellen konnte, ist Ploners Schreibweise nun in der Reife seines Schaffens schlicht geworden. Die Melodien, die den Gedichten Oberkoflers zugrunde liegen, sind volksliedartig, volksnahe und diatonisch verhaftet. Das Orchester ist unter Heranziehung aller äußeren Mittel: schwerem Blech, großem Schlagwerk, Glocken, Orgel gestaltet und gibt damit dem Werk einen prunkenden Rahmen.
Kapellmeister Hans-Georg Ratjen war den Werken Ploners ein getreuer und ausgezeichneter Ausdeuter. Chor – der Deutsche Männergesangverein, ein Frauenchor der Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Kinderchor, nebst drei Fanfarenbläsern in alten Tiroler Trachten auf dem Balkon vor der Orgel aufgestellt und das Orchester folgten seinen sicheren Anweisungen aufs beste. Am Schluß gab es Blumen und großen Beifall für den Komponisten und die Mitwirkenden.“
Dieses beeindruckende Konzept einer „heimatlichen Feierstunde“ veranlasste die Organisatoren des Landeschießens 1943 zu Übernahmen in das illustre Begleitprogramm des kulturell-gesellschaftlichen Großereignisses in Innsbruck. Das Hauptwerk des Festabends der lokalen NSDAP, Ploners Kantate Das Land im Gebirge, war bereits am 10. April 1942 im Rahmen eines Konzerts des Volksbildungswerks auf Initiative der Gausachbearbeiterin für Musik und Feiergestaltung der NS-Frauenschaft, Bertl Steiger, erstmals in einer Fassung mit Klavierbegleitung öffentlich präsentiert worden. Nach dem Krieg hat Josef Eduard Ploner diese Kantate mit mehreren Sätzen erweitert. In dieser Form wurde Das Land im Gebirge wiederholt in Konzerten aufgeführt, ferner 1966 für den Rundfunk (ORF) aufgenommen und gesendet. Dies trifft ebenso für Ploners Vor- und Zwischenspiel zu Michel Gaismair zu.
Es stellt sich die Frage, ob diese Kompositionen „NS-Musik“ sind, oder ob deren mit Gewissheit die NS-Ideologie hofierende, zeitbezogene ästhetische und inhaltliche Wirklichkeit, unabänderlich mit dem damaligen Verständnis parteikonformer Kulturproduktion in seiner Rezeption verbunden bleiben muss.
Dies würde bedeuten, dass die Nachkriegsinterpreten dieser Kompositionen Ploners bewusst Traditionen nationalsozialistischer Kulturpflege fortgesetzt hätten. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Diese Werke Ploners sind nicht systemimmanent. Denn dann wären sie außerhalb des Kontexts der Ideologie unverständlich. Wohl sind sie aber systemadäquat, weil sie von den Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmte Persönlichkeiten der lokalen Geschichte und das gepriesene Bauerntum zum Inhalt künstlerischer Darstellung wählen. Diese Sujets bleiben jedoch nicht als missbräuchlich verwendet an die NS-Ideologie gebunden, sondern sie werden nach deren Machtverlust aus dem ideologischen Kontext genommen, wieder frei verfügbar. So konnten sie in ihrer gewissermaßen neutralen Wirklichkeit als künstlerische Würdigung einer großen Gestalt aus Tirols Geschichte, als musikalischer Lobpreis des Bauerntums empfunden werden, frei von nationalsozialistischer Befangenheit und dies sowohl von den Interpreten und Produzenten als auch von den Rundfunkhörern.
Ein Porträt Adolf Hitlers, eine Abbildung mit Gauleiter Hofer und sonstige Motive, die unmittelbar mit dem Nationalsozialismus identifizierbar sind, wird man nicht in sein Wohnzimmer hängen, ohne in den Verruf zu geraten, nationalsozialistischer Ideologie nachzutrauern. Hingegen kann man von einem Maler beispielsweise ein Porträt Michael Gaismairs oder ein Gemälde mit einer ländlichen Bauernidylle, das in der Zeit des Nationalsozialismus womöglich im Auftrag der Partei geschaffen wurde, ohne Rechtfertigung und unbefangen als Kunstobjekt auch gegenwärtig präsentieren.
Meister- und Gastkonzerte
Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KDF) als Unterhaltungsorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF) brachte eine Vielzahl bedeutender Künstler und Kulturereignisse nach Innsbruck. Diese kulturelle Großinitiative im gehobenen Bereich wurde durch Tourneen zentral von der KDF organisiert. Künstler und Orchester verschiedenen Formats besuchten nach einem ausgeklügelten Plan nahezu alle Städte des Reichs. Sie vervollständigten so lokale Kulturbestrebungen durch die Strategie, im Angebot eines intakten Kulturlebens von den Sorgen des Krieges abzulenken, wahrscheinlich auch zu demonstrieren, dass die Staatsmacht in allen Belangen Herr der Lage ist. Neben der KDF und dem Tiroler Landestheater trat die „Konzertunternehmung Groß“ als Veranstalter von Meisterkonzertzyklen in Erscheinung. In den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Jänner 1942, Seite 5, werden für das erste Quartal 1942 in Fortsetzung der Saison 1941/42 drei weitere „Meisterkonzerte“ angekündigt:
„Im fünften Meisterkonzert der Konzertunternehmung Groß (21. Jänner) werden die Innsbrucker Musikfreunde eines der hervorragendsten Mitglieder der Bayerischen Staatsoper, den stimmgewaltigen Heldenbariton Kammersänger Hans Hermann Nissen hören; der Künstler singt prächtige Lieder von Schubert, Schumann, Hugo Wolf und Richard Strauß und ausgewählte Balladen von Karl Loewe, wobei ihm als ausgezeichneter Begleiter Kapellmeister Hans Altmann von der Münchner Staatsoper zur Verfügung steht.
Das sechste Meisterkonzert (12. Februar) vermittelt das erste Innsbrucker Auftreten des deutschen Nationalpreisträgers 1940 (Klavier) Erik Then-Bergh (Hannover), der ein künstlerisch hochstehendes Programm mit Werken von Bach, Mozart, Schumann und Max Reger (Bach-Variationen) zur Wiedergabe bringen wird.
Im siebten Meisterkonzert (19. März) spielt Vasa Prihoda Werke von Brahms, C. Frank, Tartini (Teufelstrillersonate) und drei Werke von Paganini in seiner eigenen Bearbeitung. Ueber weitere Meisterkonzerte folgen zeitgerecht Mitteilungen in der Tagespresse.“
Über diese Meisterkonzerte berichtet jeweils Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten:
„Als fünftes, von der Konzertunternehmung Johann Groß veranstaltetes Meisterkonzert gab Kammersänger Hans Hermann Nissen, Heldenbariton der Staatsoper in München, am 21. d[ieses] M[onats Jänner 1942], im Großen Stadtsaal einen Lieder- und Balladenabend […].
Die Vortragsfolge brachte bekanntes und weniger bekanntes; von Schumann: Talismane, Freisinn, Lied des Schmiedes, Frühlingsfahrt; von Schubert: Der Wanderer, Der Neugierige, Der Wanderer an den Mond, Heliopolis; von Hugo Wolf Biterolf, Der Musikant, Der Gärtner, Der Rattenfänger; von Richard Strauß: Ich trage meine Minen, Geduld, Zueignung und am Schlusse drei Balladen von Karl Loewe: Heinrich der Vogler, Prinz Eugen und Odins Meeresritt.
Begleitet wurde Kammersänger Nissen am Flügel von dem feinfühligen und ausgezeichnet mitgestaltenden Kapellmeister Hans Altmann von der Staatsoper München.
Die zahlreichen Zuhörer waren in Hochstimmung und feierten den Gast mit unermüdlich rauschendem Beifall, der immer wieder neue Zugaben und Wiederholungen erreichte.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 23. Jänner 1942, Seite 5).
„Das sechste, von der Konzertunternehmung Johann Groß am Donnerstag, den 12. d[ieses] M[onats Februar] veranstaltete Meisterkonzert brachte den deutschen Nationalpreisträger von 1940 Erik Then-Bergh. Der junge, aus Hannover stammende Meisterpianist ist eine ungewöhnliche Begabung und ist heute schon zu den bedeutendsten Pianisten zu rechnen. Er weiß um das Geheimnis des guten Anschlages, aus dem heraus, dank seiner überragenden Musikalität, sein Spiel zu einer wahren Offenbarung wird, wie es nur ein ganz großer Gestalter vermag […].“ (Innsbrucker Nachrichten vom 14. Februar 1942, Seite 4).
„Die Konzertunternehmung Johann Groß hatte für ihr siebentes Meisterkonzert am Donnerstag, den 19. März, im Großen Stadtsaal den von der feindlichen Propaganda totgesagten Meistergeiger Vasa Prihoda verpflichtet. Prihoda ist in Innsbruck längst bekannt und hat sich mit seiner großen Kunst eine treue Zuhörerschaft gesichert, die auch diesmal den Stadtsaal bis auf den letzten Platz füllte und den Meister mit jubelndem Beifall überschüttete. Er ist ein Magier auf seinem Instrument, das er mit allen Finessen eines großen, mit unheimlicher Technik begabten Virtuosen beherrscht, für die es scheinbar keine Unmöglichkeiten gibt. In edelster Tongebung ist seine Kantilene bestechend und voll süßem Reiz […].“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. März 1942, Seite 7).
Das Programm entnehmen wir einer Konzertankündigung in den Innsbrucker Nachrichten vom 12. März 1942, Seite 5: „Auf seiner großen Deutschlandreise spielt der berühmte Geiger Vasa Prihoda am 19. März im Großen Stadtsaal in Innsbruck die große letzte Violinsonate von Brahms (d-moll op. 108), die besonders klangschöne und noble A-dur-Sonate des Flamen Cesar Franck und die berühmte g-moll-Sonate mit dem Teufelstriller von Tartini (Kadenz von Prihoda). (Zur 250. Wiederkehr des Geburtstages.) Der zweite Teil des Programms ist Werken von Paganini vorbehalten, dessen Geburtstag sich in diesem Jahre zum 160. Male jährt; ein Adagio, eine Sonatine und die Variationen über Nel cor piu non mi sento geben dem Künstler reiche Gelegenheit, seinen Ruf als unerreichter Paganinispieler neu zu beweisen. Helfer am Flügel ist der ausgezeichnete Prager Pianist Professor [Alfred] Holecek.“
Die Konzertunternehmung Johann Groß in Innsbruck setzte ihre Folge von Meisterkonzerten bis zum Sommer mit vier weiteren Projekten fort. Am 23. April war im Rahmen des „achten Meisterkonzerts“ wieder der „Meistergeiger Professor Franz Bruckbauer“, ehemaliger Konzertmeister des Innsbrucker Orchesters, zu Gast in Innsbruck, sein Klavierpartner Musikdirektor Fritz Weidlich. Beide Künstler hatten „eine längere Konzertreise durch die ostmärkischen Gaue“ hinter sich. Das Programm umfasste die üblichen Standardwerke solcher Tournee-Auftritte: Pietro Nardinis D-dur-Sonate, Johann Sebastian Bachs d-moll-Chaconne für Violine solo, Beethovens Kreutzersonate, im zweiten Teil die gewohnte virtuose Violinliteratur, mit der der Solist „stürmische Beifallskundgebungen“ hervorrief.
Über den Solisten Franz Bruckbauer schreibt Karl Senn in seiner Konzertbesprechung vom 25. April 1942 in den Innsbrucker Nachrichten, Seite 7:
„[…] Professor Bruckbauer ist ein gebürtiger Salzburger. Früh schon wurden seine hohen geigerischen Fähigkeiten erkannt; er studierte am Salzburger Mozarteum, kam dann in das Mozarteumorchester zur ersten Geige. Von dort holte ihn Musikdirektor Weidlich als Konzertmeister und als Lehrer der damaligen Musikschule und des Konservatoriums nach Innsbruck. Aber nur zwei Jahre blieb er an dieser Stelle. Als Preisträger bei dem internationalen Wettbewerb für Violine im Jahre 1927 in Wien wurde er gleich als erster Konzertmeister des Wiener Symphonieorchesters verpflichtet. Dort hat er seither seinen Ruhm als einer der ersten und gesuchtesten ostmärkischen Geiger gefestigt. Sein temperamentvolles, rhythmisch rassiges Spiel, das allen Schwierigkeiten mit Leichtigkeit gewachsen ist, seine ganz ungewöhnliche Musikalität, und was bei seiner Jugend am meisten verwunderlich ist, sein ausgesprochen reifes, tiefgründiges Können, befähigen ihn, auf allen Gebieten der so reichhaltigen Violinliteratur zu herrschen. Unter seinen Händen wird alles zum Klangwunder; er schöpft immer aus dem Vollen, erlebt jedes Werk bis in seine innersten Geheimnisse […].“
Mit dem Schweizer Pianisten Adrian Aeschbacher wurde am 7. Mai 1942 ein weiterer junger, „meisterlicher“ Virtuose erstmals dem Innsbrucker Konzertpublikum im Großen Stadtsaal vorgestellt. Ihm war der Ruhm vorausgeeilt, dass er in einer Reihe von Konzerten „im Reich als Solist unter führenden Dirigenten“ wie Karl Böhm, Eugen Jochum, Willem Mengelberg „größte Erfolge errang“ (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Mai 1942, Seite 5). Albert Riester charakterisiert dann in seinem Konzertbericht den Pianisten als „eine künstlerische Persönlichkeit von eigenartiger Prägung“. Am Klavierspiel des jungen Künstlers, der es verstünde „neben Steigerungen von dionysischem Ausmaß ein Piano von wunderbarer Zartheit und Schlichtheit zu setzen“, bewunderte er die „unbedingte Sicherheit und unglaubliche Modulationsfähigkeit und Beseeltheit von seltener Expansionskraft“. Zum Programm und dessen Interpretation steht: „In feinster Ziselierung, mit sorgsam überlegten Registrierwirkungen und sparsamsten Pedalgebrauch spielte Aeschbacher eingangs die Partita in B-dur, Nr. 1, von Joh[ann] Seb[astian] Bach. Eine seltene Kostbarkeit waren die folgenden drei Sonaten von Al[essandro] Scarlatti, bei denen wir die unglaubliche Gelockertheit des Handgelenkes, die unfehlbare Sprungsicherheit der gekreuzten Hände sowie die schlackenlose Klarheit der Figuration bewundern konnten. Den ersten Teil beschloß die Kreisleriana, op. 16, von Robert Schumann […]. Den zweiten Teil leiteten drei Impromptus (op. 142, f-moll, op. 90, As-dur und Es-dur) von Fr[anz] Schubert ein […]. Den Beschluß machten die grandiosen Händel-Variationen, op. 24, von Joh[annes] Brahms […]. Der außergewöhnlich herzliche Beifall erzwang noch zahlreiche schöne Zugaben von Chopin, Schubert und die virtuose, musikalisch hochbedeutende Toccata seines Landsmannes Ottmar Schoeck.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 9. Mai 1942, Seite 7).
Im Kontrast hierzu folge im Juni 1942 ein Liederabend mit Georgine von Milinkovic (1913 Prag-1986 München), die im Herbst 1940 von Generalintendant Clemens Krauß an die Münchner Staatsoper verpflichtet worden war. Zu Beginn seiner Konzertbesprechung (Innsbrucker Nachrichten vom 16. Juni 1942, Seite 4) würdigt Karl Senn die Verdienste der Konzertunternehmung Johann Groß um die bereichernde Vielfalt und Qualität des Innsbrucker Konzertbetriebs:
„Die Konzertunternehmung Johann Groß hat es von jeher verstanden, für die von ihr veranstalteten Konzerte immer erste Kräfte zu verpflichten und damit das Innsbrucker Konzertleben in verdienstvoller Weise zu fördern. Auch für die in der heurigen Saison veranstalteten zehn Meisterkonzerte waren durchwegs erste Kräfte von Rang und Namen gewonnen worden. Mit eines der schönsten Konzerte war das am Freitag, den 12. d[ieses] M[onats Juni], im Großen Stadtsaal veranstaltete Meisterkonzert, ein Lieder- und Arienabend der ersten Altistin der Münchner Staatsoper, Georgine von Milinkovic, am Steinway-Flügen begleitet von Emmeran von Lerchenfeld von der Münchner Staatsoper. Georgine von Milinkovic besitzt eine Stimme von ganz seltener Klangpracht und eigenartigem, bezauberndem Schmelz; sie ist von einem für Altistinnen ungewöhnlich großem Umfang und ist in allen Lagen gleich vollkommen durchgebildet und sorgsam gepflegt, so daß gesangstechnisch alles zum besten gerät. Dazu kommt ein geschmackvoller, in jeder Nuance durchdachter Vortrag.
Schon die einleitenden zwei Arien von Georg Friedrich Händel: ‚Ombra mai tu‘ aus der Oper Xerxes von ‚Lascia ch’io piango‘ aus Rinaldo zeigten erlesene Gesangskunst und waren auch atemtechnisch interessant. Die dann folgenden Lieder brachten Bekanntes und zum Teil öfter Gehörtes in ausgezeichneter Darbietung: von Franz Schubert: Du bist die Ruh und in großzügiger Steigerung ausgearbeitet, Gretchen am Spinnrad; von Franz Liszt: In Liebeslust, Fischerknabe und Es muß ein Wunderbares sein; interessant zusammengestellt und im Aufbau wirkungsvoll gestaltet war der Zyklus Mädchenlieder von Johannes Brahms. In effektvoller Interpretation hörte man von Richard Strauß die dankbaren Lieder: Traum durch die Dämmerung, Heimkehr und die wegen ihrer bravourösen Wiedergabe stürmisch zur Wiederholung verlangte Zueignung.
Ganz glänzend und mit blendender Wirkung kamen zum Schluß drei dramatische Gesänge: Wilhelm Kienzls ‚Arie der Magdalena‘ aus Evangelimann in breiter, pastoser Kantilene ganz auf schönen, weichen Ton eingestellt, dann Georg Bizets ‚Seguidilla‘ aus Carmen, mit feurigem Temperament rassig gestaltet, endlich die ‚Arie der Eboli‘ aus Don Carlos von Giuseppe Verdi in großer Linienführung und zügiger Steigerung zum Vortrag.
Die Zuhörer waren von dem ungewöhnlichen Können und dem Charme der Stimme Georgine von Milinkovics wahrhaft begeistert und spendeten der Künstlerin enthusiastischen Beifall, der sie zu mehreren Zugaben und Wiederholungen veranlaßte.
In dem vorzüglichen Pianisten und in seiner temperamentvollen Art besessenen Musiker Emmeran von Lerchenfeld hatte die Künstlerin einen ausgezeichneten, mitreißenden Begleiter und Mitgestalter, der einen guten Teil des Erfolges für sich beanspruchen konnte.“
Als letztes Konzert der Saison veranstaltete die Konzertunternehmung Johann Groß am 22. Juni 1942 im Großen Stadtsaal ein „Sonderkonzert“ mit Kammermusik von Franz Schubert. Das Programm sah vor: Schuberts Klaviertrio in B-dur, op. 99, die Fantasie in C-dur, op. 159 für Violine und Klavier sowie zum Abschluss des Abends das populäre Forellenquintett vor. Über die mitwirkenden Künstler und deren Interpretation teilt Karl Senn in seiner Konzertbesprechung mit (Innsbrucker Nachrichten vom 24. Juni 1942, Seite 4):
„Die Konzertunternehmung Groß hatte hervorragende Kräfte für dieses Konzert verpflichtet: Adrian Aeschbacher (Berlin), Klavier, Wilfried Hanke (Hamburg), Violine, Fritz Lang (Hamburg) Viola, Bernhard Günther (Hamburg) Violoncello, und J. Heidenreich (München), Kontrabaß.
Vor allem war es Adrian Aeschbacher – er hatte sich erst vor kurzem in einem eigenen Abend als erstrangiger Pianist von ausgezeichnetem technischem Können und seltenem Einfühlungsvermögen erwiesen – der nun auch an diesem Abend überragender Führer in den verschiedenen Belangen der Kammermusik war. Solistisch hatte er außerdem zwei Impromptus aus Werk 142: in Ges-dur und B-dur in meisterhafter Weise beigesteuert.
Wilfried Hanke ist ein ausgezeichneter Geiger, dessen feingeschliffener Ton alles aufs beste zur Geltung brachte. Als Cellist mit selten schönem Ton – dank eines prachtvollen Instruments und ausgeglichener Technik erwies sich Bernhard Günther.
Das Ensemble im Forellenquintett ergänzten Fritz Lang und J. Heidenreich in ebenbürtiger Weise.“
Auf die Vorhaben der neuen Saison 1942/43 erfolgte in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Oktober 1942, Seite 4, eine Vorschau:
„Auch in diesem Konzertjahre führt die Konzertunternehmung Joh[ann] Groß eine Konzertreihe durch, in der eine Anzahl hervorragender Solisten zu hören sein werden; neben bekannten Namen stellen sich auch junge Kräfte aus der ersten Reihe des musikalischen Nachwuchses erstmals vor. Die Reihe eröffnet einer der allerersten Pianisten des Reiches, Professor Walter Gieseking (31. Oktober), der in seinem Programm einen Querschnitt durch die ganze pianistische Literatur von Bach bis Liszt bietet. Der zweite Abend (25. November) bringt die Bekanntschaft mit dem jungen Salzburger Pianisten Gilbert Schuchter, dessen Klavierabende in Berlin und München geradezu Sensation erregten und den jungen Künstler mit einem Schlage in die erste Reihe der Nachwuchspianisten stellten. Das Innsbrucker Programm ist besonders fesselnd: Neben Mozarts prachtvoller C-moll-Fantasie und der intimen B-dur-Sonate gibt es eine Erstaufführung von Franz Schubert: seine erst kürzlich entdeckten nachgelassenen drei Klavierstücke aus seinem letzten Lebensjahre (Mai 1828) und außerdem eine geschlossene Wiedergabe der zwölf Etüden op. 25 von Chopin – ein pianistisches Ereignis besonderen Grades!
Ein gesangliches Ereignis verspricht der dritte Abend (15. Dezember) zu werden: Der als hervorragender Bariton bekannte Mainzer Generalintendant K[arl] M[aria] Zwißler singt Franz Schuberts herrlichste Liedfolge Die Winterreise in geschlossener Wiedergabe; an seinen Vortrag wird neben der Liedkunst vor allem die überwältigende Darstellung und Vertiefung in den Inhalt gerühmt; kein geringerer als Professor [Hermann] Reutter unterstützt ihn am Flügel; Professor Reutter ist als Komponist von Oratorien und auch Opern einer der führenden Musiker des Großdeutschen Reiches; erst kürzlich errang seine neueste Oper Odysseus einen aufsehenerregenden Erfolg.
Die nächsten Konzerte bringen bekannte Namen, die zu den ständigen Erscheinungen im Innsbrucker Konzertleben gehören: Prof. Franz Bruckbauer (14. Jänner) und Vasa Prihoda (18. März) vertreten die Geigensolisten, der unerreichbare Caspar Cassado (2. April) die Cellomeister. Näheres zeitgerecht in der Tagespresse.“
Für den Start in die neue Saison bot die Konzertagentur Johann Groß ihrem mit Qualität verwöhnten Publikum mit dem überragenden Meisterpianisten Walter Gieseking ein sensationelles Gastspiel an, das in seiner Attraktivität wohl kaum noch zu steigern schien. Enthusiastisch fällt die Konzertrezension von Karl Senn aus in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1942, Seite 5:
„Das erste, von der Konzertunternehmung Johann Groß in der begonnenen Konzertzeit am Samstag, den 31. Oktober, im Großen Stadtsaal veranstaltete Meisterkonzert brachte einen der allergrößten Pianisten der Gegenwart, Professor Walter Gieseking. Dieser große Meister, nebenbei ein unvergleichlicher Techniker, hat einen blühenden Sinn für Tonschönheiten, sein klangliches Gestalten ist ein wahres Klangwunder. Sein Ton ist von prunkvoller Ueppigkeit, von höchster Plastik in hundertfältigen Schattierungen. Mit diesem Rüstzeug formt er in inbrünstiger Weihe die musikalischen Gedanken. Sein geniales Können, seine auf lange Sicht gearbeiteten Crescendi sind von magischer Gewalt und gestalten alles, was er spielt, zu einem Erlebnis eigenster Art.
In großem Stil und doch voll eigenster Individualität brachte er J. S. Bachs Italienisches Konzert; die wunderbare, großlinige Kantilene des zweiten Satzes, ein echter Bach. Welche Zierlichkeit und echtes Rokoko lag dann über Mozarts Variationensonate in A-dur, mit einem Duft und einer Leichtigkeit ohnegleichen gespielt. Ein Schauen in mystische Tiefen war Beethovens E-dur-Sonate, Werk 109, einem tizianischen Gemälde vergleichbar.
Ganz abgeklärt und in ihrer norddeutschen Romantik voll eigenartiger Stimmung kamen von Johannes Brahms zwei Intermezzi in b-moll, Werk 117/2, und C-dur, Werk 119/3. In wunderbaren Farben schillerte Chopins Barcarole, Werk 60. Franz Liszts Benediction de Dieu dans la Solitude wurde zu einem Kolossalgemälde, in seinem Aufbau und seinen gewaltigen Steigerungen, die aus dem schönen Grotrian-Steinway- [richtig: Grotrian-Steinweg-] Flügel das Letzte herausholten, [ebenso] wie in seinen phantastischen Klangwirkungen ein Höhepunkt des Abends.
Die Begeisterung der den Saal bis auf den letzten Platz füllenden Zuhörer erlangte noch eine ganze Reihe von Zugaben, darunter eine eigene Bearbeitung Giesekings von Richard Strauß’ Ständchen, ein überaus dankbares und schön klingendes Stück.“
Im nächsten Meisterkonzert kam ein aufgehender Stern am Pianistenhimmel zu seinem Innsbruck-Debüt. In der Konzertvorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. November 1942, Seite 5, wird Gilbert Schuchters Auftritt in Innsbruck mit erfolgssicherer Charakterisierung seines künstlerischen Vermögens beworben: „Seit 1938 hat sich der Künstler den uneingeschränkten Beifall der maßgebenden Fachleute im Reich erspielt, alle betonen seine außerordentliche Begabung, seine seltene Kraft und erstaunliche Sicherheit, den gesammelten Ernst, das urwüchsige Musikantentum und seine Vielseitigkeit, sie loben seinen stilgerechten Bach ebenso wie etwa die Wiedergabe von Beethovens Hammerklaviersonate und nennen ihn einen prachtvollen Chopinspieler; im ganzen: man billigt ihm schon in jungen Jahren Meisterehren zu!“
Karl Senn bestätigt diese Einschätzung:
„Das zweite, von der Konzertunternehmung Johann Groß am Mittwoch, den 25. November, im Großen Stadtsaal veranstaltete Meisterkonzert brachte den jungen, aus Salzburg gebürtigen Pianisten Gilbert Schuchter, dem ein ausgezeichneter Ruf vorausging. Diesen Ruf hat Gilbert Schuchter auch gerechtfertigt. Er gehört heute schon zur großen Klasse des Pianistennachwuchses. Seine technische Durchbildung kann wohl vollendet genannt werden. Aber was noch mehr wiegt, seine schöpferische Gestaltungskraft ist heute schon die eines Meisters. Schon sein erstes Vortragswerk, Mozarts Fantasie in c-moll zeigte, wie sorgfältig und überlegen jeder Ton im Aufbau des Werkes bedacht ist und wie fein geprägt jede Phrase sich zum Ganzen zusammenschließt. In romantisch-schwärmerischer Ausdeutung kam dann Mozarts B-dur-Sonate zum Vortrag. Daran schlossen sich drei nachgelassene Klavierstücke von Franz Schubert, im Mai 1828, dem Jahre seines Todes entstanden.
Eine ganz große, ganz ausgezeichnet durchgeführte Aufgabe hatte sich Schuchter mit Friedrich Chopins Zwölf Etu[e]den gestellt, die äußerste Charakterisierungskunst und in ihren weit ausgreifenden Gestaltungen, wie in ihren rassigen Ausbrüchen und dann wieder hauchzarten Verträumtheiten einen vollendeten Könner erfordern. Die Zuhörer waren von dem Spiel des jungen Meisters begeistert und erhielten als Dank für den großen Beifall viele Zugaben.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. November 1942, Seite 5).
Als Veranstalter von Meisterkonzerten trat auch die Intendanz des Tiroler Landestheater bzw. Reichgautheaters Innsbruck in Erscheinung. Beispiele dafür sind ein Liederabend mit Kammersänger Professor Gerhard Hüsch zum 50. Geburtstag des finnischen Komponisten Yrjö Kilpinen und ein Klavierabend mit dem Meisterpianisten Prof. Wilhelm Wührer. Die Würdigung des finnischen Komponisten hatte auch ideologische Hintergründe. Dies macht ein Vorbericht von Karl Senn am 7. April in den Innsbrucker Nachrichten auf Seite 7 deutlich, der Kilpinens Liedkunst charakterisiert und dessen Affinität zum gegenwärtigen deutschen Kunstverständnis zum Ausdruck bringt:
„[…] Die Liedkunst Kilpinens ist fein, gehaltvoll und atmet ganz die Atmosphäre der nordischen Landschaft. Seine melodische, wie klangliche Linie gründet sich auf folkloristische Einflüsse.
Das finnische Volk ist wie kein anderes Volk Skandinaviens dem deutschen geistig stammesverwandt und kulturell hochstehend.“
Für beide Veranstaltungen der Intendanz des Landestheaters lieferte der viel beschäftigte Musikkritiker Karl Senn Beiträge in den Innsbrucker Nachrichten:
„Zum 50. Geburtstag Yriö Kilpinens, des bedeutendsten finnischen Liederkomponisten, veranstaltete das Tiroler Landestheater am Mittwoch, den 8. d[ieses] M[onats April 1942], im Landestheater als drittes Meisterkonzert einen Liederabend, zu dem Kammersänger Professor Gerhard Hüsch und Professor Yriö Kilpinen als Begleiter am Klavier eingeladen worden waren. Die Vortragsfolge enthielt im ersten Teil Lieder von Franz Schubert […] und von Hugo Wolf […].
Der zweite Teil des Abends war dem Liedschaffen Kilpinens gewidmet […].
Aehnlich [wie Sibelius] hat auch Yriö Kilpinen sich auf schollennahe, frische Heimatkunst gestellt, die in seinen zahlreichen Liedern eine immer mehr volksliedhaft ausgerichtete Entwicklung nimmt […].
In der Melodiebildung Kilpinens zeigt sich, dem nordischen Charakter entsprechend, eine gewisse Herbheit; in der Ausdeutung weicher, schwärmerischer Stimmungen, die sich ohne romantischen Zauber in folkloristische Gebilde auflösen, ist eine scheue Zurückhaltung bemerkbar. Harmonisch steht Kilpinen auf der Linie Schubert-Brahms und des jüngeren Hugo Wolf und enthält sich jeder Problematik in dieser Richtung. Er bevorzugt die kurzen, kleinen Liedformen, in denen er manch Hübsches und Eigenartiges zu sagen weiß. In der Wiedergabe durch Professor Hüsch und den Komponisten am Flügel erfuhren, die Lieder eine ideale Auslegung.
Die nicht sehr zahlreichen Zuhörer spendeten den beiden Künstlern reichsten Beifall, der sie zu vielen Wiederholungen und Zugaben veranlaßte.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 10. April 1942, Seite 5).
„Eines der schönsten Solistenkonzerte dieses Winters war der am Donnerstag, den 16. April, vom Tiroler Landestheater im Großen Stadtsaal veranstaltete Meisterabend mit Professor Friedrich Wührer am Klavier.
Aeußerlich ganz bescheiden, in seinem Innern ganz Hingabe an das Werk, ist sein Spiel voll blühender Tonschönheit, im Abwägen und Abtönen des Klanges von einer kaum vorstellbaren Vollkommenheit. Jeder einzelne Ton ist auf seine Dynamik durchdacht und dem entspricht auch die Weiterentwicklung der Stimmen, die mit vollkommenster Klarheit, ihrer eigengesetzlichen Dynamik gemäß abgestuft, sich zu einem formvollendeten Bau wölben. Wie schön ist auch seine Kantilene, ganz auf Farbe und Plastik eingestellt. Seine Deklamation ist Architektur. Und wie fein weiß er verhallende Schlüsse zu gestalten; wer kann wie er Traumtöne in verschleierten Klängen so hauchzart aus den Tasten zaubern!
Seine Technik ist von erlesener Güte, besonders auch das Figurenwerk von absoluter Genauigkeit, Triller, Pralltriller, Doppelschlag von wunderbarer Feinheit.
Wie durchsichtig und graziös spielte er Bachs Italienisches Konzert in F-dur; im zweiten Satz war die Kantilene ganz auf Holzbläserton, der zarte Kontrapunkt in der linken Hand wie sordiniertes Geigengeflüster; als prachtvolle Gegenwirkung der kecke dritte Satz. Heroisch angelegt war Franz Schuberts Sonate in a-moll, Werk 143, nur mit seltenen romantischen Lichtern überhaucht; auch hier wieder der dritte Satz, ein Presto von zwingender Größe im Aufbau […].
Den krönenden Schluß der wundervoll abgestimmten Vortragsfolge bildeten Robert Schumanns Etüden in Form von Variationen (zwölf symphonische Variationen), in der tonlichen Wertung in vielfarbigem Glanze reich ausgestaltet, vielfach wechselvoll im Ausdruck, aber immer natürlich gestaltet und schließlich grandios gesteigert bis zu dem machtvollen Schluß.
Die begeisterten Zuhörer spendeten dem großen Künstler reichsten Beifall, den eine Reihe von Zugaben immer wieder auslösten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 18. April 1942, Seite 4).
Die Meisterkonzerte der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude brachten eine Mischung aus gehobener Unterhaltungsmusik in vielfach varietégerechter Konzeption und Präsentation herausragender internationaler Solisten als Renommee-Events, zur Befriedigung der Sensationslust des Publikums.
Als „Musikalischer Meisterabend“ wird das Gastspiel des „berühmten rumänischen Geigers Georges Boulanger“ zusammen mit der bulgarischen Sopranistin Vanja Leventova und dem italienischen Orchester Canaro in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Jänner auf Seite 8 angekündigt. Karl Senns Titelzeile in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. Februar 1942, Seite 9, lautet: „Ein Meisterabend froher Unterhaltung“. Sodann schildert er:
„Die Deutsche Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude veranstaltete am Samstag, 31. Jänner, im Großen Stadtsaal in Innsbruck einen Meisterabend froher Unterhaltung mit dem rumänischen Meistergeiger Georges Boulanger, dem italienischen Jazzorchester Canaro und der Sopranistin vom Hamburger Rundfunk Ingeborg Burmester, diese an Stelle der erkrankten bulgarischen Sopranistin Vanja Leventova.
Boulanger ist in Deutschland von vielen Konzerten, vom Rundfunk her durch Schallplattenaufnahmen als ausgezeichneter Geiger seines Faches bekannt. Er spielt hauptsächlich eigene Kompositionen leichter Musik mit einer verblüffenden Technik und einer Ausdrucksmannigfaltigkeit, wie sie kaum einem Geiger zur Verfügung steht. Durch virtuose Beherrschung seines Instrumentes, auf dem er mit geigerischer Kunstfertigkeit mit Pizzikato-, Spikato- und Flageolettkunststücken sowie durch außerordentlich gewandte Bogentechnik die eigenartigsten Klangwirkungen erzielt, zieht er seine Hörer unfehlbar in seinen Bann.
Das sieben Mann starke, in phantasiereichen Kostümen auftretende italienische Orchester Canaro, dessen Musiker alle mehrere Instrumente ausgezeichnet beherrschen, spielt mit zündendem Rhythmus seine zügigen, hinreißenden Melodien, sei es ein Tango, Pasodoble, Rumba oder ein Walzer.
Ingeborg Burmester, im Besitze einer schönen Stimme, ist für den Vortrag leichter Lieder sehr begabt und weiß diese mit viel Scharm, witzig und gewählt im Ausdruck zu bringen. Ein vorzüglicher Begleiter am Bechsteinflügel war Dominiko Carcaffola [Carcassola?].
Wie sehr gediegen gebrachte leichte Musik die Zuhörer anzuziehen vermag, bewies der überfüllte Stadtsaal. Durch viele, in freigiebigster Weise und humorvoll gespendete Zugaben konnten sich die Zuhörer an dem dadurch sehr verlängerten Konzertabend erfreuen.“
Kraft durch Freude veranstaltete am 15. Oktober 1942 ein weiteres Konzert mit dem rumänischen Geigenvirtuosen Boulanger, das Programm wie üblich bunt, darunter klassische Gusto-Stücke wie Franz Schuberts Ave Maria oder Robert Schumanns Träumerei, Volksmelodien und Tänze seiner Heimat, aber auch Eigenkompositionen mit sentimentalem und virtuosem Gestus. Als „Rahmenveranstaltung“ spielte das Orchester Heinz Sandberg „flotte rhythmische Weisen“, und die Drei Ryhtmas sangen „musikalische Glossen in humorvollem Vortrag.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Oktober 1942, Seite 6).
Eine ähnliche Reputation als Meister der „vornehmen und eigenartigen musikalischen Unterhaltungskunst“ erfährt der „berühmte“ ungarische Geiger Barnabás von Géczy in einer Ankündigung seines Innsbrucker Gastspiels im Mai 1942. Neben zwei „Großkonzerten“ am 11. und 12. Mai spielten der Künstler und sein Ensemble auch ein Benefizkonzert im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung (Innsbrucker Nachrichten vom 8. Mai 1942, Seite 5). Das Gastspiel wurde zu einem „Triumph der guten Unterhaltungsmusik“, wie die Innsbrucker Nachrichten vom 13. Mai 1942, Seite 5 ihren Konzertbericht betiteln. Heinz Cornel Pfeifer führt die Begeisterung aus der Schlagzeile in seiner Schilderung des Konzertverlaufs fort:
„In seinem ersten von der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude am Montag, den 11. Mai, im ausverkauften Stadtsaal veranstalteten Konzert feierte ‚die gute Unterhaltungsmusik’, als deren einer der besten Vertreter Barnabas von Géczy angesprochen werden kann, begeisterte Zustimmung und Anerkennung, ein Beweis, daß das Gute sich im Geschmack des Publikums vom Mittelmäßigen oder Minderwertigen doch deutlich genug abhebt, um sich restlos durchzusetzen. Barnabas von Géczy, ein Geiger, bei dem sich Virtuosität und Gefühl die Waage halten, hat sich mit seinen Solisten die Herzen der Innsbrucker im Sturm erobert – die Ohren gehörten ihm schon lange aus den vielen Rundfunksendungen.
Im ersten Teil seiner reichhaltigen Vortragsfolge bot die fabelhaft zusammengespielte Kapelle – einige Mitglieder wirken schon über 16 bis 18 Jahre in ihr – gehaltvolle Musikstücke, wie Boccherinis Menuett, Schuberts Deutsche Tänze und Solveigs Lied von Grieg in vollendetem Vortrag zu Gehör, wonach sich die Geigentöne des Meisters in Liedern, Fantasien und Zigeunerweisen seiner ungarischen Heimat jubelnd über die Begleitinstrumente schwangen und funkelnde Passagen, virtuose Staccatis und Doppelgriffe das atemlose Publikum in den Bann seiner Musik zwangen. Der zweite Teil brachte Melodien von Heuberger, Künneke, Suppé und anderen sowie beliebte Lieder und Tanzweisen […]. Begeisterter Beifall dankte für jede einzelne Darbietung, unzählige Hervorrufe des Meisters und seiner Künstler, der sichtlich erfreut und gerne immer wieder zur Geige griff, am Schluß des hübschen Abends gaben diesem eine Note von Herzlichkeit und beschwingter Freude, wie man ihn noch kaum einmal erleben konnte.“
Von den arrivierten Pianisten konnte die KDF für Gastspiele in Innsbruck Wilhelm Kempff und Josef Pembaur gewinnen. Vom Innsbrucker Auftritt am 10. März im Großen Stadtsaal des „berühmten deutschen Meisterpianisten“, wie Wilhelm Kempff in der Konzertvorschau der Innsbrucker Nachrichten vom 3. März 1942, Seite 5 angekündigt wird, berichtet, wie üblich bei Großereignissen mit klassischer Musik, Karl Senn:
„Die Deutsche Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude veranstaltete am Dienstag, den 10. d. M., im Großen Stadtsaal ein Meisterkonzert mit dem Pianisten Prof. Wilhelm Kempff. Dieser, 1895 zu Jüterbog in Brandenburg geboren, einer der ersten Pianisten des Reiches, ist hinsichtlich der Ausdrucksmöglichkeiten, die er auf seinem Instrumente zu erreichen versteht, die ihm dank seiner ungemein differenzierten Anschlagkunst zur Verfügung stehen, abgesehen von seinem technischen Können, das überhaupt keine Grenzen zu kennen scheint, ein genialer Meister.
Er spielte von J. S. Bach die Französische Suite in G-dur und Nun kommt der Heiden Heiland. Die ornamental feingegliederte Suite in ihrem fröhlichen Barock, wie die mystischen, in ihren verwickelten und doch durchsichtigen Kontrapunkten hoch geistigen Choralbearbeitungen waren in ihrem so verschiedenen Inhalte wunderbar ausgeschöpft und dem Verständnis nahegebracht. Zu einem gewaltigen Erlebnis gestaltete Professor Kempff Beethovens große C-moll-Sonate, Werk 111, die er in ihren ungeheuren Spannweiten mit dionysischem Schwung zu phantastischer Wirkung brachte.
Im zweiten Teil der Vortragsordnung spielte Prof. Kempff, für Innsbruck neu, fünf Klavierstücke, Werk 47, von Hans Pfitzner: Letztes Aufbäumen, Ausgelassenheit, Hieroglyphe, Zerrissenheit und Melodie. Diese Stücke sind zwar technisch nicht von besonderer Schwierigkeit, fordern aber an Interpretation tiefes Einfühlen in ihren geistigen Gehalt. Vollendet gespielt, erzielen sie schöne Wirkung.
Den Abschluß der Vortragsordnung bildeten Fr. Chopins Nocturne, H-dur, Werk 9, Nr. 3, und Introduktion und Polonaise brillante Es-dur, Werk 22, beide Werke prachtvoll aufgebaut und gestaltet. Eine Reihe von Zugaben mußten den stürmischen Beifall der zahlreichen Zuhörer befriedigen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 12. März 1942, Seite 5).
Josef Pembaur (1875 Innsbruck-1950 München), „der heimische Altmeister der Klavierkunst“ (Ehrentraut Straffner in Innsbrucker Nachrichtenvom 19. Dezember 1942, Seite 5) widmete seinen Klavierabend den von ihm bevorzugten Komponisten Schumann, Brahms und vor allem Liszt, als dessen musikalischer Sachwalter er besonders angesehen war. Über die Eleganz und Gefühlstiefe von Pembaurs Klavierspiel sowie den Programmverlauf urteilt Karl Senn:
„Professor Josef Pembaur, der berühmte Sohn unserer Stadt, gab nach längerer Pause wieder einen Klavierabend in seiner Heimatstadt, einen Balladen- und Fantasieabend, den die Deutsche Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, am Montag, den 28. d[ieses] M[onats Dezember 1942], im Großen Stadtsaal veranstaltete. Pembaur weiß, wie selten ein Pianist, um die Geheimnisse der Poesie des Klavierspiels, er ist der Dichter unter den Pianisten. Seine Poesie ist nicht Romantik schlechthin, sie kommt aus rein seelischen Gebieten. Ihm stehen allen Ausdrucksmöglichkeiten zu Gebote, vom duftigen Silberton bis zum rasanten Fortissimo, vom geheimnisvollen Dunkel bis zu strahlender Helle. Seine Auslegung ist ungewöhnlich durchdacht, jede kleinste Nuance wohl erwogen und aus dem Geiste des Werkes geboren; eigenartig, wie er oft scheinbar Nebensächliches in besonderes Licht hebt, oder wenn er in seiner breiten, pastosen Spielart immer wieder Steigerungen herausbringt, die ins Unendliche zu reichen und fast das Instrument zu sprengen scheinen.
Meister Pembaur hat uns an diesem Balladen- und Fantasieabend ein Riesenprogramm beschert. Aus den vier Balladen, Werk 10, von Johannes Brahms spielte er die erste, ‚nach der schottischen Ballade Edward‘ und die dritte Intermezzo […].
Schumanns Fantasie, Werk 17, Ruinen, Triumphbogen, Sternenkranz, voll romantischer, oft melodieseliger, dann wieder hymnisch gesteigerter Einfälle brachte Pembaur in ihren vielen Stimmungen breit auslandend durchgeführt zu eindringlicher Wirkung.
Zwei Balladen, Werk 47 und 23, charakteristisch in ihren schönen, geschlossenen Formen, und Franz Liszts äußerlich-brillante, in der Form rhapsodische H-moll-Sonate Fantasia quasi Sonate [richtig: Sonata],‚nach einer Lesung von Dantes Göttlicher Komödie‘, jedes dieser Werke zu höchster Monumentalität ausgearbeitet, bildeten den Schluß des Abends. Dem Beifall seiner zahlreichen Zuhörer entsprechend, spielte Professor [Josef] Pembaur [jun.] als Zugabe noch ein Klavierstück seines Vaters, unseres ehemaligen Musikvereinsdirektors Josef Pembaur [sen. (1848-1923)].“
Mit einem Kammerkonzert in der selten gehörten Besetzung von zwei Klavieren überraschte die KDF am 6. November 1942 im Großen Stadtsaal. Für diesen „Meisterabend“ waren die beiden Kapellmeister der Münchner Staatsoper, Hans Altmann und Emmeran von Lerchenfeld engagiert worden, die dem Innsbrucker Konzertfreunden bereits durch ihre wiederholten Auftritte als Liedbegleiter bekannt waren. Die Innsbrucker Nachrichten vom 30. Oktober 1942 bringen in ihrer Konzertvorschau auf Seite 7 einen Programmüberblick, wobei Cesar Bresgen (1913-1988) schon näher beleuchtet wird. Dieser hatte sich nämlich bereits durch vielfache Aktivitäten in das nationalsozialistische Kulturnetzwerk verstrickt.
„[…] Der Abend bringt die Sonate D-dur von W. A. Mozart für zwei Klaviere, ein Stück brillanter Gesellschaftsmusik, das 1781 ‚expreß‘ für die Akademie bei Hofkriegsrat Auernhammer geschrieben wurde. Ihm folgt das Andante und Variationen B-dur op. 46 von Robert Schumann, ein Werk, dessen Gemütstiefe und mannigfaltige Einfallsfreudigkeit an die besten Schumannschen Stücke für Soloklavier erinnert. Besondere Aufmerksamkeit wird das Werk einen jungen zeitgenössischen Tonsetzers, das F-dur-Konzert op. 13 von Cesar Bresgen verdienen. Der jetzt etwa 30jährige Komponist stammt aus dem Rheinland, ist uns aber seit einigen Jahren deshalb besonders nahe gerückt, weil er an der Musikhochschule Mozarteum in Salzburg eine dauernde und fruchtbare Wirkungsstätte gefunden hat. Als Komponist ist Bresgen, der insbesondere durch die Hitler-Jugend tatkräftig gefördert wird, bereits mit mehreren eindrucksvollen Werken hervorgetreten. Man rühmt dem jungen Komponisten mit Recht eine außergewöhnliche Beherrschung des strengen Stils nach. Sein in Innsbruck zur Aufführung vorgesehenes Konzert F-dur verdient also die volle Aufmerksamkeit aller Musikfreunde. Als Klavierwerk von monumentaler Größe sind die als Abschluß des Abends vorgesehenen Variationen über ein Thema von L. v. Beethoven B-dur op. 86 von Max Reger anzusprechen. Das Werk nimmt durch seine tiefe Innerlichkeit ebenso gefangen, wie durch die bezwingende Gewalt seiner Schlußsteigerung.“
Zum Konzert selbst schreibt Karl Senn: „[…] Mit viel Temperament, großer Umsicht und feinem Gefühl für die nicht unbeschränkten Möglichkeiten, die ein Spiel auf zwei Klavieren bietet, brachten die beiden in ihrem Spiel gut aufeinander abgestimmten Künstler die Werke ihrer interessanten Vortragsfolge auf den beiden Flügeln Steinway und Bechstein zu vollendeter Wirkung […].
Motorisch bewegt in den Ecksätzen, neuromantisch gefärbt und tiefsinnig angehaucht im langsamen Mittelteil erklang das Konzert in F-dur, Werk 13, von dem in Salzburg wirkenden Cesar Bresgen, eine Neuheit für Innsbruck […]. Mit einer ganz ausgezeichneten Wiedergabe krönten die beiden Pianisten [Altmann und Lerchenfeld] ihre Darbietungen. Am Schlusse der Veranstaltung wurden die Künstler von den Zuhörern sehr gefeiert.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 9. November 1942, Seite 4).
Auch im Jahr 1942 kam auf Einladung der KDF mit „Nationalpreisträger“ Siegfried Borries (1912-1980) am 9. Oktober einer „der führenden deutschen Violinisten“ erneut für einen „Meisterabend“ nach Innsbruck. Über das geplante Programm informiert Ehrentraut Straffner in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Oktober 1942, Seite 4:
„[…] Für sein Innsbrucker Konzert wählte der Künstler eine Vortragsfolge, in der klassische neben virtuoser Geigenmusik steht.
Den Auftakt des Abends bildet Ludwig van Beethovens ruhevoll ausgeglichene G-dur-Romanze. Ihr folgt das Adagio für Solovioline g-moll, aus einem der großen Soloviolinwerken von Johann Sebastian Bach. Zum Schluß des ersten Teiles hören wir W. A. Mozarts Violinkonzert A-dur, Köch[el] Verz[eichnis] 219, ein Werk, das allen führenden Solisten immer wieder als repräsentativen Mittelpunkt ihrer Programme deshalb wählen, weil es Melos, Technik und Innerlichkeit in besonders glücklicher Vollendung vereinigt. Der zweite Teil des Konzertabends bringt eine Auswahl alter und neuer virtuoser Geigenmusik, die tonlich und technisch bezwingende La Folia von Corelli, eine Sonatine Nr. 12 von N[icolò] Paganini, ein Allegro von [Joseph-Hector] Fiocco, ein Charakterstück von [Otto] Kobin Die Quelle und zur Abrundung den Ungarischen Tanz Nr. 8 von Johannes Brahms. Am Flügel wird Siegfried Borries von Wolfgang Borries, Berlin, begleitet.“
Das Debüt der berühmten Violinvirtuosin Guila Bustabo am 2. Dezember 1942 in Innsbruck wird von Ehrentraut Straffner werbewirksam angekündigt: „Guila Bustabo, die von der NSG. Kraft durch Freude am 2. Dezember 1942 für ein Konzert in Innsbruck verpflichtet wurde, gilt heute als eine der bedeutendsten lebenden Geigerinnen, die ihren Rang auch neben so unbestrittenen Größen, wie Wolfgang Schneiderhan und Georg Kulenkampff behaupten kann. Frühzeitig zeigte sich schon ihre musikalische Begabung. Mit fünf Jahren erhielt sie eine Freistelle als Schülerin des holländischen Geigers Leon Sammatini. Später studierte sie bei dem bedeutenden Violinpädagogen Louis Persinger, der eine Reihe bedeutender Geiger ausgebildet hat. 1934 begann sie mit ihrer Konzerttätigkeit und erntete in allen Großstädten Europas und in Uebersee begeisterte Erfolge. Für Deutschland entdeckte sie gleichsam Hans Pfitzner, der als ihr Partner mehrere Soloabende in deutschen Großstädten durchführte. In Innsbruck spielt Guila Bustabo Werke von Mozart, Beethoven, Brahms, Desplanes, Gluck, Sarasate und De Falla. Am Konzertflügel begleitet sie Heinz Schröter.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 26. November 1942, Seite 4).
Karl Senn widmet der überragenden Künstlerin in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Dezember 1942, Seite 5, euphorische Zeilen zu ihrem begeisternden Auftritt:
„[…] Sie verfügt über all das, was sie zu einer ganz großen Künstlerin von seltenem Format prägt; eine wunderbar ausgeglichene blitzsaubere Technik, einen großen satten Ton und eine außergewöhnliche Musikalität. Wie ernst sie ihre Kunst nimmt, konnte man schon aus der Zusammenstellung ihres Programmes ersehen. Bei aller bravouröser Technik, die sie in schwierigsten Werken zeigte, meidet sie billige Virtuosenstücke. Ihre tiefe Innerlichkeit erkannte man in einer trotz aller Weichheit charakteristisch herben Tongebung, die im Zusammenhang mit einer rhythmisch außerordentlichen Prägnanz ihrem Spiel einen männlichen, trotz ihrer Jugend reifen Zug gibt.
Schon das erste Werk, Beethovens Frühlingssonate in F-dur, Werk 24, kam so vollendet, form- und tonschön, von innerem Feuer durchglüht zum Vortrag, daß sie jeden Zuhörer aufhorchen machte. Johannes Brahms’ schönste seiner Violinsonaten, die zweite, in A-dur, die Thuner Sonate, Werk 100, brachte sie in klanglich entzückender, alle ihre Schönheiten rein ausstrahlender Wiedergabe. Nach der Pause zeigten kürzere Stücke: Desplanes’ Intrada, Glucks Melodie, Halffters La Gitana, endlich ein höchst virtuoses Können erforderndes, alle Möglichkeiten geigerischer Kunst ausschöpfendes Violinkonzert in einem Satze in D-dur von Nicolo Paganini die vielen Ausdrucksmöglichkeiten und das wirkliche bestaunenswerte, alle Schwierigkeiten spielend überwindende Können der jungen Künstlerin.
An dem ungewöhnlich großen Erfolg des Konzertes, das von den Zuhörern mit reichstem Beifall bedacht wurde und eine Serie von Zugaben im Gefolge hatte, nahm der feinfühlige und großzügig mitgestaltende Begleiter am Steinway-Flügel Heinz Schröter aus Frankfurt am Main gewichtigen Anteil. Ein baldiges Wiedersehen der großen Künstlerin am Innsbrucker Konzertpodium würde von vielen Zuhörern, sicher aber auch von jenen Konzertbesuchern, die diesmal fehlten, sehr begrüßt werden.“
Nur wenige Tage später nach dieser großartigen Präsentation vollendeter Könnerschaft veranstaltete die KDF am 10. Dezember mit dem jungen erst sechzehnjährigen Geiger Vasco Abadjiev und mit Nuni Naneff, Tenor an der königlich bulgarischen Staatsoper Sofia, einen Bulgarischen Abend. Bulgarien war ein Verbündeter des Deutschen Reiches. Infolgedessen hatte dieses Gastspiel auch eine politische Dimension. Karl Senn charakterisiert das Können beider Künstler und gewährt Einblick in das Programm:
„[…] Nuni Naneff ist ein lyrischer Tenor, in allen Künsten des bel canto bewandert und besonders durch ein häufig angewendetes Pianissimo der Wirkung auf die Zuhörer sicher. Eine Kanzone Amirilli des in Florenz lebenden, seinerzeit als fortschrittlichen Komponisten verdienten Giulio Caccini, wie das berühmet Largo von Händel zeigten ihn als geschmackvollen Sänger. Dieses wie auch das nachfolgende Schubertsche Du bist die Ruh wurde nach unseren Begriffen im Zeitmaß zu rasch genommen. Brahms’ Wiegenlied war mit allen Finessen romantischer Gesangkultur ausgestattet. Zwei Arien, aus der L’Arlesienne von [Francesco] Cilea, dem Konservatoriumsdirektor in Neapel und aus der Oper Der Liebestrank von Donizetti gaben ihm mit ihren Koloraturen Gelegenheit, seine leicht bewegliche Stimme glänzen zu lassen. Zwei Volksliedern folgten dann, dem Beifall der Zuhörer entsprechend, eine große Reihe von Zugaben.
Vasco Abadjieff ist ein technisch sehr begabter jugendlicher Geiger, der bei entsprechender Behandlung und zunehmender Reife eine große Zukunft vor sich hat. Er stammt jedenfalls aus einer guten Schule, spielt sehr sauber, schlackenrein und rhythmisch prägnant. Die Romanze von [Johan Severin] Svendsen, mehrere geigerisch recht anspruchslose Stücke von Sarasate, ein Chopin-Walzer in der Bearbeitung von [Eugène] Ysaye, Gnomenreigen von [Antonio] Bazzini und wieder eine Menge Zugaben ließen sein schön ausgeglichenes Spiel und seine guten Anlagen in der Tonbildung in allen Belangen erkennen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Dezember 1942, Seite 6).
Auch Liederabende mit bedeutenden Interpreten waren Teil des vielfältigen Programmangebotes der KDF. So gastierte am 1. Oktober 1942 der Tenor Julius Patzak in Innsbruck. Ehrentraut Straffner stellt ihn und sein Programm in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. September 1942, Seite 6, vor:
„Kammersänger Julius Patzak, den die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude für einen Lieder- und Arienabend am Donnerstag, den 1. Oktober verpflichtet hat, ist in Innsbruck längst nicht mehr unbekannt. In zwei unvergeßlichen Abenden hat man in unserer Gauhauptstadt den ersten lyrischen Tenor der Münchner Staatsoper kennengelernt. Er stellt seine künstlerische Gestaltungskraft im bevorstehenden Abend in den Dienst einer Vortragsfolge, die Gerngehörtes neben seltene musikalische Kostbarkeiten stellt und Arien und Lieder zu gleichen Teilen mischt. Wir hören Mozarts ‚Odem der Liebe’ aus Cosi fan tutte zum Eingang und außerdem die berühmte Arie aus Smetanas Verkaufter Braut sowie die Arie ‚Leb wohl du Blütenreich’ aus Puccinis Madame Butterfly, welche den Abschluß des Abends bilden wird. Aus dem deutschen Liederschatz bringt die Vortragsfolge ausgewählte Stücke von Franz Schubert Frühlingsglaube, Im Abendrot, Wohin?, Ständchen, von Hugo Wolf Ob der Koran von Ewigkeit sei, Frech und froh, Nachtzauber, Storchenbotschaft und von Josef Marx [(1882-1964)] den Valse de Chopin, das Traumglück, das Venezianische Wiegenlied und das schöne Hat dich die Liebe berührt.
Damit wird diese Vortragsfolge sowohl dem Liebhaber großer Opernmusik wie dem des deutschen Liedschaffens in seiner breitesten und in seiner intimsten Wirkung gleichermaßen gerecht und gibt obendrein Kammersänger Julius Patzak Gelegenheit, alle Seiten seines Könnens, seiner stimmlichen und gestalterischen Möglichkeiten zu beweisen.“
Wie sehr diese Ankündigung in Erfüllung ging, zeigt Karl Senn Beurteilung in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Oktober 1942, Seite 6: „[…] Kammersänger Patzak ist ein Sänger von außerordentlichen Qualitäten. Besonders ist es sein künstlerisches Gestaltungsvermögen, das ihm neben seinem technisch so vollkommen ausgebildeten Organ auch im Liede Wirkungen erzielen läßt, wie es nur ein begnadeter Künstler vermag […].“
Ebenfalls eine Einladung der KDF vermittelte dem Innsbrucker Publikum eine Begegnung mit Kammersänger Prof. Josef Manowarda (1890-24.12.1942) von der Staatsoper Berlin am 20. November 1942 im Großen Stadtsaal. Manowarda hatte für diesen Lieder- und Balladenabendauch Kompositionen von Tiroler Komponisten in sein Programm genommen:
„Als erste Nummer sang er zwei Lieder des Nestors der Tiroler Tondichter, des aus Gesundheitsgründen in Brixen [Südtirol] lebenden Josef Gasser: Morgentraum und Hochwelt. Es sind glücklich erfundene Gesänge, die mit so vollendeter Kunst vorgetragen, von intimer Wirkung sind. Dann folgten drei Lieder von Arthur Kanetscheider: Spruch, Kleine Ballade und Wunder großer Gegenwart, die die Stimmungen der Gedichte fein untermalen, besonders gelungen im Aufbau und zu schöner Schlußsteigerung geführt das letzte Lied. Sehr dankbar nahmen die Zuhörer Gaben aus Franz Schuberts Winterreise: Gute Nacht, Der Lindenbaum, Die Krähe, Der Wegweiser und Mut entgegen. Wie vielfältig des großen Künstlers Gestaltungsvermögen ist, erwies sich insbesondere auch in den Liedern von Hugo Wolf:
In der Frühe, An die Geliebte, Gesang Weylas, Der Musikant und Fußreise, nicht minder aber auch in den Balladen von Karl Loewe: Die verlassene Mühle, Prinz Eugen und Odins Meeresritt, die in so hervorragender Auslegung von bezwingender Wirkung waren. Eine lange Reihe von Zugaben, dem immer wieder einsetzenden Beifall der Zuhörer entsprechend, erweiterten die Vortragsfolge um ein Beträchtliches. Rudolf Wille aus Berlin war ein ausgezeichneter Begleiter.“ (Karl Senn in Innsbrucker Nachrichten vom 23. November 1942, Seite 5).
Mit einem Tanzabend begeisterte die KDF am 9. September das Publikum im Großen Stadtsaal: Dabei vereinten sich „Jugend und Schönheit, tüchtiges tänzerisches Können, musikalisches Grundgefühl, eine überraschende Fülle immer neuer Ausdrucks- und Gestaltungsformen, nicht zuletzt geschmackvolle Kostüme zu herzerfreuender Wirkung“, eine Konzeption also, die in ihrer stimmigen Geschlossenheit den Vorstellungen der KDF entsprach, nämlich einem publikumswirksamen Zeitvertreib in entspannter Atmosphäre. „Aus dem umfangreichen Programm wehte ein Zug von Frische und Natürlichkeit“, hielt Marie Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. September 1942, Seite 4, fest. Wie ein solcher Tanzabend, gestaltet von jungen Menschen, mit originellen Ideen erfüllt sein kann, gibt Randolfs Bericht anschaulich wieder:
„Carl Maria von Webers beliebte Aufforderung zum Tanz, von vier Paaren in Biedermeiertracht ausgeführt, bildete den verheißungsvollen Auftakt, dem im Laufe des Abends noch zahlreiche Gruppentänze folgen sollten, von denen Quartett und Trio von Gounod sowie das Klassische Ballett von [Amilcare] Ponchielli ob der tadellosen Fußspitzentechnik hervorgehoben sein mögen. ‚Im Grunewald …‘ sahen wir nach Weisen alter Schlager eine Pensionatsvorsteherin von anno dazumal (Irmgard Kern) mit einer Schar junger Mädel beim Picknick und kamen aus dem Lachen über die urkomische alte Tante, aus dem Staunen über so viel beredte Mimik wie immer neue übermütige Einfälle der fröhlichen Schar nicht heraus. Wahre Lachstürme entfesselten auch ‚Drei Holzpuppen‘ in Tiroler Gwandln mit zwingender Komik in den ruckartigen Bewegungen von den rollenden Kugelaugen bis in die Zehenspitzen, sowie zwei Clowns, die beste Artistik in ihren drolligen Tanz einbauten.
Von den Solotänzerinnen muß Irmgard Kern an der Spitze genannt werden, die in einem Nocturno von Liszt, einem orientalischen Tanz, einer Habanera und mit Gita Mehrmann in einem Zigeunertanz vollendete Tanzkunst zeigte und Temperament, Koketterie und Scharm in immer neuen Schattierungen schillern ließ. Als Blauer Vogel entzückte Natascha Trofimoff, die kleine Holzpuppe, durch schelmische Anmut wie eine Weichheit der Bewegung und Lieblichkeit der Erscheinung, die den Vergleich mit einem spielenden Jungvogel völlig berechtigten. In einem Adagio von Poppy glitt Kriemhild Waischwillat auf hohen Zehenspitzen über die Bühne, als ob sie von den Tönen der Musik selbst getragen würde, und Gita Mehrmann ließ in Chopins Klassischen Variationen beste Ballett-Tradition lebendig werden. Köstliche Szenen um einen Kaffeeklatsch zu Musik von Strauß, Vater und Sohn, beschlossen den Tanzabend, der nach den Ideen von Sabine Reß gestaltet und unter ihrer Leitung einstudiert worden war. Der begeisterte Dank des ausverkauften Hauses galt der unsichtbaren Meisterin gleichermaßen wie den anmutigen Tänzerinnen.“
Gastkonzerte des Salzburger Mozarteum-Orchesters unter der Leitung von Willem van Hoogstraten am 10. September 1942 mit Beethovens Fidelio-Ouvertüre, Liszts Totentanz mit dem Innsbrucker Nachwuchspianisten Othmar Suitner sowie Brahms’ Erster Symphonie oder der Münchner Philharmoniker mit einem Konzert am 13. November 1942 gehörten zum umfangreichen Programm musikalischer Angebote der KDF. Zum Konzert der Münchner Philharmoniker meint Karl Senn in den Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1942, Seite 4:
„Einen Höhepunkt des heurigen Konzertwinters bildete das von der Deutschen Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude am Freitag, den 13. d[ieses] M[onats November 1942], im Großen Stadtsaal veranstaltete Konzert der Münchener Philharmoniker unter Leitung von Generalmusikdirektor Professor Oswald Kabasta. Dieser hat sein 90 Mann starkes Orchester zu einem einheitlichen Klangkörper geschaffen, mit dem er, eine ganz von Musik erfüllte und durchglutete Persönlichkeit höchst eigenartiger Prägung, mit vollendeter Meisterschaft musiziert.
Die Vortragsfolge des Konzertes brachte Franz Schuberts Fünfte Symphonie in B-dur, Theodor Bergers Legende vom Prinzen Eugen und Anton Bruckners Vierte Symphonie in Es-dur die Romantische, in Originalfassung […].
Die Aufnahme bei den den Saal bis aufs letzte füllenden, atemlos lauschenden Zuhörern war enthusiastisch. Der Beifall wollte kein Ende nehmen.“
Die Wiener Sängerknaben als liebenswerte kulturelle Botschafter kamen mit ihrem „Auslandsgastspielchor“, bestehend aus elf Sopran- und sieben Alt-Stimmen auf Vermittlung der Münchner Konzertdirektion Karl Gensberger nach einer mehrjährigen Pause Ende Juli 1942 zu einem Gastspiel nach Innsbruck. Albert Riester beschreibt in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. August 1942, Seite 5, die Vorzüge dieses einzigartigen Chores: „Sorgfältig ausgewähltes Stimmaterial darunter Solisten, die es mit mancher Primadonna aufnehmen können, ein Höchstmaß von Stimm- und Sprechkultur, verblüffende Intonationsreinheit, straffe Chordisziplin und die jahrhundertealte, im Wiener Boden verwurzelte Musikalität, die aus jedem Chorlied eine klingende Kostbarkeit entstehen läßt […]. Was Wunder, daß sich trotz hochsommerlicher Temperaturen der Große Stadtsaal bis auf den letzten Platz füllte und man aufgeschlossenen Herzens den Darbietungen der kleinen Künstler lauschte.“
Zum Programm und Konzertverlauf führt Riester aus: „Die Vortragsfolge enthielt Werke, die ein Höchstmaß von chorsicher Leistungsfähigkeit voraussetzen, so gleich eingangs die achtstimmige, polyphone Motette Repleti sunt des in Krain geborenen Bach-Vorläufers Jacobus Gallus. Von W. A. Mozart hörten wir den lieblichen dreistimmigen Chor Der Frühling. Fr[anz] Schubert war mit dem Ständchen und Der Gondelfahrervertreten. Das Altsolo im Ständchen sang ein Bub mit einer wunderschönen Altstimme. Der erste Teil des Abends schloß mit dem zärtlichen Schlafe mein Prinzchen, dessen Melodie von einer silberklaren Oberstimme umrankt wurde. Im Mittelpunkt stand W. A. Mozarts einaktige komische Oper Die Gans des Kalifen, Köch[el]-Verz[eichnis] 422, die nach den vorhandenen Fragmenten aus dem Jahre 1783 von R[ichard] Roßmayer für die Sängerknaben gestaltet wurde […]. Volkslieder, das Zigeunerleben von Robert Schumann und die Straußschen Sphärenklänge steigerten die Beifallsstürme, so daß sich die Sängerknaben erst nach mehreren Zugaben verabschieden konnten. Hans Gillesberger betreute die kleinen Sänger zum Teil vom Flügel aus mit feiner Einfühlung und viel Temperament.“
Kammerkonzerte, Serenaden und Liederabende
Die im Innsbrucker Kulturgeschehen obligatorische Reihe der Kammerkonzerte wurde vom Tiroler Landestheater im Konzertsaal der Städtischen Musikschule veranstaltet. Der "vierte Kammermusikabend" am 4. Februar präsentierte ideologiegerecht "Nordische" Musik darunter auch Volkslieder in norwegischer, finnischer, dänischer und schwedischer Sprache, vorgetragen von Margaretha Castana und dem am Innsbrucker Landestheater als Bariton engagierten Björn Forsell. Das Dänische Duo aus Kopenhagen, Erling Bloch (Violine) und Lund Christiansen (Klavier), spielte Sonaten von Carl Nielsen und Edvard Grieg sowie ein "modernes" kammermusikalisches Werk von Jens Bjerre Jacobsen (Innsbrucker Nachrichten vom 2. Februar 1942, Seite 9). Vor allem die Lieder des finnischen Komponisten Yrjö Kilpinen in ihrer "volksliedhaften Verbundenheit" vermochten dem Publikum das Klischee von "nordisch" zu vermitteln: "Wenn wir in der Fülle der gebotenen Werke nach der Seele suchten (nach dem, was man als "Nordisch" zu bezeichnen pflegt), so scheint sie am deutlichsten aus dem Sehnsuchtssang der Volkslieder entgegenzutreten. Schwermut, Sehnsucht nach Liebe, Frühling und Blütenpracht und glühende Liebe zur Heimat entströmen den schlichten, ernsten und besinnlichen Weisen, und vor unserem geistigen Auge ersteht das kühle, herbe, das zarte, aber auch kraftvolle Bild der nordischen Landschaft" (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Februar 1942, Seite 5). Ferner standen Werke von Armas Järnefeldt aus Finnland, dem dänischen Komponisten Peter Erasmus Lange-Müller sowie von Kurt Atterberg aus Schweden auf dem Programm.
Das fünfte Kammerkonzert des Tiroler Landestheaters am 26. März brachte den schon traditionellen Klavierabend mit Musikdirektor Fritz Weidlich. Unter der Vielzahl der von ihm dargebotenen Klavierwerke befand sich auch die Toccata in d-Moll op. 97 von Karl Senn. Weidlich schätze Senn als Komponisten, und umgekehrt hofierte Senn in seinen Konzertbesprechungen den Dirigenten Weidlich zumeist verbal mit hymnischen Ovationen. Über Weidlichs Klavierabend mit Senns Toccata berichtete Albert Riester in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. März 1942, Seite 7:
"[...] Drei gewichtige Werke bildeten den ersten Teil des Abends. Einleitend hörten wir in der Bearbeitung von F. Busoni J. S. Bachs Capriccio über die Abreise des vielgeliebten Bruders, ein köstliches Werk voll entzückender Einfälle und [mit] einer fröhlichen, fugierten Posthorn-Imitation als Ausklang. Dann folgte die Sonate in Es-dur, op. 81a (Les Adieux) von Ludwig van Beethoven [...]. Schließlich war Robert Schumanns Kreisleriana, op. 16, zu hören. Phantasien voll glühender Inbrunst und diabolischem Schwung. Weidlich wurde in bewundernswerter Weise den sehr verschiedenen Stilrichtungen dieser drei Werke gerecht. Musikalische Sicherheit, glanzvolle Technik und seine besondere Einstellung auf straffe Rhythmik und Dynamik sicherten eine in jeder Hinsicht zufriedenstellende Wiedergabe.
Kleine Stücke leiteten den zweiten Teil des Abends ein. Unter ihnen waren von besonderem Reiz die beiden lebhaften Werke von Max Reger sowie das tonmalerisch fein empfundene Stück Es regnet in der Stadt des Ungarn Zoltan Kodaly. Einfallsreich und bewegungsfroh ist die Burleske von Fritz Weidlichs kompositorischer Werkstatt, die unverkennbar slawische Einflüsse feststellen läßt. Weidlich spielte sein Werk mit seiner Charakterisierungskunst. Ein in der Erfindung und Satztechnik gleich gewichtiges Werk unseres heimischen Tondichters Karl Senn, seine Toccata in d-moll, Werk 97, beschloß diese interessante Werkgruppe. In ihr wird eine virtuose, figurale Einleitung von einer wunderbar innerlichen und schlichten Gesangsgruppe abgelöst. Nach einer Reprise folgt eine aus der Einleitung entwickelte Fuge, die über einer ekstatischen Steigerung zum hymnisch breit ausladenden Abschluß führt. Das Werk fand eine begeisterte Aufnahme. Mit den vertrauten Klängen der g-moll-Ballade, op. 23 von Fr. Chopin fand der Abend seinen Abschluß.
Im zweiten Teil kam[en] besonders Weidlichs bejahende Einstellung zum zeitgenössischen Musikschaffen und sein sicher und knapp zupackender Gestaltungswille zu schönster Geltung. Schwierigkeiten technischer Art werden auch im Prestissimo spielend gemeistert und dazwischen gibt es klangliche Lyrik von wohlabgewogener Feinheit. Stürmischer Beifall erzwang am Ende noch viele schöne Zugaben aus unserer pianistischer Meisterliteratur (Schubert, Chopin, Liszt)."
In der Vorankündigung dieses Konzerts (Innsbrucker Nachrichten vom 21. März 1942, Seite 7) wird auch ein Klavierstück von Béla Bartók erwähnt. Dieses allerdings nicht näher bezeichnete Werk des als "entartet" geltenden Komponisten dürfte der Zensur zum Opfer gefallen sein. Vermutlich war es das Allegro barbaro, das Fritz Weidlich bereits 1938 bei einem seiner Klavierabende gespielt hatte.
Im Sommer 1942 veranstaltete das Tiroler Landestheater Serenaden im Hof des Volkskunstmuseums. Die Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juli 1942, Seite 5, bringen folgende Vorschau:
"Der große Erfolg der Mozart-Serenade, die vergangenes Jahr im August im Hof des Tiroler Volkskunstmuseum durchgeführt wurde und zweimal wiederholt werden musste, veranlaßt das Tiroler Landestheater, auch in diesem Sommer wieder mehrere Freilichtserenaden am gleichen Ort zu veranstalten. Er werden drei verschiedene Serenaden dargeboten, eine Klassische Serenade, eine Rokoko-Serenade und eine Innsbrucker Serenade, deren Programme in sorgfältiger Auswahl von Kapellmeister Hans-Georg Ratjen und Dr. Sigfrid Färber zusammengestellt wurden. Sommerliche Serenaden sind beschauliche Stunden musikalischer Erheiterung, bei denen aus der überaus reichen barocken, vorklassischen und klassischen Musik seltene Perlen zum Klingen gebracht werden können, die man sonst im Konzertsaal nicht hört, da sie eben einen besonderen Rahmen brauchen, um volle künstlerische Gültigkeit zu haben. Sie sieht das Programm der Klassischen Serenade (Dienstag, 14. Juli) eine Symphonie in G-dur von Christoph Willibald Gluck vor, eine Ouvertüre in h-moll im alten Suitenstil von Johann Sebastian Bach, eine Trio-Serenade von L. van Beethoven in 13 kleinen Sätzen und ein Haydn-Divertimento. Die Rokoko-Serenade(Dienstag, 28. Juli) bringt neben charakteristischen Werken kleinerer Meister dieser musikalisch überreichen Stilperiode das prächtige Notturno für vier Orchester von W. A. Mozart, dessen Echowirkung eine entzückende musikalische Spielerei des Rokoko im Hof des Volkskunstmuseums besonders gut zur Geltung kommen wird. In der Innsbrucker Serenade (Donnerstag, 13. August) sollen verschiedene historische Stimmungsbilder der alten Stadt am Inn musikalischen Ausdruck finden.
Die Serenaden, die unter Leitung von Kapellmeister Hans-Georg Ratjen stehen, werden von Mitgliedern des Tiroler Landes-Symphonieorchesters durchgeführt. Die Abende, deren Beginn wie im vergangenen Jahr auf jeweils 19.30 Uhr festgesetzt ist, können auch bei ungünstiger Witterung stattfinden, da der Zuhörerraum gedeckt ist."
Die einfallsreiche Gestaltung der dritten Serenade mit Lokalbezug schildert Heinz Cornell Pfeifer in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. August 1942, Seite 5. Dabei geht er auch detailliert auf die Vorzüge der Örtlichkeit ein:
"Der Sommer dieses Jahres brachte für Innsbruck und alle Freunde edler Musik aus fern und nah eine Besonderheit: Serenaden im Hof des Tiroler Volkskunstmuseums, durchgeführt von Mitgliedern des Tiroler Landessymphonieorchesters und unter Mitwirkung von Gesangs- und Tanzsolisten des Tiroler Landestheaters.
Einzigartig ist der Raum, der diesen Aufführungen klassischer Musik als Rahmen dient. Der große, genau quadratische Innenhof des Volkskunstmuseums, den an allen vier Seiten der von Säulenbogen getragene hohe Kreuzgang umschließt, trägt eine üppige, durch Marmorfliesen viergeteilte Rasenfläche, in dessen Mitte ein schöner alter Marmorbrunnen seine weitausladende Schale zum Himmel hebt. Die ernste Geschlossenheit des Arkadenhofes trägt als einzigen Schmuck die stille Pracht niederer, um den Brunnen gruppierter Rosensträuche, die wie ein frohes Kinderlachen die strenge Würde der Umgebung aufhellen. In der Stirnfront des Wandelganges hat das Orchester seinen Platz gefunden, während die Gäste die dreifachen Sesselreihen rundum einnehmen. Vielfach gebrochen, ohne dadurch und den freien Himmel eine wesentliche Dämpfung zu erfahren, werden hier Klangwirkungen von einzigartiger Schönheit und Reinheit erzielt, während die Rasenfläche den denkbar stimmungsvollsten Plan für Tanzvorführungen alten Stils bietet.
Nachdem schon die erste und zweite Serenade, die Werke von Gluck, Dittersdorf, Haydn, Mozart und anderen Meistern brachten, die Güte dieses Einfalls unter Beweis stellten, ist die Anziehungskraft der Serenadenabende weiterhin angestiegen, wie der Besuch der am Abend des 13. August stattgefundenen dritten und letzten Aufführung zeigte. An die tausend Personen säumten den Innenhof, um die Köstlichkeiten des Dargebotenen in stiller Versenkung zu genießen. Die gewählte Musikfolge, geleitet von Hans-Georg Ratjen, brachte als erstes Turmmusik auf Ambras, drei von Dr. Siegfried Färber nach Instrumentalstücken des frühen 17. Jahrhunderts bearbeitete Bläsersätze: Intrada, Lied und Tanzstück, die durch ihre schlichten und klaren Linien entzückten.
Dieser folgten Nachtklänge aus dem Barocktheater mit den Teilstücken Ballettmusik aus Piramo und Tisbe von Johann Adolf Hasse, der Arie des Xerxes aus der gleichnamigen Oper von G. F. Händel, gesungen von Opernsänger Rudolf Christ, der Arie der Kleopatra aus G. F. Händels Julius Cäsar, gesungen von Opernsängerin Ilse Griesbach und dem Duett aus dem Händelschen L'allegro, gleichfalls von den Vorgenannten gesungen [...].
Ständchen unter dem Goldenen Dachl betitelte sich das Nächste, W. A. Mozarts Divertimento Nr. 8 für zwei Oboen, zwei Hörner und zwei Fagotte, bestehend aus vier Sätzen, das wieder die vielfach geschliffene, mit musikalischen Kostbarkeiten gefüllte Schale des Salzburger Meisters kredenzte.
Eine reizende Ueberraschung boten die beiden Ballettmitglieder des Landestheaters, Gretl von Heimburg und Hildegard Hoyer, die fünf Stücke aus Mozarts Ballettmusik Les petis riens unter dem Titel Nächtliches Spiel tanzten. Jedes Rasenviertel diente einem der vier Tanzszenen als Plan, das erste der höfisch-galanten Begrüßung, das zweite einem zärtlich-neckischen Umwerben, das dritte einem fröhlich-ausgelassenen Spiel mit einem goldenen Ball und das vierte dem Abschiedsmenuett, während eine Szene voll entzückender Schelmerei am Brunnen ein Zwischenspiel ergab. Schimmernder Altlas, die weißen Perücken, die vollendete Harmonie und stilvolle Anmut des Tanzes gestalteten die Aufführung zu einem stimmungsvollen Erlebnis, das noch lange nachklingen wird.
Den Abschluß bildete das innige, von leiser Schwermut überhauchte Adagio in B-dur aus dem Oktett von Franz Schubert, das den TitelMondnacht am Inn und Ausklang trug. Andächtig und ergriffen lauschten noch alle diesem mit spürbarer Vertiefung vorgetragenem Werk, um dann, wie schon bei den einzelnen Programmnummern, noch einmal mit herzlichem und reichem Beifall für den erlesenen Kunstgenuß zu danken."
Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude widmete ihre Aktivitäten im Bereich der Kammermusik vor allem lokalen Interpreten und dem Werk heimischer Komponisten. So konnte sich am 17. März 1942 im Konzertsaal der Städtischen Musikschule der gebürtige Bregenzer Komponist Ernst Kreal (1891-1980) im Rahmen eines Klavierabends sowohl als Schöpfer von Klaviermusik als auch als deren idealer Präsentator vorstellen. Karl Senns Konzertbericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. März 1942, Seite 5, enthält auch bei ihm sonst selten vorkommende kritische Anmerkungen:
"[...] Für den Zuhörer bedeutet es immerhin eine Anspannung von Aufmerksamkeit, unbekannte Werke in größerer Zahl aus der Hand eines einzigen Komponisten in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Daß Ernst Kreal diese Aufmerksamkeit bei seinen Zuhörern fesseln konnte, bedeutet sicher eine Anerkennung seiner Schaffenswerte. Wäre die Vortragsfolge durch Aufnahme bereits bekannter und eingängiger Werke anderer Komponisten abwechslungsreicher gestaltet worden, wäre dies auch für Kreals Werke von Vorteil gewesen.
Kreal schreibt einen gemäßigt modernen Stil, zum Teil mit romantischem Einschlag. Seine Stücke sind chromatisch lebendig gestaltet, formal sicher gekonnt; im Bau der kurzen, sich immer weiter bauenden, abschnittsreichen Motive und Phrasen verrät sich wohl französischer Einfluß. Man hörte Klavierwerke meist kurzer Formen aus den Jahren 1910 bis 1939, von denen die zuletzt geschaffenen: Nocturne Nr. 1 und Serenade, Werk 50, die gehaltvollsten sind. Klaviertechnisch sind die Stücke nicht leicht und verlangen einen guten Klavierspieler. Ernst Kreal war seinen Werken sicher ein guter Ausdeuter, der seinen Erfolg in starkem, kräftigem Ausdruck sucht.
Die Zuhörer kargten nicht mit ihrem Beifall, der auch zu Zugaben nötigte."
Unter dem Motto Lieder der Heimat veranstaltete die KDF am 18. September 1942 einen Liederabend, der ausschließlich Liedvertonungen von im Gau Tirol-Vorarlberg lebenden Komponisten beinhaltete. Die Interpreten waren Mitglieder des Tiroler Landestheaters, so Kapellmeister Hans Moltkau am Klavier sowie die Gesangssolisten Charlotte Raab, Hans Kerber, Ilse Eccher-Schürer und Eugen Schürer. Programmdetails vermittelt Heinz Cornel Pfeifer in seinem Konzertbericht von diesem lokalpatriotischen Kulturereignis im Konzertsaal der Städtischen Musikschule, in dem üblicherweise die Kammermusikabende stattfanden (Innsbrucker Nachrichten vom 21. September, Seite 5):
"[...] Ferdinand Andergassen vertonte eindrucksvoll Josef Weinhebers Gedicht Die Trommel und von Eugen Andergassen Wenn meine Seele dunkel ist, das in seiner Schwere an die Melancholie der Lieder in Schuberts Winterreise erinnerte. Froh und beschwingt waren Robert Nesslers Lieder Heimkehr und Morgen im Park von Emil Rudolf Pescher, entzückend das heitere Liedchen Liebesfragen von S. Kapper, das Josef Prantl vertonte. Besonderen Beifall fand Franz Seidel mit seinem schelmischen Liedchen Am Bach von Christian Schmitt und Das Veilchen von Franz Karl Ginzkey. Sonnig und heiter wirkte das Volkslied Es wollt ein Mägdlein tanzen gehen von Peter Marini, sowie Walther von der Vogelweides Frühlingserinnerungen, das Josef Gasser innig vertonte. Besondere Eigenart verriet Artur Kanetscheiders ansprechendes Lied Das alte Land, nach Worten von A[rthur] v[on] Wallpach, schön und klar wie ein Bergquelle Albert Riesters Ein flüchtig Ding, nach Heinrich v. Schullern, der auch Sepp Heimfelsens Gedicht Heimat in schlichten, ernsten Klängen vertonte. Sehr eindrucksvoll muß auch Fritz Koenekes getragene Weise Halte mein Herz von K. E. Knodt genannt werden. Monumental im Aufbau, feierlich und tongewaltig war Josef Ploners Verhängnis nach Worten von Adolf Pichler, das durch Fülle und Reichtum der Melodik hervorragte. Karl Senn, dessen Art wieder mehr an Hugo Wolf erinnert, beschloß nach den feinen und gemütstiefen Liedern Begleitung, von G[ottfried] Riccabona, und Hinter der alten Stadtmauer, von F[ranz] Rebizek, den Abend mit vier reizenden Tiroler Volksliedern für zwei Singstimmen und Klavier: D'Nachtigall, Das Spinnradl, Eppaner Wiegenlied und Und dass i kloan gwachsen bin, die die heimatliche Note besonders gut zum Ausdruck brachten und lebhafte Zustimmung fanden.
Das Liedschaffen unserer heimischen Komponisten, das mit dieser kleinen Auslese diesen schönen Abend gestaltete, ließ die innige Verbindung der Tonschöpfer mit der Eigenart und dem landschaftlichen Reichtum des Gaues Tirol-Vorarlberg spürbar erkennen und die Ueberfülle an köstlichsten Melodieschätzen glückhaft ahnen.
Die Besucher dankten den Komponisten und Vortragskünstlern mit aufrichtigem und reichem Beifall."
Mit einem Programm von zumeist Spitzenwerken der Lied- und Opernliteratur konnten sich hingegen zwei Opernsänger des Reichsgautheaters Tirol-Vorarlberg, der Tenor Rudolf Christ und der lyrische Bariton Björn Forsell, in einem von der KDF organisierten Liederabend am 19. Oktober 1942 im Großen Stadtsaal vorstellen:
"[...] Es war interessant, festzustellen, wie sich die beiden Bühnenkünstler, die im Großen zu gestalten gewohnt sind, mit der keinen Liedform abfanden. Bühne und Konzertsaal sind im gewissen Sinne Gegensätze, die sich nicht so leicht ausgleichen lassen [...].
Von Rudolf Christ hörte man Schuberts Du bist die Ruh, Die Forelle, Schumanns Der Nußbaum und Ich grolle nicht, von Hugo Wolf Der Gärtner, von Richard Strauß Ständchen. Björn Forsell sang von Schubert An Sylvia, von Hugo Wolf Der Freund", von Richard StraußZueignung" dann drei interessante und edel gehaltene, vornehm gesungene Lieder nordischer Komponisten: von Christian Sinding Im Serail, im Garten, von Wilhelm Stenhammer Fylgia und Es fährt ein Schiff. Der zweite Teil brachte Arien von Mozart (Zauberflöte), Flotow (Martha), Donizetti (Der Liebestrank), gesungen von Rudolf Christ, von Richard Wagner (Tannhäuser) und Verdi (Maskenball), gesungen von Björn Forsell. Im dritten Teil der Vortragsordnung vereinigten sich die beiden schönen Stimmen zu Duetten aus Cosi fan tutte und Die Macht des Schicksals.
Am Konzertflügel begleitete Kapellmeister Hans Georg Ratjen diskret und sorgsam. Die Zuhörer spendeten allen Darbietungen reichen Beifall und erreichten Wiederholungen sowie eine lange Reihe von Zugaben, so daß der Abend erst mit einer dreiviertelstündigen Verspätung beschlossen werden konnte." (Karl Senn in Innsbrucker Nachrichten vom 21. Oktober 1942, Seite 4).
Einen ideologisch bedeutsamen Stellenwert nahm im Konzertjahr der Tag der Deutschen Hausmusik ein, "einer der schönsten Gedanken der nationalsozialistischen Gesamtkulturidee", wie diese Initiative zur "Wiedererweckung der deutschen Hausmusik" im Tiroler Volksblatt vom 13. November 1942, Seite 3, bewertet wird. Obwohl im Jahr 1942 der Tag der Deutschen Hausmusik offiziell dem Werk Johann Sebastian Bachs gewidmet war, sah man für die Veranstaltung im Innsbrucker Claudiasaal unter der Obhut des Deutschen Volksbildungswerkes in Zusammenarbeit mit der NS-Frauenschaft am 17. November ein Programm vor, das ausschließlich Kompositionen von Josef Eduard Ploner enthielt. Das Motto lautete: "Was aus der Heimat wächst, ist dir im Innersten zu eigen". Nach einem einleitenden vierstimmigen Kanon "Schläft ein Lied in allen Dingen", der von Mitgliedern der NS-Frauenschaft vorgetragen wurde, sprach die Musikreferentin der NS-Frauenschaft Bertl Steiger "über die Bedeutung des häuslichen Musizierens und den Zweck des Tages der Hausmusik, der die Freude am häuslichen Musizieren wecken und damit die Pflege der Musik in weite Kreise tragen soll". Die Erklärung für die besondere Programmwahl liefert Karl Senn in seiner Besprechung des Hausmusikabends in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. November 1942, Seite 4:
"[...] Heuer jährte sich zum zehntenmal der Tag der Hausmusik. Dies sollte der Anlaß sein, ihn diesmal besonders festlich zu begehen, und wie wäre dies besser möglich als mit Werken eines heimischen Tondichters Josef Eduard Ploner um damit das, was aus der Heimat wächst, was auf heimatlicher Scholle gedeiht, in besonderer Weise zu pflegen.
Eine Reihe [von] Werke[n] Ploners, die in leichter, harmonisch und technisch schlichter Ausführung für Hausmusik geschrieben, einen beachtlichen Teil seines Schaffens bedeuten, kamen dann zu Gehör, als erstes Variationen, Reigen und Fugette über das Lied aus dem Dreißigjährigen Krieg Es geht ein' dunkle Wolk' herein für zwei Geigen, dann Ausschnitte aus dem für das Innsbrucker Marionettentheater vertonte Singspiel Scherz, List und Rache für eine Frauenstimme, zwei Männerstimmen und Klavier. Eine dreisätzige Kleine Hausmusik für Blas- und Streichinstrumente und Klavier erwies sich dank ihrer Einfachheit und Klarheit für Zwecke der Hausmusik besonders geeignet. Dann wurde der schon eingangs gesungene Kanon von Bertl Steiger mit allen Anwesenden eingeübt und gesungen. Zum Schluß wurde die durch ihre Schlichtheit ansprechende Kantate Bauernliebe nach Texten aus Josef Georg Oberkoflers, des heimischen Dichters Gedichtband Nie stirbt das Land für Frauenchor, Blas- und Streichinstrumente unter Leitung des Komponisten gesungen. Alle Mitwirkenden waren mit großem Eifer bei der Sache und haben damit dem eigentlichen Zweck des Abends, zu zeigen, wie man Musik pflegen soll, in bester Weise gedient. Der heimische Tondichter Ploner wurde am Ende der Veranstaltung herzlich gefeiert."
Zu dieser Veranstaltung erschien unter dem Titel "Heimatliche Kunst zum Tag der Deutschen Hausmusik" eine Ankündigung in den Innsbrucker Nachrichten (16. November 1942, Seite 4), mit dem Hinweis am Schluss: "Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei. Es werden aber Spenden für das Kriegs-WHW. entgegengenommen."
Kufstein
Das Kufsteiner Musikleben wurde vor allem vom „Parteigenossen“ Fritz Bachler geprägt, in seiner Funktion als Städtischer Musikdirektor und Leiter der Städtischen Musikschule. Ihm gelang es, eine Fülle von Aktivitäten zu setzen, vor allem auch einen eigenen Konzertzyklus für Kufstein mit heimischen Musikern und Gastkünstlern zu initiieren. Gustav Becker beschreibt in „Musikfrohes Kufstein“ (Tiroler Volksblatt vom 20. Juli 1942, Seite 3) schwärmerisch und ergriffen sein Erlebnis einer sommerlichen Konzertveranstaltung in Kufstein:
„Kaum waren am Samstag abend die heiteren Klänge des Standschützenkonzerts auf dem Adolf-Hitler-Platz verrauscht, als sich in machtvollen Akkorden die Stimme unserer Heldenorgel erhob. Ihre brausenden, flutenden Tonwogen kündeten den Beginn der 3. Serenade am Heldenorgel-Spieltisch. Max Greiderer hatte für diese Einleitung mit sicherem Griff eine Komposition von Volkmar [Wilhelm Volckmar (1812-1887)?] ausgewählt, deren pastose Fülle den vollen Einsatz aller Register gestattete.
Im übrigen hob sich aus den Brandungen der Orgelklänge ein strahlendes kleines Fest. Vier Musiker von künstlerischem Format spielten Haydn. Spielten ihn unter dem stillen Ziehen abenddunkler Wolken, umgeben von Wipfelrauschen, überhuscht von Vogelschwingen. Es war schön. Das unsterbliche Thema des Kaiserquartetts (jene Melodie, die wir ehrfürchtigen Herzens als unser Deutschland-Lied erkennen) rankte sich in schwelgerischen Variationen um die Türme und Mauern unserer Burg. Symbol deutschen Geistes. – Die vier Künstler aber auf dem kleinen, lampenerhellten Podium (Josef Drevo, Max Greiderer, Oskar Menzel und Fritz Bachler) musizierten so selbstvergessen, als wären sie allein. Ihre Hingabe erschloß dem andachtsvollen Zuhörerkreis in müheloser Schönheit den Wesenskern der interpretierten Tonstücke von Haydn und [Moritz] Käßmayer [(1831-1884)]. Soll man angesichts solchen Stimmungszaubers von Einzelheiten, von solistischen Leistungen sprechen? Man soll nicht. Nur soviel noch: dieses Quartett hat uns einen wirklich unvergeßlichen Abend geschenkt – es sei dafür bedankt.
Sonntag Mittag. Ueber der feiertagsstillen Stadt liegt die hohe Weihe des Andante aus der C-Moll-Symphonie von Beethoven. Die vielstimmige Verästelung des Werkes läßt unsere Heldenorgel unter den Händen von Musikdirektor Eduard Kissel, München, in neuen überraschenden Tönen erklingen. Nuancen, zart wie Farbtöne, schwingen im Aether. Klarinetten und Geigen jubilieren, ehe die schweren Instrumente majestoso einsetzen. Zuletzt vereinigen sich die Stimmen aller zu brausendem Sturm. Man spürt es: hier spielt ein Meister – einer, der seinen Beethoven zutiefst erlebt hat.
Eine kleine Pause – mehr eine ausschwingende Stille, dann rauscht die Orgel erneut auf. Wagners Rienzi, der mitreißende Schlachtgesang des Römerheeres, die heiße Inbrunst des Gebetes und schließlich die triumphierende Hymne strömen herab. Eine Fülle von Tönen – eine Fülle von Gesichten.
Die heroische Fantasie von Eduard Kissel, packend – lebensprühend, beschließt mit den Klängen des Deutschland-Liedes das Gastkonzert des Sonntagmittag. Sie beendet eine Stunde des reinsten musikalischen Genusses.“
Für Konzerte auf der Heldenorgel wurden regelmäßig bedeutende Organisten eingeladen, unter ihnen Alois Forer aus Graz für eine virtuose Klangdemonstration des mächtigen Orgelwerkes am 2. August 1942. Hierüber berichtete Kufsteins Musikdirektor Fritz Bachler persönlich in den Innsbrucker Nachrichten (4. August 1942, Seite 4). Er erwähnt als Erstes den speziellen Brauch des täglichen Heldenorgelspiels im Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und liefert in der Erwähnung „des unausbleiblichen, zukünftigen deutschen Sieges“ auch seinen Tribut devoter Parteigefolgschaft:
„Wenn die täglichen Konzerte an dieser einzigartigen Heldengedenkstätte mit ihren vom ständigen Organisten bewußt schlicht und volkstümlich gehaltenen Klängen so recht geeignet sind, den einzelnen von uns in seinem Herzen anzusprechen, ihn auf die Dauer einer kurzen halben Stunde zur Selbstbesinnung und damit auch zum Gedenken an einen nahestehenden Gefallenen zu rufen und somit nach innen gerichtet erscheinen, so weitet sich dieses tägliche Herzlied des einzelnen bei den Festkonzerten der Berufsorganisten in den unvergänglichen Werken unserer großen Tonschöpfer zum gewaltigen Gemeinschaftschor eines ganzen Volkes, zum Hymnus der Nation. Und wenn das brausende Pleno die Quadern des alten Burggemäuers aus den Fugen zu heben droht, dann glauben wir, die aufrüttelnde Fanfare des unausbleiblichen, zukünftigen deutschen Sieges in diesem schicksalsschweren Kampfe zu vernehmen.
Diese Gedanken erfüllten uns am Sonntag, den 2. August, schon bei Professor Forers erstem Stück, Festliches Vorspiel von dem Wiener Domorganisten Walter Pach, wenn auch dieses zur Zeit nur im Manuskript vorliegende, von zahlreichen chromatischen Durchgängen erfüllte und im übrigen sehr interessante Werk trotz seiner klaren dreiteiligen Form und der vollendeten Wiedergabe unmöglich auf das erste Anhören hin zur letzten Wirkung der ihm gewiß innewohnenden Werte kommen konnte.
Dafür aber waren die stürmenden Sechzehntelläufe in Dietrich Buxtehudes Präludium und Fuge in g-moll von mitreißender Wirkung, stand die vierstimmige Fuge mit größter Eindringlichkeit vor uns und fand das Werk mit seinem rhythmisch komplizierten Allegro einen wundervollen Abschluß. Professor Forer überwand alle Schwierigkeiten dieser Komposition dank seiner fanatischen Hingabe an das Orgelspiel überhaupt und nicht zuletzt kraft seines Könnens, ebenso souverän, wie etwa die Oktaventriolen im Pedal der folgenden Rhapsodie in cis-moll von Max Reger, in der er beim ‚un poco meno mosso’ durch die feinsinnige, die Flöte bevorzugende Registratur den stimmungsmäßigen Höhepunkt erreichte.
Mit Bachs Toccata und Fuge in d-moll, in deren strenge, architektonische Formenwelt Professor Forer sich ebenfalls mit hohem künstlerischem Ernst einzuleben versteht und der er durch oft sehr rasch sich wiederholenden Manualwechsel eine wohldurchdachte Färbung verleiht und mit Regers Toccata in d-moll beschloß Forer sein erfolgreiches Konzert, das die Zuhörer sichtlich beeindruckte und mit Recht als Festkonzert angesprochen werden konnte.“
Das Musikleben Kufsteins wurde zudem mit einem von der KDF veranstalteten Zyklus Meisterkonzerte bereichert. Beim 5. Meisterkonzert der Saison 1941/42, am 21. Februar 1942 in der Aula der Oberschule, war der Pianist Josef Pembaur jun. (1875 Innsbruck-1950 München) mit Werken von Chopin, Liszt und Brahms gefeierter Gast in Kufstein (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Februar 1942, Seite 5).
Das Tiroler Landestheater hatte den kulturpolitischen Auftrag, mit Gastspielen auch die Landbevölkerung an seinen Produktionen Anteil nehmen zu lassen. In Kufstein kam es im Rahmen einer Tournee des Landestheaters am 3. Juni zur Präsentation von Franz Lehárs Operette Friederike mit Vorstellungen um 17 und 20.30 Uhr. Die musikalische Leitung oblag Hans Moltkau (Tiroler Volksblatt vom 3. Juni 1942, Seite 3).
Zur Feier des Tages der Deutschen Hausmusik wurde in Kufstein dem allgemeinen Motto des Jahres 1942, ihn dem Werk und Andenken Johann Sebastian Bachs zu widmen, entsprochen. Zufolge der ideologieträchtigen Bestimmung dieser Festlichkeit, erschienen laut Mitteilung im Tiroler Volksblatt vom 16. November 1942 (Seite 3) am Veranstaltungsort in der Aula der Oberschule eine „zahlreiche Zuhörerschaft“, Kreisleiter „Parteigenosse“ Hans Ploner und Bannführer Anton Katschthaler. „[…] Den Klangkörper zu dieser Feier stellte die Hitler-Jugend in der Städt. Musikschule. Von der Blockflöte bis zum Kontrabaß über Geigen, Posaunen, Klavier und Trompeten erklangen die jugendfrischen Stimmen der in Tiroler Tracht erschienenen Schüler und Schülerinnen der Musikschule […].
„Musikdirektor Fritz Bachler zeichnete ein Lebensbild des berühmten Komponisten, dessen wechselvolle Schicksale, tiefe Ablehnung, königliche Gunst, Not und Erblindung am Ende seiner Tage, den Zuhörern ein eindrucksvolles Relief dieses begnadeten Künstlers vermittelte. Illustriert wurde diese Biographie durch Vorträge der Schüler und Schülerinnen von Auszügen aus Bachschen Werken.
Der zweite Teil der Vortragsfolge galt der verdienten Auszeichnung einzelner Schüler. Neben prächtig zu Gehör gebrachten Solostücken, Duetten und Terzetten durch diese Ausgezeichneten, gefielen ganz besonders die Vorträge (Bläserquartette) mehrerer Volkslieder durch die jugendlichen Musikanten. Die Reichsmusikkammer belohnte Fleiß und Ausdauer durch Ueberreichung musikalischer Werke.
Den Schluß der sehr gelungenen Feier bildete der Vortrag mehrerer Tiroler Volkslieder, gesungen von der Sing- und Spielschar der HJ. Musikdirektor Bachler und mit ihm die Lehrkräfte der Schule haben wiederum den Beweis erbracht, welch großes Verständnis sie den Bestrebungen der Schaffung einer guten Hausmusik entgegenbringen. Pflicht der Eltern aber ist es, diesen Aufbau eines uralten deutschen Brauchtums mit besten Kräften zu unterstützen.“
Zur Unterstützung der Sammeltätigkeit für soziale Zwecke wurden auch in Kufstein Wunschkonzerte aufgeboten. Ein solches Konzert veranstalteten die beiden Kufsteiner Ortsgruppen der NSDAP am 2. Jänner 1942 zugunsten des Kriegswinterhilfswerks und als Auftakt für die Straßensammlung im Gau Tirol-Vorarlberg:
„Der Ortsgruppenleiter Dr. Dillersberger konnte zahlreiche Offiziere und Soldaten des hiesigen Standortes sowie viele Betriebsführer samt ihrer Gefolgschaft begrüßen. Eine harmonische Stimmung beherrschte den Abend, alle Anwesenden hatten nur ein Ziel im Auge: das Ergebnis für das Kriegs-Winterhilfswerk möglichst gut zu gestalten. Besonders hervorzuheben ist die Gebefreudigkeit der Offiziere und Soldaten unseres Standortes, die neben Fronturlaubern namhafte Beträge für die einzelnen Musikstücke geopfert haben.
Die unter der Leitung des Kapellmeisters Cyrill Deutsch spielenden Kapellen gaben ihr alles, um den Besuchern des Wunschkonzertes einige frohe Stunden zu ermöglichen. Einzelne Musikstücke wiesen ein besonders gutes Ergebnis auf, so erzielte der Gauleiter-Hofer-Marsch [von Sepp Tanzer, dem Leiter des Gaumusikzuges] die stattliche Summe von RM. 7200,-.
Um Mitternacht wurde das Wunschkonzert beendet, der Ortsgruppenleiter sprach allen Besuchern für ihre Gebefreudigkeit den herzlichsten Dank aus und gab das Endergebnis mit RM. 20 000,- bekannt, was mit großer Begeisterung zur Kenntnis genommen wurde.“ (Tiroler Volksblatt vom 5. Jänner 1942, Seite 3).
Natürlich gab es auch in Kufstein Varietés, wenngleich hier angesichts der Fülle eigener Projekte diese spezielle Form der Unterhaltung anscheinend weniger üblich war. Dies legt ein Bericht von Gustav Becker im Tiroler Volksblatt vom 11. Februar 1942, Seite 3, nahe:
„Abgesehen davon, daß für uns Kufsteiner eine Varieté-Vorstellung sowieso Seltenheitswert besitzt, darf vom gestrigen Gastspiel des Augsburger Apollo-Theaters im Tone echter ‚Klein’-Kunstbegeisterung gesprochen werden […].“ Dieses Gastspiel, das ihm Rahmen der vom Oberkommando der Wehrmacht angeordneten Truppenbetreuung ablief, war in einer Nachmittags- und Abendvorstellung angeboten und von der KDF organisiert worden.
Ein anderer Unterhaltungsabend der KDF unter dem Motto „Musik für dich“ mit dem Hilden-Arnold-Orchester brachte ausgelassene Stimmung nach Kufstein, wenngleich der Veranstaltungsbericht im Tiroler Volksblatt vom 4. September 1942 (Seite 3) auch Mängel aufzeigt, mit denen Künstler in häufig unzulänglichem Ambiente zurechtkommen mussten:
„[…] Natürlich war innerhalb des bunten und vielgestaltigen Programms auch der Schaufreude ein Fest bereitet. Das heißt: das Auftreten der wirklich begabten graziösen Tänzerin und die pantomimischen Darbietungen der Sopranistin hätten ein optisches Vergnügen werden können, wenn, ja wenn nicht unbegreiflicherweise der Scheinwerfer durch gänzliche Abwesenheit geglänzt hätte. So mußten nun diese wirklich niedlichen Mädchen leider ein halbes Schattendasein führen, bei dem weder ihr Kostüm noch ihre kosmetischen Künste zur rechten Wirkung kamen. Aber sonst – wie gesagt – war es sehr schön. Das Publikum ging kräftig mit und genoß das Gebotene mit dankbarer Freude […].“
Landeck
Über die vielfältigen Einrichtungen und die Persönlichkeiten des Landecker Kulturlebens informiert ein Artikel in den Innsbrucker Nachrichtenvom 17. Jänner 1942, Seite 8 (signiert „W. G.“):
„In Landeck bietet der Stand der kulturellen Aufbauarbeit ein sehr erfreuliches Bild. Betrachtet man die einzelnen Einrichtungen, die der Entspannung, Erbauung und Weiterbildung der Volksgenossen dienen, so muß man zunächst die Standschützenkapelle erwähnen, die, schon vor längerem von Kapellmeister Karl Muigg reorganisiert, sehr gute Leistungen aufzuweisen hat dank der zielbewußten Arbeit des Leiters und der treuen Gefolgschaft seiner Mannen. Daraus erklärt sich die große Beliebtheit, deren sich die Standschützenkapelle erfreut. An stadteigenen Kultureinrichtungen ist zu nennen die Musikschule, das Orchester und die demnächst zu eröffnende Städtische Bücherei. Bürgermeister Bursian fördert diese ihm unterstellten Abteilungen durch verständnisvolle Unterstützung. Musikdirektor Peter Hornof, der Leiter der Musikschule, pflegt mit Umsicht die musikalische Volkskunst. Das augenblicklich noch kleine Städtische Orchester hat sich ebenfalls als eine erfreuliche Neueinrichtung erwiesen und sein Leiter, Musiklehrer Geisler, läßt sich besonders die Pflege wertvollen musikalischen Gutes angelegen sein. Dies zeigte besonders eine mit bestem Gelingen durchgeführte Mozart-Feierstunde. Großen Anklang mit ihren gesanglichen Darbietungen findet immer wieder die unter der künstlerisch feinsinnigen Leitung des Hauptschuldirektors Pallestrang stehende Männersingschar Die Schrofensteiner, während die von Frau Vielkind betreute Frauensingschar der NS.-Frauenschaft ebenfalls gutes Stimmmaterial aufzuweisen hat.
Einen großen Anteil an der Kulturverbreitung und Vertiefung hat auch die örtliche Dienststelle der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, denn durch sie wird uns laufend die Bekanntschaft weltbedeutender Künstler vermittelt, die wir hier sonst wohl nicht zu hören bekämen. Diese Konzerte und einige wissenschaftlichen Vorträge bildeten eine wertvolle Ergänzung der örtlichen Kulturpflege. Als Beweis, daß all diese Einrichtungen auch zahlenmäßig stark in Anspruch genommen werden, diene die Tatsache, daß das Städtische Orchester in den ersten zwei Monaten seines Bestehens 14mal zu Veranstaltungen herangezogen wurde. Wenn sich nun ein so erfreuliches Bild bodenständigen Kulturaufbauwillens bietet, so ist dies nicht zuletzt daraus erklärlich, daß sämtliche Kräfte trotz kriegsbedingter Berufsüberlastung die Zeit finden, ihr Können in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, und es ist nicht der schlechteste Dienst, wenn man durch Entspannung und Erbauung der Volksgenossen dazu beiträgt, die Spannkraft der Heimatfront zu stärken.“
Die hier vermittelte Struktur in der Verwirklichung planvoller Kulturpflege im ländlich-städtischen Raum wird auch für die meisten übrigen bevölkerungsreicheren Ortsgruppen zutreffen.
Natürlich wurden auch in Landeck die allgemein üblichen und verbindlichen Wunschkonzerte zur Verbesserung des Sammelergebnisses für das Kriegswinterhilfswerk abgehalten. Veranstalter war die NSDAP. Im Festsaal des Kreishauses hatten sich für diese soziale Aktion der Volksgemeinschaft alle lokalen Kulturträger vereint, die musikalische Wünsche des Publikums erfüllen konnten:
„[…] Die Standschützenkapelle Landeck unter Leitung des Musikführers Pg. Muigg hat dieses Wunschkonzert zu einem für Landeck einmaligen Erfolg gestaltet. Das städtische Streichorchester, die Männersingschar Die Schrofensteiner und eine Mädelsingschar bereicherten wirkungsvoll die Vortragsfolge. P[artei]g[enosse] Kindl als Ansager und die Mädelführerin Betty Brunner hatten durch ihre Lieder Das Lied von der Laterne und Wenn du liebst in der Lerchengasse – in Landecker Fassung – besonderen Erfolg. Auch die Wiederholung des Wunschkonzertes brachte einen überfüllten Saal.“ (Tiroler Volksbote vom 23. Jänner 1942, Seite 4).
Für einen Termin im März organisierte die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude ein Wunschkonzert, dessen instrumentalen Teil „die Kapelle Herbrandt“ ausführte (Tiroler Volksbote vom 24. März 1942, Seite 4).
Auf Wunsch der KDF kam Innsbrucks Musikdirektor Fritz Weidlich im Rahmen von Gastspielen nach Landeck für einen Klavierabend. Der Auftritt „unseres pianistischen Großmeisters“ bedeutete für die Kreisstadt eine „musikalische Feierstunde als ein kulturelles Ereignis“, so der lokale Rezensent Werner Geisler in den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Februar 1942, Seite 7. Er fand für seine offensichtlich seltene Begegnung mit Hochkultur Worte enthusiastischer Anteilnahme:
„Zahl und Haltung der Zuhörer bewiesen eindeutig die Notwendigkeit derartiger Veranstaltungen, die, in solch hochwertiger Form geboten, Mittler höchsten Kulturgutes sind. Fritz Weidlich ist im heimischen Musikleben ein Begriff, so daß sich eine eingehende Wertung erübrigt, doch sei erwähnt, daß Chopins g-moll-Ballade in ihrer vollendeten Ausdeutung die überragendste Leistung des Abends war.
Die Zuhörer, an der Spitze Kreisleiter P[artei]g[enosse] Bernard und Bürgermeister Bursian, dankten durch reichen Beifall. Der KdF.-Kreiswart Pg. Krugel gab der Veranstaltung durch verständnisvolle Vorarbeit den erforderlichen äußeren Rahmen.“
Auch der „Violinabend“ von Konzertmeister Roman Wisata mit der Pianistin Hertha Reiß auf „Einladung“ der KDF wurde in Landeck als kultureller Festtag gefeiert: „[…] Die ausgereifte Kunst des Geigers ist schon mehrfach von berufener Seite gewürdigt worden, so daß hier nur festgestellt sei, daß sie auch hier die Zuhörer in ihren Bann zog. Das musikalisch anspruchsvolle Werk, die Sonate in d-moll von Johannes Brahms, gilt mit Recht als Prüfstein für gutes Zusammenspiel. Hertha Reiß als Pianistin begleitete anschmiegsam und ging auf die Intentionen des Geigers bis ins kleinste ein. Die Folia von Corelli, vor fast drei Jahrhunderten entstanden, bewies, daß sie an ihrer musikalischen Wirkungskraft nichts eingebüßt hat. Gegen Ende des Abends wurden als Auflockerung Kompositionen von rein virtuosem Charakter geboten, die durch Bravour die Zuhörer begeisterten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 23. November 1942, Seite 5).
Im Rahmen ihres Tournee-Programms, das sie auf Initiative der Aktivitäten der KDF durch zahlreiche Auftrittsorte im Reich führte, kamen im März Die Heimatspiele deutscher Märchen mit Direktor M. Graf für zwei Vorstellungen nach Landeck. Ebenso gab der [Kuban Kosaken] Chor [Dirigent:] S[emjon] Ignatieff ein Konzert mit exotischem Flair: „Erst bot die Vereinigung auf der Domra, einem slawischen Volksinstrument [russischen Zupfinstrument] Musik, die in technischer Sauberkeit und musikalischem Ausdruck als Spitzenleistung bezeichnet zu werden verdient. Die gesanglichen Vorträge solistischer und chorischer Art brachten Volksweisen von sechs Nationen. Die hochkultivierte Gesangskunst riß die Zuhörer mit Recht zu Beifallsstürmen hin.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1942, Seite 5).
Wie in Kufstein war der Tag der Deutschen Hausmusik in Landeck „dem Andenken Johann Sebastian Bachs gewidmet“, wobei im zweiten Teil wiederum Volksmusik als ideale Form häuslichen Musizierens auf dem Land im Mittelpunkt stand. Als Vorbild-Aktion hatte die „Volksmusikpflege im Standschützenverband“, im Zusammenwirken mit der Hitler-Jugend und der Musikschule, im Festsaal des Kreishauses eine „frohe Hörfolge Hellau, Tirol singt und spielt“ zusammengestellt: „[…] Ein neues Tanzlied Gruß an Landeck von W[erner] Geisler, der auch die Gesamtleitung des Abends inne hatte [und sich als Kulturberichterstatter für die Innsbrucker Nachrichten betätigte], fand besonders starken Beifall. Dieser Teil der Veranstaltung bewies überzeugend, wie vielgestaltig und abwechslungsreich echte, bodenständige Volksmusik mit heimischen Kräften geboten werden kann.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Dezember 1942, Seite 3).
Vom Tag der Deutschen Hausmusik in „Solbad“ Hall teilt Albert Riester in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. November 1942, Seite 4, mit: „Die Städtische Musikschule von Solbad Hall beging den Tag der deutschen Hausmusik mit einem öffentlichen Musizieren, an dem sich zahlreiche Freunde der Musik, alt und jung, mit Hingabe und Begeisterung beteiligten. Musikdirektor Hans Ebenbichler hatte eine sehr ansprechende, abwechslungsreiche Vortragsfolge zusammengestellt. Umrahmt wurde der Abend von Vorträgen des Stadtorchesters, des Schülerorchesters und der beiden vereinigten Orchesterkörper. Hans Ebenbichler hatte in fleißiger Probenarbeit eine beifällig anerkannte Leistung herausgestellt; es wurde sauber und in den Klanggruppen gut aufeinander abgestimmt gespielt. Im Mittelpunkt des Abends standen Einzeln- und Gruppeninstrumentalvorträge der Schüler der Städtischen Musikschule. Die Frische und der Eifer, mit der die Jugend bei der Sache war, waren den Lehrern der Schule der beste Dank für ihre erfolgreiche erzieherische Jahresarbeit. Zwischen dem Jugendmusizieren sang der Männergesangverein unter der bewährten Stabführung seines Chorführers Kapellmeister Alois Fintl drei schöne Volksliedbearbeitungen. Das Verstehen des Sinnes des alljährlichen Hausmusiktages bewiesen die überaus zahlreichen, beifallsfreudigen Zuhörer, die den Haller Stadtsaal bis auf den letzten Platz füllten.“
Für den ländlichen Raum vermittelte die KDF auch Sänger und Musikgruppen des Volksmusikgenres, die sich in das ortsübliche Kulturklima bestens einfügten. So kam z. B. die Sängergruppe Berchtold aus Innsbruck im Rahmen der Kulturaktivitäten des Volksbildungswerkes der KDF Anfang September 1942 zu einem „Sängerabend“ nach Kössen. Veranstaltungsort war der „Parteisaal“: „[…] Die schönen Lieder und Jodler gefielen ausgezeichnet. Der zahlreiche Besuch bewies erneut, welch guten Ruf die Sängergruppe im Gau genießt.“ (Tiroler Volksbote vom 8. September 1942, Seite 4).
Ebenfalls im September veranstaltete die KDF in Scheffau einen „volkstümlichen Tirolerabend“. Auch hier kamen die Ausführenden von auswärts: „Die Zillertaler Sängerin Stiegler mit ihrem Spielpartner brachte frische Tiroler Märsche, La[e]ndler, heitere Lieder, Jodler und urwüchsige Schnadahüpfl zum Vortrag. Die sehr zahlreiche Zuhörerschaft dankte den Vortragenden mit reichem Beifall.“ (Tiroler Volksblattvom 22. September 1942, Seite 4).
Einen „frohen Feierabend“ gab die KDF Ende Februar in Kirchberg, den die Brauchtumsgruppe Thaler aus Innsbruck gestaltete: „Der Abend fand bei den zahlreichen Besuchern, worunter sich auch viele Soldaten befanden, herzlichen Beifall.“ (Tiroler Volksbote vom 27. Februar 1942, Seite 4).
Brauchtumspflege
Die Pflege des Brauchtums war für die Nationalsozialisten substanzielles Programm. Sitte und Brauch waren Ausdruck der „eigenen Art“, das Bekenntnis zu „Blut und Boden“ und zu der als ruhmreich verklärten Vergangenheit. „Väterbrauch und -sitte sind uns erhabene Güter. Indem wir sie üben und pflegen, handeln wir im Geiste der Helden vergangener Jahrhunderte […]“, hatte Gauleiter Hofer in einen Artikel mit dem Titel „Brauchtum und Trachten“ in den Innsbrucker Nachrichten vom 15. September 1938 auf Seite 6 verkündet.
Hofers Stellvertreter, „Befehlsleiter“ Herbert Parson, veröffentlichte in der Zeitschrift Natur Kunst Volk Leben im Heft 2/3 des Jahrgangs 1943 (Seite 4) einen Überblick über die „Nationalsozialistische Brauchtumsarbeit im Gau Tirol-Vorarlberg“. Über die grundsätzliche Bedeutung der Brauchtumspflege hält er fest:
„[…] Besser als durch jeden Vortrag und durch jede Veröffentlichung wird unseren Volksgenossen durch eine gut gelungene Brauchtumsveranstaltung klar, was unserer Art gemäß ist und was wir ablehnen müssen. Pflege des Brauchtums ist daher eine Maßnahme zum Schutze des eigenen Blutes, die gerade in einem Grenzgau von besonderer Wichtigkeit ist.“ Die Brauchtumspflege müsse der Bevölkerung nicht aufgezwungen werden, Formen des Brauchtum seien im „Volke vorhanden, wenn auch vielfach verschüttet, wenn auch oft mißbraucht“, womit die durch Jahrhunderte andauernde Beeinflussung von kirchlicher Seite gemeint war. Die Übung des Brauchtums vermittle „Stolz auf die eigene Art“ und stärke damit die Liebe zur Heimat, die insbesondere die Bergbauern dazu veranlasse, ihre schwer zu bewirtschaftenden Höfe nicht aufzugeben, sondern zu bleiben, „was die Vorfahren waren: Wehrbauern im Süden des Reiches“.
Getreu nach dem nationalsozialistischen Grundsatz „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ erziehe die Brauchtumsarbeit zum Gemeinschaftsgeist, „denn Brauchtum ist niemals die Angelegenheit eines einzelnen, sondern immer eine Sache der Gemeinschaft“. Neben diesen Grundeigenschaften des Brauchtums wie die „Erkenntnis vom arteigenen Wesen und der Bedeutung unseres Blutes“ sowie die Erfahrung des „Gemeinschaftserlebens“ sei seine Pflege auch ein Garant für „Lebensfreude und Lebenszuversicht“: „Ein Mensch, der in der Gemeinschaft frohe Volksweisen spielt und singt, sich am Volkstanz erfreut, einen offenen Sinn für die frischen, freundlichen Alltagstrachten- und Festtagstrachten hat, einen klaren Blick für das Baugesicht seiner Heimat und offene Augen für echtes bodenständiges Handwerkskönnen zeigt und schließlich am Schießstand seinen Mann stellt, wird letzten Endes frei sein von jedem dunklen Zwang. Er wird aus der Gemeinschaft der Unfrohen und der Gedrückten ausscheiden und sich in die Gemeinschaft der frohen Freien eingliedern.“ Die Befolgung nationalsozialistischer Idealvorstellungen schaffe Befreiung vom gesellschaftlichen Druck der Nichtbeachtung dieser Richtlinien, denn „frei“ sei nur, wer der Volksgemeinschaft angehört, die sich über die kulturellen Grundsätze der Ideologie definiert.
Das umfangreiche Arbeitsgebiet, das die Partei im Rahmen der Brauchtumspflege zu bewerkstelligen hatte, beschreibt der Stellvertretende Gauleiter Parson ausführlich:
„Unsere Fürsorge gilt ebenso dem Volkslied als auch der Pflege unserer Volksmusik und der Entwicklung jener Instrumente, die in unserm Gau bodenständig sind. Die Musikkapellen werden durch Beschaffung neuer Instrumente und Noten, durch die Erziehung eines starken Nachwuchses gefördert. Das gleiche gilt für die Pflege und Entwicklung des Volkstanzes, der insbesondere nach Beendigung des Krieges auf eine ganz breite Basis gestellt werden wird. Zusammen mit Volkslied, Volksmusik und Volkstanz ist die Trachtenarbeit besonders geeignet, die Menschen unseres Gaues zurückzuführen zu ihrer eigenen Art. Dazu kommt die Förderung der Laienspielgruppen, denen z. B. bei der Gestaltung der Dorfgemeinschaftsabende eine ganz wichtige Aufgabe zukommt.
Brauchtum offenbart sich natürlich nicht nur in Musik, Volkslied und Volkstanz, im Laienspiel und in der Tracht, sondern auch auf allen Gebieten des Handwerks. Der Gauleiter und Reichsstatthalter ist daher dazu übergegangen, ähnlich wie bei der Ausrichtung der gesamten Trachtenarbeit durch einen eigenen Beauftragten sicherzustellen, daß zunächst auf den Gebieten des Bauhandwerkes, der handwerksmäßigen Möbelherstellung, des keramischen Handwerks usw. eine Ausrichtung im Sinne einer bodenständigen und an die überlieferte Handwerkskultur anknüpfende Erziehung der jungen Handwerker erfolgt, bzw. vorbereitet wird.“
Alle Bestrebungen im Bereich der Brauchtumspflege waren im „Standschützenverband Tirol- Vorarlberg“ vereint. Diese Organisation war bereits im Herbst 1938 von Gauleiter Franz Hofer gegründet worden und umfasste außer den Schützenkompanien und ihren Musikkapellen auch sämtliche Tiroler Trachtenvereine und dazu mit allen anderen folkloristischen Gruppierungen das ganze Spektrum volkskultureller Aktivitäten. Mit dieser Schöpfung hatte Gauleiter Hofer eine überaus kluge kulturpolitisch effiziente Idee in die Tat umgesetzt, indem er alle Vereinigungen, deren Wirken auf Identifikationsstiftung ausgerichtet war, zu einem Gesamtkomplex zusammenschloss und unter den ausschließlichen Einfluss der Partei stellte. Mit seinem Brauchtums- und Heimatverband, der einerseits den „wehrhaften Geist“ bewahren und die Schießfertigkeit üben sollte, andererseits die Volkskultur in der ganzen Fülle ihrer Erscheinungsformen für Zwecke der Ideologie verfügbar machte, hatte der Gauleiter das ideale Lenkungsinstrument geschaffen, die Bevölkerung zu einer wie natürlich legitimierten „Volksgemeinschaft“ zu formen. Wie sehr die Ansammlung von Schützen- und Parteifahnen, das vereinte Nebeneinander von Volkstrachten und Uniformen bei öffentlichen Großveranstaltungen den Eindruck einer fest gefügten, in ideologischer Einstimmigkeit vereinten Bevölkerung hinterließ, mag eine „spontane Feststellung“ von Heinrich Himmler nachdrücklich bestätigen, der während seiner Anwesenheit beim Landecker Kreisappell im Sommer 1939 als Ehrengast tief beeindruckt geäußert hatte, „er habe die Volksgemeinschaft noch nirgends so augenfällig und so vollendet in Erscheinung getreten sehen, wie hier im Gau Tirol-Vorarlberg“ (Neujahrsbotschaft von Gauleiter Hofer, „Unser Gau soll Deutschlands Stolz und Freude sein“, in: Tiroler Landbote vom 4. Jänner 1940, Seite 9).
Details
Im Herbst 1942 wurden im Gaugebiet verstärkt Initiativen zur Intensivierung der Brauchtumsarbeit gesetzt. Dies geschah vor allem in Form von Brauchtumstagungen. In den verschiedenen Kreisen wurden dabei vom Kreisleiter alle wesentlichen politischen wie kulturellen Funktionsträger zu einer Zusammenkunft berufen, um ihnen für die Breitenarbeit im Bereich Brauchtumspflege von Fachleuten theoretischen und praktischen Anschauungsunterricht zukommen zu lassen. Zur Brauchtumstagung des Kreises Landeck, bei der der Kreisleiter die ideologische Bedeutung der Brauchtumsarbeit betonte, war als Hauptreferent Karl Horak geladen:
„Im Rahmen der Brauchtumsarbeit des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg berief der Kreisleiter und Kreisschützenleiter, Oberbereichsleiter Pg. Bernard, die Ortsgruppenleiter, die Standortführer und Mädelführerinnen der Hitler-Jugend sowie die Ortsfrauenschaftsleiterinnen mit den Leiterinnen der Jugend- und Kindergruppen seines Kreises zu einer Brauchtumstagung, die am Samstag in der Kreisstadt Landeck stattfand. In eingehenden Ausführungen behandelte der Kreisleiter die Grundsätze der Brauchtumspflege, die jetzt unter Führung der NSDAP. im Standschützenverband eine Förderung und Ausgestaltung erfährt, wie zu keiner Zeit vorher. Die Liebe zur Heimat und zum heimatlichen Brauchtum bildet die zuverlässigste Grundlage volksbewußter Haltung und Bewährung im gesamtdeutschen Schicksalskampf.
An die Ausführungen des Kreisleiters schloß sich ein aufschlußreicher Vortrag von Professor [Karl] Horak über das Sondergebiet der Pflege volkstümlicher Musik, besonders des Volksliedes. Am Nachmittag wurden Volkslieder und Volkstänze unter fachmännischer Anleitung praktisch geübt, um den Tagungsteilnehmern die Grundlagen für die Weiterarbeit in ihren örtlichen Bereichen zu vermitteln. In seinen Schlußworten wies der Kreisleiter auf die Ausgestaltung der praktischen Arbeit in den Ortsgruppen, insbesondere im Rahmen der Dorfgemeinschaftsabende, nochmals hin. Eine Sondertagung der Ortsgruppenleiter, Ortsfrauenschaftsleiterinnen und Standortführer der Hitler-Jugend schloß die Arbeitsfolge ab.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 14. September 1942, Seite 4).
Bei einem „Schulungsappell für die Ortsgruppe Imst der NSDAP.“ stand die Brauchtumsthematik einmal mehr im Mittelpunkt: „Kreispropagandaleiter Pg. Wolf sprach über das heimische Brauchtum, welches als Ausdruck unserer arteigenen Volkskultur ein Stück unseres Wesens ist und deshalb von der Partei durch den Standschützenverband im Gau Tirol-Vorarlberg in besondere Pflege genommen wird […]“ (Innsbrucker Nachrichten vom 31. Oktober 1942, Seite 5).
Wenige Tage später versammelte Kreisleiter „Parteigenosse“ Pesjak die Ortsgruppenleiter und Kreisamtsleiter des Kreises Imst zu einer Arbeitstagung, „die hauptsächlich auf die Notwendigkeit ausgerichtet war, während der Herbst- und Wintermonate ein besonderes Augenmerk dem Brauchtum und den Heim- und Dorfgemeinschaftsabenden zu widmen“ (Tiroler Volksbote vom 6. November 1942, Seite 6).
Im Rahmen einer „Kreisarbeitstagung“ im Oktober 1942 in Kitzbühel, zu der Kreisleiter Merath „eine große Zahl seiner Mitarbeiter“ und insbesondere die Kapellmeister der Standschützenmusikkapellen seines Kreises eingeladen hatte, erläuterte der Musikreferent im Standschützenverband Tirol-Vorarlberg, „Parteigenosse“ Sepp Tanzer, „die Aufgaben des Standschützenverbandes auf dem Gebiet der Volksmusik, besonders die Frage der Heranziehung eines tüchtigen musikalischen Nachwuchses“ (Tiroler Volksbote vom 20. Oktober 1942, Seite 4).
Unter Beteiligung der Expertin für Volkstracht, „Parteigenossin“ Gertrud Pesendorfer sowie des Kulturreferenten des Gaupropagandaamtes, „Pg.“ Fitz Engel als Musikfachmann fand im Oktober 1942 in Umhausen eine „Brauchtumstagung“ statt:
„Am letzten Samstag wurde unter Leitung des Kreisleiters Pesjak eine Brauchtumstagung in Umhausen durchgeführt. Nach einer eindrucksvollen Morgenfeier, in der der tiefere Sinn des Brauchtums zum Ausdruck gebracht wurde, sprach der Kreisleiter über die Notwendigkeit, das Kulturgut unserer Ahnen zu pflegen und zu fördern. Er legte eindringlich die Ziele der gesamten Arbeit dar und beauftragte die Ortsgruppenleiter, dieser Frage besonderes Augenmerk zuzuwenden. Es entspricht der nationalsozialistischen Weltanschauung, das Ererbte im Dienste der neuen Zeit fruchtbar zu machen.
Pgn. Pesendorfer zeigte dann in längeren Ausführungen die geschichtliche Entwicklung der bodenständigen Trachten auf. Ihre Ausführungen wurden dadurch unterstrichen, daß nicht nur Originaltrachten, sondern auch Trachten, die heute als zeitgemäß getragen werden sollen, vorgeführt wurden. Dem Volkslied und dem Volkstanz wurde dadurch besondere Aufmerksamkeit zuteil, daß Gaukulturhauptstellenleiter Pg. [Fritz] Engel über diese Frage aufschlußreiche Ausführungen brachte. Mit großem Verständnis folgten sämtliche Teilnehmer den Vorführungen und beteiligten sich lebhaft am Singen alter und neuer Volkslieder und den sich anschließenden Volkstänzen. Zum Schluß gab der Kreisleiter noch Hinweise für die Auswertung dieser Tagung in den Ortsgruppen. Mit dieser Tagung wurde ein weiterer Schritt in der Brauchtumsfestigung im Kreis Imst getan.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Oktober 1942, Seite 4).
Bei der Brauchtumstagung in Zell am Ziller im November 1942, zu der „Kreisleiter Pg. Aichholzer sämtliche Ortsgruppenleiter“ und weitere Parteimitarbeiter befohlen hatte, beteiligten sich als Fachreferenten Karl Horak und Gertrud Pesendorfer. Karl Horak stelle in seinem Referat das Volkslied und die Volkstänze „als Ausdrucksform gesunden und lebendigen Volksempfindens dar“, die es zu schützen galt vor den „Gefahren, denen sie durch materialistische Geistesverwirrung und jüdische Einflüsse ausgesetzt waren“, und „Pgn. Pesendorfer erläuterte an Hand von Lichtbildern und lebenden Modellen die Erneuerung der Trachten, die als arteigene Gemeinschaftskleidung für Alltag und Festtag wieder allgemein in Gebrauch kommen sollen“. Zu Beginn des Treffens hatte Kreisleiter Aichholzer selbst nach ideologisch bestimmten Gedankenmustern den „Sinn des Brauchtums“ erklärt: Das Brauchtum sei „ein Ausdruck der Rasse, eine Äußerung der gemeinsamen Entwicklung und der gemeinsamen Lebensform“. Die reiche Überlieferung in unserer engeren Heimat müsse darum erhalten und weiter entwickelt werden.
An die theoretischen Ausführungen schloss sich ein Dorfgemeinschaftsabend, um aufzuzeigen „wie er mit ortsgebundenen einfachsten Mitteln in jeder Ortsgruppe gestaltet werden kann“. Somit nahm das Programm einen mustergültigen Verlauf: „Orchester und Spielscharen der Hitler-Jugend wetteiferten mit heimischen Gesangs-, Tanz- und Brauchtumsgruppen, auch eine Laienspielgruppe stellte sich mit einem lustigen Einakter ein. Diese Veranstaltung erbrachte den klaren Nachweis, daß überall, wo gesungen und getanzt wird, also in Stadt und Land und ausschließlich von leicht erreichbaren örtlichen Kräften, Gemeinschaftsabende durchgeführt werden können, die für die Entspannung nach der Last der Tagesarbeit, für die Vertiefung des Gemeinschaftsgefühls und für das Verständnis für arteigenes heimisches Brauchtum von größtem Wert sind.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1942, Seite 3).
Bei einem „Appell“ der Erzieher des Kreises Innsbruck am 20. September 1942 im Großen Stadtsaal Innsbruck stellte Gauleiter Franz Hofer den „Sinn und die Größe der Aufgabe“ der Lehrerschaft für die Pflege des Brauchtums in den Mittelpunkt seiner Ausführungen:
„Sie ergibt sich daraus, daß eine Volkstumsgrenze nur durch ein starkes, lebensfähiges und bodenverwurzeltes Bauerntum gesichert ist. Diesem Zweck dient vor allem die Festigung des heimischen Brauchtums und die Sorge für die Berggemeinden. Den wirtschaftlich gesicherten Bauern auch ideell mit dem Heimatboden verbunden zu halten, ist Aufgabe der Brauchtumspflege. Einer ihrer Sachwalter ist der Lehrer. Auf die Pflege der heimischen Bräuche, des Heimatliedes, der heimischen Musikinstrumente und der Tänze kann der Lehrer größten Einfluß nehmen. Sein Beispiel muß andere mitreißen. Der Lehrer muß die Lieder des Volkes und seine Tänze nicht nur kennen, sondern auch können und sollte wenigstens eines der heimischen Musikinstrumente beherrschen. So wertvoll z. B. das Klavier an sich sein mag, so ungeeignet ist es für die Gestaltung etwa eines Dorfgemeinschaftsabends. Um aber in das Volk dringen zu können, muß auch der Unterricht des Lehrers in der Schule selbst frei von jeder Paukerei sein, er muß die Seele des Jungen und des Mädels erfassen und zur Arbeit am gemeinsamen Ziel mitreißen. Zu dieser Arbeit sind Lehrer und Lehrerinnen nur dann befähigt, wenn tiefste nationalsozialistische Ueberzeugung die Arbeit bis ins Letzte durchdringt und beflügelt. Nur für eine Uebergangszeit wird auch der nur handwerklich geschulte, aber ehrlich arbeitende Lehrer seinen Platz behaupten können.
Die Rede des Gauleiters kam aus offenem Herzen, und starke Zustimmungskundgebungen zeigten, daß sie auf fruchtbaren Boden gefallen war. Vor und nach der Rede des Gauleiters meldete sich die Jugend selbst zu Wort. Eine Brauchtumsgruppe der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt Innsbruck schwang sich im Reigen, spielte, sang und jodelte. Das Farbenspiel der Trachten, die Anmut der Bewegung und die vertrauten Klänge heimatlicher Lieder zeigten das Verständnis unserer jungen Erzieherschaft für die Pflege des Brauchtums.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1942, Seite 3).
Eine spezielle Form von Brauchtumspflege war der Dorfgemeinschaftsabend, der von der nationalsozialistischen Kulturpolitik in ihrem Bestreben, die Identifikationsbereitschaft und das Gemeinschaftsgefühl für ideologische Zwecke dienstbar zu machen, nahezu in jeder Ortsgruppe neu eingeführt wurde. Der Stellvertretende Gauleiter Herbert Parson erklärte in seinem oben genannten Artikel (inNatur Kunst Volk Leben 1943, Heft 2/3, Seite 4) über die „nationalsozialistische Brauchtumsarbeit“ diese Initiative:
„Die Dorfgemeinschaftsabende, die als örtliche Brauchtumsveranstaltungen überall in unserem Gau immer wieder durchgeführt werden, stellen das stolze Bewußtsein um die eigene kulturelle Leistung in den Mittelpunkt: Die Gemeinschaft des Dorfes schafft und gestaltet für die Gemeinschaft! Aus eigener Kraft ohne fremde Hilfe gestaltet, ist so ein Dorfgemeinschaftsabend stets ein Querschnitt durch die kulturelle Entwicklung der betreffenden Gemeinde. Man muß es erlebt haben, mit wie viel Spannung von den aktiven und passiven Teilnehmern eines solchen Dorfgemeinschaftsabends dieses große Ereignis erwartet wird, wie lange dieses Gemeinschaftserlebnis nachwirkt, um ganz zu begreifen, welche kulturelle Tat es ist, die Gestaltung eines der Unterhaltung und der Gemeinschaft ebenso wie der Belehrung dienenden Abends aus eigener Kraft durchzuführen.
Aber nicht nur der Stolz auf die eigene kulturelle Leistung wird auf diese Weise gefördert, sondern es wird auch die Erkenntnis über unsere eigene Art und über den Wert unseres Blutes geweckt.“
Ein Dorfgemeinschaftsabend in Mötz Ende Jänner 1942 zeigt in seiner Gestaltung die kulturelle Vielfalt der Ortsgruppe, dazu deren ideologische Inanspruchnahme: „Die Dorfgemeinschaft Mötz veranstaltete kürzlich einen Dorfgemeinschaftsabend, der einen überaus guten Besuch aufzuweisen hatte. Der Saal zum Deutschen Kaiser erwies sich als viel zu klein. Eine abwechslungsreiche Programmfolge, an der sich jung und alt in gleicher Weise beteiligten, trug zum Gelingen des Abends bei. Besonders zu erwähnen ist die kleine Sängergruppe, die für ihre sehr gut vorgetragenen Lieder herzlichen Beifall erntete. Die Standschützenkapelle ließ flotte Weisen ertönen, während die alten Mötzer Sänger mit viel Humor Lieder und Jodler aus ihrer Jugendzeit zum besten gaben. Besonderes Lob gebührt dem Ansager, der es verstand, in urwüchsiger Art das Programm anzukündigen. Die Verlesung einiger Briefe von der Front zeigte die innige Verbindung zwischen Front und Heimat. Zum Schluß ergriff der Kreisleiter Gauinspekteur Pg. Mahnert das Wort. Er unterstrich den Sinn des Gemeinschaftsabends und forderte zu weiterer Mitarbeit auf, nicht nur in Spiel und Frohsinn, sondern auch bei allen Aufgaben, die uns der Führer gestellt hat.“ (Tiroler Volksbote vom 23. Jänner 1942, Seite 4).
Bei einem Dorfgemeinschaftsabend am 24. Jänner 1942 in Silz war ebenfalls „Gauinspekteur“ Mahnert anwesend und nützte den bunten Heimatabend für politische Agitation. Der Verlauf der Veranstaltung entsprach dem üblichen Muster: „Groß war die Zahl der Besucher und die Mitwirkenden wetteiferten mit ihren Darbietungen. Flotte Weisen der Standschützenkapelle wechselten ab mit Heimatliedern der Sängerschar und Gesangsvorträgen einer Soldatengruppe. HJ. und BDM. zeigten alte Volkstänze, die lustige Plattlergruppe brachte Stimmung hinein. In der Spinnstube, dargestellt von Mitgliedern der NS.-Frauenschaft, kam der ‚Dorftratsch’ in humorvoller Art zur Geltung. Pg. Gruber erzählte aus der Dorfgeschichte und von den kriegerischen Ereignissen des Jahre 1866 und verlas Soldatenbriefe.“ (Tiroler Volksbote vom 30. Jänner 1942, Seite 4).
Die politische Vertretung eines Dorfgemeinschaftsabends in Sautens Anfang Mai repräsentierte Kreisleiter Pg. Pesjak und mehrere Mitglieder des Kreisstabes, die mit ihrer Anwesenheit die wichtige Funktion solcher Veranstaltungen für die Kulturbestrebungen der Partei augenscheinlich unterstrichen: „Zum Schluß dankte der Kreisleiter allen Mitwirkenden und sprach über Sinn und Zweck der Dorfgemeinschaftsabende, die im Kreis Imst ganz besonders gefördert werden.“ (Tiroler Volksbote vom 5. Mai 1942, Seite 4).
Mit seiner Gefolgschaft besuchte Kreisleiter Pesjak wenige Wochen später einen Dorfgemeinschaftsabend in Wenns, wo er in seiner Schlussansprache den „gemeinschaftsvertiefenden Wert der Veranstaltung“ hervorhob. Zuvor erlebte die politische Delegation im „gedrängt vollen Saal eine reichhaltige Folge von Brauchtumsdarbietungen“. Eine Attraktion bildete die Vorführung des „aus früheren Zeiten überlieferten Wennser Achtertanz[es]“ (Tiroler Volksbote vom 5. Juni 1942, Seite 4).
Bei einem Dorfgemeinschaftsabend in Ried (Oberinntal) stellte die Standschützenmusikkapelle mit „flotten Märschen“ den lokalen Beitrag, während die Liedbeiträge und Volkstänze von der Hitler-Jugend und von „Arbeitsmaiden“ aus dem Arbeitslager Prutz gesungen und vorgetragen wurden. Die ebenfalls dort untergebrachten Jungen aus dem Rheingebiet „erfreuten durch Spiel und muntere Weisen“. Auch sie trugen zum „gemeinschaftsvertiefenden Zweck der Veranstaltung“ bei, wie Kreisleiter Bernard die eigentliche Sinnhaftigkeit des Abend erklärte. „Der Besuch war außerordentlich zahlreich, der Wunsch einer baldigen Wiederholung allgemein“ (Tiroler Volksbote vom 16. Oktober 1942, Seite 5).
In Elbigenalp stand der Dorfgemeinschaftsabend mit seinem Ziel, Solidarität zu stiften, überdies im Dienst sozialer Fürsorge, denn im Verlauf des Abends sammelte man für das Kriegswinterhilfswerk. Zum „reichhaltigen Programm“ gehörte ein Vortrag des „Parteigenossen“ Wulz über Heimat- und Dorfgeschichte, wie er fixer Bestandteil nahezu aller Dorfgemeinschaftsabende war (Tiroler Volksbote vom 6. Februar 1942, Seite 4).
Bei einem Dorfgemeinschaftsabend in Kitzbühel Ende Februar 1942 erklärte „Kreisleiter Parteigenosse Merath“ die „Bedeutung des Brauchtums“, somit die Initiative für die Durchführung der Veranstaltung. Wie sehr sich dieses Kulturprojekt in der Obhut der Partei befand, erweist das Faktum, dass die NSDAP in der Regel auch als Veranstalter fungierte. Mitglieder des Standschützenverbandes legten das Programm fest: „Die Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes gab Volkslieder, Solojodler und Zitherduette zum besten. Ein Einakter Der verlorene Beichtzettel erinnerte an altvergangene Zeiten und wurde mit hellem Lachen aufgenommen. Die Musikkapelle der Brauchtumsgruppe umrahmte den Abend mit ihren flotten Weisen, wobei die Schlagzither besonderes Interesse erweckte. Mit großem Beifall dankten die Zuschauer für den frohen Abend.“ (Tiroler Volksbote vom 27. Februar 1942, Seite 4).
Bei einem Dorfgemeinschaftsabend in Thiersee Ende Mai 1942 war mit „Kreisleiter Bereichsleiter Pg. [Hans] Ploner“ und den „Kreisamtsleitern Pg.“ Dr. Dillersberger und Schwamberger höchste politische Prominenz zugegen, der Ablauf des Abends entsprechend eine Dokumentation, wie Parteiinteressen im Ambiente fröhlicher Unterhaltung Widerhall fanden: „Nach kurzer Begrüßung der Gäste durch SA.-Sturmführer Pg. Schuster eröffnete die Standschützenkapelle den Abend, worauf Propagandaleiter Pg. Atzl interessante Begebenheiten aus der Dorfgeschichte, insbesondere über die Entstehung der Höfenamen und die Ortsbezeichnung Thiersee, schilderte. In bunter Reihe folgten ausgezeichnete Gesangsvorträge und zwei humorvolle Einakter, die der theaterfreudigen und begeisterten Bevölkerung ganz besonders zusagten. Kreisamtsleiter Pg. Dr. Dillersberger sprach dann zu den Partei- und Volksgenossen und wies besonders auf den Sinn und Zweck eines Dorfgemeinschaftsabends und die Pflege des althergebrachten Dorfbrauchtums hin. Seine Ausführungen wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Der Kirchenwirtssaal war derart überfüllt, daß ein großer Teil der Volksgenossen vor der Türe stand.“ (Tiroler Volksblatt vom 3. Juni 1942, Seite 3).
Die nachstehenden Berichte zu Dorfgemeinschaftsabenden im Tiroler Unterland zeigen alle das gleiche Verlaufsmuster, sind aber insofern von Interesse, als sie Einblick geben in die Vielfalt der kulturellen Akteure im volkskulturellen Bereich.
„Die Ortsgruppe Wildschönau veranstaltete am 12. April im Gasthof Weißbacher in Auffach einen Dorfgemeinschaftsabend. Der Besuch war so gut, daß der Saal die so zahlreich Erschienenen kaum fassen konnte. In dem abwechslungsreichen Programm wechselten Märsche der Standschützenkapelle Auffach mit Liedern, Gstanzeln, Jodlern und mit Schrammelmusik. Oberlehrer Mühlegger hielt einen interessanten und lehrreichen Vortrag über die Dorfgeschichte von Auffach. Die Darbietungen wurden mit großem Interesse und in bester Stimmung aufgenommen.“ (Tiroler Volksblatt vom 20. April 1942, Seite 4).
„Unter Leitung des Ortsgruppenleiters Pg. Titze fand kürzlich in Hopfgarten ein Dorfgemeinschaftsabend statt, in dessen Mittelpunkt ein geschichtlicher Vortrag des Bürgermeisters Pg. Salcher stand. Es war daraus zu entnehmen, daß die Siedlung schon im 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bestanden haben muß und der Name des Marktes Hopfgarten schon in Urkunden aus dem Jahre 1160 vorkommt. Im weiteren Verlauf brachte der Abend eine reiche Folge von musikalischen und Brauchtumsvorführungen, wozu die Hitler-Jugend, die Standschützen-Musikkapelle und eine Sängergruppe vom Salvenberg mit bestem Erfolg beitrugen.“ (Tiroler Volksbote vom 25. März 1942, Seite 4).
„Ortsgruppenleiter Pg. Hanel eröffnete Samstag [21. 3. 1942] einen Dorfgemeinschaftsabend, der bei stärkstem Besuch einen vollen Erfolg brachte. Die musikalischen Vorträge der Kapelle Schmalnauer, die Volkslieder-Vorträge der Schwestern Harasser und nicht zuletzt die Aufführung eines Einakters der heimischen Laienspielgruppe Peter Thaler bewiesen eindeutig, daß die Musik- und Brauchtumspflege auch in St. Johann i[n] T[irol] eine gute Heimstätte hat.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 25. März 1942, Seite 4; gleichlautend in Tiroler Volksbote vom 27. März 1942, Seite 4 und in Tiroler Volksblatt vom 27. März 1942, Seite 4).
„Am Samstag, den 21. März, hielt die Ortsgruppe der NSDAP. Walchsee im überfüllten Kramerwirtssaal einen Dorfgemeinschaftsabend ab. Die Darbietungen fanden großen Anklang. Besonderen Beifall ernteten die Jungmädel mit ihren Dorfdiandln und Liedern. Nicht unerwähnt bleiben mögen die Brauchtumsgruppe mit ihrem Einakter Der Teufel in der Mehltruchen, die HJ. mit den Schuhplattlern, die NS.-Frauenschaft mit schönen Volksliedern. Pg. Wörle mit seinen lustigen Raritäten. Jede Gliederung der Partei hat zu diesem sehr gut gelungenen Abend beigetragen.“ (Tiroler Volksblatt vom 27. März 1942, Seite 3).
„Einen bunten Abend veranstaltete am 21. März die Ortsgruppe. Ortsgruppenleiter Pg. Madersbacher sprach nach kurzen Begrüßungsworten über interessante Begebenheiten aus der Chronik des Dorfes. Hierauf folgte der unterhaltende Teil des Abends, der sichtbar beitrug, die Volksgemeinschaft zu vertiefen. Der Abend bewies aber auch, daß unsere Soldaten, wenn sie in die Heimat kommen, dieselbe Kameradschaft wie im Felde haben und sich unter uns wohlfühlen werden. Die Spielfolge war mannigfaltig. Aufgeführt wurden zwei Einakter: Die studierte Zenza und Der Geschmack meiner Seligen. Lustige Lieder wechselten mit originellen Vorträgen. Großen Beifall fanden die ulkigen Vorträge des Hauptstammführers der HJ., Marek, aus Schaftenau. Einen besonderen Erfolg holten sich die beiden Jungmädel aus Oberlangkampfen mit ihren heiteren Vorführungen. Reicher Beifall galt allen Mitwirkenden verdientermaßen ungeteilt.“ (Tiroler Volksblatt vom 27. März 1942, Seite 3).
„Am vergangenen Sonntag [1. Juni 1942] ist hier [in Niederndorferberg] der erste Dorfgemeinschaftsabend abgehalten worden. Er wurde von der Standschützenmusikkapelle mit dem Niederndorferberg-Marsch von Andreas Praschberger eingeleitet, worauf Ortsgruppenleiter Pg. Johann Praschberger den Abend eröffnete. Die Schuhplattler-Buam mit ihren Plattleraufführungen sowie die BDM.-Mädel mit den Liedereinlagen und die Aufführung des Theaterstückes Die zwei Rebhendln machten den Abend unterhaltungsreich. Oberkameradschaftsführer Pg. Hermann Marek wurde für seine komischen Vorträge von den Anwesenden mit starkem Beifall belohnt. So waren diese Stunden bei kameradschaftlichem Beisammensein fast allzu schnell vergangen.“ (Tiroler Volksblatt vom 5. Juni 1942, Seite 3).
Ein Dorfgemeinschaftsabend besonderer Art, indem er besonders der Auszeichnung verdienter Bauern, Bäuerinnen und Landarbeiter gewidmet war, gehörte zur Veranstaltungsfolge beim Erntedankfest. Im Jahr 1942 war diese alljährlich Anfang Oktober zu Ehren des Bauerntums mit entsprechender Anteilnahme von Parteikreisen inszenierte Würdigungszeremonie mit dem „Opferschießen“ des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg zusammengelegt worden. Als Begründung vermerken die Innsbrucker Nachrichten vom 6. Oktober 1942, Seite 5:
„Die in unserem Bauerntum brauchtumsmäßig verankerte Freude am Waffengebrauch ergänzte und befruchtete in vollkommenster Weise den Erntedank als Rechenschaftsbericht über die Jahresarbeit in Haus und Hof, der seinerseits wieder einzigartige Gelegenheit gab, unsere Schießstände als Sammelplätze in den Mittelpunkt der Gemeinschaften zu stellen. So ist dieser Erntedanktag in mehrfacher Hinsicht zu einem wahren Festtag des ganzen Gaues geworden. In dieser Grundhaltung stimmen sämtliche, uns in großer Zahl aus dem ganzen Gau vorliegenden Berichte überein.“ Nun folgt eine Auswahl: „In Solbad Hall marschierten die Politischen Leiter und die Gliederungen der Bewegung sowie die Standschützen mit ihrer Musikkapelle zum Schießstand beim Badl, wo das Schießen in den Vormittagsstunden bereits sehr starken Besuch aufzuweisen hatte, der sich im Laufe des Nachmittags noch steigerte. Die Standschützenkapelle spielte beim Schießstand, während die Volksgenossen an den Ständen drängten. Der Kreisleiter Pg. Dr. Primbs besuchte den Schießstand und beteiligte sich am Schießen. Das Opferschießen in Absam verlief ebenfalls sehr erfolgreich, auch hier waren die Standschützen mit ihrer Musikkapelle in Tracht ausgerückt. Auch andere Ortsgruppen in der weiteren Umgebung der Gauhauptstadt besuchte der Kreisleiter. Ueberall konnten die Schießstände die festfrohe Menge kaum fassen […].“
Die Kreisschießen galten im nationalsozialistischen Verständnis als eine Demonstration des Volksbrauchtums. Sie waren das repräsentative gesellschaftliche Großereignis, bei dem sich die Volksgemeinschaft, insbesondere dargestellt durch die Mitglieder des Standschützenverbandes, also die Schützenkompanien, Musikkapellen und andere folkloristischen Vereinigungen, in der die Zusammengehörigkeit symbolisierenden Tracht mit einem in vielfältiger Aktion verlaufenden Fest inszenierte. Das spektakuläre Schauspiel dokumentierte augenfällig die Einheit von Partei und Volk, es wurde zum theatralischen Propaganda-Akt. Politische Funktionäre, deren Uniformen sowie Hakenkreuzfahnen repräsentierten die Partei, während die Identifikationsträger der „Volksgenossen“ die Unterwürfigkeit unter das Parteidiktat öffentlich eingestanden, allein schon durch ihre geschlossene Anwesenheit.
Die Kreisschießen waren eine alljährlich verbindlich abzuhaltende Großveranstaltung, als Rückversicherung unbedingter Gefolgschaftstreue. Die Schießstände bezeichnete Gauleiter Franz Hofer als „Burgen des Wehrwillens und der Gemeinschaft“. Die verschiedenen Schießen waren so nicht nur eine Aktion der Wehrertüchtigung, sondern besaßen die ideologisch fundierte Zweckbestimmung der Stärkung der Volksgemeinschaft. Das Schießen selbst wurde dabei ebenso als Form Identität stiftender Brauchtumspflege angesehen wie die das mehrtägige Volksfest begleitende Vielzahl volkskultureller Veranstaltungen.
Die Saison der Kreisschießen des Jahres 1942 wurden Mitte Mai im Kreis Kitzbühel eröffnet. Zu diesem Anlass besuchte Gauleiter Franz Hofer den Kreis Kitzbühel, um sich über den Verlauf der in zahlreichen Orten abgehaltenen Schießveranstaltungen zu informieren:
„An der Kreisgrenze wurde er vom Kreisleiter, Pg. Merath, empfangen und begab sich sofort auf den Schießstand in Hopfgarten, wo er sich, ebenso wie im weiteren Verlauf seiner Fahrt auf anderen Schießständen, selbst am Schießen beteiligte. In Westendorf und Brixen besichtigte der Gauleiter die Plätze, die zur Anlage neuer Schießstände vorgesehen sind. Nach dem Besuch des Schießens in Kirchberg traf der Gauleiter in Kitzbühel ein, wo ihn, ebenso wie an den anderen Haltepunkten seiner Fahrt, die Standschützen und ihre Musikkapellen empfingen und ihm die gesamte Bevölkerung einen herzlichen Empfang bereitete. In Kitzbühel fiel die Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes besonders auf. In Oberndorf stand die Jugendgruppe der NS.-Frauenschaft mit ihren schönen Trachten und Volksliedern im Mittelpunkt des Empfanges, in St. Johann in Tirol besichtigte der Gauleiter den neuen, erst im Spätherbst des vorigen Jahres fertiggestellten Schießstand. Hier schloß sich ihm auf seiner Weiterfahrt der Höhere SS- und Polizeiführer im Wehrkreis XVIII, SS-Gruppenführer Rösner an. Besonders lebhaft war der Schießbetrieb in Fieberbrunn, auch St. Ulrich und Waidring, wo die anerkannt besten Schützen des Kreises Kitzbühel zu Hause sind, hatten starken Andrang auf ihren Schießständen zu verzeichnen. Mit Besuchen auf den Schießständen von Kirchdorf-Erpfendorf und Kössen fand die Fahrt des Gauleiters ihren Abschluß.
Bemerkenswert ist die Ausführung der Kreisleistungszeichen des Kreises Kitzbühel. Sie zeigen, in farbigem Email ausgeführt, einen Schützen in Brixentaler Tracht und daneben einen Pferdekopf, der an den Brixentaler Flurritt, die bekannte, mit dem uralten Brauchtum des Kreises verknüpfte alljährliche Veranstaltung erinnert. Von diesen hübsch ausgeführten Leistungszeichen wurde bereits an den beiden ersten Tagen des Kreisschießens eine ansehnliche Anzahl herausgeschossen.“ (Tiroler Volksbote vom 15. Mai 1942, Seite 3).
Einen Höhepunkt erreichten die Schießen zu den Pfingstfeiertagen. Während das Kreisschießen in Kitzbühel zu Ende ging, wurden jene von Schwaz, Imst und Landeck erst begonnen. Das Kreisschießen von Schwaz eröffnete anstelle des dienstlich verhinderten Gauleiters sein Stellvertreter Pg. Parson, dem die „Partei, die Standschützen mit der Musikkapelle und die ganze Bevölkerung einen herzlichen Empfang bereiteten“. Am Schwazer Schießstand erwarteten Parson „Marschmusik der Standschützenkapelle und die Volkslieder einer Mädelgruppe“. „Der Stellvertretende Gauleiter wurde dann vom Kreisleiter, Bereichsleiter Pg. Aichholzer zu den Schießständen in Fügen, Zell am Ziller und Mayrhofen geleitet. Besonders bemerkenswert war das Auswahlschießen der Hitler-Jugend in Zell am Ziller. Hier marschierten 150 Jungschützen auf und zeigten sowohl in ihrer einwandfreien Haltung als auch in ihren sehr guten Schießergebnissen, daß uns um den Nachwuchs nicht bange zu sein braucht. Auch zu den beiden folgenden Feiertagen ließ der Zustrom zu sämtlichen Schießständen des Kreises nicht nach. So weit es bis jetzt überblickt werden kann, ist auch mit sehr guten Schießergebnissen zu rechnen.“ (Tiroler Volksbote vom 26. Mai 1942, Seite 3).
Beim Kreisschießen in Imst überzeugte sich Gauleiter Franz Hofer persönlich vom Fortschritt in seinen Bemühungen um die Wiederbelebung der Tiroler Schützentradition. Wie bei solch offiziellen Visiten üblich, wurde er an der Kreisgrenze von den höchsten politischen Repräsentanten des Kreises willkommen geheißen:
„Nach dem Empfang an der Kreisgrenze durch den mit der Führung des Kreises beauftragten Kreisamtsleiter Pg. Pesjak und Gauamtleiter z. V. Landrat Pg. Allrecht besuchte der Gauleiter den umgebauten Schießstand in Silz, wo das Schießen bereits in vollem Gange war. In Haiming gab der Gauleiter durch Abgabe des ersten Schusses das Zeichen zum Beginn des Schießens. Hinsichtlich seiner Ausgestaltung darf der Schießstand in Haiming als eine der schönsten Anlagen im Kreise Imst gelten.
Sonntagnachmittag [25. Mai 1942] traf der Gauleiter am Kreisschießstand in Imst ein, wo ihn die Bevölkerung herzlich begrüßte. Der Schießstand erwies sich für den starken Andrang als viel zu klein. Vor allem die Hitler-Jugend, welcher der Gauleiter das Schießen besonders erleichterte, war stark vertreten.
Auch in Tarrenz zeigte vor dem Gauleiter und zahlreichen Volksgenossen, die sich zu seiner Begrüßung eingefunden hatten, die Hitler-Jugend Schuhplattler und andere Volkstänze, während die Standschützenkapelle aufspielte. Ebenfalls im Zeichen des heimischen Brauchtums stand ein Heimatabend, der im Gemeinschaftssaal in Imst in Anwesenheit des Gauleiters stattfand. Ein Kameradschaftsabend der Politischen Leiter im Hotel Post in Imst, bei dem der Gauleiter gleichfalls zugegen war, bildete den Abschluß des Tages […].“ (Tiroler Volksbote vom 26. Mai 1942, Seite 3).
Auch bei seinem nachfolgenden Besuch im Kreis Landeck galt das Interesse des Gauleiters neben dem Kreisschießstand in Landeck auch den anderen Schießstätten. So visitierte er zum Beispiel den Schießstand in Kappl oder in Feuchten im Kaunertal:
„Wie an den übrigen Schießständen, die der Gauleiter im Verlauf seiner Fahrt durch den Kreis Landeck besuchte, waren auch hier die Politischen Leiter und die Gliederungen der Bewegung, die Standschützen, die Musikkapelle usw. am Schießstand. Im Kaunertal zeigten sich diesmal am Auftreten der Standschützen sowie der Jugendgruppe der NS.-Frauenschaft besonders starke Fortschritte der Trachtenpflege, für die sich der Gauleiter selbst seit seinem vorjährigen Besuch in der Ortsgruppe nachhaltig eingesetzt hat.“ Eine Attraktion, die der Kreis Landeck ganz nach dem kulturellen Geschmack des Gauleiter bot, war ein im Aufwand großzügig gestalteter, daher besonders beeindruckend verlaufender Brauchtumsabend: „Ein Zeugnis der kulturellen Arbeit des Standschützenverbandes und seiner Leistungen auf diesem Gebiet war der Brauchtumsabend, der in Gegenwart des Gauleiters in einer für diesen Zweck hergerichteten Fabrikhalle rund 1000 Besucher vereinigte, die der reichhaltigen Vortragsfolge mit größtem Interesse folgten. Im Rahmen der Veranstaltung zu Beginn des Kreisschießens fand auch eine Betreuung der Verwundeten im Lazarett Zams, die vom Ortsgruppenleiter Pg. Vogt durchgeführt und unter Mitwirkung der Standschützenmusikkapelle Nauders zu anregenden Stunden für die verwundeten Kameraden der Wehrmacht gestaltet wurde.“ (Tiroler Volksbote vom 29. Mai 1942, Seite 3).
Gauleiter Franz Hofer nützte das Kreisschießen in Reutte zu Inspektionen. Unter anderen überzeugte er sich vom Fortschritt der Kulturarbeit, indem er in Begleitung des Stellvertretenden Gauleiters und des Kreisleiters Pg. Höllwarth u.a. „zwei der vielen Dorfgemeinschaftsabende“ besuchte, die im Rahmen des Kreisschießens stattfanden (Tiroler Volksbote vom 5. Juni 1942, Seite 3):
„Von diesen [Dorfgemeinschaftsabenden] ist der in Häselgehr im großen Gemeinschaftsraum des Schießstandes veranstaltete hervorzuheben. Es hatten sich Hunderte von Volksgenossen zusammengefunden, die in froher Stimmung den mannigfaltigen Vorführungen heimischen Brauchtums folgten. Die herzliche Verbundenheit der Bevölkerung mit dem Gauleiter kam an diesem Abend besonders sichtbar zum Ausdruck.“
Zuvor hatte die Bevölkerung von Reutte Gauleiter Hofer einen „herzlichen Empfang“ bereitet. Eine Ehrenformation der Polizei und der Hitler-Jugend war zum Zeichen der Wertschätzung angetreten. Zu den Schießen selbst im Kreis Reutte steht im Tiroler Volksboten vom 5. Juni 1942 (Seite 3):
„Am Sonntag [1. Juni 1942] begab sich der Gauleiter mit seiner Begleitung zu einer Reihe von Schießständen. Die Beteiligung der Bevölkerung am Schießen war außerordentlich stark, an einzelnen Ständen war der Andrang derart, daß nur ein Teil der Schützen zum Schießen kommen konnte und sich viele Schützen auf die nächsten Schießtage vertrösten müssen. Auch Frauen und Mädel beteiligten sich in auffallend großer Zahl am Schießen.“
Den Höhepunkt nationalsozialistischer Inszenierungskunst zur Demonstration der Machtlegitimation im geschlossenen Miteinander von Volksgemeinschaft und Parteiideologie bildete das alljährlich zentral in der Gauhauptstadt Innsbruck organisierte Landesschießen. Der Presseamtsleiter Franz Pisecky formulierte die ideologische Bedeutung des Landesschießens in einem Artikel in der vom Gauleiter Hofer herausgegebenen Zeitschrift Tirol-Vorarlberg. Natur. Kunst. Volk. Leben 1942 (Heft 2, Seite 8 f.) wie folgt:
„Das Innsbrucker Landesschießen stellt für den Gau Tirol-Vorarlberg ein Heimat- und Gemeinschaftsfest in des Wortes schönster Bedeutung dar […]. So wie der Standschützenverband Tirol-Vorarlberg an sich in seinem Wesen und in seiner Aufgabenstellung weit mehr als etwa einen bloßen Zusammenschluß von Schützen und Schützengilden darstellt, ist auch das Landesschießen mehr als ein bloßes Schützenfest. Es will eine Bekundung der Wehrhaftigkeit und des deutschen Freiheits- und Einigkeitswillens sein. Es geht fröhlich her dabei, aber das ist der lebensbejahende Frohsinn der Starken und Gesunden, die das Leben durch Kampf und Arbeit meistern und es gerade um des Kampfes und der Arbeit willen lieben […].“
Noch prägnanter als Pisecky äußert sich Gauleiter Hofer in seinem „Ladschreiben“ zum 5. Landesschießen, dem das Motto Heimat in Waffengegeben wurde. Am Anfang seiner öffentlichen Einladung, die auch an die „Schützen und Schießfreunde aus ganz Deutschland“ gerichtet war, klassifiziert der Gauleiter und „Oberstschützenmeister“ das Landesschießen als „eine Veranstaltung von höchster Volkstums- und wehrpolitischer Bedeutung“. Die ideellen ideologisch verwertbaren Vorzüge seines Gaues sieht er in der „innigen Verbindung“, mit der die Bevölkerung aus „Volkskunst und Brauchtum“ ihre „geistigen und materiellen Kräfte schöpft, aus Lebenswerten also, die mit geschichtlicher Tradition unlöslich verflochten sind“. „Mit Stolz darf sich der Gau Tirol-Vorarlberg seiner Vergangenheit erinnern, die eine Geschichte heldenhafter Kämpfe um deutschen Lebensraum und gesamtdeutsche Größe war […].“ Die „Freude am Schönen“ und die „Liebe zur Waffe“ seien unzertrennlich, daher hätten auch „Volkskunst und Brauchtum in ihren verschiedenen Gestalten im Standschützenverband Tirol-Vorarlberg die Stätte ihrer Pflege, Betreuung und Förderung gefunden“. Mit dem alljährlich abgehaltenen Landesschießen, der „großen Heerschau“ werde in Form dieser Demonstration „beispielloser Volkstümlichkeit“, das Einvernehmen von Volk und Parteiinteressen augenscheinlich: „Wenn heuer wieder die vielen Tausende von Schützen aus Tirol-Vorarlberg und aus allen anderen deutschen Gauen an die Stände treten, so möge ihnen gegenwärtig sein, daß sie damit eine Überlieferung fortsetzen und hochhalten, aus der dem deutschen Volk und unserem Großdeutschen Reich unversiegbare Kräfte unverbrüchlicher Treue, entschlossener Tatbereitschaft und einsatzwilligen Mannestums zuströmen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Juni 1942, Seite 3).
Die Eröffnung des 5. Landesschießens in Innsbruck (unter dem Leitsatz Heimat in Waffen) war mit dem „Großappell“ der NSDAP in Form einer Kundgebung am 5. Juli auf dem Adolf-Hitler-Platz propagandistisch wirkungsvoll verknüpft. Bereits am Vortag waren nachmittags Musikkapellen mit „Standkonzerten“ auf verschiedene Plätze in der Stadt verteilt aufgetreten. Abends veranstaltete der Standschützenverband Tirol-Vorarlberg einen Brauchtumsabend, das Tiroler Landestheater eine geschlossene Vorstellung für höherrangige Parteigenossen und illustre Gäste aus dem Reich.
Der Verlauf der Festlichkeiten wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Juli 1942, Seite 6, geschildert. Einleitend fasst der Redakteur den politisch-ideologischen Aspekt zusammen: „Die Gauhauptstadt hatte gestern ihren großen Tag! Ein Aufmarsch von imponierender Größe, dem die herrliche Natur unserer Heimat den unvergleichlich schönen Rahmen gab, wurde zum eindringlichen und überzeugenden Bekenntnis unseres Gaues Tirol-Vorarlberg, auch in Zukunft alle Kräfte einzusetzen für den Führer und seinen Freiheitskampf. Der Vorbeimarsch, der sich an die Großkundgebung auf dem Adolf-Hitler-Platz anschloß, ergab ein prachtvolles Bild: Unter den Fahnen des Führers sind Wehrwille und Brauchtum, zwei in unserer Bergheimat untrennbare Begriffe, lebendiger den je geworden.“
Nun folgt ein detaillierter Bericht über den Verlauf der imposanten Zurschaustellung Tiroler Volkskultur im augenscheinlichen Verbund mit den nationalsozialistischen Machthabern:
„Schon in den Morgenstunden gaben die Standschützen aus allen Tälern unseres Gaues der Stadt das farbenfrohe Gepräge. Zahllose Musikkapellen, mit den schmucken Marketenderinnen voran, durchzogen mit klingendem Spiel die festlich beflaggten Straßen, die Standschützenkompanien zogen zu ihren Sammelplätzen, und wenig später war der ganze [Stadtteil] Saggen ein einziges Heerlager. In den ersten Vormittagsstunden begann dann der große Aufmarsch. Stundenlang marschierten auf dem weiten Platz vor der Hofburg die Formationen der Bewegung, des Standschützenverbandes und unübersehbare Massen der Bevölkerung auf. Ein kurzes Kommando, die Formationen stehen stramm, zehntausende Arme heben sich zum deutschen Gruß, und unter den Klängen des Präsentiermarsches ziehen die Fahnen ein. Voran im Parademarsch die Fahnen der Wehrmacht, der ruhmreichen Kaiserjäger mit dem Ehrenzug der Gebirgsjäger. Dann folgen die Standarten und Fahnen der Bewegung. Wie rotwallendes, endloses Band ziehen sie durch den schmalen Aufmarschraum, umsäumt von den dicht gedrängten Massen. Den Abschluß bilden die vielen Fahnen der Standschützen, voran die älteste Kriegsfahne Tirols aus der Zeit Kaiser Maximilians und die uralte, zerschlissene Spingeser Fahne.
Wieder klingt Marschmusik auf und in strammer Haltung zieht der Marschblock der Gebirgs-Unteroffiziersschule Feldkirch auf. Ihm folgt in langen Kolonnen die Jugend des Führers.
Der Aufmarsch der Zehntausende ist beendet. Kreisleiter Dr. Primbs meldet dem Gauleiter die angetretenen Formationen, dann hallen die aufrüttelnden Klänge des alten Kampfliedes Rebellen über den Platz. Das Lied ‚Als Junge[n] wurden wir Soldaten‘ [von Hans Baumann (1914-1988)] und das Bekenntnis vom Glauben ans ewige Reich, in der harten Kampfzeit so oft gesungen, wirken heute mehr denn je als zeitnahe Mahnung.
Dann nimmt der Gauleiter das Wort […].“
Franz Hofer geht insbesondere auf die militärische Lage ein und stellt die Notwendigkeit heraus, diesen Krieg bis zum totalen Sieg durchzufechten: „Wer also eine Kompromisslösung auch nur in Erwägung zieht, der verrät nicht nur sein Volk, sein Vaterland und seine Heimat, sondern der verrät vor allem sich selbst und seine Familie. Deshalb schließt sich auch jeder von selbst aus der Volksgemeinschaft aus, wer sich in dieser großen Zeit nicht rückhaltlos zu Deutschland bekennt.“
Im Verlauf seiner Rede kommt der Gauleiter auch auf sein Lieblingsthema, die Standschützen, zu sprechen: „Welche Aufgaben auch immer der Führer uns stellen wird, auf seinen Gau Tirol-Vorarlberg, auf das Land in den Bergen, kann er sich jederzeit verlassen.“
Gauleiter Hofer verwies noch eigens auf die bedeutungsvolle Anwesenheit der Standschützen in Trachten und Waffen hin, auf die hohen Werte der Überlieferung, die in den alten Fahnen ruhen und von den Fahnen der Großdeutschen Wehrmacht und der Bewegung weitergetragen werden. Dazu erklärte er: „Es ist gelungen, die wehrhafte Tradition dieses Landes lebendig zu erhalten: hier steht Tirol-Vorarlberg wie es war, wie es ist und wie es sein wird in alle Zukunft.“
Stolz hebt der Gauleiter hervor, dass in seinem Herrschaftsgebiet trotz der kriegsbedingten Erschwernisse „fast 200 Standschützenmusikkapellen noch spielfähig“ seien. Er beendete seine Rede wirkungsvoll mit einer imaginativen Hinwendung an den „Führer“: „Er soll wissen, daß wir an der Südgrenze des Reiches am Ende des dritten Kriegsjahres stehen wie ein Fels!“
„Begeistert“ stimmte die Menge in den Gruß an den „Führer“ ein. Mit den Liedern der Nation fand der offizielle Eröffnungsakt des „gewaltigen Großappells“ in atmosphärischer Übereinstimmung sein Ende.
„Die Formationen marschieren ab, um sich zum Vorbeimarsch zu sammeln. Die Musikkapellen rühren das Spiel, und durch das dichte Spalier der Zuschauermassen marschieren dann die endlosen Kolonnen an. Der Gauleiter mit seinen Ehrengästen nimmt dann auf der Tribüne den Vorbeimarsch ab. Von der Wehrmacht über die Formationen der Bewegung zu den Massen der Standschützen ist dieser Vorbeimarsch wieder eine eindrucksvolle und wohl unvergleichliche Heerschau des Wehrwillens unserer Heimat seit Jahrhunderten.
Die Marschsäulen nehmen kein Ende, immer wieder kommen neue Gruppen in ihren farbenschönen echten Trachten, und oft grüßen stürmisches Klatschen und Heilrufe die Anmarschierenden, vor allem die Südtiroler und die Osttiroler werden herzlich begrüßt. Besondere Beachtung fand auch die Standschützenkapelle Götzis in Rheintaler Tracht, weil diese Kapelle im Kreis Dornbirn seit Jahrhunderten die erste ist, die wieder ihre Tracht angezogen hat. Sie ist daher ein besonders eindrucksvoller Beweis der Verbreiterung und Vertiefung des Brauchtumsgedankens durch den Standschützenverband.
Die vorjährige Zahl von rund 5000 Schützen wurde beträchtlich überschritten und nicht weniger als 62 Standschützenmusikkapellen mit ihren Kompanien waren gestern in Innsbruck aufmarschiert.
Während Innsbrucks Straßen noch erfüllt sind von dem Gewoge der Menschenmassen, knallen auf den 178 Scheibenständen des Landeshauptschießstandes schon die Stutzen und Pistolen. Das 5. große Landesschießen hat seinen Anfang genommen. An seinem Beginn stand ein machtvolles Bekenntnis unserer Heimat zum großdeutschen Freiheitskampf, getragen von der unerschütterlichen Zuversicht und dem festen Glauben an den Sieg unserer Waffen.
Farbfilm vom 5. Landesschießen
Schon am ersten Tag traten mehrere tausend Schützen an die Stände. Gauleiter Hofer besuchte mit seinen Ehrengästen den Schießstand. Am Abend trafen sich die Teilnehmer des Gauvergleichswettkampfes des Deutschen Schützenverbandes und der Meisterschaft Tirol-Vorarlberg als Gäste des Gauleiters im Gemeinschaftssaal des Landhaus- Erweiterungsbaues, sahen dort heimische Brauchtumsvorführungen und begrüßten mit Begeisterung die Uraufführung eines Filmes, der Ausschnitte von den vier Landesschießen 1938-1941 zeigte. Ein großer Brauchtumsabend im Stadtsaal war hauptsächlich den Südtirolern gewidmet und zeigte ebenso wie eine Reihe anderer Brauchtumsveranstaltungen dieser letzten Tage die innige Verbundenheit unserer Brauchtumspflege mit dem Gedanken mannhafter Waffenübung und Wehrhaftigkeit.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 7. Juli 1942, Seite 6).
Film
Die verschiedenen Musikkapellen gaben während des Landesschießens Platzkonzerte in Innsbruck, etwa die Landecker Standschützenmusikkapelle unter der Leitung des „Kreismusikreferenten Pg. Karl Muigg“ am 11. Juli 1942, zwischen 19 und 20 Uhr vor dem Goldenen Dachl mit folgendem Programm: „Freundestreue, Marsch von [Hermann Ludwig] Blankenburg [(1876-1956)]; Nabuchodonsor, Ouvertüre von Verdi; Mein schönes Innsbruck am grünen Inn, Lied [Text] von [Adolf] Denk; Landesschützen, Marsch von [Rudolf] Kummerer [(1883-1961)]; Nachtschwärmer, Walzer von Ziehrer; Melodienkranz aus Suppés Werken; Fürs Vaterland, Marsch von Artur Ney; Amoriten-Parade, Charakterstück von Hans Schmid; Zum Städtle [richtig: Städtel?] hinaus, Marsch von [Georg] Meißner [(1873-1948)]; Tiroler Kaiserjäger, Marsch von Karl Mühlberger.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Juli 1942, Seite 3).
Im Juli 1942 wurden die beiden Musikkapellen von Kramsach im „Beisein des Gaustandschützenkapellmeisters [Sepp] Tanzer“ zusammengeführt. „Die Kapellmeisterstelle dieser vereinigten Kapellen hat Altkapellmeister Josef Salzburger übernommen. Pg. Sepp Tanzer würdigte die Leistungen der beiden Musikkapellen, die auf 130jährigen Bestand zurückblicken können und in Bezug auf Leistung immer an vorderster Stelle in Tirol gestanden sind. Durch die Zusammenlegung ist die Kapelle 36 Mann stark.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 24. Juli 1942, Seite 3).
Bei einem Platzkonzert Anfang September 1942 spielte die „Standschützen-Musikkapelle“ Kitzbühel erstmals „das von ihrem Kapellmeister Andreas Kraus vertonte Soldatenlied Annelies und erntete damit reichen Beifall“ (Tiroler Volksbote vom 8. September 1942, Seite 4).
Die Frömmigkeit nach christlicher Tradition war in der Tiroler Bevölkerung tief verankert. Es liegt daher nahe, dass sich Schützen und Musikkapellen aktiv an Festlichkeiten der Kirche, insbesondere bei Prozessionen, soweit diese unter der NS-Zwangsherrschaft überhaupt möglich waren, beteiligt haben. Informationen über das damit verbundene Konfliktpotenzial sind ein gravierendes Desideratum der lokalen NS-Forschung. Die von den Machthabern dominierten Medien enthalten natürlich keinerlei Berichte etwa über Zurechtweisungen vonseiten der örtlichen Politfunktionäre oder von Aktionen eventuellen widerständigen Verhaltens. Aufschlüsse dazu könnte nur eine systematische Feldforschung in der Befragung noch lebender Mitglieder von damaligen Schützenkompanien und Musikkapellen erbringen. Doch auch diese Erkenntnisse würden keineswegs die schon wiederholt begründete Feststellung relativieren, dass im Reichsgau Tirol-Vorarlberg der Standschützenverband idealtypisch die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ repräsentierte und insbesondere die Schützen und Musikkapellen diese ideologisch fundierte Funktion nicht nur willig, sondern oftmals mit affirmativer Begeisterung öffentlich zur Schau stellten.
Parteiveranstaltungen
In den Jahren 1932/33 hatte der Nationalsozialismus in Tirol beträchtlich an Einfluss gewonnen. Die am 23. April 1933 in Innsbruck durchgeführten Gemeinderats-Ergänzungswahlen brachten mit 41,2 % für die NSDAP ein sensationelles Ergebnis, das wenige Wochen später in Landeck bestätigt wurde. Damit setzte sich ein Trend fort, der sich schon seit 1932 bei vorangegangenen Wahlen abgezeichnet hatte. In diesen Jahren sind zahlreiche Tiroler der Partei als Mitglied beigetreten, in vielen Gemeinden wurden Ortsgruppen gegründet. So ergab sich 1942 vielerorts der Anlass, das Zehn-Jahr-Jubiläum der Ortsgruppengründung zu feiern.
Eine erste solche Jubiläumsfeier fand in Jenbach bei einem „Dorfgemeinschaftsabend“ im „vollbesetzten Gefolgschaftssaal der Berg- und Hüttenwerke“ Ende Jänner 1942 statt. In Anwesenheit politischer Prominenz wie Dr. Primbs, Kreisleiter von Innsbruck, als Vertreter des Gauleiters oder „Bereichsleiter Pg. Aichholzer“, Kreisleiter von Schwaz, beging der „Ortsgruppenleiter Pg. Höllwarth“ mit seinen Jenbacher Parteigenossen den Anlass würdig mit einem Festabend, „der durch seinen harmonischen Verlauf und durch die Darbietungen einer gediegenen Volkskunst ein Bild der inneren Geschlossenheit der Heimat in Kriegszeiten bot“.
Nach der Begrüßung folgte eine „Heldenehrung“ mit dem Gedenken an die Gefallenen. Daran schloss eine Ansprache des Ortsgruppenleiters, in der er die „wechselvollen und kämpferischen Ereignisse im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Ortsgruppe“ schilderte. Der Jenbacher „Bürgermeister Pg. Somweber“ gab daraufhin einen Einblick in die Dorfgeschichte, er betonte vor allem den wirtschaftlichen Aufschwung „seit der Heimkehr ins Reich“. Das weitere Zeremoniell entsprach einem typischen Dorfgemeinschaftsabend: „Eine reichhaltige Vortragsfolge, zu der die Standschützenkapelle, Sänger, Tanzgruppen, die Hitler-Jugend und der Bund Deutscher Mädel ihr Bestes beitrugen, gipfelte in den Vorführungen einer Südtiroler Brauchtumsgruppe und in einem zeitgemäßen, mit besonderem Beifall aufgenommenen Einakter.“ (Tiroler Volksbote vom 30. Jänner 1942, Seite 3 f.).
Die NSDAP-Ortsgruppe Kössen gedachte ihrer Gründung am 30. Jänner 1932 zehn Jahre später mit einer dreitägigen Jubiläumsveranstaltung: „Die Festtage wurden am Freitag [31. 1. 1942] durch ein Kameradschaftstreffen der Gründungsmitglieder und alten Parteigenossen eingeleitet. In diesem Kreise lebte manches ernste und heitere Geschehen aus der Kampfzeit und aus den schweren Jahren der Verbotszeit in der Erinnerung wieder auf. Der Samstag wurde durch ein gutbesuchtes Festschießen, durch Sportveranstaltungen der Hitler-Jugend und durch Sprechstunden des Kreisleiters sowie anderer Partei- und Staatsdienststellen des Kreises, ferner durch Arbeitstagungen des Kreisstabes und der Fachämter ausgefüllt. Am Abend dieses Tages vollzog der Kreisleiter Pg. Merath die feierliche Eröffnung des neuen Parteisaales. Daran schloß sich ein Dorfgemeinschaftsabend, der die Teilnehmer an der Gründungsfeier und zahlreiche Volksgenossen aus nah und fern kameradschaftlich vereinte. Der Sonntag begann mit einer feierlichen Flaggenhissung der Hitler-Jugend und einer Heldenehrung. Den Höhepunkt und Abschluß der Gründungsfeier bildete eine Kundgebung im neuen Parteisaal, der aus diesem Anlaß bis zum letzten Platz gefüllt war. An Stelle des dienstlich anderweitig beanspruchten Gauleiters sprach bei dieser Kundgebung der Gaupresseamtsleiter Pg. Pisecky. Er gedachte der Kampftage der Ortsgruppe Kössen, ließ die Versammlungen in der Kampfzeit vor den geistigen Augen der Teilnehmer wieder erstehen und zeigte die unendlichen Schwierigkeiten und Mühsale auf, die die Ortsgruppe durchzustehen hatte.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 2. Februar 1942, Seite 7; gleichlautend in Tiroler Volksbote vom 3. Februar 1942, Seite 5).
Am letzten Februar-Wochenende 1942 gedachte die Ortsgruppe Thaur ihrer Gründung vor zehn Jahren. Dazu hatte man „jedes Haus im Dorf mit den Fahnen der Bewegung und Großdeutschlands festlich geschmückt“. Mit einem „Appell“ der Gründungsmitglieder und Politischen Leiter wurde die Gründungsfeier am Samstag eröffnet. Kreisleiters Dr. Primbs erinnerte in seiner Rede an die mutigen Anfänge der Bewegung und gedachte als „Oberschützenmeister“ „auch der wichtigen Aufgabe, die dem Standschützenverband als parteigebundener Organisation bei der Festigung und Vertiefung der Dorfgemeinschaft zufällt“. Beim „Dorfgemeinschaftsabend“ kam diese Identität stiftende Funktion durch Darbietungen von Mitgliedern des Standschützenverbandes aktuell zum Ausdruck.
Ein „Weckruf“ der Standschützenkapelle leitete den Sonntag (1. 3. 1942) ein. Es folgten die Morgenfeier der Hitler-Jugend und eine „Heldenehrung am Dorfplatz“, bei der „Kreisleiter Pg. Dr. Primbs der gefallenen Kameraden gedachte. Einen Appell der Politischen Leiter nahm der Kreisleiter zum Anlaß, die Richtlinien der Parteiarbeit für die nächste Zeit festzulegen. Am Nachmittag vereinigte eine öffentliche Versammlung zahlreiche Partei- und Volksgenossen. Kreisamtsleiter Pg. Reuck sprach über den Kampf der Partei um die Macht. Die Vorführung des Bismarck-Films schloß die eindrucksvoll verlaufene Gründungsfeier ab“ (Innsbrucker Nachrichten vom 2. März 1942, Seite 3).
Zur Zehnjahresfeier der Ortsgruppe Ried kam Gauleiter Franz Hofer im April 1942 persönlich zu einem Wochenendbesuch in den Kreis Landeck. Dabei nahm er die Gelegenheit wahr, bei den Ortsgruppen Fiss und Serfaus sowie dem „Fohlenhof in Zams“ nach dem Rechten zu sehen.
In Landeck erwartete ihn am 12. April 1942 „Kreisleiter, Oberbereichsleiter Pg. Bernard“. „Die Standschützenmusikkapelle spielte zum Empfang des Gauleiters auf, und eine Singgruppe des BDM. trug ihre Lieder vor“.
Die Gründungsgedenkfeier in Ried eröffnete „Ortsgruppenleiter Pg. Sieber“. In ihren Mittelpunkt stand die Ansprache von „Gaupresseamtsleiter Pg. Pisecky, der in einem großangelegten Ueberblick über die Geschichte der Bewegung und des Werden Großdeutschlands, der Schicksale der Ortsgruppe in den Jahren des Kampfes und des mutigen Einsatzes der ersten Nationalsozialisten gedachte, die vor zehn Jahren die Fahne der Bewegung vorangetragen haben.“
Am Sonntag, dem 12. April 1942 kam Gauleiter Hofer nach Ried: „Die Politischen Leiter der Bewegung, sämtliche Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei, die Standschützen mit ihrer Musikkapelle und die Bevölkerung des Ortes bereiteten dem Gauleiter einen herzlichen Empfang. Nach dem Abschreiten der Fronten richtete der Gauleiter unter freiem Himmel an die Versammelten eine richtungweisende Ansprache, in welcher er die Anforderungen umriß, die in Kriegszeiten an die Haltung und die Tatbereitschaft der Heimat gestellt werden.“
Den volkstümlichen Charakter des Gründungsfestes prägten ein „Ortsschießen“ des Standschützenverbandes, bei „stärksten Zuspruch“ und ein „mit einer reichhaltigen Folge von Vorführungen des heimischen Brauchtums“ inszenierter Dorfgemeinschaftsabend (Innsbrucker Nachrichtenvom 13. April 1942, Seite 3).
Ebenfalls mit einem „Festschießen der Ortsgruppe des Standschützenverbandes“ und einem anschließenden Dorfgemeinschaftsabend, „der ein gut geprägtes Bild der Geschichte und des Brauchtums der Ortsgruppe“ bot, beging die NSDAP in Westendorf ihre Jubiläumsfeier. Das weitere Ritual mit Festansprachen politischer Funktionäre, in denen leidenschaftlich die heroische Erinnerung romantisiert wurde, mit mehreren Appellen, der Heldenehrung und sonstigen Kundgebungen, entsprach wieder dem gängigen Muster (Innsbrucker Nachrichten vom 4. Mai 1942, Seite 3).
Ein Dorfgemeinschaftsabend beschloss auch die zweitägige NSDAP-Gründungsfeier in Kirchberg. Der Sonntag begann mit einer Morgenfeier der Hitler-Jugend und des Reichsarbeitsdienstes für die weibliche Jugend. Nach der Heldenehrung vor dem Kriegerdenkmal versammelten sich die Partei- und Volksgenossen zu einer Kundgebung mit einer Rede des Gauamtsleiters Dr. Dollinger. Bei dieser Zusammenkunft waren nicht zuletzt „viele Ortsgruppenleiter des Kreises Kitzbühel als alte Kameraden und Mitkämpfer aus der Verbotszeit“ anwesend. Am Vortag hatte eine Mitgliederversammlung mit anschließendem „Kameradschaftsabend“ statt gefunden, wo ebenfalls in Gedenkreden „Erlebnisse aus der Kampfzeit in Erinnerung gerufen“ worden waren (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1942, Seite 3).
Die Jubiläumsfeiern in Waidring und Kirchdorf orientierten sich einmal mehr am offensichtlich typisierten Organisationsmuster: „Die Ortsgruppen Waidring und Kirchdorf des Kreises Kitzbühel begingen durch würdige Feiern ihr 10jähriges Bestehen. In beiden Ortsgruppen wurden die Feiern durch Mitgliederversammlungen mit anschließenden Kameradschaftsabenden der alten Kämpfer und Gründungsmitglieder eingeleitet. Am Sonntag wurden von der Hitler-Jugend Morgenfeiern und Heldenehrungen für die Gefallenen veranstaltet. Nach den Sprechstunden des Kreisleiters, des Landrates und mehrerer Fachamtsleiter fanden die Feiern ihren Höhepunkt in Kundgebungen, bei welchen in Waidring Gauamtsleiter Pg. Dr. Dollinger, in Kirchdorf Kreisamtsleiter Pg. Brunner sprachen und den Werdegang der NSDAP. von ihrem kleinen Anfang bis zum großen Siege aufzeigten. Den Abschluß bildeten Dorfgemeinschaftsabende.“ (Tiroler Volksbote vom 13. November 1942, Seite 6).
Das Fest zum Gründungsgedenken der NSDAP-Ortsgruppe von Nassereith wurde Anfang Dezember 1942 über drei Tage hin begangen. Am Freitag, den 4. Dezember versammelten sich die „Gründer und alten Parteigenossen“, um die „bewährte Kampfgemeinschaft und Kameradschaft zu erneuern“. Zentraler Punkt des Samstags war ein typischer Dorfgemeinschaftsabend mit folkloristischen und sentimental anheimelnden Elementen.
„Heimatlieder und Volkstänze wechselten in bunter Reihe mit Schuhplattlern und Musikstücken ab. Besondere Aufmerksamkeit fand die Verlesung von Briefen von Frontsoldaten und die Erzählung aus der Dorfgeschichte über das Schicksal des Schlosses Fernstein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Rede des Gaupropagandaleiters Pg. Margreiter, der die Grüße des Gauleiters überbrachte.
Der Sonntag wurde eingeleitet durch eine Heldengedenkfeier, an der der Kreisleiter, die Politischen Leiter, die Parteigenossen, die Gliederungen der Partei, die angeschlossenen Verbände und die Standschützen teilnahmen. Die Ehrenplätze wurden von den Angehörigen der Gefallenen eingenommen. Abschnittsleiter Parteigenosse Gruber würdigte in seiner Ansprache die Opfer, die die toten Helden und ihre Angehörigen gebracht haben. Den Abschluß der Gründungsfeier bildete eine Versammlung der Partei- und Volksgenossen, zu denen der Kreisleiter Pg. Pesjak sprach.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 9. Dezember 1942, Seite 3).
Der hohe Politikfunktionär nützte die Gelegenheit zu einem propagandistisch wirkungsvollen Auftritt, indem er seinem Auditorium das unverzagte Verhalten der Gründungsmitglieder und alten Kämpfer als Ideal auch für politische Einstellung der Gegenwart vor Augen hielt: „Am Beispiel der Vorkämpfer, die vor zehn Jahren den Mut aufbrachten, diese Ortsgruppe ins Leben zu rufen und der Parteigenossen, die in der Verbotszeit starker Herzen bedurften, um den Glauben an das deutsche Volk nicht zu verlieren, zeigte der Kreisleiter die Haltung auf, welche die Heimat aufbringen muß, um ihren Beitrag zum Siege zu leisten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 9. Dezember 1942, Seite 3).
Aufgrund der Probleme in der Kriegsführung – der „Blitzkrieg“ kam im russischen Winter 1941/42 vor Moskau zum Stehen und die Wehrmacht verlor nach und nach die Initiative– organisierte die NSDAP eine Propagandaoffensive. Die Redner waren angewiesen, in den üblichen Versammlungen die Anwesenden mit optimistischen Darstellungen zu beruhigen. Dazu wurden spezifische, ganz auf Propaganda abzielende Veranstaltungen im ganzen Gaugebiet organisiert. Im Einsatz standen neben den hohen Politfunktionären entsprechend ausgebildete „Reichs-, Gau- und Kreisredner“. Die erste derartige Initiative startete im März 1942 der Kreis Reutte unter dem Motto: „Aufklärung bis ins letzte Dorf“. In allen 25 Ortsgruppen des Kreises fanden Parteiversammlungen statt, „welche von den Partei- und Volksgenossen sehr gut besucht waren. Außer dem Kreisleiter Pg. Höllwarth sprachen Gauredner sowie sämtliche Kreisredner über das heutige Zeitgeschehen und forderten die Partei- und Volksgenossen auf, in der Heimat noch mehr wie bisher ihre Pflichten zu erfüllen, um sich der Opfer unserer kämpfenden Soldaten würdig zu zeigen“ (Tiroler Volksbote vom 24. März 1942, Seite 4).
Im Propagandaeinsatz tätig war auch Norbert Wallner, der zu Beginn der NS-Herrschaft in Tirol höchste Ämter in der Kulturverwaltung kurzzeitig innehatte. Noch im Jahr 1938 wurde er jedoch nach Kitzbühel versetzt. In diesem Kreis erhielt er verschiedene Funktionen, etwa die eines Amtsleiters und die eines Schulinspektors. Norbert Wallner (1907 Silz-1976 Innsbruck) war ein Parteigenosse der ersten Stunde und ein überaus engagierter Gefolgsmann der Ideologie. Bei einer Versammlung der NSDAP in Itter am 8. Mai 1942 hielt er einen „längeren, fesselnden Vortrag über die Kriegslage und Kriegswirtschaft“. Im Pressebericht hierüber wird Wallner als „Kreisschulungsleiter“ genannt. Seine auf entsprechenden Schulungen erworbene Argumentationsweise wird klar geschildert (Tiroler Volksblatt vom 15. Mai 1942, Seite 3):
„Er ging aus von den ungeheuren militärischen Erfolgen unseres japanischen Bundesgenossen zu Lande wie zur See. Deutschlands Kampf schuf in den ersten beiden Kriegsjahren die Grundlage für den Siegeszug der Japaner durch starke Schläge gegen die britische Kriegsflotte, durch die weitgehende Vernichtung britischer und amerikanischer Handelstonnage, durch die Bindung starker anglo-amerikanischer Seestreitkräfte im Atlantik und im Mittelmeer und endlich durch die weitgehende Vernichtung der bolschewistischen Streitkräfte, des furchtbarsten Feindes, in gigantischen Kesselschlachten (den hier gemachten rund 5 Millionen Gefangenen entspricht eine viel größere Zahl gefallener Sowjetarmisten). Der unerbittliche grausame Vernichtungswille des Bolschewismus liegt klar zutage. Die Weltrevolution sollte den Erdball in ein einziges ‚Sowjetparadies’ verwandeln. Kulturen, Besitz, Wohlstand, Glück und Hekatomben von Menschenleben sollten für immer vernichtet werden. Daher blieb dem Führer keine Möglichkeit zu Verhandlungen und Verträgen, es blieb nur die harte Auseinandersetzung mit den Waffen. In seinen interessanten Ausführungen verglich der Redner die Offensive der Achsenmächte mit den schwächlichen Offensivversuchen der Briten, wies hin auf ihre beiden ohnmächtigen Landungsversuche in Nordfrankreich, auf den räuberischen Ueberfall auf die fast ungeschützte Insel Madagaskar, Besitz ihres einstigen Freundes und Waffengefährten Frankreichs. Die Erfolge der Achsenmächte bieten uns die Gewähr für den siegreichen Endkampf, der in Kürze teils mit verbesserten und neuen Waffen beginnt. Die Freundschaft des Reiches mit seinen Verbündeten verpflichtet Deutschland, die minder gut versorgten Bundesgenossen aus den deutschen Vorräten zu unterstützen. Darum besteht die Ehre des Bauern darin, das Höchste zu leisten in seinem Erzeugungskampf, den Mangel an Arbeitskräften zu überbrücken durch Hilfe und Beistand wo es nottut, der Hamsterei keinen Vorschub zu leisten und nur dem Gemeinwohl zu dienen. Der Redner erntete den begeisterten Beifall der Versammlung.“
Der Innsbrucker Kreisleiter Dr. Primbs versicherte sich wiederholt bei seinen in „zahlreichen Ortsgruppen“ einberufenen „Gemeinschaftsappellen“ der ungebrochenen Gefolgschaftstreue der „Volksgenossen“. Diese Versammlungen sollten vor allem der „Aufgabe dienen, der Bevölkerung für die kommende Arbeit die weltanschauliche Ausrichtung zu geben“. „Die einzelnen Ortsgruppen wetteiferten in der Durchführung dieser, die Gemeinschaft zusammenfassenden Appelle. Ueberall waren die Politischen Leiter, die Gliederungen der Partei, die Standschützen und ihre Musikkapellen angetreten. Bauern und Bäuerinnen waren auch von den entferntesten Höfen erschienen und scheuten selbst stundenlange Wege nicht. So wurden die Appelle zu Kundgebungen der Tatbereitschaft ebenso wie des Vertrauens der gesamten Bevölkerung zu ihrer in die Hoheitsträger der Partei verkörperten politischen Führung.“ Dieser Bericht (Tiroler Volksbote vom 29. Mai 1942, Seite 3) informiert auch, dass es „trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten fast überall gelungen“ sei, „spielfähige Standschützenmusikkapellen aufzustellen“.
Die meisten Propagandaeinsätze hatten die Funktion, „Siegeszuversicht“ zu verbreiten. Die Glaubwürdigkeit sollte dadurch erhöht werden, indem ausgezeichnete Helden der Front als Redner auftraten.
„Am 11. Juni 1942 traf in Thiersee der Eichenlaubträger zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes Staffelkapitän Oberleutnant Adolf Dickfeld [(1910-2009)] aus Breslau mit Familie als Sommergast zur Erholung ein. Noch am Abend des gleichen Tages wurde er vom Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Pg. Michael Ellinger willkommen geheißen. Die Standschützenmusikkapelle von Thiersee in ihrer neuen Tracht brachte dem Eichenlaubträger ein Ständchen, wobei das JV. [Jungvolk] und die JM. [Jungmädel] ihm Blumen überreichten.“ (Tiroler Volksblatt vom 19. Juni 1942, Seite 4). „Auf Einladung der Ortsgruppe“ hielt „Oberleutnant Dickfeld“ dann am 21. Juni im „Volksspielhaus in Vorderthiersee“ einen Vortrag über „Kriegserlebnisse“.
Bei einer öffentlichen Versammlung der NSDAP in Mayrhofen sprach im September 1942 „Gauredner Pg. Pattiß über den unvergleichlichen Siegeszug“ der Wehrmacht und von der baldigen erfolgreichen Beendigung des Krieges. Mit dieser optimistischen, die tatsächliche Kriegslage verfälschenden Darstellung, dennoch für „überzeugende Ausführungen“ erhielt der Redner „lebhafte, von unverbrüchlicher Siegeszuversicht getragene Zustimmung“ (Tiroler Volksbote vom 25. September 1942, Seite 6).
Bei einer „gut besuchten Ortsgruppenversammlung“ in Reutte verbreitete „Kreisleiter Pg. Höllwarth“ hoffnungsvolle Stimmung. Sein Vortragsthema lautete: „Der Sieg ist uns gewiss“ (Tiroler Volksbote vom 20. Oktober 1942, Seite 4).
Zu einer Kreisarbeitstagung berief der Kufsteiner Kreisleiter Hans Ploner sämtliche Ortsgruppenleiter sowie die Kreishauptamtsleiter nach Alpbach, „um seinen Politischen Leitern den Sinn und die Bedeutung des Gemeinschaftsaufbaues am Beispiel dieses Bergdorfes klarzulegen“. Nachdem hierbei die Volkskultur eine zentrale Funktion einnahm, war Karl Horak als Gastredner anwesend. Er referierte über Volkslieder und Volkstänze. Real erlebbar wurden seine Ausführungen bei einem anschließenden „Kameradschaftsabend“ mit Vorführungen der Alpbacher Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes. Selbstverständlich nahmen die Politischen Leiter der Ortsgruppe Alpbach am Festabend teil (Tiroler Volksbote vom 4. September 1942, Seite 6).
Die Propagandainitiative erreichte im Dezember 1942 ihren Höhepunkt. Die Innsbrucker Nachrichten vom 9. Dezember 1942 berichten auf Seite 3 über die Organisation und teilen die Namen der zahlreichen Redner mit:
„In den Tagen vom 10. bis 13. Dezember finden gleichzeitig in Hunderten von Ortsgruppen des Gaues Versammlungen der NSDAP. statt. Hoheitsträger der Partei sowie zahlreiche Reichs-, Gau- und Kreisredner werden den Volksgenossen in Stadt und Land das Zeitgeschehen nahe bringen und sie über die großen politischen und militärischen Zusammenhänge des großdeutschen Freiheitskampfes unterrichten.
Bis in die kleinsten und entlegensten Ortsgruppen des Gaues erstreckt sich diese Aufklärungstätigkeit der Partei, die jedem Volksgenossen die Erkenntnis vermitteln wird, daß das Einzelschicksal vom Gesamtgeschehen im Lebenskampf unseres Volkes nicht zu trennen, jeder einzelne mit seinem Wirken und Schaffen unlöslich mit der Gemeinschaft aller Deutschen verbunden ist und demgemäß die Haltung jedes einzelnen Volksgenossen ein Beitrag zum Siege sein muß […].“ Im Kreis Kitzbühel war für Donnerstag, den 10. Dezember 1942, der Redeeinsatz von „Kreisamtsleiter Pg. [Norbert] Wallner“ in Schwendt bestimmt worden.
Kameradschaftsabende
bildeten vielfach den geselligen Abschluss politischer Versammlungen. Bei einem Kameradschaftsabend in Reutte anlässlich einer Kreisarbeitstagung im April 1942 in Anwesenheit des Stellvertretenden Gauleiters „wurden volkstümliche Lieder gesungen sowie schöne Farblichtbilder aus dem Kreis Reutte gezeigt“ (Tiroler Volksbote vom 24. April 1942, Seite 3).
Der Bericht von einem Kameradschaftsabend in Wörgl in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Jänner 1942, Seite 4, gibt eine Vorstellung über die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung solcher Anlässe in atmosphärischer Heiterkeit, über die Parteiinteressen unterschwellig transportiert werden konnten:
„Im reichgeschmückten Astner Saal fand in Anwesenheit der Vertreter der Partei und der Wehrmacht kürzlich ein Kameradschaftsabend statt. Lange vor Beginn des Festabends war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Nach einem von der Musikkapelle eines Gebirgsjägerregiments gespielten Marsch sprach Ritterkreuzträger Major Esch die Begrüßungsrede. Der Sprecher gab seine Freude über den herzlichen Empfang zum Ausdruck, der seiner tapferen Mannschaft zuteil wurde. Ortgruppenleiter Gschöpf überbrachte die Grüße der Marktgemeinde und sprach in tief empfundenen Worten über den Sinn der Kameradschaft und des schönen Einvernehmens zwischen Soldat, Front und Heimat. Große Heiterkeit riefen die humoristischen Vorträge mehrerer Soldaten hervor. Großen Beifall ernteten auch die Gesangseinlagen, die von einzelnen Truppen zum Vortrag gebracht wurden. Auch der Bund Deutscher Mädel hat zur Verschönerung des Festes mit der Aufführung eines Walzerreigens im Scheinwerferlicht beigetragen. Helle Freude und Beifallstürme belohnten diese ganz vortrefflich zur Aufführung gebrachte Programmnummer. Eine für das Kriegs-Winterhilfswerk angesetzte Musikversteigerung brachte ein überraschendes Ergebnis. Es war förmlich ein Wetteifern für die von der Musikkapelle zu Gehör gebrachten Musikstücke.“
Heldengedenktag und Heldenehrung
In die Feier des Heldengedenktags, der ursprünglich ausschließlich der Erinnerung der Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges und der „Toten der Bewegung“ galt, wurde mit Fortdauer des aktuellen Kriegs auch der vielen neu gefallenen Soldaten gedacht. Diese Zeremonien fanden traditionell am zweiten Sonntag im März statt. Für einzelne Gefallene veranstalteten die Ortsgruppen jeweils eigene „Heldenehrungen“, die formal weitgehend dem Ablauf des Heldendenktages entsprachen. Beide Anlässe wurden wiederum für Propagandazwecke genützt. „Bürgermeister Pg. Kapfinger“ in Unterlangkampfen forderte 1942 am Heldengedenktag vor dem „Ehrenmal“ „in markigen Worten“ die Versammelten, unter ihnen Abordnungen der Politischen Leiter, der SA, des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps und weiterer Parteiorganisationen und viele Volksgenossen, auf, „unserem Führer Treue zu bewahren, um den Erbfeind restlos in die Knie zu zwingen“. Die „Weihestunde“ wurde mit einem dreifachen „Sieg-Heil!“ auf den „Führer“ beschlossen, nachdem zuvor unter den Klängen des Liedes vom „Guten Kameraden“ Kränze niedergelegt worden waren (Tiroler Volksblatt vom 20. März 1942, Seite 4).
In Kramsach fand der „Ortsgruppenleiter Pg. Gutmann“ nach dem feierlichen Fahneneinmarsch und der Kranzniederlegung „erhebende Worte für die im Kampf für Führer und Vaterland gefallenen Kameraden, die in den Schwur treuer Gefolgschaft und williger Opferbereitschaft ausklangen“. Mit dem „Gruß an den Führer und den Liedern der Nation“ endete die Feier. Im Kriegerfriedhof hatten sich „Politische Leiter, alle Parteiformationen und Gliederungen und eine große Volksmenge“ versammelt (Tiroler Volksblatt vom 20. März 1942, Seite 4).
Eine aufwändige und folglich propagandistisch besonders effiziente Heldengedenkfeier beging die NSDAP am Grabmal der Gefallenen im städtischen Park der Kreisstadt Kitzbühel am 15. März. Sie „glich einer ergreifenden, wirkungsvollen Kundgebung“, meldet das Tiroler Volksblatt vom 20. März 1942, Seite 4).
„Vor dem Landratshause sammelten sich die Gliederungen der Partei einschließlich der NSKOV. [Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung], des NSRKB. [Nationalsozialistischen Reichskriegerbund], der Helfer und Helferinnen des DRK. [Deutschen Roten Kreuzes], der HJ. [Hitler-Jugend] und des BDM. [Bundes Deutscher Mädel] und marschierten unter Klängen der Standschützen-Musikkapelle zur Aufstellung vor das Grabmal, wo auch die Angehörigen bereits Platz genommen hatten. Ein Trauerchoral leitete die Heldengedenkfeier ein, worauf Kreisleiter Pg. Merath in ergreifenden Worten der gefallenen Helden des derzeitigen Krieges und des Weltkrieges gedachte und eindrucksvoll auf den zu jedem Verbrechen fähigen Haß der Bolschewisten und Plutokraten hinwies. Während des von der Musik intonierten Liedes ‚Ich hatt’ einen Kameraden’ [Text: Ludwig Uhland, 1809; Melodie: Friedrich Silcher, 1825] erfolgte die Kranzniederlegung, und mit den Liedern der Nation [Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied] endete die eindrucksvolle Heldengedenkfeier, worauf der geschlossene Aufmarsch zur Kriegerkapelle der Gefallenen des Weltkrieges erfolgte und mit der Kranzniederlegung die Ehrung beendet wurde. Nach erfolgtem Rückmarsch durch die Stadt erfolgte beim Landratshaus die Auflösung der Formationen.“
Wie in den meisten anderen Ortsgruppen trug auch in Itter die örtliche Musikkapelle zu einem „würdigen“ Verlauf bei:
„Auf dem Festplatz marschierte unter Vorantritt der Musikkapelle Itter die von Pg. Hans Savoy neu organisierte HJ. auf, gefolgt von der Ortsgruppe des NS.-Reichskriegerbundes, deren Kameradschaftsführer gleichfalls Pg. Savoy ist.“ Das weitere Zeremoniell mit Ansprachen, Kranzniederlegungen und weihevoller Musik entsprach der üblichen Form eines zentral verordneten Gedenkrituals: „Nach Eröffnung der Feier durch den Ortsgruppenführer Pg. Bürgermeister Fuchs und Gedicht- und Liedvorträgen Itterer Kinder ergriff der Ortsgruppenführer Pg. Titze (Hopfgarten) das Wort zu einer Festrede, in der er das Heldentum des deutschen Soldaten feierte, das die Heimatfront verpflichtet, sich ihrer gefallenen Helden durch vollen Einsatz in getreuester Pflichterfüllung würdig zu erweisen. Drei Böllerschüsse grüßten die im Kampfe gegen den Bolschewismus gebliebenen Söhne Itters. Würdige Trauermusik der Itterer Musikkapelle unter ihrem Dirigenten Kaspar Ager erhöhte die Feierstimmung, das Lied vom guten Kameraden verfehlte seine ergreifende Wirkung nicht. Zum Abschluß der Feier erklangen das Deutschlandlied und das Kampflied der Bewegung […].“ (Tiroler Volksblatt vom 20. März 1942, Seite 4).
Beim Heldengedenktag in Kufstein stand die Heldenorgel im Mittelpunkt. Am 15. März 1942 ging am Platz vor der Heldenorgel eine militärische Gedenkfeier in „einfacher und würdiger Weise“ in Szene. Klänge der Heldenorgel mit dem Lied vom Guten Kameraden bildeten den akustischen Hintergrund zur feierlichen Kranzniederlegung der Wehrmacht. Diese nahm der „Standortälteste Kufstein in Begleitung des Landrates, der in Vertretung des erkrankten Kreisleiters erschienen war“ vor (Tiroler Volksblatt vom 18. März 1942, Seite 3).
Ursprünglich wurden „Heldenehrungen“ in den Ortsgruppen für jeden einzelnen Soldaten abgehalten. Mit der steigenden Intensität und Brutalität des Krieges, insbesondere an der Ostfront, wurde es vor allem in größeren Gemeinden und Städten notwendig, die Gedenkfeiern in bestimmtem periodischem Abstand für jeweils eine Gruppe von Gefallenen zu begehen. Von einer solchen Heldenehrung in Kirchbichl bringt das Tiroler Volksblatt vom 29. April 1942, Seite 4, folgende Schilderung:
„Am vergangenen Sonntag [27. 4. 1942] fand am hiesigen Kriegerdenkmal die Heldenehrung für die in soldatischer Pflichterfüllung für Führer und Volk im Kampf gegen den Bolschewismus gefallenen Kirchbichler Gefreiter Jakob Rabl, Gefreiter Adolf Traven, SS-Rottenführer Johann Zwicknagl und Gefreiter Franz Filler statt. Zu dieser Feier, zu der der Ortsgruppenleiter die Hinterbliebenen der Gefallenen eingeladen hatte, waren Marschblöcke der Politischen Leiter, der Formationen der Partei, der NSKOV. und des NS.-Reichskriegerbundes auf dem Platz vor dem mit Hakenkreuzfahnen geschmückten Kriegerdenkmal aufmarschiert. Außer dem BDM. und der NS.-Frauenschaft fand sich auch die übrige Bevölkerung Kirchbichls sehr zahlreich ein. Nach dem Aufmarsch der Fahnen, einem von einem Polit. Leiter gesprochenen Gedicht ‚Unseren Toten’ und dem von der Standschützenkapelle vorgetragenen Gebet vor der Schlacht ergriff der Ortsgruppenführer Pg. Tröstner das Wort zu einer Ansprache. Er wies in eindringlichen Worten darauf hin, daß nur durch den heldenmütigen Einsatz deutscher Männer das Dasein unseres Volkes bis auf unsere Tage sichergestellt werden konnte. Auch in diesem uns aufgezwungenen Schicksalskampfe sei es nur dem Heldenmut und der Opferbereitschaft unserer Soldaten zu verdanken, wenn alle unsere Gegner mit vernichtender Wucht geschlagen wurden. Deutschland und dem deutschen Volke haben diese Tapferen mit ihrem Blute die Zukunft gerettet. An die Hinterbliebenen richtete der Ortsgruppenleiter warme Worte der Anteilnahme und würdigte die Größe ihres Opfers. Er ermahnte alle Volksgenossen, das Vermächtnis derer zu erfüllen, die für die Größe und Freiheit Deutschlands starben, und forderte sie zur Pflichterfüllung und Opferbereitschaft bis an die Grenze des Möglichen auf. Unter den Klängen des Liedes vom Guten Kameraden wurden hierauf die Kränze niedergelegt.“
Die Phrasen vom „aufgezwungenen Schicksalskampf“ und der Ermahnung der Volksgenossen zu „Pflichterfüllung und Opferbereitschaft“, entsprechen dem Muster einer zentral verordneten Propagandarhetorik, die nahezu bei allen diesen Zeremonien typisiert gebraucht wurde. So hob auch der Ortsgruppenleiter von Kirchbichl, „Parteigenosse“ Tröstner, als Festredner bei der Heldenehrung von mehreren „im Kampf mit dem Bolschewismus“ gefallenen Soldaten, in „eindrucksvoller Weise die Dankesverpflichtung hervor, die die Heimat dem Opfer ihrer besten Söhne schuldet“. Die Standschützenkapelle hatte musikalisch die Feierstunde „umrahmt“ (Tiroler Volksbote vom 1. Mai 1942, Seite 4).
Die Standschützenkapelle Erl beteiligte sich ebenfalls, wie in anderen Gemeinden üblich, am weihevollen Festakt der Heldenehrung. Die dem Gedenken der „an der Ostfront gefallenen Kämpfer“ gewidmeten Feier wurde hier mit einem „Treuegelöbnis an den Führer“ beendet (Tiroler Volksbote vom 16. Oktober 1942, Seite 5).
Von der Heldengedenkfeier in Schlitters weiß der Tiroler Volksbote vom 11. September 1942, Seite 5:
„Für die im gegenwärtigen Krieg gefallenen Helden aus Schlitters veranstaltete die Ortsgruppe der NSDAP. eine erhebende Feier. Neben den Angehörigen der Gefallenen erschienen die Politischen Leiter mit Fahne, die Gliederungen der Partei, eine Abordnung der NSKOV., die hier auf Urlaub weilenden Soldaten, die Standschützenkapelle, die Maiden des RAD.-Lagers Schlitters, Vertreter der Feuerwehr und der Großteil der Bevölkerung. Im sinnvoll geschmückten Raum hing für jeden Gefallenen ein Eichenkranz mit seinem Namen. Um die feierliche Ansprache und die Heldenehrung durch den Ortsgruppenleiter gruppierten sich Lieder und Gedichtvorträge, mit dem Lied vom GutenKameraden klang die Feier aus.“
„Sein Heldentod ist uns Verpflichtung“, so schließt mahnend der Bericht von einer Heldenehrung für einen im „Kampfe gegen den Bolschewismus“ gefallenen Unteroffizier in Hart im Zillertal (Tiroler Volksbote vom 10. Februar 1942, Seite 3). Unmittelbar vorangegangen war dieser Zeremonie das Begräbnis einen NS-Funktionärs: „Am Sonntag, 1. Februar, wurde in Hart der Ortsgruppen-Schulungsleiter der NSDAP., Pg. Alfred Kreutner, der gleichzeitig Ortsschützenmeister und Ortsobmann der DAF. war, zu Grabe getragen. Aus der ganzen Umgebung waren die Kämpfer des Führers zusammengekommen, um ihrem Kameraden das letzte Geleite zu geben. Würdig und schweigend bewegte sich der Zug, an dessen Spitze ein Fahnenblock sowie große Abordnungen Politischer Leiter und die Formationen marschierten, durch den winterlichen Wald dem Ortsfriedhof zu. Am Grabe dankte der Kreisschulungsleiter Pg. Auer dem allzu früh aus seinem Schaffen gerissenen Parteigenossen für seine immer wieder bewiesene aufopfernde und freudige Mitarbeit und legte im Namen des Kreisleiters einen Kranz nieder. Während die Standschützenkapelle das Lied vom Guten Kameraden spielte, senkten sich die Fahnen der Bewegung zum letzten Gruß.“
Standschützenkapellen begleiteten mit weihevollen Klängen zum Beispiel auch die Gedenkfeien für einzelne gefallene Frontkämpfer in Sautens (Tiroler Volksbote vom 30. Jänner 1942) oder Fügen (Tiroler Volksbote vom 4. Dezember 1942, Seite 6).
Wehrmachtsbetreuung
Die Wehrmachtsbetreuung verfolgte einerseits die Strategie, die an der Front eingesetzten Soldaten in den Kampfpausen vor allem mit kulturellen Aktivitäten zu beschäftigen, anderseits waren ihre Unternehmungen den Verwundeten in den Lazaretten gewidmet und dienten so ebenfalls vor allem der psychologischen Kriegsführung. Für die Unterhaltung der Soldaten sorgten besonders die zahlreichen Wehrmachtssender mit zumeist eingänglicher Musik und amüsanten Darbietungen bekannter Kabarettisten. Die Soldaten wurden von Zentralstellen nicht nur mit Radioapparaten und Schallplattenspielern versorgt, es konnten sogar Schallplattenkontingente für ganze Einheiten angefordert werden. Unter dem Titel „Die Schallplatte im Kriegseinsatz“ berichten die Innsbrucker Nachrichten vom 17. März 1942, Seite 4 vom gewaltigen Erfolg dieser Initiative. Diese Maßnahmen zur Förderung der Soldatenmoral verursachten allerdings Einschränkungen am heimischen Markt:
„[…] Der hier kurz umrissene Kriegseinsatz der Musikschallplatte verlangt Verständnis dafür, daß nicht jeder Schallplattenfreund in der Heimat heute in ein Spezialgeschäft gehen kann, um dort, wie im Frieden, seinen Schallplattenbedarf zu decken. Der zur Herstellung der Schallplatte erforderliche Rohstoff und die verhältnismäßig wenigen auf diesem Gebiete noch beschäftigten Arbeitskräfte müssen in erster Linie zur Befriedigung der Wünsche und Bedürfnisse unserer Soldaten eingesetzt werden.“
Neben der üblichen medialen kulturellen Versorgung der Soldaten gab es eine Vielzahl von Aktivitäten im direkten Kontakt mit angereisten Künstlern. Ein Beispiel aus dem Gaugebiet dafür ist die „Wehrmachtsbetreuungsfahrt“ des Collegium musicum der Innsbrucker Universität, die auf Einladung des Oberkommandos der Kriegsmarine im Herbst 1941 durchgeführt worden war. Die Absicht der Unternehmung erklärt Professor Dr. Wilhelm Ehmann, Vorstand des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Innsbruck und Gründer des Collegium musicum, in einem Rückblick:
„Es galt, unseren Soldaten die Zeit der Ruhe sinn- und kunstvoll zu verkürzen und ihnen von dem reichen musikalischen Kulturgut unseres Volkes Proben zu vermitteln, die dem jeweiligen Zuhörerkreis und der besonderen Lange angepasst waren.“ Im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 5. März 1942 berichtete Professor Ehmann dann ausführlich über „Erlebnisse und Erfolge dieser Fahrt“:
„[…] Der Abend, an dem auch Rektor Magnifikus Prof. Dr. [Harold] Steinacker teilnahm, gab nicht nur einen Ueberblick über die Fahrtergebnisse, sondern auch ein schönes Bild von dem musikalisch-kulturellen Wirken dieser kunstbegeisterten Schar.
Nach der einleitenden Ouvertüre von Telemann folgte ein Begrüßungschor, worauf Fräulein [Gertrud?] Ebers zwei Goethe-Lieder, Wanderers Nachtlied und Vanitas, vanitatum vanitas in der Vertonung Zelters sang.
Daran schloß sich der Bericht Prof. Ehmanns, der von dem vorbereitenden Lager am Achensee ausging und nicht nur die musikalischen Leistungen, sondern auch die enge menschliche und kameradschaftliche Bindung zwischen den Mitgliedern hervorhob.
Mit besonderer Wärme gedachte Professor Ehmann in seinem humorgewürzten Bericht der Reise an die Front und ihrer überwältigenden Eindrücke. Sinn und Wert solcher kultureller Betreuung wird natürlich von verschiedenen Stellen sehr verschieden beurteilt. Der Erfolg der Fahrt hat aber dem leitenden Gedanken Recht gegeben, der eine möglichst abwechslungsreiche, den jeweiligen Verhältnissen gut angepaßte Vortragsfolge von Instrumental-Musik, Solo-Gesang, Chören, darunter besonders volkstümlichen alpenländischen Motiven, dann von Laien-Spielen und Mundartdichtung plante, die dann auch durchgeführt wurde.
Von besonderer Wichtigkeit war die durch die musikalischen Darbietungen angebahnte anregende Wirkung auf die Soldaten zur eigenen musikalischen Betätigung. So entstanden bald wechselseitige Liedvorträge, die nicht nur den Soldaten das Kulturgut der Heimat, sondern auch den Innsbrucker Musikern das soldatisch-volkstümliche Lied in seiner vollen Ursprünglichkeit vermittelten. Eine Reihe von Lichtbildern beschloß den zusammenfassenden Bericht Professor Ehmanns, der von den Zuhörern mit lebhaftem Beifall bedankt wurde.
Es folgten zwei Soldatenchöre, die das eben erwähnte Zusammenwirken deutlich machten: ‚I bin Soldat’ und ‚Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren’. Einige Jodlerlieder bewiesen die enge Verbundenheit der Darbietungen mit dem heimischen Volksgut.
Bei den Frontsoldaten und auch im Rahmen dieses Abends fanden die Vorträge des Fräulein Dora Fenz aus heiterer Tiroler Mundartdichtung besonderen Beifall. Zum Schluß spielte das Orchester eine Symphonie Friedrichs des Großen.
In nächster Zeit wird das Innsbrucker Collegium musicum, gestützt auf die Erfahrungen und Erfolge der ersten Fahrt, neuerdings zur musikalischen Betreuung unserer Frontsoldaten ausziehen. Wir wünschen unseren kunstbegeisterten Innsbrucker Musikern und ihrem Leiter auch für diese Fahrt recht viel Glück und Erfolg im Dienst deutscher Volkskunst.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 7. März 1942, Seite 4 f.).
Soldaten wurde offensichtlich das Puppenspiel nahegebracht, passiv wie aktiv, „wegen des guten Erfolges“: „[…] Für die in ruhigen Stellungen liegenden Angehörigen der Wehrmacht wurden Anleitungen für das Handpuppenspiel und für die Herstellung von Handpuppenbühnen herausgegeben, die von den Frontpuppenbühnen unter den Soldaten zur Verteilung gelangen. Kraft durch Freude arbeitet dabei, wie auch sonst in der Truppenbetreuung, zusammen mit den zuständigen Stellen des Oberkommandos der Wehrmacht und des Reichspropagandaministeriums.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Jänner 1942, Seite 5).
Im Sinne der Wehrmachtsbetreuung erfuhr unter psychologischer Rücksichtnahme auf die Frontsoldaten das bestehende Tanzverbot eine Verschärfung: „Der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei hat mit Rücksicht auf die schweren Abwehrkämpfe an der Ostfront und auf Wunsch zahlreicher Frontsoldaten das bestehende Tanzverbot auch auf Tanzlustbarkeiten von Tanzstundenzirkeln von Vereinen und vereinsähnlichen Zusammenschlüssen ausgedehnt, auch wenn diese nicht öffentlich sind. Verboten sind weiter sämtliche Tanzveranstaltungen von Tanzschulen mit Ausnahme von reinem Tanzunterricht. – Damit trifft diese Polizeiverordnung auch alle Versuche, durch nichtöffentliche, vereinsmäßige Zusammenschlüsse das bestehende Tanzverbot zu umgehen.“ (Tiroler Volksbote vom 27. Jänner 1942, Seite 3).
Für die kulturelle Betreuung der verwundeten Soldaten gab es Unterhaltungsprogramme in den Lazaretten, die oft von der Jugend gestaltet wurden, etwa ein „heiterer Heimatabend“ am 5. Mai 1942 in einem Innsbrucker Lazarett. Ausführende waren Schüler und Schülerinnen der Innsbrucker Lehrerbildungsanstalt auf Initiative der Landesbildstelle Alpen-Nord unter ihrem Leiter Thorby Wörndle. Man hatte sich mit dieser Aktion vorgenommen, den in der Gauhauptstadt zur Genesung weilenden Soldaten „mit der Vermittlung heimatlichen Brauchtums“ einen „Begriff von der Eigenart der Heimat“ zu geben:
„[…] Gesang, Spiel und Tanz wechselten so geschickt ab, daß die dankbaren Zuhörer immer wieder von neuem angeregt und erfreut wurden. Ob der Mädelchor der Lehrerinnenbildungsanstalt herzfrische echte Volkslieder sang oder ob Pölls unvergleichliche Lieder im Tiroler Volkston von einer einzelnen Sängerin vorzüglich gebracht wurden, ob der Knabenchor der Lehrerbildungsanstalt Lützows wilde verwegene Jagd [Text: Theodor Körner 1813, Musik: Carl Maria von Weber 1814] und den Glocken-Jodler erklingen ließ, immer wieder gewann das Lied, besonders das in der Mundart gesungene, die Herzen.
Von der hervorragenden musikalischen Ausbildung unserer Jugend zeugten außer einem Blockflötenterzett der Lehrerinnenbildungsanstalt das ausgezeichnete Handharmonika-Duo der Innsbrucker Gamsböckln, die außerdem in ihrer lebfrischen Art eine Reihe von urwüchsigen Volkstänzen und Schuhplattlern, u. a. ’s Mühlradl, Die Holzhacker-Buam, [den] Tiroler Figurentanz und den Rattenberger Tanz zur besonderen Freude der Zuschauer vorführten.
Wenn wir noch die heiteren freien Mundartvorträge eines Jungen und das malerische Fahnenschwingen am Schluß erwähnen, so ist die reichhaltige Darbietung im wesentlichen gekennzeichnet. Art und Durchführung der einzelnen Vorführungen haben nicht nur ihren erheiternden und unterhaltenden Zweck erreicht – das bewies der immer wieder von neuem einsetzende stürmische Beifall –, sondern auch gezeigt, mit welcher Liebe und Sorgfalt unsere Jugend von den berufenen Lehrkräften in Sinn und Geist heimatlichen Brauchtums eingeführt wird.“ Der Veranstalter, die Landesbühne Alpen-Nord, führte dazu noch einen Farbfilm vor, „der das buntbewegte Treiben anläßlich des Gauappells und des Gauschützenfestes in Innsbruck 1941 in prächtigen Bildern vor Augen führte, die den vollen Reiz der Volkstrachten, Schützenkompanien und Musikkapellen mit den fahnenüberwallten Formationen der Bewegung verbanden“ (Innsbrucker Nachrichten vom 7. Mai 1942, Seite 4).
Der Bund Deutscher Mädel als Organisation der Hitler-Jugend veranstaltete wenige Tage später, am 8. Mai 1942, einen „fröhlichen Abend“ für die Verwundeten eines Innsbrucker Lazaretts: „[…] Bald erfüllte fröhliche Stimmung den großen Saal und die Verwundeten verfolgten mit Anteilnahme und Freude die Darbietungen der Mädel. Zwischen den einzelnen Gesangsvorträgen führten die Mädel Tänze vor. Neue Lieder wurden gelehrt, die bald auch von den Soldaten mit Begeisterung mitgesungen wurden. Ein lustiges Laienspiel Die kluge Bauerntochter sorgte für richtigen Humor. Dann spielten wieder Geigen, Flöten und Klampfen. Im Fluge eilten die Stunden vorüber. Der diensthabende Arzt des Lazaretts dankte im Namen der Verwundeten für die schönen und frohen Stunden. Aus den Augen jedes einzelnen Soldaten konnte man lesen, daß dieser fröhliche Abend wirklich allen Freude und frohe Unterhaltung gebracht hatte. Mit dem schönen Lied Gute Nacht, Kameraden, das alle mitsangen [Text und Musik: Hans Baumann, 1938], schloß der bestgelungene Abend.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 11. Mai 1942, Seite 3).
Der Innsbrucker Kreisleiter Dr. Primbs lud im Oktober 1942 Verwundete aus Lazaretten seiner Stadt zu einer Vorführung des Terra-Films Fronttheater in die Kammerspiele ein: „[…] Kopf an Kopf reihten sich die Feldgrauen, um im Film noch einmal zu sehen, was vielen von ihnen in den eroberten Gebieten in Nord und Ost, West und Süd schon einmal in Wirklichkeit gegenübergetreten war. Das Fronttheater, ein gewaltiges Aufgebot von Künstlern aller Gruppen, die den kämpfenden und Wache haltenden Truppen im Feindesland Erholung und Entspannung, Freude und Frohsinn bringen und durch ihren erfolgreichen Einsatz eine lebendige Brücke zwischen Front und Heimat schlagen […]“ (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Oktober 1942, Seite 6).
Am 22. Dezember 1942 fanden in den Innsbrucker Lazaretten Weihnachtsfeiern statt. Im „Lazarett A“ wurden die schwer verwundeten, noch bettlägerigen Soldaten versorgt. Dorthin begab sich Kreisleiter Dr. Primbs persönlich und überbrachte die „Weihnachtsgrüße des Gauleiters und der Partei“, ferner „Pakete mit Liebesgaben“. Schwestern hatten die Zimmer weihnachtlich geschmückt. Eine Sängergruppe der NS-Schwesternschaft erfreute mit Weihnachtsliedern. Für die gehfähigen Verwundeten des „Lazaretts B“ gab es im Gemeinschaftssaal eine „Feierstunde“, die eine „Orchesterspielschar“ der Hitler-Jugend musikalisch umrahmte. Der Kreisleiter überreichte den Soldaten Weihnachtgeschenke. „Oberstfeldarzt Dr. Seefeldner dankte in seiner Ansprache für die unermüdliche Betreuung durch die Partei, besonders der Frauenschaft der Innsbrucker Ortsgruppen, die keine Mühe scheuten, um sich Woche für Woche das ganze Jahr über unserer verwundeten Soldaten anzunehmen. Vor allem galt der Dank im Namen der verwundeten Soldaten dem Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer und dem Kreisleiter Dr. Primbs […].“ (Innsbrucker Nachrichten vom 24. Dezember 1942, Seite 4).
Eine Sonderform der Soldatenbetreuung war die Einladung von Gemeinden für rekonvaleszente Verwundete zu einem Gastbesuch. Mit welch herzlicher Anteilnahme seitens der Ortsbevölkerung eine solche Aktion durchgeführt wurde, zeigt ein Bericht im Tiroler Volksboten vom 25. September 1942, Seite 6, wenngleich die Darstellung des berührenden Ereignisses vermutlich nicht ohne propagandistischen Seitenblick erfolgte: „Am Dienstag kamen etwa hundert Verwundete eines Reservelazarettes auf einem Tagesausflug nach Mayrhofen. Am Bahnhof wurden sie von der Mayrhofener Jugend mit Gesang und Blumen begrüßt und hierauf vom Ortsgruppenleiter und vom Kameradschaftsführer der NSKOV. [Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung] empfangen. Das anschließende Frühstück wurde durch mit sichtlicher Freude aufgenommene Volksliedervorträge heimischer Sänger verschönt. Nachher kamen die Hausfrauen, um sich je einen Verwundeten als Ehrengast zum Mittagessen zu holen. Manche mußten aber zu ihrem Leidwesen allein nach Hause gehen; die Mayrhofener Familien hatten mehr Tische gedeckt, als benötigt wurden. Für Nachmittag waren die Verwundeten zu kameradschaftlichen Zusammenkünften geladen. Als sie am Bahnhof aus die Rückreise antraten, fanden sich wieder zahlreiche Volksgenossen ein, um sich herzlich zu verabschieden. Die gastliche Aufnahme und den schön verlaufenen Ausflug werden die verwundeten Kameraden in angenehmer Erinnerung behalten.“
Aktivitäten der Hitler-Jugend
Die 1941 kurzfristig angesetzte und daher vielfach noch improvisierte neue HJ-Festivität Verpflichtung der Jugend wurde 1942 konsequent und organisatorisch durchgebildet fortgeführt. Für die Festtage der Jugend wurden von oberster Reichsinstanz (Martin Bormann) Richtlinien zu deren Vorbereitung und Durchführung verfügt, die fortan für die Organisation der HJ vereinheitlichend drei besondere Anlässe bestimmten, nämlich die Aufnahme der Zehnjährigen in das Deutsche Jungvolk, die Verpflichtungsfeier der 14-Jährigen und die Überweisung der 18-Jährigen in die NSDAP. Im ganzen Reich wurden am 22. März die 14-jährigen Jungen und Mädchen aus „Jungvolk“ und „Jungmädelbund“ in einem festlichen Akt in die Hitler-Jugend übernommen. Die Intention dieser Maßnahme ist im Tiroler Volksblatt vom 20. März 1942 auf Seite 4 ausführlich erklärt:
„Mit dem Tag der ‚Verpflichtung der Jugend’, an dem Pimpfe und Jungmädel sich bewußt in die große Gemeinschaft des schaffenden Volkes einreihen, wurde der gesamten Nation eine Feier gegeben, die jedem einzelnen aufs neue Ziel und Aufgaben weist. Wir stehen mitten in einem Kriege, der jeden deutschen Mann und jede deutsche Frau zur Höchstleistung aufruft, und bilden so eine feste Schicksalsgemeinschaft, in der auch die deutsche Jugend ihren Platz und ihre Aufgabe hat. Wie der deutsche Soldat heute nach dem Willen des Führers im Kampf sein Opfer bringt, so wird auch die Jugend des Führers, nachdem sie sich in vier schönen und unbeschwerten Jahren im Deutschen Jungvolk und Jungmädelbund körperlich, geistig und sittlich gerüstet hat, in voller Einsatzbereitschaft, mit dem Willen zur Leistung überall dort stehen, wo sie gebraucht wird.
Das Leben des jungen Nationalsozialisten gliedert sich in drei Abschnitte. Die Aufnahme der Zehnjährigen bildet den ersten Schritt der Jungen und Mädel ins politische Leben, in die große Gemeinschaft der Jugend des Führers, wo sie vier Jahre bei Sport, Schulung, Fahrten und Lagern in frohem Erleben zu einer festen Kameradschaft zusammenwachsen. Mit Erreichung des 14. Lebensjahres werden sie in die Hitler-Jugend verpflichtet, um dort wiederum vier Jahre, bis zu ihrer Ueberweisung in die Partei, zu verbringen.
Von diesen drei Entwicklungsstufen kommt dem Tag der ‚Verpflichtung der Jugend’ insofern eine besondere Bedeutung zu, als er nicht nur die Uebernahme der 14-Jährigen in die Hitler-Jugend bezeichnet, sondern auch bei vielen wenige Monate vor dem entscheidenden Lebensabschnitt der Schulentlassung und des Berufseintrittes steht. Damit zeichnet sich das Zurücktreten der Einflüsse des Elternhauses und der Schule ab, an deren Stelle die zunehmende persönliche Verantwortlichkeit der Jugend bei ihrem Eintritt in die Schule des Lebens tritt. Die Jugend wächst in eine neue Zeit hinein, die von ihr noch viel verlangen wird.
In den vorbereitenden Heimabenden wird die Jugend mit dem Sinn und Inhalt der Verpflichtungsworte:
‚Ich verspreche, in der Hitler-Jugend allzeit meine Pflicht zu tun, in Liebe und Treue zum Führer und unserer Fahne!’ vertraut gemacht und so in das Bewußtsein zur Verantwortung und die Vorbereitung auf eine aufgabenreiche Zukunft eingeleitet.
Ueber die Wichtigkeit dieses Lebensabschnittes müssen sich aber auch die Eltern im klaren sein. Dieser Tag des Uebertrittes von einer Entwicklungsstufe auf die nächste muß sich in das Bewußtsein des Jugendlichen erlebnismäßig tief einprägen und unvergessene Erinnerung bleiben. Deshalb soll der Tag der Verpflichtung auch im Elternhaus durch eine kleine Familienfeier, ein Geschenk oder dergleichen aus dem Alltäglichen herausgehoben und zum Ehrentag für die 14-Jährigen gemacht werden. Jungen und Mädel sollen spüren, daß über Hitler-Jugend und Partei hinaus auch ihre Eltern Anteil nehmen an ihrem Schritt aus der Kindheit in einen verantwortungsvollen Lebensabschnitt.“
Um dieses Ereignis den jungen Menschen zu einem besonderen, nachhaltigen Erlebnis zu machen, war eine ausgeklügelte, psychologisch wirksame Inszenierung vorgesehen: In Innsbruck stand schon der Vorabend der Verpflichtungsfeier im Zeichen festlicher Einstimmung: „Die Jungen und Mädel werden einer Sonderaufführung des neuen Volksstückes von Max Tribus Peter Anich beiwohnen“ (Innsbrucker Nachrichtenvom 21. März 1942, Seite 5). Die Stückwahl hatte die Zweckbestimmung ideologischer Einflussnahme. „Der packende Ausschnitt aus dem Leben des großen Bauernkartographen, der ganz aus eigener Kraft seinem Genie Bahn brach, in die Geheimnisse der Sternenwelt eindrang und als erster sein Heimatland mit allen seinen Bergen und Tälern, Wiesen und Wäldern auf genauer Karte einzeichnete, mag unserer Jugend wieder so recht vor Augen führen, wie seit jeher bis ins letzte Dorf und in den letzten Hof Deutsche um Erkenntnis und Fortschritt, um Aufwärtsentwicklung des Lebens kämpften. Sie erarbeiteten damit die Voraussetzungen für den heutigen Hochstand unseres Volkes und seine Berechtigung zur Führung in Europa.“
Die Verpflichtungsfeier selbst war kirchlichen Feiern wie Firmung und Konfirmation nachgebildet. Sie bezweckte in öffentlicher symbolträchtiger Aktion die Eingliederung der Jugend in die ausschließliche Gefolgschaft des Führers, die noch durch Eid bekräftigt wurde.
„Die eigentliche Verpflichtungsfeier beginnt am Sonntag, 9 Uhr vormittags, im Großen Stadtsaal. Schon daheim werden die Angehörigen dem Tage einen festlichen Rahmen zu geben suchen. Frisches Grün, ein paar Frühlingsblumen, kleine Gaben, die Jungen und Mädel erfreuen, werden den Tag auch im Familienkreise aus dem Jahresablauf herausheben, damit er im Herzen der Jugend als tiefstes und schönstes Erlebnis haften bleibt. Keine Mutter, kein Vater wird es sich entgehen lassen, die Vierzehnjährigen auf dem Wege zur feierlichen Verpflichtung zu begleiten.
Ein Fanfarenruf des Spielfähnleins und Musikvorträge des Bannorchesters werden die Feierstunde umrahmen. Lieder erklingen, Sprecher tragen markante Mahnworte vor. Dann werden die Vierzehnjährigen aus dem Jungvolk verabschiedet und feierlich in die Hitler-Jugend übernommen. Im Angesicht der Fahne leisten die Jungen und Mädel – etwa 500 an der Zahl – die feierliche Verpflichtung. In das Treuegelöbnis zum Führer und zur Fahne schließen sie nicht nur den Dienst in der Hitler-Jugend, sondern auch ihre tägliche Arbeit ein. Mit dem Liede ‚Wo wir stehen, steht die Treue!’ [Text und Melodie: Hans Baumann] und der Führerehrung schließt die Feierstunde.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. März 1942, Seite 5).
Von der Feier selbst lesen wir in den Innsbrucker Nachrichten vom 23. März 1942, Seite 3:
„Im Großen Stadtsaal, der dem Anlaß entsprechend würdigen und festlichen Schmuck trug, fand gestern Vormittag die Verpflichtungsfeier der Innsbrucker Hitler-Jugend statt. Im Mittelpunkt der Feier stand die Ansprache des Kreisleiters Pg. Doktor Primbs. Als Gäste nahmen teil der Gaupropagandaleiter Pg. Margreiter, Politische Leiter des Kreisstabes und der Innsbrucker Ortsgruppen und in großer Zahl die Eltern der Jungen und Mädel.
Kreisleiter Dr. Primbs hob in seiner Ansprache die Bedeutung des Tages, der als Uebergang aus der unbeschwerten, jugendfrohen Kameradschaft im Jungvolk und Jungmädelbund in den Ernst der Dienstpflicht in der Hitler-Jugend einen wichtigen Lebensabschnitt darstellt, hervor und unterstrich die besonderen Gesichtspunkte, die sich daraus ergeben, daß dieser Tag in eine schicksalsentscheidende Zeit fällt, die nicht erträumt, sondern erkämpft wurde. Mit begeisternden, von seinen jungen Zuhörern mit offenen Herzen aufgenommenen Worten verwies der Kreisleiter auf das Vorbild der älteren Kameraden im grauen Ehrenkleid, die draußen an den Fronten kämpfen. Nach diesem Vorbild ausgerichtet, soll die Jugend nun hineinwachsen in die größeren Aufgaben der nächsten Jahre und bereit sein, unserem Führer zu dienen – gerade dann erst recht, wenn es hart auf hart geht.
Musikvorträge des HJ.-Orchesters und des HJ.-Musikzuges, gesprochene Führerworte und Kampf- und Weihelieder aus hunderten jugendfrischer Kehlen umrahmten die Feier und gaben ihr das festliche Gepräge, das der Tragweite des Augenblicks angemessen war, in dem Bannführer Pepeunig die Worte der Verpflichtungsformel sprach und die Jungen und Mädel damit für die Hitler-Jugend, für Deutschland und den Führer in Pflicht nahm.
Tiefen Eindruck machte die Feierstunde auch auf die in großer Anzahl anwesenden Eltern. Die vorbildliche Ordnung, in der sich die Veranstaltung abwickelte, war ein unverkennbares äußeres Zeichen sauberer und anständiger innerer Haltung, des ersten und hauptsächlichen Erziehungszieles in der Hitler-Jugend, die sich stets aufs neue würdig erweisen muß, den Namen des Führers in Ehren zu tragen. Diese Grundsätze geben Vätern und Müttern die Gewähr, daß die jungen Menschen in der Jugendgliederung der Partei befähigt werden, nicht nur sich selbst im selbstverständlichen persönlichen Fortkommen zu behaupten, sondern einmal auch alle Gemeinschaftsgüter zu erhalten, die in unseren Tagen mit unvergleichlichem Heldenmut erkämpft werden.“
Im Anschluss an die Innsbrucker Feierstunde besuchte Kreisleiter Dr. Primbs in Begleitung des „HJ.-Bannführers Toni Kindl und der Bannmädelführerin Ria Janschitz eine Reihe von Verpflichtungsfeiern in den Landortsgruppen des Kreises Innsbruck“:
„In Ellbögen sprach unter starker Beteiligung der Gesamtbevölkerung der Ortsgruppe Ortsgruppenleiter Parteigenosse Danler über die Aufgaben, die die Verpflichteten zu übernehmen haben. Die Standschützenkapelle und ein Sprechchor gaben der Feierstunde den äußeren Rahmen. In Igls marschierte die Jugend von Igls, Lans, Aldrans und Sistrans zur Verpflichtungsfeier auf. Der Veranstaltung wurde dadurch ein besonderes Gepräge gegeben, daß die einzelnen Ortsgruppen die zu verpflichtende Jugend auf festlich geschmückten Wagen zum Feierplatz nach Igls brachten. Im Kurhaussaal wickelte sich die Verpflichtung ab, bei der im Rahmen einer reichen Feiergestaltung der Ortsgruppenleiter, Pg. Perissutti der Jugend die Bedeutung dieses Lebensabschnittes vor Augen führte. Dieser Tag wird der Jugend des Mittelgebirges durch die Eigenart der Gestaltung in dauernder Erinnerung bleiben. In Solbad Hall waren in der festlich geschmückten Turnhalle die Jungen und Mädel angetreten. Nach der Entgegennahme der Meldung des Standortführers sprach der Kreisleiter über den Wesensgehalt dieser Feierstunde und über die Zukunftsaufgaben der Jugend.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 24. März 1942, Seite 3).
Bei der Verpflichtungsfeier in Kufstein wurde der tiefere Sinn dieses Zeremoniells besonders augenscheinlich symbolisch bildhaft und verbal in Aktion gesetzt. Die Entlassung der „Pimpfe“ und „Jungmädel“ aus ihrer planvoll gesteuerten, aber politisch noch eher indifferenten unbeschwerten Welt, nahm der „Jungvolkführer Winkler“ vor. Der „HJ.-Führer Lamche“ vollzog die Verpflichtung mit dem formellen Akt des Gelöbnisses, worauf der Ortsgruppenleiter Bürgermeister Dr. Dillersberger in seiner Rede allen Anwesenden, darunter dem Kreisleiter Pg. Hans Ploner, weiteren Vertretern der Partei und ihrer Gliederungen, den Eltern und der Erzieherschaft sowie zahlreichen Ehrengästen in einer „zündenden“ Argumentation den „feierlichen Akt der Verpflichtung“ damit erklärte, dass nun diese jungen Menschen „ganz und gar“ in dem Gedanken „aufgehen dürfen“ ihr weiteres „Leben für Deutschland“ zu widmen: „,In allem, was Ihr tut, seht auf den Führer Adolf Hitler. Er ist Vorbild Eures Denkens, Fühlens und Handelns.‛ – Wie strahlten den Jungen und Mädeln die Augen, als Ortsgruppenleiter Dr. Dillersberger ihnen Adolf Hitlers Werk in seiner ganzen monumentalen Einmaligkeit vor Augen führte und als er ihnen den Blick dafür öffnete, was es heißt, in Zukunft an den hier erwachsenden Aufgaben mitwirken zu dürfen. Es war darum das Wesen dieser Stunde in der Aula nicht wehmütiger Abschied vom Kinderland, sondern freudevoller Aufbruch alles dessen, was ein junges Leben gesegnet macht, wenn es ein deutsches Leben ist. Wie ein Schwur aus frohen, tatbereiten Herzen erklangen im Aufbranden der strahlend-hellen Stimmen die Lieder der Nation. – Um das prächtige Gelingen des musikalischen Teiles der Feier haben sich Musikdirektor Fritz Bachler und Kapellmeister Cyrill Deutsch verdient gemacht.“ (Tiroler Volksblatt vom 23. März 1942, Seite 3).
In ähnlicher Form verliefen die Verpflichtungsfeiern in Kramsach und Langkampfen. In Kramsach wurde die Jugend der Gemeinden Kramsach, Rattenberg, Brixlegg, Radfeld, Brandenberg, Münster und Reith zusammengefasst. Im Volkschauspielhaus hatten sich vorrangig Parteiangehörige und Eltern versammelt. In Vertretung des dienstlich verhinderten Kreisleiters war Kreisamtsleiter Dr. Dillersberger erschienen. „Nach einer Ansprache des Hoheitsträgers Pg. Gutmann und Verabschiedung der Vierzehnjährigen durch den DJ.-Führer und deren Übernahme durch den HJ.-Führer nahm Pg. Loidl die Schwurvorsage vor, die von den Vierzehnjährigen nachgesprochen wurde. Die eindrucksvolle Feier war mit Musikvorträgen der HJ.-Kapelle Kufstein und Spruch- und Liedvorträgen umrahmt und fand mit dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation ihren würdigen Abschluß. Anschließend an die Feier wurde den Jugendlichen der Film Unterseeboote westwärts gezeigt.“ (Tiroler Volksblatt vom 30. März 1942, Seite 4).
Am 22. März fand eine Verpflichtungsfeier „in erhebender und eindrucksvoller Weise“ im Altwirtssaal in Unterlangkampfen statt. Der festliche Akt begann mit dem Fahneneinmarsch, womit sich die Gemeinschaft von Volk und Partei symbolisch manifestierte. Die Festansprache hielt der Ortsgruppenleiter „Pg.“ Madersbacher und betonte, dass der „Sinn der Lebensauffassung der Jugend nur der sein kann, dem Führer und Volk mit Freude und Ehrfurcht zu dienen“. Als rhetorischen Höhepunkt verkündete er emphatisch: „Euch sei das Reich heilig“. Zur Verpflichtung waren 24 Jungen und 20 Mädel „angetreten“. Beendet wurde die Feier mit der „Führerehrung“ und den „Liedern der Nation“ (Tiroler Volksblattvom 27. März 1942, Seite 3).
Ein Bericht im Tiroler Volksblatt vom 18. März 1942, Seite 3, gibt Einblick in die „Betreuung“ der Jungmädel, die von Anfang an auf konsequente Beeinflussung im Sinne der Parteiideologie ausgerichtet ist: „Am Samstag waren mit den anderen JM. des Standortes Kufstein-Zell erstmalig auch die Neuaufgenommenen zum Appell angetreten. Im Turnsaal der Volksschule gestalteten ihn die Aelteren zu einem frohen Jungmädelnachmittag mit Liedern, Stegreifspielen und Kasperltheater. Sie wissen es heute schon, die Kleinen, daß es nicht immer so sein wird, daß Kriegseinsatz und weltanschauliche Schulung ihre Forderungen stellen werden, aber sie sind sich dessen bewußt, daß sie nun zu den jüngsten Soldaten des Führers gehören. Neben Frohsinn und Spiel stellen sich ernste Pflichten, die Mitarbeit im kleinen an der Erringung des Sieges und die Erziehungsarbeit an sich selbst. Die 11 Schaften, einschließlich der Sing- und Spielschar, erhalten wieder ihre diesjährigen Führerinnen, die für ihren Dienst von der Stellenleiterin für WS. und K., Erna Weth, geschult und betreut werden. An die Eltern richten wir die herzliche Bitte, die Mädel bei der Ausübung ihres Dienstes zu unterstützen und so unsere Arbeit im Dienste der deutschen Jugend zu fördern.“
Um die Jugend im Sinn der Partei zu erziehen, erhielten die „Jungendführer und Jugendführerinnen“ im Rahmen von Schulungen eine entsprechende Ausbildung, die sie insbesondere befähigte, das breite Spektrum der Anforderungen im weltanschaulichen, kulturellen und sportlichen Bereich zu bewerkstelligen. Über eine solche „Wochenendschulung“ für „Jungmädel und Mädel-Führerinnen“, wie sie jeden Monat abgehalten wurden, informiert das Tiroler Volksblatt vom 6. März 1942, Seite 2:
„[…] Der Nachmittag brachte für die Jungmädel eine mehrstündige Arbeitsbesprechung. Vor allem galt sie der Durchführung der Aufnahme des neuen Jahrganges. Dann steht die Abnahme des Gruppenleistungswettkampfes durch eine Gebietsbeauftragte bevor. Da gibt es noch Arbeit, bis unsere Jungmädel in der Beantwortung der wichtigen Fragen sattelfest sind.
Zum Schlusse wurde die Durchführung der Verpflichtungsfeier besprochen. Nach einer frohen Singstunde wurde gemeinsam das Abendessen eingenommen. Am Abend sprach Pg. Dir. Wagner zu den Jungmädeln über die Geschichte Kufsteins.
An der Morgenfeier am Sonntag beteiligten sich 80 Jungmädel und 40 Mädel-Führerinnen. Sie brachte in Sprüchen, Liedern und Lesestellen das Leben und Sterben Horst Wessels und klang in das Soldatenlied aus:
Den Marsch, von Horst Wessel begonnen
im braunen Gewand der SA.,
vollenden die grauen Kolonnen:
die große Stunde ist da.
Nach der Morgenfeier hielt Pg. Dir. Wagner den Mädelführerinnen ein zweistündiges Referat aus der Heimatkunde, während die Jungmädel die ersten drei Pflichtappelle für die Neuaufgenommenen praktisch durchführten. Wir wollen unsere Neuaufgenommenen
1. mit einem lustigen Nachmittag begrüßen,
2. sie in die Dienstvorschriften einführen,
3. ihnen das Leben des Führers in kleinen Bildern erzählen,
4. sie Feierlieder lehren.
Den Nachmittag gestalteten die Jungmädel mit lustigen Spielen, während die Großen die Sozialabteilungsleiterin, Hauptgruppenführerin Thesi Hauhoff als Gast in ihrer Mitte sahen, die zu ihnen als Berufsberaterin sprach. So gehen unsere Führerinnen neu gerüstet zu den letzten Heimnachmittagen, denn bald wird der Frühling da sein, dann tauschen sie dieses Arbeitsfeld mit dem Sportrasen und Turnplatz.“
Im April trafen sich Mädel und Jungmädel zu einer Wochenendschulung. „110 Jungmädel folgten der Einberufung“ (Tiroler Volksblatt vom 3. April 1942, Seite 4). Über deren Verlauf wird mitgeteilt: „Die Kufsteiner Singschar gestaltete eine Feierstunde unter dem Leitwort: ‚Ich glaube an mein Volk!‛ Anschließend wurden 20 JM.-Führerinnen und Anwärterinnen die Rangschnüre überreicht. In der nun folgenden Arbeitsbesprechung erläuterte die Bannmädelführerin Liesl Mathes den Arbeitsplan für den Monat April, der die Pflichtlieder, die Aufnahmefeier der Zehnjährigen, den Frühjahrs-Geländelauf und die Ausgestaltung der Elternabende umfaßte. In der Schlußfeier verabschiedete Liesl Mathes die bisherigen JM.-Führerinnen, die in den BDM. übergestellt wurden. Um 20 Uhr vereinte HJ. und BDM. ein gemeinschaftlicher kultureller Abend. Pg. Fritz Bachler leitete das Bannorchester, dann sprach Hauptgefolgschaftsführer Fritz Engel über Volks- und Brauchtumsarbeit in der HJ. Volkslieder und Volkstänze beschlossen den schönen Abend. Am Sonntag nach der Morgenfeier sprach Gauhauptstellenleiter Pg. Holzwarth zu 150 angetretenen Mädeln des BDM. und des BDM.-Werkes Glaube und Schönheit über die Haltung des deutschen Mädels im Kriege und seinen Einsatz in der Heimatfront. Hierauf traten die Mädel zur gemeinsamen Flaggenhissung mit den Polit[ischen] Leitern und der Ortsfrauenschaftsleitung im Hofe der Oberschule an. Aus den verschiedenen Standorten beteiligte sich dann je ein Mädel an der Vierteljahres-Arbeitstagung des Kreises. Die anderen erhielten nach einer frohen Singstunde noch ihre Arbeitsausrichtung. In der Schlußfeier wurden auch hier 20 Mädel als Führerinnen bestätigt. Gauhauptstellenleiter Pg. Holzwarth sprach am Nachmittag auch noch in Wörgl vor 240 Mädeln der Standorte Wörgl, Kirchbichl und Kundl über die innere Haltung der deutschen Mädel.“
Im Rahmen einer Führertagung der Hitler-Jugend des Bannes 572 stand im Mittelpunkt ein „Lehrabend für die Gestaltung von Brauchtumsveranstaltungen in der Oberschule“. Referent war der „Kulturabteilungsleiter der Gebietsführung, Hauptgefolgschaftsführer“ Fritz Engel. Nach der musikalischen Einleitung mit der „Haydnschen Festmusik“, gespielt vom HJ.-Bannorchester unter der Leitung von „Musikdirektor Pg.“ Fritz Bachler, erklärte Fritz Engel den HJ.-Führern die Bedeutung des Brauchtums in der Erziehungsarbeit im Sinn der Parteiideologie unter Einschluss praktischer Vorführungen:
„[…] Anschließend an gemeinsame Tänze und Lieder ernsten und heiteren Inhalts erinnerte Pg. Engel die Jugend wieder an den Ernst unserer Zeit und ihrer Aufgaben.
Der Sonntagvormittag stand im Zeichen der Kreisarbeitstagung. Im Hof der Oberschule wurde diese Tagung im Beisein des Kreisleiters Bereichsleiter Pg. [Hans] Ploner, der Polit[ischen] Leiter der Bürgermeister des Kreises durch eine Flaggenhissung eröffnet, die zu einem feierlichen Gelöbnis der Jugend an unsere Soldaten und zum Beweis der engsten Verbundenheit mit ihnen wurde. Am Nachmittag sprach Pg. Zettel über die neuen Fragen des Leistungsabzeichens. Außerdem erhielten die Führer durch den Hauptgefolgschaftsführer [Fritz] Engel wertvolle Anleitungen zur Ausgestaltung der Elternabende in ihren Einheiten. Zum Abschluß dieser Führertagung gab der K. Bannführer Gefolgschaftsführer [Anton] Katschthaler einen Ueberblick über die geleistete Arbeit und wichtige Hinweise für die Aufgaben der nächsten Zeit.“ (Tiroler Volksblatt vom 3. April 1942, Seite 4).
Eine der wesentlichen Aufgaben in der kulturellen Betreuung der Hitler-Jugend war die Organisation von Konzert- und Theaterabenden, um ihr die Begegnung mit hoher, insbesondere deutscher Kunst zu ermöglichen. Natürlich war damit auch der Gedanke weltanschaulicher Beeinflussung verbunden. Ende Oktober 1942 bekam die Hitler-Jugend in Innsbruck wieder Gelegenheit zu einem Konzerterlebnis. Am Beginn dieses Konzerts berichtete der „K.-Kulturabteilungsleiter, Hauptgefolgschaftsführer“ Fritz Engel stolz von seiner Organisationsarbeit, nämlich dass der „Veranstaltungsring der Hitler-Jugend in dieser Spielzeit [1942/43] mit zwei Theaterringen und einem Konzertring nunmehr etwa 2300 Ringteilnehmer regelmäßig ausrichten und betreuen kann“. Seine Ansprache schloss mit dem Aufruf an die Jugend, „den großen Meistern der Kunst mit der notwendigen Bereitschaft und Aufgeschlossenheit zu begegnen“. Dann erlebten die jungen Konzertbesucher die Aufführung von Beethovens 6. Symphonie mit dem Reichsgau-Symphonieorchester unter der Leitung von Hans-Georg Ratjen. Ergänzt wurde das Programm ideologiegerecht mit Max Bruchs Violinkonzert (Solist: Josef Drevo) und Jan Sibelius’ Symphonischer Dichtung Finlandia. Die Reportage in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Oktober 1942, Seite 5, endet mit der deutlich propagandistischen Feststellung: „Die dankbaren Zuhörer nahmen einen bleibenden Eindruck vom Konzert der Jugend nach Hause.“
Der in Sachen Jugend-Kulturarbeit immens eifrige Fritz Engel war auch bei diversen „Jugendstunden“ im Kreis Reutte im November 1942 mit Vorschlägen und Anschauungsunterricht präsent: „Auf Einladung des Bannführers, Stammführer Pölt, gestaltete die Spielschar des Bannes Innsbruck-Stadt je eine Jugendstunde in Ehrwald und Reutte. Die kleinen und großen Jungen und Mädel der Hitler-Jugend und die zahlreichen Gäste erfreuten sich herzlich an der reichhaltigen, wohlabgestimmten Vortragsfolge, die, beginnend mit einem gemeinsam gesungenen Feierlied, über einige Musikstücke alter Meister, gespielt von einem kleinen Streichorchester, zum volkskulturellen Teil führte. Fröhliche Musik und Bläserkameradschaft, Jodler, Volkslieder, gesungen von einer kleinen Gruppe der Innsbrucker BDM.-Singschar, wechselten mit lustigen Gedichten und Darbietungen auf dem Hölzernen G’lachter. In verbindenden Worten erzählte K.-Kulturabteilungsleiter Stammführer Engel von der Spielschararbeit der Hitler-Jugend des Gaues Tirol-Vorarlberg, die ganz besonders auf die bodenständige Volkskultur abgestimmt ist und so dem Standschützenverband als unserem großen Volkskunst- und Brauchtumsverband immer wieder neue Kräfte zuführt. Mit dem Tiroler Schützenlied Hellau schlossen die Jugendstunden ab, nicht, ohne so manche wertvolle Anregung für den Aufbau der Spielscharen des Bannes Reutte zu hinterlassen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1942, Seite 3).
Mit einem ähnlichen Konzept, das als Vorbildaktion gedacht war, kam Fritz Engel mit seinen Musikanten der Innsbrucker Hitler-Jugend Anfang Dezember 1942 nach Kufstein. Aufgrund seiner erfolgreichen Aufbauarbeit konnte Fitz Engel aus dem Vollen schöpfen, verfügte die Innsbrucker HJ doch über ein Bannorchester, einen Musikzug sowie Spielscharen und ausgezeichnete Solisten. Als Resümee stellt der Kufsteiner Musikdirektor Fritz Bachler, von dem die Einladung für diese Jugendveranstaltung vermutlich ausgegangen war, in seiner Konzertbesprechung in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Dezember 1942, Seite 4, fest: „Die Ausführenden dieses reizenden, die Zusammenhänge zwischen hoher Kunst und Volkstumsmusik aufzeigenden Abends wurden mit Beifall überschüttet. Mit dem von allen Anwesenden gemeinsam gesungenen und gespielten ‚Hellau, mir sein Tirolerbuam‛ endete die Veranstaltung.“
Mit diesen Initiativen wurde auch das Programm fortgesetzt, das für die Jugendarbeit im Winterhalbjahr 1941/42 geplant war und die „weltanschauliche Schulung“ sowie die „Kulturarbeit“ in den Mittelpunkt der Vorhaben rückte:
„In Wochenendschulungen, Kurzlehrgängen und im Rahmen von Heimabenden wird das nationalsozialistische Gedankengut an unsere Jungen und Mädel herangetragen und in ihnen gefestigt. Gemeinsame Werkarbeitsstunden der Hitler-Jugend und Werkarbeits-Arbeitsgemeinschaften des BDM. sollen das handwerkliche Können ergänzen und den Gemeinschaftssinn vertiefen.
Die in Gemeinschaftsarbeit angefertigten Gegenstände werden dem Kriegs-Winterhilfswerk zu nützlicher Verwendung übergeben.
Auch im Winter kommt dem Kriegshilfsdienst der Hitler-Jugend eine besondere Bedeutung zu. Ueberall wo Not am Platze ist, wird die Hitler-Jugend gern und hilfsbereit zugreifen, ebenso wie sie nach wie vor ihre Kräfte in den Dienst des Winterhilfswerkes stellen wird.
Den Höhepunkt der kommenden Winterarbeit der Hitler-Jugend werden die Elternabende in den einzelnen Standorten bilden, bei denen den Eltern ein weitgehender Einblick in die Arbeit der HJ. gegeben werden soll.
Mitte September beginnt die Jugendfilm-Spielzeit 1941/42, die einen ganz wesentlichen Teil der Kulturarbeit der Hitler-Jugend darstellt. In enger Zusammenarbeit mit der Gaufilmstelle wird auch heuer wieder die geistige Erziehung unserer Jungen und Mädel durch die Vorführung ganz besonderes wertvoller Filme, die staatspolitische Bedeutung tragen, gefördert […].“ (Innsbrucker Nachrichten vom 12. September 1941, Seite 4).
Talentierte junge Musiker konnten in den „Gebietsmusikschulen der Hitler-Jugend“ eine Fortbildung erfahren, samt der Ausbildung bis zum Berufsmusiker. In den Innsbrucker Nachrichten vom 22. Oktober 1942 wird auf Seite 5 dies aufgezeigt:
„Um den vordringlichen Bedarf an Musikern für die Musikzüge der Partei, ihrer Gliederungen, des RAD., für die Musikkorps der Wehrmacht und der Waffen-SS sowie für die Kulturorchester sicherzustellen, werden zur Zeit auf Veranlassung der Partei Gebietsmusikschulen der Hitler-Jugend errichtet. Im Sommerhalbjahr konnten sieben solche Schulen eröffnet werden, zehn weitere werden in der nächsten Zeit ihre Arbeit aufnehmen. In ihnen werden vierzehnjährige Hitlerjungen, die möglichst schon eine musikalische Vorbildung haben, in vier Jahren zu Berufsmusikern ausgebildet.
Mit den Gebietsmusikschulen findet die Musikarbeit in den Spieleinheiten der Hitler-Jugend und der Jugendmusikschulen, der Arbeits- und Ausbildungsstätten der Spieleinheiten sind, ihre bewußte und auf den Beruf ausgerichtete Fortsetzung im Streich- und Blasorchester, im Kammermusikspiel, in der Bläserkameradschaft und im kleinen Unterhaltungsorchester. Die Gebietsmusikschulen stellen zugleich die für die Kulturarbeit der Hitler-Jugend erforderlichen Gebietsmusikzüge und Gebietsorchester. In ihnen soll sich der junge Musiker schon frühzeitig für den praktischen Einsatz bewähren und Erfahrungen für jede Art des Zusammenspiels erwerben. Ihre Nachwuchsreserve besitzen die Gebietsmusikschulen in den etwa 25.000 Fanfarenbläsern und 10.000 Blech- und Holzbläsern, die in den Spieleinheiten der Hitler-Jugend erfaßt sind.“
Die Heranbildung der Jugend als integren Teil der Volksgemeinschaft sah eine vormilitärische Schulung vor, die nicht nur Sportwettkämpfe, Zeltlager und dem Exerzieren ähnliche Disziplinierungsübungen umfasste, sondern besonders eine konsequent betriebene Ausbildung in der Waffenhandhabung. Diese Praxis konnten sich die Jugendlichen im Gau Tirol-Vorarlberg vor allem im Rahmen der vom Standschützenverband organisierten Kreisschießen erwerben. Gauleiter Hofer unterstützte diese Bestrebungen ausdrücklich. Aus Animationsgründen wählte man dabei die Form von Wettkämpfen. Mit dem Aufmacher „Hitler-Jugend auf dem Schießstand“ bringt der Tiroler Volksbote vom 16. Juni 1942, Seite 4, Details hierzu:
„Bei allen Kreisschießen, die im Gau Tirol-Vorarlberg vom Standschützenverband durchgeführt werden, ist auch die Hitler-Jugend angetreten. Gerade im Kriege ist ja die Schießausbildung der Jugend von besonderer Wichtigkeit. Gauleiter Hofer hat darum dem Standschützenverband den Auftrag erteilt, der Hitler-Jugend in der Schießausbildung weitestgehende Förderung zuteil werden zu lassen.
Aus diesem Grunde werden nunmehr gleichzeitig mit dem Kreisschießen die HJ.-Bannmeisterschaften (Kreisjugendmeisterschaften des Standschützenverbandes) im Kleinkaliberschießen ausgetragen, und zwar jeweils am ersten Tag jedes Kreisschießens. Die Schießmeisterschaften der Hitler-Jugend bestehen aus je einem Einzelwettkampf mit je fünf Schuß liegend, kniend und stehend frei auf die Zehnerringscheibe des Standschützenverbandes (Entfernung 50 Meter) und einem Mannschaftskampf der Gefolgschaften. Gauleiter Hofer hat für jeden Jungen der Siegermannschaft in jedem Banne einen schönen Betrag zur weiteren Schießausbildung ausgesetzt. Gleichzeitig mit den Bannmeisterschaften wird auch der Reichsschießwettkampf der Banne ausgetragen, bei dem jeweils die beste Gefolgschaftsmannschaft in der Stärke von 20 Jungen antritt. Die beste Bannmannschaft erhält den Ehrenpreis des Gebietsführers.
Bei den bisher veranstalteten Kreisschießen war die Beteiligung der Jungen stets recht statthaft und die dabei erbrachten Leistungen waren recht zufriedenstellend.
Die fünfzig besten Einzelschützen bei den Bannschießwettkämpfen (Kreisjugendmeisterschaften des Standschützenverbandes) werden an den Gebietsmeisterschaften (Gaujugendmeisterschaften) teilnehmen, die am 2. und 3. Juli, kurz vor dem Landesschießen, am Landeshauptschießstand in Innsbruck ausgetragen werden. Beim Landesschießen kommen auch die Mannschaftswettkämpfe der Hitler-Jugend im K. K.-Schießen zur Austragung, an denen die beste Vierermannschaft jedes Bannes und jede Vierermannschaft, die ein besseres Ergebnis als die drittbeste Bannmannschaft geschossen hat, teilnehmen kann.
Jeder Junge, der sich auf Grund seiner Leistungen bei den Gebietsmeisterschaften für die Deutschen Jungendmeisterschaften placiert, erhält einen Sonderpreis des Gauleiters. Gleichzeitig mit den Gebietsmeisterschaften wird auch der Reichsschießwettkampf des Gebietes um den Ehrenpreis des Reichsjugendführers ausgetragen.“
Zur Siegerehrung des Reichsschießkampfes der Hitler-Jugend, der 1942 in Innsbruck ausgetragen wurde, steht in den Innsbrucker Nachrichtenvom 6. Oktober 1942, Seite 5:
„Den Abschluß des Reichs-Schießwettkampfes der Hitler-Jugend und des Pistolenkampfes der Hitler-Jugend-Führer bildete die feierliche Siegerehrung im festlich geschmückten Marmorsaal der Hofburg in Innsbruck, die Reichsführer Artur Axmann in Anwesenheit von Gauleiter Hofer und zahlreicher Ehrengäste aus Partei und Wehrmacht vornahm.
Nach Meldung der angetretenen Hitler-Jugend-Führer und Hitlerjungen durch Oberbannführer Pastor der Reichsjugendführung an den Reichsjugendführer spielte das Orchester des Bannes Innsbruck-Stadt einen Marsch von Händel. Sodann verkündete Hauptbannführer Abelbeck der Reichsjugendführung die Sieger in den einzelnen Wettkämpfen. Reichsjugendführer Artur Axmann nahm die Siegerehrung vor. Anschließend sprach der Reichsjugendführer […].“
In seiner Rede ging dieser dabei insbesondere auf die wehrpolitische Bedeutung dieser Schießwettkämpfe ein: Sinn und Zweck der Schießwettkämpfe lägen in der Tatsache begründet, dass die Jugendlichen als künftige Soldaten, die Waffen aus der Hand ihrer Vorgänger übernehmen werden. Sie sollten diese „zum Schutze des Vaterlandes in Ehren tragen und – wenn notwendig – sie genauso tapfer und einsatzbereit für Deutschlands Größe und Sicherheit führen, wie es unsere tapferen Soldaten an allen Fronten dieses Krieges um Deutschlands Freiheit tun“.
Die Siegerehrung wurde mit dem Fahnenlied der Hitler-Jugend, „das alle Anwesenden mitsangen“, beschlossen.
Seine Anwesenheit in Innsbruck nützte der Reichsjugendführer auch dazu, sich über die Tätigkeit des BDM-Werks Glaube und Schönheit berichten zu lassen. Beauftragte aus allen Gebieten des Reiches dieser Jugendorganisation hatten sich zu einer einwöchigen „Arbeitsbesprechung“ in der Mädelführerinnenschule Ahrnhof bei Innsbruck versammelt. Das BDM-Werk Glaube und Schönheit widmete sich der „Jugendausbildung aller 17- bis 21jährigen Mädel im Kochen, im Nähen von geschmackvollen Kleidern, der Säuglings- und Gesundheitspflege, der Leibeserziehung und der Pflege der Kultur für Heim und Familie“. Diese Arbeitstagung galt im Besonderen „der Verbesserung der Breitenarbeit für eine gute Geschmacksbildung der Mädel“. Nach den Richtlinien, die die BDM-Reichsreferentin Dr. Jutta Rüdiger dafür in ihrem Referat in Innsbruck ausgab, ging es dabei vor allem um eine „geschmacksmäßige und schöne Kleidung für Mädel, die gerade im Krieg angesichts der Einschränkungen im Spinnstoffverbrauch wohl überlegt angefertigt werden muß. Jedes Kleidungsstück, das ein Mädel sich heute neu zulegen darf, muß mit dem praktischen und dauerhaften Wert eine vielseitige Verwendungsmöglichkeit verbinden. Ein Kleid muß im höchsten Maß praktisch und schön zugleich sein. Der lebensnahe und selbstbewußte Mädeltyp, der heute den heranwachsenden Mädelführerinnen erstrebenswert erscheint, muß dabei auch äußerlich entsprechend Ausdruck finden“.
Das Ideal dafür repräsentiere die Tracht, die in ihrer Schlichtheit, Zweckmäßigkeit und Schönheit im Zusammenklang ihrer Farben, in der Wahl des Materials all das verwirkliche, „was wir auch heute wieder suchen und wollen. Es soll darum zu unserer Aufgabe werden, daran zu knüpfen und, festhaltend an den immer gültigen bodengebundenen Grundformen, eine unserer Zeit entsprechende erneuerte Tracht zu finden“. Diese Zielsetzung war im Gau Tirol Vorarlberg ideal in die Wege geleitet worden, daher war wohl auch Innsbruck für diese Arbeitstagung mit ihrer speziellen Thematik als Veranstaltungsort ausgewählt worden. „Von Tirol-Vorarlberg, wo über das Maß der übrigen Alpengaue hinaus die Voraussetzungen für eine solche Arbeit durch den Reichtum an noch lebendigem Trachtengut besonders gegeben sind, ist die MittelstelleDeutsche Tracht, welche die Reichsfrauenführung ins Leben gerufen und der Gauleiter Hofer im schönen Tiroler Volkskunstmuseum eine Heimstätte geschaffen hat, ausgegangen; sie kann nun nach der Wirksamkeit weniger Jahre schon auf ganz wertvolle Erfolge in ihren Erneuerungsbestrebungen verweisen. Aber nicht allein in Tirol-Vorarlberg, sondern, wenn auch nicht in solcher Fülle wie hier im Kernstück des deutschen Alpenraumes, hat sich doch in vielen anderen deutschen Landschaften über alle Zeiten fort die Tracht der Heimat als lebendiges Gut erhalten; nicht zuletzt gilt dies, trotz der jahrzehntelangen Unterdrückung jeder Aeußerung deutschen Volkscharakters, in den neuen Gebieten des deutschen Ostens.
Durch die Arbeitswoche im Ahrnhof ist die Führerinnenschaft des BDM.-Werkes Glaube und Schönheit nunmehr mit den Aufgaben und Zielen der Mittelstelle Deutsche Tracht vertraut gemacht worden und wird nun in engster Zusammenarbeit mit der Reichsbeauftragten für das Trachtenwesen, Frau Gertrud Pesendorfer, sich dafür besonders einsetzen, den Willen zur Erneuerung unserer deutschen Trachten in die gesamte deutsche Mädelschaft hineinzutragen und durch die Schaffung der praktischen Voraussetzungen zu unterstützen.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 12. Oktober 1942, Seite 4).
Im Gau Tirol-Vorarlberg wurde in Kursen die Trachtenarbeit weiter intensiviert: „Vom 19. November bis 3. Dezember fand in Innsbruck ein Lehrgang für Leiterinnen von Arbeitsgemeinschaften ‚Nähen’ des BDM.-Werkes Glaube und Schönheit statt, der von Bannmädelführerin Fritzl Marchall geleitet wurde. Den Lehrgangsteilnehmerinnen aus den Kreisen des Gaues stand als Arbeitsraum die Nähstube des Tiroler Volkskunstmuseums zur Verfügung, wo ihnen unter fachmännischer Anweisung von Frau Gertrud Pesendorfer viele wertvolle theoretische und praktische Kenntnisse auf dem Gebiet des Trachtennähens vermittelt wurden. Am Mittwoch besuchte Gauleiter Hofer in Begleitung der Mädelführerin des Gebietes, Gebietsführerin Dr. Waltraud Mignon, den Lehrgang, um sich von den Ergebnissen zu überzeugen.“ (Tiroler Volksbote vom 8. Dezember 1942, Seite 3).
Im Mai 1942 fand im Gaugebiet eine „Werbewoche“ für das BDM.-Werk Glaube und Schönheit mit einer Reihe von Veranstaltungen statt. Anhand von Ausstellungen, offenen Arbeitsgemeinschaften, Werbeabenden, Larazettbetreuungen und dergleichen sollte ein Einblick über die Vielfalt und Bedeutung der Arbeit der 17- bis 21-jährigen Mädchen im Verbund Glaube und Schönheit vermittelt werden. Zur Tätigkeit dieser Jugendorganisation melden die Innsbrucker Nachrichten vom 7. Mai 1942, Seite 3: „[…] Das BDM.-Werk kommt in seinen Arbeitsgemeinschaften den persönlichen Neigungen unserer Mädel entgegen und will die in ihnen ruhenden Fähigkeiten wecken und zur Entfaltung bringen. So hat es eine Auswahl von Arbeitsgebieten übernommen, von denen nun im Laufe der Zeit einige besonders wichtige einen weiteren Ausbau erfuhren. Dies sind in der Hauptsache die Arbeitsgemeinschaften, die das persönliche Leben unserer Mädel betreffen; so für persönliche Lebensgestaltung, für gesunde Lebensführung, die hauswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften und eine Reihe solcher, die sich mit der Weiterbildung im Berufsleben beschäftigen.“ Diese praktischen Fördermaßnahmen fanden ihre Ergänzung in der „weltanschaulichen Schulung“ mit der Intention, „den Mädel ein Bewußtsein zu geben, daß sie einer Gemeinschaft angehören und damit auch eine politische Aufgabe zu erfüllen haben.“
Für soziale Aktionen wurde vielfach die Hitler-Jugend herangezogen, sei es für Arbeitsdienste in der Landwirtschaft oder als umtriebige Geldeinsammler für Unternehmen wie das Kriegs-Winterhilfswerk und ähnliche Projekte, wo die Jugendlichen mit dem ihnen eigenen Engagement für eine erfolgreiche Abwicklung bürgten. Eine besondere Attraktion bildete die alljährliche Bastelarbeit von Weihnachtsgeschenken für sozial benachteiligte Kinder:
„In diesen Wochen vor Weihnachten herrscht bei den Einheiten der Hitler-Jugend Hochbetrieb. Jungen und Mädel fertigen mit Eifer und Geschick Spielzeug. Wahre Berge von bunten Baukästen, Kraftwagen, Eisenbahnzügen liegen bei den Fähnleinführern schon zur Ablieferung bereit und die Mädel haben wunderhübsche Stoffpuppen mit dicken, langen Zöpfen genäht und gleich auch vom Kopf bis zum Fuß angezogen.
Alle diese schönen Dinge werden zu Weihnachten durch die NS.-Volkswohlfahrt an Soldatenkinder oder an Eltern verteilt, deren Minderreichtum in umgekehrtem Verhältnis zur Höhe des Einkommens steht. Der noch immer recht ansehnliche Rest wird auf deinem Weihnachtsmarkt, der voraussichtlich am 19. Dezember vor dem Goldenen Dachl im Rahmen der Reichsstraßensammlung für das Kriegswinterhilfswerk durchgeführt wird, öffentlich verkauft. Die schönsten Stücke, so z. B. sauber gearbeitete Schaukelpferde, die so sicher auf den Kufen stehen, daß kein noch so wilder Reiter jemals abgeworfen werden dürfte, werden im Rahmen einer Weihnachtsfeier der Hitler-Jugend versteigert.
Kein Wunder, daß da viele fleißige Hände wochenlang am Werk sein müssen, um so viele tausende und tausende schöner Spielsachen fertigzustellen. Schon im September ist mit der Arbeit begonnen worden und je näher das Weihnachtsfest heranrückt, um so eifriger werden über die wöchentlichen Heimabende hinaus alle Freistunden, auch die Sonntage, zum Basteln verwendet. Die Heimräume gleichen längst regelrechten Werkstätten, in denen um die Wette geschliffen und genagelt, gemalt, genäht und geflochten wird. Das Werk der Jungen entsteht in Gemeinschaftsarbeit mit den Tischlern, die die rohen Grundformen auf ihren Maschinen nach Modellen, die von der Hitler-Jugend selbst ausgearbeitet worden sind, zurecht schneiden. Da gibt es bunte Bausteine, Getier und Fahrzeuge aller Art, und jedes Stück ist sorgfältig ausgearbeitet. Ehe nicht alles stimmt, zeichnet es der Fähnleinführer auch nicht ab und erhält es in der Bannführung auch nicht das Werkzeichen der Hitler-Jugend […]“ (Innsbrucker Nachrichten vom 28. November 1942, Seite 3).
Herausragende Stücke wurden in der „Weihnachtsausstellung der Innsbrucker Hitler-Jugend“ gezeigt. Von deren Eröffnung am 5. Dezember 1942, an der vonseiten der Politik „Kreisleiter Pg. Dr. Primbs, Gaupropagandaleiter Pg. Margreiter und der Führer des Gebietes, Hauptbannführer Weber, teilnahmen“, berichten die Innsbrucker Nachrichten vom 7. Dezember 1942, Seite 3:
„[…] Nach Meldung durch den Führer des Bannes, Oberstammführer Pepeunig, an den Führer des Gebietes, legte der Bannführer einen Rechenschaftsbericht über die in diesem Jahre geleistete Werkarbeit der Innsbrucker Hitler-Jugend ab. Ueber 6000 Spielwaren aller Art wurden in diesem Jahr von der Innsbrucker Hitler-Jugend gebastelt und damit dafür Sorge getragen, daß am heurigen Weihnachtsabend zumindest alle Kinder unserer Soldaten ein Spielzeug auf dem Gabentisch finden. Sodann wurde die Ausstellung durch den Führer des Gebietes, Hauptbannführer Weber, eröffnet. Die Feier wurde mit Darbietungen des Bannorchesters und einer Mädelsingschar umrahmt.
Die Ausstellung, die nur einen Bruchteil von den Spielwaren zeigt, die von der Innsbrucker Hitler-Jugend angefertigt wurden, ist nunmehr täglich von 9 bis 18 Uhr im Taxishof, Erdgeschoß, links, geöffnet, u[nd] zw[ar] bis zum 17. Dezember. Die Spielwaren, die für die Kinder unserer Soldaten und die Kinder der von der NS.-Volkswohlfahrt betreuten Familien bestimmt sind, werden am kommenden Mittwoch dem Kreisleiter von Innsbruck zur Verteilung übergeben. Der Rest – und das sind viele hundert – werden dann am 19. Dezember beim Weihnachtsmarkt der Hitler-Jugend vor dem Goldenen Dachl und vor allem beim großen Bunten Abend der Innsbrucker Hitler-Jugend für das Kriegs-Winterhilfswerk, der ebenfalls am 19. Dezember im Großen Stadtsaal stattfindet, verkauft, bzw. versteigert.“
Die Übergabe an den Kreisleiter erfolgte in einem formellen Akt. In geschlossenem Zug wurden die Spielwaren von der Dienststelle der Bannführung in der Straße der Sudetendeutschen mit Fahrzeugen zur Kreisleitung gebracht. Der Fanfarenzug der Innsbrucker Hitler-Jugend schritt voran und sorgte mit seinen Klängen demonstrativ für Aufmerksamkeit. Nachdem Oberstammführer Pepeunig dem Kreisleiter Meldung erstattet hatte, wurde der Großteil der Spielwaren offiziell zur weiteren Verteilung durch die NSV-Dienststellen übergeben (Innsbrucker Nachrichten vom 10. Dezember 1942, Seite 3).
Das noch nicht speziell gewidmete Spielzeug wurden teilweise in Schaufenstern der Innsbrucker Spielwarengeschäfte ausgestellt. Auch in den Kreisstädten und in vielen Dörfern im Gaubebiet konnte man die liebevoll gebastelten Weihnachtsgeschenke für Kinder bestaunen. Bis zu Beginn des Monats Dezember waren in unzähligen Heimabenden um die 35.000 Spielwaren angefertigt worden; allein das Fähnlein 1 des Bannes Innsbruck-Stadt hatte sich mit 2000 Spielwaren beteiligt:
„[…] All diese vielen Spielwaren werden am Wochenende im Rahmen der Weihnachtsmärkte der Hitler-Jugend in allen größeren Standorten des Gebietes verkauft. Damit wird vielen Eltern Gelegenheit geboten, ihren Kleinsten am Weihnachtsabend ein schönes Spielzeug auf den Gabentisch zu legen. Der Verkauf der Spielwaren erfolgt nach reichseinheitlich festgesetzten Preisen. Ort und Tag der Weihnachtsmärkte werden in der Tagespresse noch rechtzeitig bekanntgegeben. Der Erlös aus diesen Weihnachtsmärkten fließt dem Kriegs-Winterhilfswerk zu.
Am Wochenende. also am 19. und 20. Dezember führt die Hitler-Jugend zudem noch mit dem NS.-Lehrerbund die Reichs-Straßensammlung dieses Monats durch. Wie in den letzten Jahren, wird auch heuer wieder diese Reichs-Straßensammlung vor Weihnachten im Zeichen kleiner Holzfiguren stehen, die sich ganz besonders zur Ausschmückung des Weihnachtsbaumes eignen. Eine bunte Sammlung von kleinen Spielwaren aller Art, von Heimarbeitern hergestellt, wird heuer ausgegeben. Ein Häuschen, eine Bäuerin, ein Baum und eine Gans, eine kleine Eisenbahn, ein Schaukelpferd und ein Steckenpferd, eine Trillerpfeife, eine Schildwache und eine kleine Kanone, mit der man tatsächlich schießen kann, das sind die schönen Abzeichen der Reichs-Straßensammlung der Hitler-Jugend am Wochenende.
Die Hitler-Jugend von Tirol-Vorarlberg wird auch heuer wieder allen Eifer und alle Freude dareinsetzen, ein schönes Ergebnis ihrer Straßensammlung erziehen zu können und damit gleichzeitig auch beweisen, daß sie alle Aufgaben, die ihr gestellt werden, pflichtbewußt und freudig erfüllt.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Dezember 1942, Seite 3).
Über diese „4. Reichs-Straßensammlung der Hitler-Jugend“ berichten die Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1942, Seite 3: „Innsbruck. ‚Groschen helfen siegen – Jugend sammelt’. Unter diesem Leitwort stand am Wochenende die vierte Reichs-Straßensammlung der Hitler-Jugend. Unsere Jungen und Mädel haben mit Fleiß und Begeisterung wahrlich Groschen für Groschen gesammelt. Auf allen Straßen und Plätzen klapperten die roten Büchsen. Pimpfe und Jungmädel, BDM. und Hitler-Jugend waren vom Samstag früh bis Sonntagnachmittag eifrigst am Sammeln. Die zierlichen Abzeichen, die heuer von der Jugend ausgegeben wurden, fanden selbstverständlich raschen Absatz.“
Zur Verbesserung des Sammelerfolgs, inszenierte die Hitler-Jugend ein „Wunschkonzert“, bei dem Spielzeuge und andere Geschenkartikel versteigert wurden. Dies geschah im Rahmen einer Großveranstaltung im überfüllten Innsbrucker Stadtsaal, in Anwesenheit von Gau- und Kreisleiter. „Der Führer des Bannes, Oberstammführer Pepeunig, erstattete zu Beginn des Abends Bericht“. Er führte aus, dass sich die Anzahl der von der Hitler-Jugend des Bannes Innsbruck-Stadt hergestellten Spielwaren inzwischen auf über 10.000 gesteigert hatte. Vom Konzertverlauf teilen die Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1942 auf Seite 3 Folgendes mit: „[…] Nach diesem Rechenschaftsbericht des Bannführers wurde das Wunschkonzert mit Darbietungen des Innsbrucker Bannorchesters unter der Leitung von Konzertmeister Werner eingeleitet, Werke von Franz Schubert, J. Strauß, Haydn, Bo[c]cherini und Hecht, die von den einzelnen Spendern auf die Wunschliste gesetzt worden waren, wechselten in rascher Folge ab. Dann kam der Musikzug des Bannes mit seinen Märschen, Ouvertüren und Walzern an die Reihe. Zwischendurch wurden besonders schöne Spielwaren versteigert. Selbstverständlich konnten dabei recht ansehnliche Beträge für das Kriegs-Winterhilfswerk eingenommen werden. Im Laufe des Abends konnte der Führer des Gebietes, Hauptbannführer Otto Weber, unter langanhaltendem Beifall mitteilen, daß die Lehrlinge der Reichsbahn-Ausbesserungswerkstätte in Innsbruck durch Verkauf von Spielwaren und vorzüglich gelungenen Schmiedearbeiten, die sie in ihrer abendlichen Freizeit hergestellt hatten, einen Beitrag von fast dreitausend Mark dem Kriegs-WHW. übergeben konnten. Schöne Beiträge brachten aber auch die während des Wunschkonzertes dargebotenen Märsche
Innsbrucker Jungschützenmarsch von Sepp Thaler, Kaiserschützenmarsch von [Rudolf] Kummer[er] und der Marsch Alte Kameraden von C[arl] Teike ein. Viel Beifall fanden auch mehrere von der Mädelsingschar des Bannes gesungene Volkslieder […].
Den Höhepunkt der ganzen Reichs-Straßensammlung in Innsbruck bildete der […] Weihnachtsmarkt vor dem Goldenen Dachl. Auf zahlreichen Ständen waren von der Hitler-Jugend Tausende selbstgebastelte Spielwaren zum Verkauf bereitgelegt worden. Bereits lange vor Beginn des Marktes drängten sich viele hundert Menschen um die Verkaufsstände. Um 11 Uhr vormittags erstattete dann der Führer des Bannes, Oberstammführer Pepeunig, dem Gauleiter, der mit Kreisleiter Dr. Primbs und Hauptbannführer Weber am Weihnachtsmarkt eingetroffen war, Meldung. Der Gauleiter gab sodann den Verkauf frei. Und nun ging es los. Man kann eines ruhig sagen: wie die frischgebackenen Semmeln gingen die vielen Spielwaren weg […].
Am Sonntagnachmittag fand dann noch abschließend im Oberfinanzpräsidium in der Tschurtschenthalerstraße ein froher Kindernachmittag statt, gestaltet und durchgeführt von den Innsbrucker Jungmädeln, dem ebenfalls ein voller Erfolg beschieden war. In rascher Folge zeigten die Jungmädel Ausschnitte aus ihrer Arbeit, führten Märchen- und Schattenspiele vor, sangen frohe Lieder und bereiteten den Zuschauern frohe und schöne Stunden.“
Wie auch sonst bei Großveranstaltungen war der Eröffnung des Weihnachtsmarktes eine „Morgenfeier der Sondereinheiten des Bannes Innsbruck-Stadt“ im Großen Stadtsaal als ritueller, die Ideologie verherrlichender Akt vorangegangen: „[…] Nach dem feierlichen OrgelauftaktWach auf, du deutsches Land sprach Stammführer Dr. Hans Berger über die Idee des Reiches vom Mittelalter bis zu ihrer Erfüllung im nationalsozialistischen Deutschland. Es folgten das gemeinsam gesungene Lied Deutschland, heiliges Wort von Wolfgang Eberhard Möller und zwei gesprochene Nationaldichtungen Hölderlins, Gesang der Deutschen und Tod fürs Vaterland. Mit dem Weihelied Heilig Vaterland [Text: Rudolf Alexander Schröder, 1914 (?); Melodie: Heinrich Spitta, 1933] klang die Morgenfeier aus.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1942, Seite 3).
Wie sehr schon Kleinkinder im Bannkreis ideologischer Macht gefangen waren, lässt eine „Julfeier der NSV.-Kindergärtnerinnen“ (Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1942, Seite 3) erahnen: „Wie bereits in den vergangenen Jahren, fand auch heuer wieder zum Abschluß des Jahres im Saale der Kreisleitung in Anwesenheit des Kreisleiters Dr. Primbs die Julfeier der NS.-Volkswohlfahrts-Kindergärtnerinnen statt. Die Feier, deren Gestaltung in den Händen der Kreisreferentin P[artei]g[enossi]n Koll lag, wurde von Kindergärtnerinnen und Kindern durchgeführt. Musikalische Darbietungen, sinnvolle Sprüche und Lieder waren auf das deutsche Weihnachtsfest abgestimmt. In einer kurzen Ansprache dankte der Kreisleiter den Kindergärtnerinnen für ihre vorbildliche Arbeit und gab ihnen Richtlinien für die Arbeit des kommenden Jahres. Der Kreisleiter betonte insbesondere die Wichtigkeit ihrer Aufgabe bei der Betreuung der Kleinkinder. Heute, da viele Väter dieser Kinder an der Front stehen, ist es die schönste Aufgabe, den Müttern in der Heimat Hilfe und Stütze zu sein. Abschließend versicherte Kreishauptamtsleiter Parteigenosse Reisegger dem Kreisleiter, daß es das höchste Ziel seiner Kindergärtnerinnen auch im kommenden Jahre sein werde, die Kleinkinder so zu betreuen, daß die Mütter ohne Sorge um ihr Liebstes sein können.“
Volksbildungsstätte
Die Volksbildungsstätte Innsbruck unter der engagierten Leitung von Dr. Ehrentraut Straffner setzte ihre intensive Tätigkeit im Sinne der Parteiideologie trotz der Kriegserschwernisse mit einem umfangreichen Angebot konsequent fort.
Anfang Jänner 1942 startete in Zusammenarbeit mit der Deutschen Alpenuniversität Innsbruck ein gesellschaftspolitisch höchst relevanter „Arbeitskreis“ mit der Thematik „Schutz der Erbgesundheit“, der dazu bestimmt war, „junge, erbgesunde Menschen in die Grundzüge der Rassenbiologie einzuführen“. Die vier Abende umfassende Aufklärungsveranstaltung, an der man nur teilnehmen konnte, wenn man das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten hatte, fanden im Histologischen Institut der Universität (Müllerstraße 39) statt und wurden von Prof. Dr. Jürg Mathis geleitet.
Ähnlicher Thematik widmete sich der Mitarbeiter des rassenpolitischen Amtes der NSDAP, „Pg.“ Ernst Mühlmann aus Hamburg in einem im Rahmen der Veranstaltungen des Deutschen Volksbildungswerkes in Imst gehaltenen Vortrag über die „Grundlagen der Vererbung und die rassenpflegerischen Maßnahmen in der deutschen Bevölkerungspolitik“ (Tiroler Volksbote vom 31. März 1942, Seite 4).
Ein zweiter neu installierter Arbeitskreis beschäftigte sich im Claudiasaal mit Farbfotographie. Als Experte „auf dem Gebiete des Farblichtbildes“ führte Ing. Rolf Göttle die Kursteilnehmer an mehreren Abenden in diese neue Technik ein (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Jänner 1942, Seite 5).
Neben den Arbeitskreisen wurden Vorträge angeboten, die in der Regel programmatisch die Parteiideologie unterstützten, indem sie beispielsweise das Nationalbewusstsein stärkten. Zu diesem Zweck wurden insbesondere Themen aus dem Kunstbereich herangezogen. Am 6. Jänner 1942 hielt Prof. Heinrich Werner einen Lichtbildervortrag über die Entwicklung der deutschen Geschichtsmalerei (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Jänner 1942, Seite 5).
Viele Veranstaltungen der Volksbildungsstätte zielten darauf ab, den Lokalpatriotismus ideologiegerecht zu instrumentalisieren, etwa mit Dichterlesungen in Tiroler Mundart, begleitet von Volksliedpräsentationen. Ein solches, die Volksseele erhebendes Programm unter dem Motto „Ein Tiroler Mundart-Abend“ bot die Volksbildungsstätte Innsbruck am 3. Februar 1942 im Konzertsaal der Städtischen Musikschule an. Ausführende waren die Mundartdichterin Anni Kraus sowie der gefragte Lautenspieler und Sänger Robert Berchtold. Dass dieses volkstümliche Kulturangebot wieder zahlreiche Besucher anzog, führt Karl Paulin in seiner Besprechung des Abends in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Februar 1942, Seite 4, vor allem darauf zurück, dass beide Vortragende die „heimatliche Mundart meisterhaft beherrschen“. Weiters führt er aus:
„Unser Tiroler Volkslied hat schon seit Jahren in Lautensänger Robert Berchtold einen ausgezeichneten Vertreter, der es aus wohlgepflegter und gesteigerter Naturanlage vorzüglich verstand, das Zartsinnige ebenso wie das Kraftvoll-Humorvolle aus den schönsten Liedern unseres Josef Pöll herauszuholen, z. B. aus dem Wiegenlied und aus dem ab dramatischer Wirkung kaum zu übertreffenden Tatzelwurm. Die gleiche Treffsicherheit bewährte Berchtold in der Wiedergabe einiger kerniger Inntaler Schnalzer Karl Schönherrs, dessen 75. Geburtstag in allernächste Nähe rückt. Daß zur vollendeten Wirkung der Berchtoldschen Liedervorträge auch die köstlich abgestimmten Jodler und die tadellose Beherrschung der Klampfn gehört, ist selbstverständlich.
Frau Anni Kraus hat nun schon eine treue, von Jahr zu Jahr sich vergrößernde Gemeinde, die ihren Gedichten in Tiroler Mundart mit Begeisterung lauscht. Gelegentlich des Anni-Kraus-Abends im Vorjahr haben wir in der Besprechung eine weitere Vertiefung und Verfeinerung ihrer freudespendenden Kunst angedeutet, die nun wirklich aus den neuen Proben, die diesmal zum Vortrag kamen, zu erkennen sind.
Die eigenartige Fähigkeit, das Wesen oder mindestens die Umrisse eines Gegenstandes in weinigen knappen Verszeilen kernig und zugleich erheiternd zu charakterisieren, hat sich Anni Kraus weiter ausgebildet und eine Reihe neuer reizvoller Gedichte aufblühen lassen. Dabei war in der Auswahl der neuen und alten Gedichte das Besinnliche in den mehr lyrischen Stücken mit dem Sarkastischen so geschickt gemischt, daß jedes Gedicht in der ansprechenden Vortragsart zu voller Wirkung kam. Beide Vortragende fanden so lebhafte Zustimmung, daß sie sich zu mehreren Zugaben entschließen mußten.
Die nachhaltige Wirkung dieses schönen heimatlichen Abends, an dem sich Gesang und Dichtung vereinten, hat aufs neue die unversiegbare Anziehungskraft unserer Mundart als Quelle gemütserheiternder volkstümlicher Schöpfungen bewiesen.“
Im Herbst 1942 bot die Volksbildungsstätte mit dem Auftritt des international angesehnen Tiroler Literaten Josef Wenter, dessen Dramen sogar im Wiener Burgtheater reüssierten, ein besonderes Kulturereignis mit lokalpatriotischer Implikation an. Karl Paulin schildert den Verlauf des Abends und vermittelt als Literaturexperte auch stilistische Einblicke in das Werk Josef Wenters, die in ihrer positiven Überzeichnung selbst schon wieder von propagandistischer Wirkung sind:
„Josef Wenters besondere, persönliche Art als Mensch und Dichter, sein feinnerviges Gefühl für die innersten Strömungen in Natur und Leben, die kulturgesättigte künstlerische Anschauung, die nach bildnerischer Formung des Geschichtlichen und des Erlebten drängt, kommt in seinem jüngsten Werk, dem Erinnerungsbuch Leise, leise, liebe Quelle! wohl am deutlichsten zum Ausdruck. Es war daher naheliegend, daß der Dichter seiner von der Volksbildungsstätte Innsbruck veranstalteten Eigenlesung am 6. d[ieses] M[onats Oktober 1942] im Konzertsaal der Städtischen Musikschule einen Ausschnitt aus diesem Buch der Kindheit voranstellte […].
Das zweite Stück, die Schilderung einer Fahrt durch Burgund, die der Dichter nach dem siegreichen Westfeldzug unternommen [hat], war in der Beobachtung und Wiedergabe der Reiseerlebnisse kennzeichnend für den Schriftsteller Wenter, der es meisterhaft versteht, die Fäden der Vergangenheit und der Gegenwart zu einem kunstvollen Gebilde zu verknüpfen, das immer wieder den goldenen Einschlag geistvoll sinnlicher Betrachtung zeigt. So wenn z. B. die Gaben des burgundischen Bodens von einem feinschmeckerischen Kenner gewürdigt werden, der das südtirolische Weinparadies seine Heimat nennt […].
Dann kam im zweiten Teil des Abends der Dramatiker zum Wort. Und nun hoben sich in der klaren, leidenschaftlich prägenden Sprache die gestaltet in männlich scharfen Umrissen aus den Wechselreden. Wenter laß zunächst jene dramatische Kernszene seines
Michel Gaismair, in welcher der Tiroler Bauernführer dem Landesfürsten entgegentritt. Prachtvoll wuchs der deutsche Vorkämpfer des Reiches vor dem spanischen Habsburger auf, dem er in flammenden Worten die Forderungen der Zeit und des Volkes entgegenhielt. Der weltanschauliche Gegensatz als Angelpunkt des Dramas leuchtete in dieser dramatisch meisterhaft gespannten und gelesenen Probe wie im Blitzlicht auf. Den Beschluß bildete dann die letzte Szene des Dramas, in welcher der Geist des gemeuchelten Gaismair Gericht hält über das gewissen des schuldbeladenen Fürsten.
Die Eigenlesung Josef Wenters wurde von der großen Gemeinde seiner Freunde und Leser in der Heimat mit herzwarmen Beifall aufgenommen und bedankt.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 8. Oktober 1942, Seite 5).
Im Rahmen der Veranstaltungen des Deutschen Volksbildungswerkes las Anfang November 1942 in Imst der oberösterreichische Heimatdichter und NS-Aktivist Karl Itzinger (1888-1948) mehrere Ausschnitte aus seinem Gaismayr-Roman Der Ketzerfürst und dem Frankenburger Würfelspiel, das die Thematik der Bauernkriege zum Inhalt hat. „Die Lesung war für die zahlreichen Zuhörer ein außergewöhnliches Ereignis.“ (Tiroler Volksbote vom 6. November 1942, Seite 6).
Für die Saison 1942/43 konnte das Deutsche Volksbildungswerk der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude als übergeordnete Organisation des Volksbildungsstätte Innsbruck „auch im vierten Kriegswinter trotz aller zeitbedingten Schwierigkeiten allen Volksgenossen“ die Versicherung geben, „hervorragende Fachleute auf den verschiedensten Gebieten der Politik, Wissenschaft und der Künste zu hören sowie in Arbeitskreisen und Gemeinschaften Wissen und Handfertigkeit zu ergänzen“. Mit sichtlicher Zufriedenheit wird betont: „Diese reiche Vortrags- und Lehrtätigkeit mag mit Ausdruck und Kraft der Heimat und des starken Kulturwillens unseres Volkes sein, das von allen Lern- und Ertüchtigungsmöglichkeiten stets ausgiebig gebrauch macht, wie der zahlreiche Besuch der Veranstaltungen der letzten Jahre immer wieder bewies.“ Das vielfältige, ideologische Grundsätze erfüllende Programm, ist in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. Oktober 1942, Seite 5 f., detailreich wiedergegeben:
„[…] Die Vortragsreihe wird am 16. Oktober durch Prof. Dr. Kretschmer eröffnet. Der Verfasser zahlreicher, außerordentlich gern gelesener Abhandlungen über das Grundthema ‚Konstitution und Leistung’ wird an seinem Innsbrucker Abend viel Interessantes und Neues über seine Forschungen auf dem sehr zeitgemäßen Gebiet zu sagen wissen. Wirtschaftsfragen von hoher Aktualität werden Schriftleiter Dr. Walter Croll aus dem Reichswirtschaftsministerium in einem Vortrag über ‚Wirtschaft im europäischen Raum am 6. November und Dr. Hans Joachim Schultze von der Universität Jena über den ‚Kampf der Großmächte um Lebensraum' am 2. Dezember behandeln. Beide Redner werden sich mit Fragen auseinandersetzen, die sich aus Deutschlands Aufstieg zur führenden Macht in Europa ergeben. ‚Das Mittelmeer im Ringen der Völker' wird Dr. E. Wunderlich am 5. Mai darstellen. Ueber ‚Japans Kampf und seine Grundlagen in Land und Volk’ wird Dr. Ludwig Mecking von der Universität Hamburg, ein bekannter Geograph und guter Kenner Nippons, sprechen und unserem Japanbild durch die Eindruckskraft des aus eigener Anschauung geschöpften Erlebnisberichtes neue kräftige Farben geben. Ebenfalls in den Fernen Osten, in ‚Die Welt Indiens', führt Professor Dr. Gustav Mensching in seinem Vortragsabend am 13. April, an dem er besonders die starken politischen Strömungen in dem derzeit so heftig an seinen Ketten rüttelnden britischen Ausbeutungsland aufzeigen wird. Völliges Neuland wird Prof. Ubbelohde-Doering aus München in seinem für Oktober angesetzten hochinteressanten Vortrag über die ‚Königsstraßen der Inkas' erstmals einem breiteren Höherkreis in Innsbruck erschließen, das der Vortragende im Auftrage des verstorbenen Reichsministers Dr. Todt unter ganz neuen Gesichtspunkten untersucht hat. Großen Anklang dürften auch ein Finnland-Vortrag Günther Thaers aus dem Reichspropagandaministerium am 30. März und ein Grönland-Vortrag Ing. Kurt Herdemertens, Leiters der Grönlandfahrt aus der Hermann-Göring-Stiftung, finden.
Unseren vielen Filmfreunden wird Dr. Nikolaus Kaufmann, einer der führenden Köpfe des neuen deutschen Filmschaffens, am 10. April mit seinem Vortrag ‚Wunder und Rätsel des Films' besonders willkommen sein, während der bekannte Farblichtbildner Dr. Otto Teller aus München am 2. März über das Farblichtbild viel Wissenswertes zu sagen und Schönes zu zeigen haben wird.
Heimatfreunde, also wir alle, werden den Abend des Münchner Kunsthistorikers Doktor Friedrich Weiler über die ‚Inn- und Salzach-Stadt' nicht versäumen wollen, der die Geschichte unsers durch Lauben, besondere Dächer- und Erkerformen gekennzeichneten Baustils aufrollen will. In das Gebiet der Heimatkunde fällt auch der Abend Dr. Nelia Kabusch, einer Nichte unseres verdienten Museumskustos Konrad Fischnaller, die den Beitrag Tirols zur deutschen Literaturgeschichte aufzeigen wird. Weitere vier bis fünf heimatkundliche Vorträge werden erst im Laufe des Winters abgeschlossen und in die Vortragsfolge eingeschaltet werden. Fest stehen hingegen schon drei gemeinsam mit dem Deutschen Automobilklub veranstaltete Farblichtbildervorträge über das Generalgouvernement, Frankreich und das Baltikum.
Das Studium fremder Sprachen, seit jeher von verhältnismäßig breiten Berufsschichten gepflegt, hat in den letzten Jahren noch einen starken Aufschwung genommen, zumal sich immer mehr junge Leute für künftige Aufgaben außerhalb des deutschen Sprachgebietes vorbereiten. Diesem Bestreben kommt ein Abkommen der Volksbildungsstätte mit der Außenstelle der Reichsfachschaft für Dolmetscherwesen entgegen, das die Dolmetscher- und Fremdsprachkurse ergänzen soll. An je drei Abenden werden Prof. Dr. Back von der Deutschen Alpenuniversität Innsbruck, Oberstudiendirektor Karl Cora, Leiter der Oberschule für Jungen in Solbad Hall, und die Lektorin unserer Universität Dr. Tonka Schießer-Reifegg englische, italienische und französische Landeskunde vermitteln. Die Fremdsprachenkurse für Italienisch, Französisch und Englisch sowie der Unterricht in deutscher Sprache für Erwachsene werden dem Zeiterfordernis entsprechend durch zwei russische und einen spanischen Sprachkurs vermehrt. Lehrkräfte hiefür sind Frau Woch, eine aus Reval gebürtige Baltin, und Dr. Holzmann.
Von den Arbeitsgemeinschaften sei jene über vergleichende Stilkunde und Kunstgeschichte Prof. Heinrich Werners an erster Stelle genannt, die seit Jahren sehr beliebt und stark besucht ist. In die dramatische Dichtung wird Prof. Dr. Enzinger, Germanist an der Deutschen Alpenuniversität, einführen und das Unterscheidungsvermögen des Theaterfreundes für gute und schwache Stücke durch Vorträge über das Wesen der dramatischen Kunst unterbauen. In Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei wird die Volksbildungsstätte Lese-Abende schaffen, an denen neue Bücher besprochen und klassische Werke der Literatur, der Geisteswissenschaft, der Politik und der Wirtschaft durchgenommen werden sollen. Prof. Dr. Otto Stolz, der führende Historiker der Alpenuniversität, wird einen heimatkundlichen Arbeitskreis führen, in dem er über den Tiroler Landreim, ein Versepos mit lebendiger Schilderung des Lebens in unserem Bergland während des 15. Jahrhunderts, oder Tirols Kulturgeschichte um den Ausgang des Mittelalters viel Neues und Wissenswertes mitteilen wird. Josefine Urich, die bewährte Führerin zahlreicher heimatkundlicher Wanderungen, wird in einem Arbeitskreis über Tiroler Burgen unterrichten, und es ist zu erwarten, daß Dr. Richter, Assistentin am Geographischen Institut der Alpenuniversität, zu einem volkskundlichen Vortragskreis gewonnen werden kann. Eine Arbeitsgemeinschaft, in der das deutsche Wesen, wie es sich in den Werken unserer Großen spiegelt, hervorgehoben werden soll, wird von Dr. Herbert Seidler, Oberstudienrat an der Lehrerbildungsanstalt, geführt werden.
An Arbeitskreisen werden die so beliebten Bastelabende weitergeführt, an denen leichte Buchbinderarbeit sowie die Anfertigung von Spielzeug aus Holz gezeigt wird. Neu geschaffen wird ein Arbeitskreis für Zierschrift, für ornamentales Zeichnen und Schnitzen auf volkskundlicher Grundlage, dessen Leitung Grete Karasek vom Tiroler Volkskunstmuseum übernommen hat. Der im Frühjahr sehr gut besuchte Arbeitskreis ‚Unser Hausgarten' wird mit der Besprechung der Gartenarbeiten im Herbst sowie der Verwertung der Gartenernte fortgeführt. Der Arbeitskreis ‚Das Farbbild' wird Freunden der Lichtbildkunst wie bisher Austausch von Erfahrungen zu nützlicher Eigenverwertung ermöglichen; neu dazukommen soll ein Arbeitskreis für Liebhaber der Schwarz-Weiß-Photographie mit besonderer Berücksichtigung der Dunkelkammerarbeiten.“
Wie sehr die Vortragstätigkeit im Rahmen der Volksbildungsstätte grundsätzliche Propagandainteressen der Partei erfüllte, lässt sich z. B. anhand der folgenden Besprechung von Marie Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. November 1942, Seite 7 demonstrieren:
„Im Rahmen einer von der Volksbildungsstätte Innsbruck und dem Deutschen Automobilklub durchgeführten Veranstaltung sprach Hans Grützner aus Leipzig über ‚Das Generalgouvernement, ein deutsches Vorfeld im Osten'. In weitausholender Einleitung suchte Hans Grützner den Zug der europäischen Völker nach Osten seit den Zeiten Alexanders des Großen zu kennzeichnen und las in diesem Zusammenhang ein umfangreiches Kapitel aus einem Roman um die Entdeckung Amerikas, weil Kolumbus auf seiner Fahrt ins Unbekannte nur den Osten auf neuem Wege entdecken wollte. Zum eigentlichen Thema des Abends gekommen, berichtete der Vortragende über den mustergültigen deutschen Aufbau, der in dreijähriger zielbewußter Arbeit aus dem Chaos polnischer Kanzleihypertrophie einen Verwaltungsapparat aufbaute, der ein Muster der Einfachheit, Uebersichtlichkeit und Zweckmäßigkeit darstellt. Dadurch konnte schon wenige Wochen nach dem Kriege für die Bevölkerung Arbeit geschaffen, ihre Ernährung gesichert und das Verkehrswesen geordnet werden. Das Erlebnis des Abends waren gute Farblichtbilder aus dem Generalgouvernement, die uns die Städte des Ostens in ihren schönen Bauten wieder so recht als uraltes Vorland deutscher Kultur erkennen ließen, das in Zukunft unter deutscher Führung eine neue, diesmal dauernde Blüte erleben wird, steht doch jetzt die ganze Kraft des geeinten deutschen Volkes hinter diesem Kolonisationswerk.“
Deutsche Alpenuniversität Innsbruck
Die Universität hatte sich sowohl im Bereich der Forschung und Lehre als auch in ihrer öffentlichen Tätigkeit im Rahmen von Vorträgen dem umfassenden Zugriff der Parteiideologie nicht entziehen können. In unterschiedlicher Intensität ideologischer Vereinnahmung waren in den einzelnen Universitätsinstituten Professoren, Dozenten und Assistenten dem Dienst an Parteiinteressen aufgeschlossen. Besonders Fachbereiche wie Volkskunde und Geschichtswissenschaften waren geeignet, Grundsätze der Ideologie durch das öffentliche Ansehen und die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse zu stärken.
Ein besonderes Forum boten die Vorträge in der Universitätsaula, die durch eine repräsentative bildhafte Anwesenheit des „Führers“ schon rein äußerlich als Weihestätte des Nationalsozialismus adaptiert worden war. Die Veranstaltungsreihe in der Universitätsaula eröffnete eine Lesung von Aischylos’ Agamemnon durch Mitgliedern des Tiroler Landestheaters am 29. Jänner 1942. Das Werk des antiken Dramatikers wird in einer Vorschau in den Innsbrucker Nachrichten vom 27. Jänner 1942, Seite 4, als das „unvergängliche Stück nordisch-hellenischer Tragik“ gepriesen.
Die kulturellen Hochleistungen der griechischen Antike werden in einem Vortrag von Herbert Haltorf aus Hannover mit dem Titel „Das nordische Griechentum im Dienste der Wehrerziehung“ nicht nur „nordischem“ Ursprung zugeordnet, sondern als Vorbildideal für die Jugenderziehung erklärt. Der Referent war vom Verein Freunde des Gymnasiums eingeladen worden. Anfang Dezember 1942 stellte er in der Universitätsaula dazu folgende Argumente in den Mittelpunkt seiner Propagandarede, die sich vorrangig an die Gymnasialprofessoren richtete (Innsbrucker Nachrichten vom 10. Dezember 1942, Seite 5):
„[…] Das Griechentum sehen wir heute mit anderer Blickrichtung, als sie dem Neuhumanismus zu eigen war. Mit ihr stellen wir das Hellenentum in den Dienst der Wehrerziehung, die das Gebot nicht nur der Gegenwart, sondern aller Zukunft ist. Wehrerziehung muß in der Jugend die seelischen und geistigen Voraussetzungen schaffen. Dazu gehört das Wehrwissen, das ja der Krieg von heute nur nicht ein Kampf der Waffen ist, sondern ein Kampf der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit und Forschungskraft der Völker. Der Feldzug gegen die Sowjets zeigt uns die hohe Bedeutung geistiger Kräfte. Ueber jeder Erziehungsarbeit am Griechentum steht so die Forderung der ministeriellen Richtlinien, daß der Lehrer den heldischen Grundzug in den Schriften von Homer über Tyrtaios und die Tragödie bis zu Thukydides und Platon herausarbeitet und der Jugend zu lebendigem Bewußtsein bringt. Schon Xenophons Anabasis kündet von den Mühen und Strapazen der sich tapfer durchschlagenden Griechen. Herodot zeigt der Jugend, daß nicht die Zahl, sondern Opferwillen und Klugheit eines tapferen Volkes die Siege erkämpfen. Die Recken der nordischen Welt eines Homer kennen nur Ehre, Ruhm und Tapferkeit als Grundsätze ihres Handelns. Im Dienste einer hohen erzieherischen Sendung steht auch die Tragödie. Bei Sophokles ist der Kampf eines heldischen Menschen deren Leitmotiv. Die Werke des Aeschylos sind Ausdruck ‚marathonisch-salaminischer Kraft‛. Aus der Welt der Mythologie führt Thukydides in die Wirklichkeit des peloponnesischen Krieges. Ein herrliches Zeugnis heldischer Seelenhaltung, der letzte Aufruf des letzten athenischen Staatsführers nordischer Art, ist die Gefallenenrede des Perikles. Den großen Platon nennt Rosenberg einen ‚Aristokraten‛, einen ‚Olympiakämpfer‛, einen ‚schönheitstrunkenen Dichter‛. Seine ‚Gesetze‛ greifen über den ‚Staat‛ hinaus. Ihm sind Grund und Boden die Grundlagen der völkischen Kraft und sein politischer Kampf ist zu allen Zeiten Vorbild tapferen Mannestums. Was Platon nicht mehr gelingen konnte, nämlich sein Volk vor dem Untergang zu bewahren, ist im neunen Deutschland Wirklichkeit geworden. Philosophie und Staatskunst haben sich vereint, d. h. die Kraft der Idee erfüllt unsere Nation, beflügelt unser Volk zu höchster Kraft – und diese Kraft bewirkt die Siege unserer Wehrmacht.“
Die Stärkung des Nationalstolzes war Intention eines Vortrags in der Universitätsaula von Dozent Dr. Theodor Schieder am 16. Februar 1942 mit dem Thema „Friedrich der Große und das deutsche Volk“. In einer Einleitung erklärte Rektor Professor Dr. [Harold] Steinacker die Initiative: Dankbarkeit bleibe stets eine Quelle der Kraft, „daher erinnert sich das deutsche Volk in seinem gegenwärtigen Schicksalskampf dankbar und verehrungsvoll seiner großen Männer und schöpft aus der Betrachtung ihres Lebens und Schaffens neue geistige Kräfte. Der Innsbrucker Dozentenbund hat die Aufgabe erhalten, in Vorträgen Gedächtnistage der Nation zur lebensgeschichtlichen Darstellung bedeutender Persönlichkeiten wahrzunehmen. Unsere heutige gesamtdeutsche Geschichtsauffassung überbrückt den alten Gegensatz zwischen kleindeutscher und großdeutscher Einstellung, heute lernt der Süden den Norden kennen, und dem Norden erschließt sich ein tieferes, verbindendes Verständnis der Kulturbedingungen des Südens“ (Innsbrucker Nachrichten vom 18. Februar 1942, Seite 5).
Die Aulavorträge wurden in Kooperation von Gauleitung und Universitätsführung organisiert. Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe im Wintersemester 1941/42 kam der Vorstand des Musikwissenschaftlichen Instituts der Deutschen Alpenuniversität, Professor Dr. Wilhelm Ehmann, mit dem Thema „Volksmusik und Kunstmusik“ zu seinem kulturpolitisch verwertbaren Einsatz. Über den Verlauf des mit zahlreichen Musikbeispielen bereicherten Vortrags berichtet Karl Senn ausführlich in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. März 1942, Seite 5:
„Professor Dr. Wilhelm Ehmann, der Leiter des musikhistorischen Institutes unserer Alpenuniversität, sprach am Montag, den 9. d[ieses] M[onats März 1942], in der Aula vor zahlreichen Zuhörern über das heute sehr gegenwartsnahe Thema ‚Volksmusik und Kunstmusik‛. Volksmusikalische Fragen wurden in der allgemeinen Musikgeschichte, wie der Vortragende eingangs feststellte, so gut wie nicht berücksichtigt, was als Mangel empfunden wurde; erst nach dem Weltkrieg ging man daran, Volkslied und Volksmusik in den Bereich eingehenderer wissenschaftlicher Forschung zu ziehen. Das Verhältnis von Kunst- und Volksmusik wurde als dringende Frage aufgestellt. Verschiedene Theorien suchten die Frage zu klären. Ein Bild sollte das Verhältnis am besten ausdeuten: Wurzel und Stamm eines Baumes sind die nährende Volksmusik, die Krone bildet die Kunstmusik. So entsteht die Frage, ob Kunstmusik als organische Entfaltung der Volksmusik zu werten ist, ob die Symphonie nichts anderes sei, als ein längeres Volkslied und dergleichen.
Die eigentliche Volksliederforschung wurde vor allem von humanistischer Seite aus betrieben, angefangen von Johann Gottfried Herder, über dessen Einfluß sich auch Goethe, besonders in seiner Straßburger Zeit, mit Volksliederforschung beschäftigte. Es wurden verschiedene Theorien aufgestellt, die das Wesen des Volksliedes charakterisieren sollten. So wurde als wesentlich angenommen, daß der Schöpfer eines Volksliedes unbekannt sein müsse. Andere suchen hinter jedem Volkslied eine Dichterpersönlichkeit zu erfassen. Heute ist die Forschungslage so, daß gleichsam ein Schützengrabenkrieg besteht. Eine neue Generation wird neue Ausgangspunkte zu suchen haben, und zwar aus dem Wesen des Musikalischen selbst.
An der Hand von sieben Volksliedern, die aus mehreren Jahrhunderten stammen, erklärte dann der Vortragende das Wesen des Volksliedes und seine eigentümlichen Merkmale, sowie seine verschiedenen Bestimmungen, wies auch auf die Unterschiede sowohl der Entstehungszeit wie auch seiner Abstammung hin: nordisches und süddeutsches Gestaltungsprinzip, ersteres mit weiten, letzteres mit kleineren Tonschritten.
Die Zusammenhänge und Uebergänge von Volks- zur Kunstmusik wußte Professor Ehmann sehr deutlich an der Hand von Heinrich Isaaks, des Hofkomponisten Kaiser Maximilians, Lied ‚Innsbruck, ich muß dich lassen‘ zu erklären. Isaak hat dieses, weit in das 15. Jahrhundert zurückreichende Lied wahrscheinlich kurz vor 1500 aufgezeichnet und ihm seine Fassung gegeben. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde es zur Grundlage von Bearbeitungen genommen; als vierstimmiger Satz, Note gegen Note; als vokaler Wechselsatz in einer missa carmina; als Orgelsatz; als Choralbearbeitung Johann Sebastian Bachs in der Matthäuspassion; in neuester Zeit als Feier-Kantate von Walter Rein [(1893 Stotternheim/Erfurt-1955 Berlin)] für Chor und Instrumente, endlich als Serenade für Streichquartett von Paul Höffer ([1895 Barmen-1949 Berlin)]
Professor Ehmann besprach dann noch weiter Ausführliches über das Wesen des Volksliedes, das bezeichnender Weise nicht aufgezeichnet ist und in stetem lebendigem Flusse sich befindet, vom Volke immer wieder zersungen, besser gesagt um[ge]sungen wird; daher entstehen dann die verschiedenen ‚Lesearten‘. Das Volkslied kann sich immer wieder selbst erneuern, vermag stets wiederzukehren, während die Kunstmusik einmalig und unwiederholbar ist. Des Vortragenden Ausführungen gipfelten schließlich in der Feststellung, daß Volksmusik zu Kunstmusik nicht wie Wurzel eines Baumes zur Krone, sondern wie Baum zur Blockhütte oder wie ein Steinbruch zum Tempelbau sich verhalten.
Ein gemischter Chor des Collegium musicum und ein Streichquartett brachten die von Professor Ehmann für seinen Vortrag ausgewählten Beispiele zu tönendem Leben.“
Nur wenige Tage nach diesem Vortrag konzipierte Wilhelm Ehmann unter dem Motto „Studenten singen und spielen“ mit seinem Collegium musicum in der Mittagspause in der großen Halle des Reichsbahnausbesserungswerkes Innsbruck ein „Werkpausenkonzert“: „[…] Werkdirektor Häusler eröffnete die Veranstaltung mit einer kurzen Ansprache. Die flott gespielten und gesungenen Weisen wurden von der Belegschaft mit großer Anteilnahme aufgenommen. Betriebsobmann Wett sprach zum Abschluß den Dank namens der Belegschaft aus und die Werkfrauengruppe bedachte die Mitwirkenden mit kleinen Aufmerksamkeiten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 14. März 1942, Seite 5).
Das Collegium musicum der Deutschen Alpenuniversität präsentierte sich als Kammerorchester und gemischter Chor auf Einladung der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude mit seinem Leiter Professor Dr. Ehmann am 17. Juli 1942 im Rahmen eines der beliebten „Hofgartenkonzerte“. In seiner Berichterstattung geht Karl Senn auf den eigentlichen, der studentischen Fortbildung dienenden Zweck des Collegium musicum ein (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1942, Seite 4):
„Das Collegium musicum dient wissenschaftlichen und pädagogischen Zwecken. Wenn es nun aus diesem Rahmen herausgetreten und die Ergebnisse der Studien einem größeren Kreis vorführt, geschah dies besonders deshalb, weil in dem eben abgelaufenen Semester über das Lied und im besonderen über das Volkslied und solche Werke, die mit dem Volkslied in Zusammenhang stehen, gearbeitet wurde, aber auch, um die Volksverbundenheit dieser Musik stützen zu helfen. Das Collegium musicum will keine konzertmäßigen Veranstaltungen; es dient studentischen Zwecken, unterstützt die politische Schulung, hilft bei der militärischen Betreuung, wirkt bei Veranstaltungen der Deutschen Arbeitsfront, NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude, mit. Der Endzweck ist: zum Selbstmusizieren anzuregen. Mitglieder des Collegium musicum sind Studenten und Studentinnen aller Fakultäten, die aber auch, besonders im Kammerorchester, von außerstudentischen Kräften unterstützt werden.“
Zu Programm und Gestaltung der „Abendmusik im Hofgarten“ gibt Karl Senn folgenden Einblick: „Die Vortragsordnung brachte Fest- und Tanzmusiken, sowie vier- und fünfstimmige, aus dem Volkslied erwachsene gemischte Chöre des Barock und der Moderne. In einem einleitenden Vortrag sprach Professor Dr. Ehmann über den Zweck der Veranstaltung. Drei Volksliedbearbeitungen von Hans Leo Haßler (1564 bis 1612) für gemischten Chor: ‚Nun fanget an‘, ‚Feinslieb, du hast mich g’fangen‘ und ‚Tanzen und Springen‘ waren auf Heiterkeit und Tänzerisches abgestimmt, ebenso die folgenden zwei Orchesterwerke: Altdeutsche Festmusik von J. S. Bachs Zeitgenossen Johann Kaspar Fischer und Altdeutsche Tanzmusik von Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767). Drei Chöre aus dem 17. Jahrhundert: ‚Ich sag’ ade‘ von einem unbekannten Meister, ‚Es steht ein’ Lind‘ von C[aspar] Othmayr [(1515-1553)] und, feierlich und schwungvoll aufrauschend, ‚O Musika, du edle Kunst‘ von P[aul] Peuerl [(1570-nach 1625)] bildeten den Uebergang zum modernen Teil, der einen Ländler aus einer Alpenländischen Tanzmusik für Kammerorchester von Karl Marx und die Chöre ‚Höret, was ich euch sagen will‘ von Hans Lang, ‚Mein Sinnen bringt zu ihr mich hin‘ von Walter Rein, die interessante Chorvariation Bauernliederkreis von Hugo Distler und zum Schluß die mehrsätzige Jagdkantate für Chor und Kammerorchester von Cesar Bresgen brachte. Mit Ausnahme des Chores von Distler waren alle Chöre Volksliederbearbeitungen im modernen Sinne.
Gesungen und gespielt wurde mit großer Freude und Aufmerksamkeit. Professor Ehmann sah seine viele Mühe damit belohnt. Die zahlreich erschienenen Zuhörer fanden großen Gefallen an den durchweg gelungenen Vorträgen und spendeten viel Beifall, dem durch Wiederholung des letzten Satzes der Jagdkantate und einem weiteren gemischten Chor entsprochen wurde.“
Mit der Schlagzeile „Neue Wege der volkskundlichen Forschung“ wird ein Vortrag mit dem Titel „Grundlagen und werden des deutschen Volkstums in unserem Gau“ von Prof. Dr. Adolf Helbok in der Aula der Universität Innsbruck angekündigt (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Dezember 1942, Seite 5). Berichtet wird ebenso, dass das Institut für Volkskunde der Alpenuniversität unter der Leitung seines Vorstandes Prof. Dr. Adolf Helbok noch im „Aufbau begriffen“ sei und anstrebe, „neue Methoden der kartographischen Volksforschung“ zu entwickeln. Im engen Zusammenhang damit stünden zwei jahrzehntelange Bestrebungen Professor Helboks, „den Rassegedanken in die Volksforschung hineinzutragen“. Zum Inhalt des für 10. Dezember geplanten ideologieträchtigen Vortrags erfahren wir: „Der Vortrag soll nun zum erstenmal den Versuch machen, die breite Oeffentlichkeit mit den Problemen dieser heute im Vordergrund des Interesses stehenden Wissenschaft vertraut zu machen. Die Entstehung unseres Volkstums wird demgemäß als Ergebnis fortlaufender Zeugungsprozesse geschildert werden, es wird gezeigt, wie Vorgänge der Auslese und des Ausmerzens im Gange sind und aus der Lebensgemeinschaft von Blut und Boden immer wieder neue Formen des Volkswesens und der Kultur erwachsen. Weiters wird der Vortrag von den frühesten Bewohnern der Alpen handeln, durch die verschiedenen Zeiträume hindurchführen und das Herauswachsen des tirolisch-vorarlbergischen Wesenbildes in großen Linien aufzeigen. Dabei wird der Vortrag auch zu verschiedenen aktuellen Fragen unseres Volkstums, z. B. dem Bergbauernproblem, Stellung nehmen.“
Die grundlegende Bedeutung der neuen Modewissenschaft Volkskunde zur ideologischen Fundierung der NS-Herrschaft hatte schon ein Beitrag von „Heeres-Studienrat K. Haß von der Inspektion des Erziehungs- und Bildungswesens“ in der Neuesten Zeitung vom 7. September 1942 auf Seite 4 eloquent erklärt: Die deutsche Volkskunde habe lange vergeblich um die ihr zukommende Bewertung gekämpft. Jetzt behaupte sie ihren Platz neben der Rassenkunde und Geschichte, und aus der engen Verbindung mit diesen beiden Wissenschaften hätten Forschungen und Erkenntnisse auf diesen Gebieten neue Grundlagen und Richtlinien erhalten. Diese neue Einschätzung des Themas „Volkskunde“ als wertvollem Partner der Ideologie sollte vor allem im Schulunterricht zum Tragen kommen. „Das nordisch-germanische Erbe in der deutschen Volkskultur“ – so laute künftig das Grundthema der deutschen Volkskunde:
„Die Volkskunde ist heute Unterrichtsgrundsatz für alle Schulen und für alle Schulfächer. Dabei stellt sie nicht etwa ein neues Fach dar, sondern sie bedingt eine besondere Einstellung, die über das rein Schulische hinausreicht.
Die Gedanken über Volkstum und Heimat gewinnen vor allem im Rahmen der Deutschkunde beachtlichen Wert. Der Versuch einer Erfassung des deutschen Geistes als einer Synthese alles dessen, was sich an geistigen Kräften in einem Volke in Wert, Wort und Idee gestaltet, kann nur glücken, wenn sein Unterbau gesichert, das volkhafte Denken und Fühlen und Handeln in seinen Kollektiv- und Sonderformen klar erkannt ist. Denn Volkskunde kann nie allein die Kunde vom Schaffen der deutschen Genien sein, sondern in erster Linie die jenes volkhaften Gemeingenius, der das deutsche Wesen in alle seinen Ausdrucksformen umfaßt. Die höchste Aufgabe ist es deshalb, die Gemeinschaftsseele und die Gemeinschaftsideale unseres Volkes erkennen und erfühlen zu lassen.
Weiter müssen aus der bunten Vielfalt der Erscheinungen der Reichtum und die Kraft und aus der Geschlossenheit die gemeinsamen Wurzeln des deutschen Volkstums erkannt werden. Dabei darf Volkskunde nicht etwa nur Bauernkunde sein, sondern es müssen auch die im städtischen Leben ruhenden starken Kräfte unseres Volkes aufgezeigt werden. Das Endziel der volkskundlichen Durchdringung des Unterrichts ist nicht die Kenntnis der Zustände und ihrer Veränderungen, sondern der Einblick in das Wesen des deutschen Menschen und die Erziehung zur Gemeinschaft im Geiste des deutschen Volkstums.“
Die vom Seminar für Alte Geschichte an der Deutschen Alpenuniversität unter der Leitung von Dr. Helene Miltner seit 1939 in Vill durchgeführten Grabungsarbeiten, konnten trotz kriegsbedingter Behinderungen fortgeführt werden. Die Themen „Frühgeschichte“ und Bevölkerungsgenese waren ideologisch verwertbar, damit fand diese Unternehmung in Gauleiter Franz Hofer einen großzügigen Förderer. Über die Fortschritte und Ergebnisse der Grabungsarbeiten informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 16. Oktober 1942, Seite 3:
„[…] Bekanntlich war es in den früheren, seit 1939 laufenden Grabungsarbeiten gelungen, zunächst einen Kultbau freizulegen, der unzweifelhaft das Hauptheiligtum der Siedlung darstellt, und daran anschließend einen umfangreichen Saalbau aufzudecken, indem man mit größter Wahrscheinlichkeit den Versammlungsraum, das Rathaus der Gemeinde, erkennen darf. In unmittelbarer Nähe des Versammlungshauses konnten schon im vergangenen Jahr einige Räume eines Wohnbaues freigelegt werden, deren bedeutende Abmessungen den Gedanken nahelegen, daß es sich hier um das Wohnhaus des Gemeindeältesten, vielleicht des Gaufürsten, handelt.
Heuer wurden nun weitere Zimmer dieser umfangreichen Hausanlage ausgegraben, wobei die ansehnlichen Reste der einstigen Holzausstattung der Zimmer besonderes Interesse in Anspruch nehmen. Auf der Kuppe des Hügels aber wurde zwischen dem Heiligtum und dem Versammlungshaus eine weitere ausgedehnte Anlage entdeckt, die erst zum Teil von den Schuttmassen befreit werden konnte. Den Kern des Bauwerks bildet ein fester Turm, um den ringsherum kleinere Zimmer angeordnet sind, von deren Flucht sich eine breite Terrasse hingezogen zu haben scheint. Wenn auch angesichts des Ausgrabungsstandes Deutungen nur mit aller Vorsicht vorgebracht werden können, so darf doch die Vermutung geäußert werden, daß dieser stattliche Bau der Unterbringung der Gefolgsmannen des Gemeindeältesten gedient hat.
Da in den verschiedenen Räumen eine bedeutende Zahl von schön verzierten Tonschalen und mancherlei andere Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens geborgen werden konnte, so rundet sich langsam das Bild, das wir uns von einer einheimischen illyrischen Siedlung aus dem letzten Jahrhundert v[or] d[er] Z[ei]t[en]w[ende] machen können.
Von besonderer Bedeutung ist es, daß auch in den neu ausgegrabenen Teilen wieder eine Anzahl von Gräbern aufgedeckt wurde, die nach ihrer Ausstattung als Germanengräber der Völkerwanderungszeit mit Sicherheit anzusprechen sind. Die zum Teil sehr gut erhaltenen Skelette mit ihren nordischen Schädeln lassen auch eine klare Vorstellung von dem körperlichen Aussehen der ersten germanischen Siedler in unserem Gau gewinnen.
Da die Wissenschaft heute mehr denn je bestrebt ist, ihre Ergebnisse der Gesamtheit des Volkes zugänglich zu machen, wurden die ausgegrabenen Ruinen entsprechend konserviert und offen gelassen. Sie sind jedem Besucher frei zugänglich. Allerdings muß an alle Besucher die dringende Mahnung gerichtet werden, diese Denkmäler aus der Frühzeit unseres Volkes nicht mutwillig oder leichtfertig zu verunreinigen oder gar zu beschädigen. Wer das Werk seiner Ahnen mißachtet, mißachtet sich selbst!“
Im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung kamen auch Professoren der Innsbrucker Alpenuniversität zum Einsatz. Ein Bericht von Hermann Fink in den Innsbrucker Nachrichten vom 22. Mai 1942, Seite 3 f. gibt darüber Auskunft:
„[…] So hat der Anglist der Deutschen Alpenuniversität, Prof. Dr. R. Hoops, im Auftrage des Führungsstabes der deutschen Luftwaffe schon anfangs 1941, dann im Herbst 1941 und zuletzt im heurigen Frühjahr drei mehrwöchige Fahrten zu den Soldaten nach Frankreich, Norwegen und Holland unternommen. Die Themen, die hie[r]bei behandelt wurden, berührten die verschiedensten Fragen des britischen Weltreiches. Im Auftrage des Oberkommandos der Marine war im heurigen Frühjahr auch der Geograph Prof. Dr. H. Kinzl an der dänischen Westküste eingesetzt und sprach an Hand eines Filmes und von Lichtbildern, die er anläßlich seiner Japanreise selbst hatte herstellen können, über das neue Japan, sein Wesen und seine Ziele. Den Ostteil Dänemarks bereist derzeit der Altphilologe der Deutschen Alpenuniversität Prof. Dr. A. Lesky und spricht über Fragen der Tragödie, des antiken Sportes und der alten griechischen Geschichte, da die Aufgeschlossenheit der Truppe für die Länder der Antike und ihr Schicksal besonders seit dem vorjährigen Balkanfeldzug wesentlich tiefer und größer ist, als man gemeinhin in der Heimat glaubt.
Die umfangreichste Tätigkeit hat der Musikhistoriker der Universität Prof. Dr. W[ilhelm] Ehmann entfaltet, dem es möglich war, den erfolgreichen Einsatz des Collegium musicum der Deutschen Alpenuniversität im Spätsommer des Jahres 1941 in Frankreich und im heurigen Frühjahr in den Niederlanden durchzuführen. Darüber hinaus hat er allein eine Vortrags- und Lehrfahrt an die Kanalküste im Herbst des vergangenen Jahres durchgeführt und im Jänner 1942 einen musikalischen Lehrgang für Wehrbetreuungsoffiziere geleitet.
Der Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Miltner, unternahm bisher zwei Frontfahrten, und zwar die eine zur Marine an der Westküste Dänemarks und die andere im Auftrage der Luftwaffe in den Nordabschnitt der Ostfront. In seinen Vorträgen behandelte Prof. Dr. Miltner das Wesen des germanischen Menschen und die Wandlung des germanischen Lebensraumes im Laufe der Jahrhunderte.
Im Rahmen dieser Fahrten der Mitglieder der philosophischen Fakultät der Deutschen Alpenuniversität Innsbruck wurden bisher 217 Vorträge gehalten und musikalische Vorführungen durchgeführt […].“
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Das Tiroler Landesmuseum konnte seinen Vereinsstatus beibehalten, weil sich dessen leitende Organe mit dem NS-Regime arrangiert hatten. Neben der unterwürfigen "Ergebenheitserklärung" unmittelbar nach der Volksabstimmung im April 1938 ist ein weiterer Beleg dafür die "Kollektivausstellung" mit Gemälden des der NS-Ideologie verbundenen Malers Hubert Lanzinger (1880 Innsbruck-1950 Bozen) im Jahr 1941. Von 1938 bis 1945 war Univ.-Prof. Dr. Richard Heuberger mit der kommissarischen Leitung des Ferdinandeums betraut. Die Geschäfte des Vereinsvorstandes führte Landeskonservator Dr. Oswald Graf Trapp, während dessen Militärzeit (1943 bis 1945) Kommerzialrat Kunibert Zimmeter.
Nach einer längeren Schließzeit aufgrund der Umorganisation von Beständen der Schausammlungen wurde das Ferdinandeum am 12. Oktober 1942 wieder öffentlich zugänglich. Die Innsbrucker Nachrichten vom 9. Oktober 1942, Seite 3, informieren:
"[...] Die Besuchszeiten sind: Werktags von 9 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 9 bis 12 Uhr.
Neben den naturkundlichen Sammlungen und dem Lapidarium im Erdgeschoß sind die zum Teil umgestellten Schausammlungen des ersten Stockes (kunstgewerbliche Sammlung, Siegelsammlung und Heraldik, mittelalterliche und barocke Bildwerke, Andreas-Hofer-Saal, Saal der Stadt Innsbruck, geographischer Saal, urgeschichtliche Sammlungen und Waffenkabinett) dem Besuche geöffnet.
Die Bibliothek kann wie bisher an Werktagen von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr benützt werden. Samstag nachmittags bleibt sie geschlossen.
Die Gemäldegalerie, die graphische Sammlung und das Musikalienkabinett bleiben gesperrt."
Bereits mit Kriegsausbruch wurden Vorkehrungen zum Schutz des Sammelbestandes getroffen. Dr. Vinzenz Oberhammer, Kustos der kunsthistorischen Sammlungen, verfasste in den Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum (Band 20/25, Jahrgänge 1940/45, Innsbruck 1947, Seite 265 ff.) einen umfangreichen "Jahresbericht über die Vereinsjahre 1940-1946". Er informiert unter anderem über diese Evakuierungsmaßnahmen:
"Die ersten Maßnahmen der Sicherung und der Vorbereitung einer allfälligen Bergung außerhalb des Museums setzten schon im ersten Kriegsjahre ein. Vor allem wurden zunächst die wertvollsten und gefährdetsten Objekte aus den Schausammlungen herausgezogen und in einem besonders gesicherten Erdgeschoßraum des Museumsgebäudes zusammen mit dem entsprechenden Packmaterial bereitgestellt, um gegebenenfalls in abseits gelegene Örtlichkeiten des Landes gebracht werden zu können. Die Vorkehrungen wurden dadurch vervollständigt, daß das Augenmerk der Museumsleitung von allem Anfang an darauf gerichtet war, außerhalb der Stadt entsprechend gesicherte und namentlich auch trockene Bergungsräume von hinreichendem Ausmaße ausfindig zu machen und für das Museum zu sichern. Sie hat dabei in den Inntaler Schlössern und Klöstern entgegenkommende Aufnahme gefunden. Bereits im Jahre 1942 erschien es dann nötig, zunächst die bereits ausgeschiedenen Perlen der Sammlung nach Schloß Ambras zu überbringen. Zur Betreuung dieser Bestände wurde der akademische Bildhauer Franz Staud [(1905 Mühlen/Navis-1959 Innsbruck)] gewonnen, der dieser Aufgabe den ganzen Krieg hindurch, besonders aber auch in den schwierigen Zeiten, die dem Zusammenbruch folgten, mit Sorgfalt und Eifer diente. Bei der Ausweitung des Luftkrieges konnte es bei dieser ersten Teilbergung nicht bleiben. Vielmehr mußte die Museumsleitung bestrebt sein, nach und nach, soweit nur irgendwie noch Transportmittel zur Verfügung standen, die gesamten Objekte der Schausammlungen nach auswärts in Sicherheit zu bringen. Schließlich waren nicht nur die ganze Bildergalerie, die Plastiksammlung und sämtliche kunstgewerblichen Gegenstände, sondern zugleich auch die vielen Tausende von Stücken zählende Urgeschichtliche Sammlung, die Waffensammlung, die patriotischen Erinnerungsstücke, die Musiksammlung, die ganze Graphiksammlung, das Herbar usw., darüber hinaus aber in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt auch noch privates Kunstgut von insgesamt 52 Eigentümern und aus den Innsbrucker Klöstern in den 14 vorbereiteten Bergungsorten auf dem Lande geborgen worden. Es mußte ja von vornherein das Ziel der Bergungsaktion sein, durch Zerstreuung die Sicherheit für das Ganze zu erhöhen. Den Abschluß bildete die Verbringung der gesamten, etwa 60.000 Bände zählenden Bibliothek des Museums nach St. Martin bei Schwaz und Schloß Schönwörth im Unterinntal und schließlich die Verpackung der so wertvollen Mineralogischen Sammlungen, die noch zu Beginn des Jahres 1945 im Keller des Museums geborgen wurde. Im letzten Kriegsjahre ergab sich außerdem die dringende Notwendigkeit, die umfangreichen Ambraser Depots wegen der gefährdeten Lage des Schlosses in unmittelbarer Nähe der Stadt nach Stams zu verlagern [...]. Rund 60 Einzelfahrten mit offenen Lastwagen waren notwendig, um die Transporte durchzuführen [...]."
Denkmalpflege und Raumordnung
Impulsgeber im Bereich der Denkmalpflege war der Verein für Heimatschutz in Tirol, der sich mit einer Vielzahl von Vorschlägen und Anregungen bei den offiziellen Stellen für Schutzmaßnahmen einbrachte. Im Zuge von Zentralisierungsmaßnahmen wurde der Verein 1942 umstrukturiert und Parteiinteressen folgend in einen größeren Verband eingegliedert: „Dem Zuge der politischen Entwicklung Rechnung tragend, wurde über Wunsch des Herrn Gauleiters und Reichsstatthalters Hofer anläßlich der vereinsrechtlichen Neuregelung ein einheitlicher, das ganze Gaugebiet umspannender, selbständiger Verein als Landesverein des Deutschen Heimatbundes, dessen Sitz in Düsseldorf ist, gebildet, Der Heimatbund im Reichsgau Tirol und Vorarlberg“. Der Name des bisherigen Publikationsorgans Tiroler Heimatblätter wurde ebenfalls in Heimatblätter für den Reichsgau Tirol und Vorarlberg geändert. Der Vorsitzende des Heimatbundes im Reichsgau Tirol und Vorarlberg, Dr. Schuler, veröffentlichte als Schlusssatz der Bekanntmachung dieser Neuregelung im Märzheft 1942 der Tiroler Heimatblätterfolgenden Wunsch: „Ich hoffe zuversichtlich, daß es mit der Änderung des Titels nicht sein Bewenden finden wird, sondern daß auch der Inhalt durch Beiträge aus dem alemannischen Kulturkreise so gestaltet werden kann, daß die Zeitschrift ihrer nunmehrigen umfassenden Aufgabe in wünschenswertem Ausmaß gerecht werden kann.“
Vom (21.) Jahrgang 1943 unter der neuen Bezeichnung Heimatblätter für den Reichsgau Tirol Vorarlberg, herausgegeben vom Landesverein des Deutschen Heimatbundes: Der Heimatbund im Reichsgau Tirol Vorarlberg erschien nur Heft Nr. 1-3 in einer gemeinsamen Ausgabe mit dem bescheidenen Umfang von 32 Seiten. Schriftleiter war Dr. Kurt Walde gemeinsam mit Rudolf Sinwel und Franz Zangerl.
Das Einstellen der Heimatblätter wurde auf Seite 1 wie folgt begründet, unterzeichnet Der Deutsche Heimatbund im Reichgau Tirol und Vorarlberg: „Die Kriegswirtschaft erfordert stärkste Konzentration aller Kräfte. Diese Zusammenfassung macht es notwendig, daß unsere Zeitschrift mit dem heutigen Tage bis auf weiteres ihr Erscheinen einstellt, um Menschen und Material für andere kriegswichtige Zwecke freizumachen. Wir danken dem Verlage, sowie allen Mitarbeitern und Beziehern, die den Heimatblättern durch Jahre die Treue gehalten haben; wenn auch die äußeren Umstände nicht immer einer Entwicklung unserer Blätter günstig waren, so bilden doch die nunmehr 21 Jahrgänge für jeden Freund unseres Landes und seiner Bewohner eine reiche Fundgrube heimatkundlicher Erkenntnisse. Selbstverständlich betrachtet es der Verein als seine vorzüglichste Aufgabe, sobald es die Verhältnisse zulassen, die Heimatblätter wiederum erschienen zu lassen. Wir bitten deshalb heute schon, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, zur Seite zu stehen und den Neuaufbau zu erleichtern.“
Im Jahr 1947 war es soweit, dass die Tiroler Heimatblätter als „Monatshefte für Geschichte, Natur- und Volkskunde“ wieder erscheinen konnten, herausgegeben vom Verein für Heimatschutz und Heimatpflege in Tirol unter der Schriftleitung von Rudolf Sinwel und Eduard Lippott, als Erstes das „Sammelheft 1-2“ von Jahrgang 22. Im Geleitwort legen die Herausgeber die „Ziele und Grundsätze“ der Zeitschrift fest:
„Die Tiroler Heimatblätter wurden ins Leben gerufen mit der Absicht, in den breiteren Volksschichten die Kenntnis von der Heimat zu fördern, damit die Liebe zur Heimat zu nähren und im Sinn einer tätigen Heimatpflege anregend zu wirken. Dem Volke dienend, sollten sie allen Heimatfreuden ohne Unterschied des Standes und Berufes, des Bildungsgrades, der Geistesrichtung und Weltanschauung zur Belehrung und Unterhaltung dienen und zur Mitarbeit offen stehen. Mit einem Worte: eine Volkszeitschrift sollen und wollen die Tiroler Heimatblätter sein und sie müssen dies, um nicht sich selbst und ihrem Daseinszweck untreu zu werden, auch fürderhin immer bleiben […]“.
Die Nachwirkung der NS-Ideologie im übertriebenen Heimatbewusstsein und damit verbundener Ausgrenzung ist unverkennbar.
Im einzigen (Sammel-) Heft der Heimatblätter für den Reichsgau Tirol Vorarlberg, 21. Jahrgang (1943) ist auf Seite 32 ein Tätigkeitsbericht des Landesvereins des Deutschen Heimatbundes: Der Heimatbund im Reichsgau Tirol und Vorarlberg veröffentlicht, unterzeichnet von „Dr. Seberiny“:
„Wenn auch die Vereinstätigkeit im Jahre 1942 gemäß dem Wunsche des Führers, daß die kulturelle Arbeit im Kriege fortgeführt werden solle, aufrechterhalten wurde, so hat doch der Krieg mit seinen mannigfachen Erschwernissen auf allen Lebensgebieten sich oft recht hemmend auf die Heimatpflegearbeit ausgewirkt. Nicht nur die Einschränkungen im Papierverbrauch machen eine Werbetätigkeit durch Flugschriften und sonstige Druckschriften unmöglich, auch die verschiedenen Verbote und Einschränkungen in der Bauwirtschaft verhindern die Durchführung von Instandsetzungen an Baudenkmälern oder Entschandelungen, da sie zumeist nicht als lebenswichtig oder kriegswichtig bezeichnet werden können.
Die Tätigkeit des Vereines mußte sich daher in der Hauptsache darauf beschränken, die Lichtbildervortrags- und Büchersammlungen neu zu ordnen und zu ergänzen, sowie Material für Unternehmungen für jene Zeit vorzubereiten, in der es wieder möglich sein wird, eine freiere Tätigkeit zu entwickeln. Zudem war der Verein auch in der Berichtszeit stets eifrig darauf bedacht, dem Bilde der Heimat drohende Gefahren durch rasches Eingreifen zu beseitigen.
Eine solche Gefahr droht dem bekannten Mayr-Garten im Stadtteil Wilten von Innsbruck, der dazu bestimmt ist, an der Michael-Gaismair-Straße die für die Automatisierung des Innsbrucker Fernsprechnetzes notwendigen Gebäulichkeiten [!] aufzunehmen, was natürlich eine Zerstörung dieser schönen Gartenanlage zur Folge hätte. Unser 1. Vorsitzender hat sich in Verbindung mit dem Vorstande des Innsbrucker Verschönerungsvereines wiederholt bemüht, die nötigen Ausweichmöglichkeiten zu schaffen, die es gestatten, den Garten vorläufig zu schonen. Die zu erwartende Regulierung der Michael-Gaismair- und der Templstraße werden ihn an seiner Süd- und Westseite allerdings derart beschneiden, daß nicht mehr viel Schätzenswertes übrig bleibt.
Der Verein hat ferner unter anderen den Kreisbeauftragten für Naturschutz in Innsbruck gebeten, die nötigen Schritte einzuleiten, daß eine landschaftlich hervorragende Baumgruppe (zumeist Eichen und eine Esche) auf dem Schusteranwesen in Absam bei Hall unter den Schutz des Reichsnaturschutzgesetzes gestellt werde.
Schließlich arbeitet der Verein an der Herausgabe eines vom NS. Volkskulturwerk zu veröffentlichenden Werkes Geheiligte Erde durch Sammlung des nötigen Materials mit.
In der Zeit vom 7. bis 9. Juni 1942 trafen sich die Vertreter des Deutschen Heimatbundes aus allen Gauen Großdeutschlands zu einer Besprechung über kriegswichtige Aufgaben in Würzburg, wozu auch der Verein vier Vertreter entsandte. Es wurden in einer Reihe von interessanten Referaten und Aussprachen die Fragen der Festigung deutschen Volkstums, der Aktivierung der Dorfkultur, der Erhaltung des deutschen Laubwaldes, der Baupflege und des Heimatschrifttumes eingehend behandelt. An die Verhandlungen schlossen sich Führungen auf die mustergültig wieder instandgesetzte Festung Marienburg und nach dem Schloß Veitshöchheim, die jedem Teilnehmer unvergessliche Erlebnisse bleiben werden.
In der Berichtszeit wurden wieder zwei Familienabende mit Lichtbildervortrag veranstaltet, und zwar sprach am 24. Februar 1942 Baurat Arch[itekt] Matuella über ‚Bodenständiges Bauen‛ und Univ.-Prof. Dr. Hammer am 25. November 1942 über ‚Innsbrucker Erkerplastik an der Wende zur Renaissance‛. Am 31. Mai fand ein diesmal vom Wetter besonders begünstigter heimat- und naturkundlicher Ausflug über die Viller Ausgrabungen und die Igler Gletscherköpfe nach Patsch statt, an den sich eine Besichtigung der Vogelwarte am Ahrnberg schloß.
Wie schließlich bereits mitgeteilt, wurde der Wunsch des Herrn Gauleiters Hofer anläßlich der vereinsrechtlichen Neuregelung die Tätigkeit des Vereines auch auf Vorarlberg ausgedehnt und dementsprechend der Titel der Heimatblätter geändert. Auf der am 13. Mai 1842 abgehaltenen Jahreshauptversammlung wurde dem Wunsche Rechnung getragen.“
Vermutlich auf Anregung des Heimatbunds im Reichsgau Tirol und Vorarlberg veranstaltete das Berufserziehungswerk der Deutschen Arbeitsfront vom 2. bis 12. Februar 1942 eine „Tages- und eine Abendlehrgemeinschaft“ für Kaufleute, um sie in der Gestaltung von Schaufenstern zu schulen. Die Initiative wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 29. Jänner 1942, Seite 3, begründet:
„Auch heute, in der Zeit des kriegsbedingt eingeschränkten Warenverkaufs, hat die Werbung durch ein gutes Schaufenster nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil, gerade heute muß die Schaufensterwerbung so gestaltet sein, daß sie den zeitlichen Belangen vollauf Rechnung trägt. Geschmacklos gestellte und mit Waren, die auf Grund der kriegswirtschaftlichen Verhältnisse käuflich nicht oder nur sehr beschränkt zu erwerben sind, überhäufte Schaufenster wirken nicht werbend, sondern verärgern den Kunden.
Jeder Einzelhandelskaufmann soll daher das Bestreben haben, ja man kann geradezu von Verpflichtung sprechen, die Kunst der richtigen und zeitgemäßen Schaufenstergestaltung möglichst weitgehend zu beherrschen. Während man früher unter den Kaufleuten nur hier und da solche gefunden hat, die es verstanden, werbetechnisch richtige und daher in ihrer Wirkung erfolgreiche Schaufenster zu gestalten, gehört heute das Wissen um diese Art der Werbung zur selbstverständlichen Allgemeinbildung des Kaufmanns […].“
Die Fachgruppe Bauwesen des nationalsozialistischen Bundes Deutscher Technik veranstaltete am 13. Februar 1942 in Innsbruck eine Informationsveranstaltung über „Landesplanung und Aufgaben der Raumordnung“ mit dem Referenten „Landesplaner Pg. Hartwig“.
„Er schilderte zunächst die Unordnung im deutschen Raum als Ergebnis des liberalen Zeitalters und erörterte dann die Grundlagen der nationalsozialistischen Ordnung des deutschen Lebensraumes. Hiernach bedeutet Ordnung dieses Raumes nicht nur rationellste Nutzung des Bodens und seiner Schätze, sondern vor allem Schaffung der Voraussetzung für die Entfaltung der Kräfte des deutschen Volkes. Raumordnung ist für den nationalsozialistischen Staat keine bloß technische Angelegenheit, sondern eine Frage von größter politischer Bedeutung. Daher steht auch dem Staate die Raum- und Planungshoheit zu. Die Raumplanung des kleineres Gebietes hat sich in jene des größeren Gebietes einzufügen, damit die Gesamtinteressen gewahrt bleiben […].
Als Ziele der nationalsozialistischen Raumordnung stellt[e] er die Stärkung der biologischen Volkskraft, die bestmögliche Nutzung des Bodens und seiner Kräfte, die arteigene Zuordnung von Volk und Landschaft und die Steigerung der Abwehrbereitschaft des deutschen Raumes heraus. Im Sinne dieser Grundsätze kann nicht mehr der einzelne nach seinem persönlichen Vorteil den Standort des von ihm geplanten Hauses oder Unternehmens bestimmen, wie dies nach liberalistischer Auffassung der Fall war, sondern es haben die gesamtvölkischen Gesichtspunkte den privaten vorauszugehen […].
Dieser, den deutschen Lebensraum total erfassende Gestaltungswille wird damit die Zeugen seiner Größe und seines inneren Gehaltes nicht nur in Monumentalbauten, sondern in allen Bauten, Kultur-, Zweck- und Wohnbauten der Nachwelt und damit dem Urteil der Geschichte überliefern.
Wenn unser deutsches Bauschaffen, besonders die Gestaltung des Lebensraumes, der Dorf- und Städtebilder, auch in den Jahren nach der Machtübernahme noch nicht die Formen annehmen konnte, die unseren weltanschaulich-politischen Vorstellungen und Forderungen entsprechen, so lag das wohl in erster Linie daran, daß die vergangene Epoche liberalistischer Einstellung, das Fehlen jeglicher lebendigen und volksverbundenen weltanschaulichen Grundlage überhaupt, jedes normale Empfinden für eine gesunde Entwicklung ausschaltete und fast gänzlich abtötete. Dieser Zerfall war schon so weit fortgeschritten, daß nicht nur jede gemeinverständliche Schöpfung unterblieb – bestenfalls wurden noch Anleihen in allen Bauperioden vergangener Jahrhunderte gemacht –, sondern man vergriff sich in geradezu barbarischer Weise an den geschlossenen Städte- und Landschaftsbildern, die frühere Epochen weltanschaulicher Größe des deutschen Volkes uns hinterlassen hatten. Die Zerstörung der Baukultur, die Verschlechterung der wohnpolitischen Verhältnisse und die Auflösung des Städtebaues, besonders seit den Gründerjahren bis in die jüngste Zeit hinein, haben dazu geführt, daß zunächst alle Brunnen, aus denen eine Erneuerung hätte quellen können, versiegten […].
Diese Periode des Zerfalles ist überwunden, die Grundlage neuen Lebens, einer neuen Baukultur ist im Nationalsozialismus geschaffen, Nun gilt es, die Formen zu finden, in denen unsere Weltanschauung den kulturellen Ausdruck findet, der ihr gerecht wird.
Wenngleich anerkannt werden muß, daß jeder Bauschaffende, sei er Architekt, Baumeister oder Arbeiter, sich alle erdenkliche Mühe gibt, den Forderungen unserer Zeit zu genügen, so dürfen wir keineswegs verkennen, daß dieses Streben noch zu sehr den Stempel individualistischer Einstellung trägt, denn noch fehlt die übergeordnete Gesetzlichkeit, die in dieses vielseitige Streben eine Einheit und damit eine klare Linie zu bringen vermag.
Die Gesetze der Gemeinschaft sind es, die auch auf diesem Gebiet der Baukultur zur Gestaltung drängen. Die Elemente aber, deren wir uns hierbei zu bedienen haben, sind die gleichen, die als Träger der Weltanschauung deren ewige Gültigkeit und ständige Erneuerung garantieren, die den Menschen gestalten und ihm Leben und Kraft verleihen.
Das Volk ist Träger der Idee und ewiger Kraftquell.
Im Raum und durch die Beherrschung des Raumes gestaltet es sein Leben. Die Landschaft schreibt ihm mit all ihren äußeren Einflüssen und Lebensbedingungen den Weg vor und zeigt ihm die natürlichen Grenzen.
Diese Elemente: Volk, Raum und Landschaft mit ihren wechselseitigen Beziehungen, müssen wieder Grundlage und Allgemeingut unseres Bauschaffens werden.
Die Gestaltung der Idee ist ein ewiges Ringen um letzte und vollendete Ausdrucksmöglichkeiten und Formen, und ihre Durchsetzung und Verwirklichung kann nur im Kampf gelingen. Kampf aber ist das Ethos Adolf Hitlers, Kampf mit der Kraft der Ueberzeugung, des Willens und des Glaubens.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 20. Februar 1942, Seite 3).
Die konkrete Umsetzung dieses theoretischen Konzepts einer der Ideologie entsprechenden Baugestaltung, Denkmalpflege und Raumordnung im Gaugebiet wird anhand des „deutschen Straßenbaues im Alpenraum“ im Rahmen eines Vortragsabends des Gauamtes für Technik aufgezeigt. Referent war „Reichslandschaftsanwalt Prof. Seifert“, der im November 1942 in Anwesenheit des Stellvertretenden Gauleiters Herbert Parson und „zahlreicher Vertreter von Partei, Wehrmacht und Staat“ einen fundierten Vortrag hielt und besonders die Interdependenz von Technik und Kultur herausstellte. Die Begrüßung und Vorstellung nahm Gauamtsleiter und „Regierungsdirektor Pg.“ Kojetinsky vor. In einem Statement zu Beginn brachte er die Grundsätze nationalsozialistischer Baukultur auf den Punkt (Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1942, Seite 4 f.):
„Die Technik im nationalsozialistischen Sinne muß aber dem Volke dienen und daher auf alles Rücksicht nehmen, was die Volksgemeinschaft berührt. Sie muß daher auch der deutschen Landschaft gebührende Achtung entgegenbringen. Dies gilt ganz besonders für unseren Gau, der vornehmlich dazu ausersehen ist, daß in ihm der deutsche Mensch von schwerer Arbeit Erholung findet.“
Über die daraus abzuleitenden Bemühungen im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Fremdenverkehrs wird mitgeteilt:
„Prof. Seifert wies einleitend darauf hin, daß er nicht über die technischen Leistungen, sondern über die Kulturarbeit des deutschen Straßenbaues im Alpenraum zu sprechen habe. Technik hat mit Kultur nichts zu tun; Technik schafft Zivilisation und nur dann Kultur, wenn der Wille auf Kulturschöpfung ausgerichtet ist. Kultur liegt auf einer völlig anderen Ebene als Technik und ist letzten Endes Lebensordnung, also Bindung. Das Aufgeben von Bindungen zerstört die Kultur. So führte die Aufhebung der Zunftordnungen und die Einführung der Gewerbefreiheit zu einem reißenden Verfall des Handwerks. Kultur entsteht nicht, wenn Architekten z. B. so bauen, wie jeder gerade mag. Man muß nach einer gebundenen Marschrichtung bauen und die Bauwerke müssen alle eines Geistes sein. Es muß heute ein gebundenes Schaffen und die Bindung an die grundlegenden Gesetze der Baugestaltung gefordert werden, wie auch die Gesetze des Handwerks anerkannt werden müssen. Jeder Gau ist mit einen eigenen Baugesicht an die Gesetze seiner Landschaft gebunden […].
Die Widerlager der Kajetansbrücke im Oberinntal sind eines der letzten Beispiele hoher Steinmaurerkunst; dann aber begann der Verfall. Im neuen deutschen Straßenbau wurde nun in unendlich mühevoller und zäher Arbeit für jede einzelne Gesteinsart das Handwerksgesetz ihrer Bearbeitung gesucht und dadurch in wenigen Jahren Meisterleistungen einer neuen Natursteinbaukunst erreicht. Ein großartiges Beispiel hierfür sind die bis 26 Meter hohen Stützmauern der Arlbergstraße bei Pians. Um ein gutes Mauerwerk zu erreichen, genügt es nicht, den Bauleiter entsprechend anzuweisen, sondern man muß den Maurer selbst ansprechen. Dieser Weg war erstaunlich einfach und erfolgreich.
Wenn heute vielfach die Frage gestellt wird: Warum Naturstein, es genügt doch auch Beton, so muß darauf erwidert werden, daß Zement nichts Adeliges an sich hat, er wird nur schmutzig, ohne Patina zu bekommen. Auch die Oberflächenbehandlung, durch die die Steine, die den Beton bilden, wieder sichtbar werden, kann nur als Aushilfsmittel bezeichnet werden.
Die Sichtflächen des Mauerwerkes machen nicht allein das Bauwerk aus, sondern auch der Umriß ist für seine Gestaltung maßgebend. So zeigt z. B. schon die Straße an der Südrampe des Fernpasses, die 1854 erbaut wurde, in gleicher Höhe durchlaufende Futtermauern, wodurch eine großartig zügige Wirkung erreicht wurde. Dabei wurden die Böschungen so ausgestaltet, daß sie mit der geraden Mauerkrone zusammenlaufen. Diese Bauart wurde auch durchwegs bei der Reichsautobahn angewendet. Waagrechte Fugen, wie sie im Hochbau üblich sind, sind auf geneigten Straßen nicht am Platz; die Fugen müssen parallel zur Straße verlaufen, lang durchgehend, damit keine spitzen Winkel beim Auslaufen der Fugen auftreten. Auch hier Bindung an die größere Einheit und Weglassen alles Fremden.
Auch die Brücken der neuen deutschen Alpenstraßen haben sich zunächst nicht von den Brücken der Eisenbahnen und der bisherigen Straßen unterschieden und die gleichen Fehler aufgewiesen. Es wurde auch hier, um zu der an die Landschaft gebundenen Form zu kommen, auf den für den alpenländischen Raum charakteristischen Typus zurückgegriffen, der in der im Halbkreis oder als sehr hoher Segmentbogen gewölbten Bogenbrücke besteht. Es konnten nicht die etwa im Westen oder Norden des Reiches üblichen Formen angewendet werden, denn die Alpengaue haben auch baulich ein ganz anderes Gesicht als die übrigen Gaue Deutschlands. Der Typus der Halbkreisbogenbrücke als große, wuchtige, ungegliederte Masse findet sich im ganzen Alpenraum, sowohl bei ganz alten Brücken als auch aus der Zeit der Hochblüte des österreichischen Straßenbaues, aus der als Beispiel die Stephansbrücke im Zuge der Brennerstraße zu nennen ist. Ein Geheimnis der alten Brückenbaukunst ist die Verzahnung der Bogensteine mit der Aufmauerung und die Ausführung eines zweiten Bogens im mittleren Teil, wodurch große statische Vorteile erzielt werden. Auch diese Erfahrungen wurden beim Bau der Brücken der Reichsautobahnen angewendet und aus diesen alten Handwerksregeln neue Gesetze entwickelt.
Zu einer Straße gehört auch der richtige Baum. Es steht uns noch eine große Erziehungsarbeit bevor, damit in Zukunft wieder Bäume an die Straßen gepflanzt werden und verhindert wird, daß die vorhandenen Bäume auch weiterhin in barbarischer Weise verstümmelt und zusammengestutzt werden, wie man es leider sehr häufig sieht. Die Bäume sollen nicht nur zur Beschattung der Straße dienen und wegen der Schönheit gepflanzt werden, sondern sie sollen auch Nutzen bringen als wertvollstes Möbelholz. Deshalb müssen auch die Alleebäume astfreie Schäfte von mindestens 4.50 Meter Länge bekommen […].
Auch in den Hochbauten paßt sich der Straßenbau an die Bauformen der Landschaft an. Der Gau Tirol-Vorarlberg ist das Kerngebiet des alpenländischen Flachdachbaues. Wenn auch jedes Tal und jede Landschaft seine Sonderbauart hat, so ist doch der ruhige, schöne, große Baukörper mit dem etwa 1:3 geneigten Dach überall im Westteil unserer Alpen die Grundform des bäuerlich-bürgerlichen Bauens. Im Gegenteil hie[r]zu steht das Behördenhaus mit dem Steildach, das mindestens die Neigung 1:1 aufweist, gegenüber dem Pfettendach des bäuerlichen Hauses als Sparrendach ausgebildet ist und einen Krüppelwalm trägt. Die Straßenverwaltung als Behörde wendet daher bei ihren Straßenmeistereien, Winterhöfen usw. das Steildach an, wie z. B. beim Winterhof St. Christoph am Arlberg.
Das Kulturschaffen, das über das technisch Notwendige hinausgeht, kostet meist etwas mehr Geld, oft allerdings nur etwas mehr Liebe. Wir wollen wieder auf alte Handwerksehrlichkeit zurückgehen. Die technischen Werke und die Landschaft sollen zu einer großartigen Harmonie zusammenklingen und bei den starken Eingriffen, die wir bei der Durchführung unserer großen Bauaufgaben im Straßenbau und auch im Wasserbau, der jetzt im Vordergrund steht, in der Natur vorzunehmen gezwungen sind, müssen wir besonders daran denken, daß große Gefahr besteht, diese Harmonie zu zerschlagen. Es muß unsere Aufgabe sein. Für das Ausheilen der Wunden zu sorgen, die wir schlagen, dann wird unsere deutsche Heimat noch viel schöner sein als bisher. Es wird heute viel von Heimatverbundenheit und landschaftsgebundenem Bauen gesprochen doch ist daraus schon vielfach ein Schlagwort geworden, hinter dem vielfach nichts als Oberflächlichkeit steckt. Es geht nicht um ein rein äußerliches Nachbeten; man kann bodenverbundenes Bauen einem Bauwerk nicht ankleben. Es handelt sich vielmehr um Ordnung und Gesetz und um eine Rückbindung an Dinge, die nicht meßbar sind. Jeder, dem ein Stück deutsche Heimat anvertraut ist, muß sich bewußt sein, daß es um Werte geht, für die heute unsere Freunde und Brüder, Väter und Söhne an der Front stehen.
Gauamtsleiter Kojetinsky gab in abschließenden Worten der Ueberzeugung Ausdruck, daß alle Kameraden der Technik gerne die Nutzanwendungen aus dem Vortrag und den in so zahlreichen Lichtbildern gezeigten schlechten und guten Beispielen ziehen und dadurch mithelfen werden, die Schönheiten unserer deutschen Landschaft auch im Gau Tirol-Vorarlberg zu erhalten.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 16. November 1942, Seite 4f.).
Details
Eine ähnliche Informationsveranstaltung hatte der nationalsozialistische Bund Deutscher Technik bereits im Juni 1942 in Innsbruck organisiert. Vortragender war Dipl. Ing. Rosche, der anhand zahlreicher Lichtbilder über die seit 1938 im Gaugebiet errichteten Hochbauten informierte:
„Sofort nach der Heimkehr ins Reich war die Errichtung von Wohnungen für die an die neue Reichsgrenze vorgeschobenen Grenzaufsichtsbeamten der Zollverwaltung notwendig geworden, von denen in Tirol-Vorarlberg 450 Wohnungen zur Ausführung kamen. In den zur Grenze führenden Hochgebirgstälern wie auch entlang des Rheins entstanden die freundlichen Zollgehöfte, in denen drei bis vier Häusergruppen zusammengefaßt sind. Die in einfacher, aber solider Art ausgestatteten Wohnungen bieten den Männern des Grenzaufsichtsdienstes, die als Schützer unserer Reichsgrenzen einen verantwortungsvollen, im Hochgebirge mit schweren körperlichen Anstrengungen verbundenen Dienst zu versehen haben, samt ihren Familien ein gemütliches Heim. Die Bauten fügen sich in ihrer Anordnung im Gelände harmonisch in die Landschaft ein und passen sich in ihrer architektonischen Gestaltung bei Anlehnung an die alten Bauformen der einzelnen Hauslandschaften an die bestehenden Häuser gut an.
In den Hochgebirgsgegenden unseres Gaues haben die Grenzaufsichtsbeamten von ihren Wohnhäusern, die schon wegen der Familien im Tal in den Ortschaften oder in deren Nähe liegen mußten, bis zu der auf den Bergkämmen meist 2000 bis 3000 Meter Höhe verlaufenden Grenze, die sie zu begehen oder im Winter mit Skiern zu befahren haben, oft einen vielstündigen Anmarschweg. Es ergab sich daher die Notwendigkeit, sogenannte Höhenstützpunkte oder Postenhütten zu errichten, die den Trupps des Zollgrenzschutzes in nächster Nähe der Grenze Unterkunft und Verpflegungsmöglichkeit gewähren. Die Aufgabe, die hier zu lösen war, bestand nicht in der Projektierung und Ausführung großartiger Architekturbauten, sondern in der Entwicklung eines für das Hochgebirge geeigneten Bautyps in kleinster Form und in der Bewältigung der Baudurchführung in Höhen von 2000 bis 3000 Meter und der damit verbundenen Schwierigkeit des Baustofftransportes. Da die meisten dieser Bauten über der Waldgrenze liegen, kam für das Mauerwerk Bruchstein zur Anwendung, der an Ort und Stelle zu gewinnen war. Durch Isolierstoffe wurde der in diesen Höhen so besonders wichtige Schutz gegen Kälte und Wind geschaffen. Die Hölzer, Balken und Bretter für die Decken- und Dachkonstruktionen mußten aber doch vom Tal zu Berge gebracht werden, was meistens nur mit Trägerkolonnen, vereinzelt mit Tragtieren durchführbar war. Besonderes Augenmerk wurde der äußeren Gestaltung dieser Kleinbauten und ihrer Einfügung in das Hochgebirgsbild zugewandt. Breit, fest und jedem Sturm trotzend stehen die kleinen Baukörper in der hochalpinen Landschaft.
Eine Bauaufgabe ganz anderer Art oblag der Hochbauverwaltung in der Ausgestaltung des früheren Strandhotels in Lochau am Bodensee zu einer Reichszollschule […].
Der Neubau des Landesforstamtes in Innsbruck nächst der Universitätsbrücke zeigt in seiner architektonischen Durchbildung das Bestreben nach Anpassung an die wesentlichen Merkmale Alt-Innsbrucker Bautradition. Ein aus städtebaulichen Gründen vorgesehener Rücksprung der Baulinie zur Gewinnung einer platzartigen Erweiterung erforderte eine starke Eckbetonung des Baukörpers, die durch Anordnung einer offenen, für den Fußgängerverkehr freibleibenden Bogenhalle, die an die Lauben der Altstadt anklingt und durch einen mächtigen Achteckpfeiler erreicht wird, der von einem 2 1/2 Meter hohen Hoheitsadler gekrönt ist. Das Erdgeschoß einschließlich Bogenhalle und Eckpfeiler hat Natursteinverkleidung aus Leutascher Breccie erhalten. Der über dem Hauseingang sich aufbauende Erker ist in Anlehnung an Alt-Innsbrucker Motive durchgebildet, was in der Formgebung der Erkerkonsolen und an den Erkerfensterumrahmungen in Naturstein zum Ausdruck kommt. Der Kniestock des Dachgeschosses zeigt die kleinen für Innsbruck typischen Fenster. Die städtebauliche Lösung und die angestrebte Eckbetonung wird erst dann zur vollen Wirkung kommen, wenn die heute noch unverbaute Baulücke bis zu den nächsten Häusern des Innrains geschlossen sein wird.
Die vom Vortragenden in zahlreichen Lichtbildern gezeigten Beispiele der in unserem Gau ausgeführten Reichshochbauten haben in erfreulicher Weise den Beweis erbracht, daß die Bauverwaltung des Reichsstatthalters ihre Aufgaben im beste Sinne nationalsozialistischer Baugesinnung zu lösen weiß und bestrebt ist, durch Einfühlung in die landschaftlichen Besonderheiten unseres Berggaues landschaftsgebundene Bauten zu schaffen, wie auch die guten alten Bauformen in Stadt und Land fortzuführen und unter Anpassung an die Forderungen der neuen Zeit weiterzuentwickeln. Hierdurch ist die Gewähr gegeben, daß auch die großen Aufgaben, die sich nach dem Kriege im Zusammenhang mit der Errichtung noch zahlreicher notwendiger Amtsgebäude für die verschiedenen Verwaltungen ergeben werden, im Sinne nationalsozialistischen Bauwollens ihre Lösung finden werden.“ (Innsbrucker Nachrichten vom 15. Juni 1942, Seite 3 f.).
Den gemeinnützige Wohnbau, insbesondere die zahlreichen Neubauten, die die Umsiedlungsaktion der Südtiroler erforderte, betrieb die Baugesellschaft Neue Heimat, die auch heute noch unter diesem Namen eine umfangreiche, insbesondere soziale Bautätigkeit unternimmt. Im Dezember 1942 wurde im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Neuen Heimat in Innsbruck und der Vorarlberger Gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft in Dornbirn deren Zusammenführung mit 1. Jänner 1943 einstimmig beschlossen. Aufnehmende Gesellschaft wurde die Neue Heimat, die Vorarlberger Gesellschaft gelöscht. Als Ausgleich unterhielt die Neue Heimat aber in Dornbirn eine Zweigstelle mit der Bezeichnung Neue Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der Deutschen Arbeitsfront im Gau Tirol-Vorarlberg G. m. b. H., Zweigstelle Dornbirn. Die Neue Heimat in Innsbruck hatte mit 1. Jänner 1943 damit als Gesamtrechtsnachfolgerin das Vermögen und die Verpflichtungen der Vorarlberger Gesellschaft übernommen (Innsbrucker Nachrichten vom 23. Dezember 1942, Seite 3).
Der Naturschutzgedanke war in der Zeit des Nationalsozialismus ideologisiert im Sinn der Wertschätzung und Verehrung des deutschen Bodens. So gab es eine Reihe von Schutzbestimmungen, etwa im „Reichsnaturschutzgesetz“, die der „Volksgemeinschaft“ den Erhalt einer weitgehend intakten „Schönheit der deutschen Landschaft“ vor „mutwilliger Zerstörung“ sichern sollten. Mit der imperativen Überschrift „Naturschutz ist Gemeinschaftspflicht!“ bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 22. Mai 1942, Seite 3, neben der eindringlichen Warnung vor der Missachtung der Naturschutzvorschriften einen informativen Überblick über geschützte Pflanzen und Tiere:
„Als Bergwächter macht man jetzt häufig die Beobachtung, daß Personen, die beim Uebertreten des Naturschutzgesetzes angetroffen werden, sich damit ausreden, ‚nicht gewußt zu haben, daß das Pflücken dieser oder jener Blume verboten sei‘. Auch ist vielfach die irrige Meinung vorhanden, daß bis zu fünf Stück der geschützten Pflanzen, wie es früher der Fall war, mitgenommen werden dürfen. Beide dieser Ansichten treffen heute nicht mehr zu, weil das Pflücken völlig geschützter Pflanzen gänzlich verboten ist.
Im nachstehenden sei jetzt, zu Beginn der Wander- und Ferienzeit, das Notwendigste über Tier- und Pflanzenschutz und die Aufgaben des Bergwächters bekanntgegeben.
Innerhalb der Naturschutzgebiete ist das Pflücken jeder Pflanze ausnahmslos verboten, Naturschutzgebiete sind: das gesamte Karwendelgebirge nördlich des Grates der Nordkette, einschließlich des Halltales und des Vomperloches, das Gebiet des Hechenberges und der Kranebitter Klamm sowie die Kranebitter Innau, das sogenannte Rosengartl zwischen Igls und dem Grünwalderhof bei Patsch, der Ahrnwald (Ahrnberg) zwischen Vill und der Haltestelle Unterberg. Auch die Benützung der Kletterschule am Ausgang des Ahrntales sowie das Lagern dortselbst ist verboten. Schließlich gehört auch das Voldertal, südlich des Volderwildbades, bis zu den beiderseitigen Gipfelkämmen zu den vollkommen geschützten Gebieten und neuerlich ist das Valsertal bei Sankt Jodok hinzugekommen.
Von den vollständig geschützten Pflanzen, von denen die gefährdetsten und die für unser Gebiet hauptsächlich in Betracht kommenden aufgezählt werden, darf auch bei massenhaftem Auftreten nicht ein Stück gepflückt werden. Von den nicht oder nur teilweise geschützten Pflanzen ist nur die Mitnahme eines Handstraußes statthaft. Obstblüten dürfen überhaupt nicht mitgenommen werden. Im übrigen ist jede unbescheidene Entnahme von Pflanzen, Zweigen und Sträuchern verboten.
Vollkommen geschützte Pflanzen sind: Edelraute, Edelweiß, der großglockige (stengellose) Enzian, Federgras, Fliegenblume (Fliegenorchis), gelbblühender Fingerhut und die Orchideen überhaupt, Frauenschuh, Küchenschelle (Osterglocke, alle Arten), Kuckucksblume, Pfingstnelke, Platenigl, alle rotblühenden Primeln, auch Mehlprimel, Seerose, Seidelbast, Siegwurz, Silberdistel (Eberwurz), Blaudistel, Steinrösl, Straußfarn und Hirschzunge, Türkenbund und zu guter Letzt die Alpenrose im begrenzten Gebiet am Patscherkofel (etwa dreihundert Meter im Umkreis des Patscherkofel-Schutzhauses). Wer die eine oder andere Blume nicht kennt, lasse sie lieber stehen, denn Unkenntnis schützt in keinem Fall vor Strafe! Zu schonen sind dann noch Eibe (Naturdenkmal) und Zirbe; die Mitnahme von Wipfeln der letzteren wird als Forstfrevel bestraft.
Von den Tieren sind u. a. vollkommen geschützt: der Hirschkäfer, die rote Waldameise (welche aus Fichtennadeln ihre Ameisenhaufen baut). Das Zerstören des Baues oder das Ausnehmen der sogenannten Ameiseneier ist verboten. Von den Schmetterlingen: der Apollo- und der Segelfalter. Weiter sind geschützt: Igel, Hasel-, Spitz- und Fledermaus, die Ringelnatter und Blindschleiche. Die Meinung, daß diese beiden giftig wären, schützt nicht vor Strafe. Geschützt sind dann noch: Kaulquappen, Kröte, Laubfrosch, Eidechse, Salamander und der Maulwurf auf fremden Grundstücken. Weinbergschnecken dürfen vom 1. März bis 31. Juli nicht gesammelt werden.
Für den Vogelschutz bestehen eigene Bestimmungen. Auf alle Fälle sind Vogelleim, Leimruten und Schlingen ausnahmslos verboten. Strafbar ist schon der bloße Besitz von Vogelleim. Im übrigen möge jeder Volksgenosse bedenken, daß Tiere, wenn sie auch nicht geschützt sind, nicht deswegen zur Gefangennahme oder Ausrottung freigegeben sind. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß jede Schädigung der Kulturen wie das Betreten der Felder und Wiesen, das Feuermachen und Rauchen im Walde oder Waldesnähe, jede Beschädigung von Wegen, Bahnen, Bänken, Tafeln, Markierungen usw. geahndet wird. Dem Bergwächter obliegt auch der Schutz der Person und des Eigentums an Feld-, Alp- und Waldgut sowie der Alpenschutzhütten und der Touristenwege und Steige. Er hat unbotmäßiges und ungebührliches Lärmen in den Berggebieten zu verhindern. Schließlich sei in Erinnerung gebracht, daß der Bergwächter eine öffentliche Wache mit polizeilicher Befugnis und daß seinen Aufträgen und Anordnungen unbedingt Folge zu leisten ist. Der Bergwächter trägt [eine] grüne Armbinde mit roter Bestickung und hat einen polizeilichen Lichtbildausweis bei sich.
Helfet doch alle mit, dem Bergwächter seine Arbeit, die er uneigennützig und ehrenamtlich versieht, zu erleichtern und trage jeder Volksgenosse das Seine zum Schutz der heimischen Natur bei! Sie ist die Erholungsstätte des deutschen Volkes, die wir in ihrer Vielgestaltigkeit und Ursprünglichkeit als ewigen Kraftquell für uns und unsere Nachkommen erhalten wollen!“
Der Fremdenverkehr war schon in der Zeit des Nationalsozialismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Da der Zustrom von Gästen nach Tirol, besonders aus dem Reichsgebiet, selbst in Zeiten des Krieges nahezu unvermindert anhielt, wurde es erforderlich, im Bereich der „Wirtschaftskammer Alpenland“ eine eigene Fremdenverkehrsabteilung einzurichten. Die Innsbrucker Nachrichten vom 29. Jänner 1942, Seite 3, informieren: „Mit Einverständnis des Gauleiters hat Gauwirtschaftsberater Dr. Bilgeri als Leiter der Wirtschaftskammer Alpenland im Einvernehmen mit dem Leiter der Reichsgruppe Fremdenverkehr bei der Wirtschaftskammer Alpenland eine Fremdenverkehrsabteilung errichtet. Zu deren Leiter wurde Josef Fuchs, Hotelier in Igls, ernannt, als Geschäftsführer Ing. Anton Ducia, Innsbruck, bestellt. Die Fremdenverkehrsabteilung, deren Geschäftsräume sich in Innsbruck, Meinhardstraße Nr. 14/II befinden, hat ihre Tätigkeit mit 1. Jänner 1942 aufgenommen.“
Um das Angebot für Fremdengäste noch attraktiver zu gestalten, erfolgte 1942 die Eingemeindung von Igls und Vill in die Gauhauptstadt. „Der neue Stadtteil soll zu einem Kur- und Erholungsviertel der Hauptstadt des bedeutendsten Fremdenverkehrsgaues ausgebaut werden“, schreiben die Innsbrucker Nachrichten vom 11. April 1942, Seite 5, ferner:
„Auf Grund einer Verfügung des Gauleiters und Reichsstatthalters ist die Eingemeindung des bekannten Luftkurortes Igls und der zwischen diesem und der Stadt Innsbruck gelegenen Gemeinde Vill in die Gauhauptstadt mit Wirkung vom 1. April d[ieses] J[ahres 1942] vollzogen worden. Die Gemeindevergrößerung der Gauhauptstadt beträgt durch die Einbeziehung von Igls 553, von Vill 352 Hektar; das Stadtgebiet umfaßt demnach nunmehr nahezu 11.000 Hektar. Nach den Ziffern der Volkszählung vom Mai 1939 überschreitet die Einwohnerzahl der Stadt nunmehr 80.000; diese Ziffer ist jedoch seither durch die Umsiedlung von Südtirolern und aus einer Reihe anderer Ursachen schon weit überholt.
In einer Sitzung der Ratsherren am 9. d[ieses] M[onats April 1942] gab Oberbürgermeister Pg. Dr. Denz den Vollzug der Eingemeindung bekannt und erläuterte zugleich die Gründe für diese Maßnahme. Während bei früheren Eingemeindungen von Hötting, Mühlau, Arzl und Amras zum Teil die Beseitigung unzeitgemäßer und zweckloser Gemeindegrenzen innerhalb eines einheitlich besiedelten Gebietes, zum Teil das natürliche Ausdehnungsbedürfnis der Stadt als Hauptgründe maßgebend waren, erwies sich die Einbeziehung von Igls und Vill hauptsächlich aus Ursachen, die mit dem Fremdenverkehr zusammenhängen, als notwendig.
Es ist bekannt, daß der Gau Tirol-Vorarlberg neben seinen Leistungen auf dem Gebiete der Energiewirtschaft und seinen bevölkerungspolitischen und wirtschaftlichen Werten, die im Bergbauerntum ruhen, in ganz hervorragendem Maße als Sport-, Kur- und Erholungsgebiet für ganz Großdeutschland eine bedeutsame Rolle spielt. Für die Gauhauptstadt ergibt sich aus diesem Grunde die Forderung, hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer eigenen Einrichtungen und ihres unmittelbaren Randgebietes eine ihrer Bedeutung im Gau entsprechende, führende und tonangebende Stellung einzunehmen. Unter allen Gebieten ihrer näheren und weiteren Umgebung steht nun, was landschaftliche Eignung, Entwicklung der Unterkunftsstätten und Verkehrserschließung anlangt, das Gebiet von Igls und Vill obenan […].
Aber auch ganz abgesehen vom Zustrom auswärtiger Gäste benötigt die Stadt, deren Volkszahl und Raumbedarf ständig steigt, auch für sich selbst ein Kur- und Erholungsviertel, zu dem Igls ausgebaut werden soll. Es ergibt sich daraus, daß die Verbauung dieses neuen Stadtteils nach wesentlich anderen Gesichtspunkten erfolgen wird, als sie sonst für Außenbezirke größerer Städte angewendet werden. Es werden z. B. Kleinsiedlungen, Wochenendhäuser und derlei Bauten in Igls nicht aufgeführt werden.
Der Gauleiter und Reichsstatthalter hat den früheren Bürgermeister von Igls, Pg. Alois Graischer, zum Ratsherrn der Stadt Innsbruck berufen. Oberbürgermeister Dr. Denz nahm in der Ratsherrensitzung am 9. d. M. die Vereidigung des Pg. Graischer vor und benützte den Anlaß, ihm für die unter besonders schwierigen, ja geradezu hoffnungslosen Verhältnisse in der Gemeinde Igls geleistete Arbeit besondere Anerkennung auszusprechen. Mit der Eingemeindung, die in der Geschichte der Gauhauptstadt einen bedeutungsvollen Abschnitt darstellt, ist nun wiederum ein Ueberbleibsel aus der Systemzeit stammender unklarer Verhältnisse durch eine zweckentsprechende und großzügige Lösung beseitigt und die Voraussetzung für einen ungehemmten und erfolgreichen Aufbau an wichtiger Stelle geschaffen worden.“
Eigens wurde angestrebt, den Gau vor dem Ausverkauf bäuerlicher Gerätschaften zu schützen. Mit einem Aufruf im Tiroler Volksboten vom 27. Jänner 1942, Seite 3, dessen Leserschaft insbesondere der Landbevölkerung angehörte, sollte eine deutliche Warnung aufklären vor den gewitzten Bemühungen „gewisser Altertumsjäger“, die „schönsten Volkskunsterzeugnisse“, Zeugnisse von „unserer hohen deutschen Bauernkultur“ in ihren Besitz zu bringen. „Diese gefährlichen Sammler und Antiquitätenhamsterer wissen solche Funde wohl zu schätzen, aber dem Bauern und der Bäuerin gegenüber erklären sie wohlweislich alles als altes wertloses Zeug“. Beim handwerklichen Volksgut handle es sich um wertvolles Erbe der Gesinnung der Vorfahren und darum sei es ein Gebot der Zeit, diese Gegenstände nicht nur zu bewahren, sondern auch in liebevoller Verwendung zu behalten:
„Bauer, du bist der Urquell der Volkskunst und darfst dies nicht vergessen, du mußt stolz darauf sein. Deine Vorfahren haben aus ihrem heimatverbundenen und dem Walten der Natur verschriebenen Leben heraus die vielen, mit Fleiß und Liebe gestalteten und geschmückten Dinge geschaffen. Die Tracht, der geschnitzte oder bemalte Schrank, Tisch und Stühle, die Holzdecke, Vorhänge, Teller, Krüge, der schmiedeiserne Pfannenknecht und hundert andere Dinge und Geräte sind es, die in ihrer Form und Farbe nur zu dir und deiner Art, nur ins Bild der Heimat passen, weil sie Menschen deiner Art geformt und gebaut haben. Weise also allen Geschäftemachern die Tür! Sie wollen dich nur wertvollsten Familiengutes berauben und sich bereichern!“
Diese Aufrufe standen im ideologischen Dienst zum Schutz der Heimat. Das überlieferte bäuerliche Kulturgut galt nicht nur als idealisierter Gegenstand schöngeistiger Empfindung, sondern als erhabenes Zeugnis einer in Kontinuität gewachsenen Gemeinschaft.
Mit einem leidenschaftlichen Appell „Volkstumsschätze müssen restlos erhalten bleiben“ wandte sich Gertrud Pesendorfer als Direktorin des Volkskunstmuseums im Tiroler Landboten vom 16. Oktober 1942, Seite 6, an die Leser. Ihre Bemühungen, mit energisch formulierten Hinweisen nicht nur die Veräußerung tradierter bäuerlicher Gerätschaften zu verhindern, sondern vor allem auch deren natürliche Wiederverwendung im Sinne gelebter Traditionspflege einzufordern, fanden die volle Unterstützung der Gauleitung:
„Heute nimmt die Führung des Gaues die Pflege des nationalen Gutes, seine Erhaltung und Förderung aus der Erkenntnis ihrer volkstumshaften Bedeutung zielbewußt in ihre Hand. Wenn auch an der Tatsache des Verlustes eine bedeutenden Teiles unserer kostbaren Volkskunst nichts mehr zu ändern ist, so soll doch einer weiteren Abwanderung, sei es durch Händler oder durchreisende Gäste, Einhalt geboten werden. Der Umstand, daß der Gauleiter und Reichsstatthalter alle darauf gerichteten Bestrebungen nachdrücklich unterstützt, ist der Schutzwall.“ Dieses Schutzbedürfnis hat freilich einen ideologisch fundierten Hintergrund: „Es ist also der aus einer tieferen Erkenntnis der volkstümlichen Werte geborene Wille des Gauleiters, daß jedes gute, ererbte, zu Haus oder Hof gehörige Stück dort selbst erhalten bleibe. Das bedeutet aber nicht nur, daß es nicht mehr veräußert, sondern daß es gepflegt werden und den Ehrenplatz im Hause einnehmen soll, der ihm gebührt, selbst wenn es dem täglichen Gebrauch nicht mehr dienen kann.“ Der die ländliche Volksgemeinschaft kennzeichnende Stil sollte auch für künftige Anfertigungen verbindlich bleiben. Darum wurden, ähnlich wie bei den Bemühungen zur Wiederbelebung der Tracht, vom Volkskunstmuseum für die „Landtischler und Maler“ intentional ähnliche Anleitungen entworfen, „wie alte Stücke ergänzt und behandelt werden müssen, damit sie ihren Wert und ihr ursprüngliches Aussehen nicht verlieren“. Außerdem konnte man sich bei beabsichtigten Neuanschaffungen an das Volkskunstmuseum um Rat wenden. Als Vorbild für eine gelungene Adaption volkskultureller Gebrauchsgegenstände wird das Tiroler Heimatwerk empfohlen: „Das Tiroler Heimatwerk führt heute schon viel an guten Erzeugnissen bodenständiger Handwerks- und Heimarbeit: Hausrat, Hauswäsche und Einrichtung, die es besonders für unsere bäuerlichen Verbraucher und zum Teil auch für den Wiederverkauf in den Ladengeschäften bereit hält.“
Gertrud Pesendorfer schließt ihren engagierten Aufruf suggestiv wirkungsvoll mit einem Appell an die Heimatliebe: „Jeder Heimatliebende wird also die gebotene Schutzmaßnahme nicht als Einschränkung etwa des Rechtes freier Veräußerung ansehen, sondern sie als das schätzen, was sie ist: Ein Rechtsmittel zur Wahrung unseres Volks- und Heimatgutes, dessen getreuer Sachwalter zu sein jeder von uns ehrverpflichtet ist.“
Bildende Kunst und Ausstellungen
Mit der theatralischen Schlagzeile "Deutsche Kunst für unser Volk" bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 4. Juli 1942, Seite 5, einen Vorbericht zur Eröffnung der 3. Gau-Kunstausstellung in den Räumen der alten Universitätsbibliothek. Wie sehr gerade die bildende Kunst gewissermaßen als Garant und Zeugnis für die Widerstandskraft und das Durchhaltevermögen der Bevölkerung hochstilisiert und als Propagandamittel gebraucht respektive missbraucht wurde, zeigt der Artikelanfang:
"Wenn es eines Beweises bedürfte für die unerschütterlichen geistigen Kräfte des deutschen Volkes, die durch die Schwierigkeiten des dritten Kriegsjahres nicht beeinträchtigt, sondern gesteigert werden, so wird er erbracht durch die unablässige Pflege aller kulturellen Werke. Zu ihnen gehört vor allem die deutsche Kunst, der unversiegbare Quell innerer Erneuerung, die gerade im Krieg immer wieder neue Blüten treibt als Zeugen der Fruchtbarkeit der Inneren Front, der Heimat, der sich ihrer Verpflichtung im Daseinskampf der Nation immer tiefer bewußt wird.
Heute treten die Künstler unseres Gaues zum drittenmal in geschlossener stattlicher Reihe mit ihren Werken vor die Oeffentlichkeit. In den nun schon wiederholt benützten und bewährten Räumen der alten Universitätsbibliothek in der Universitätsstraße wird heute, 11 Uhr vormittags, die 3. Gau-Kunstausstellung von Gauleiter und Reichsstatthalter Hofer eröffnet."
Mit sichtlicher Befriedigung wird die trotz aller äußeren Schwierigkeiten verstärkte Beteiligung der Künstler verkündet und daraus propagandistisch wirkungsvoll deren unbedingte Gefolgschaftstreue abgeleitet:
"Wie sehr sich diese Jahresausstellungen heimatlicher Kunst auch in Künstlerkreisen eingelebt haben, zeigt die steigende Beteiligung. In der ersten Gau-Kunstausstellung im Winter 1940/41 konnte man rund 200 Kunstwerke besichtigen; die zweite Gau-Kunstausstellung im Sommer 1941 umfaßte 306 Werke und nun umschließt die 3. Gau-Kunstausstellung nicht weniger als 365 Werke, zeigt also gegenüber dem Vorjahr eine vermehrte Beteiligung von 20 v[on] H[undert]. Noch auffälliger ist, mit Rücksicht auf die kriegsbedingten Verhältnisse, die Zahl der ausstellenden Künstler; sie beträgt diesmal 151 Künstler gegen 116 im Vorjahr, so daß heuer um 35 Künstler mehr als im Jahre 1941 auf der Ausstellung mit Werken vertreten sind. Diese Zahl wird allerdings durch den Hinweis deutlicher, daß unter den heuer vertretenen Künstlern 24 derzeit in den Reihen der Wehrmacht stehen.
Wie im Vorjahr, so scheinen auch heuer unsere Südtiroler Volksgenossen wesentlich auf, 43 Künstler, die Südtirol ihre Heimat nennen, stellen insgesamt 136 Werke in den Rahmen der 3. Gau-Kunstausstellung und tragen damit im besonderen Maß zum Gesamtcharakter dieser Kunstschau bei. Auch die Beteiligung der Südtiroler zeigt gegenüber dem Vorjahr eine erfreuliche Steigerung."
Zu diesem Erfolgsszenario gehört natürlich auch die Einschätzung, dass sich die Qualität der Kunstwerke verbessert habe: "Aber schon ein flüchtiger Rundgang durch die neueröffnete Ausstellung wird jedem Besucher die Ueberzeugung vermitteln, daß, im ganzen gesehen, auch die künstlerische Qualität gegenüber den vergangenen Jahren unverkennbar gestiegen ist. Sowohl die Reife als auch die Güte der ausgestellten Werke rechtfertigen ein solches Urteil, wenn auch damit einer Einzelwertung und -abschätzung nicht vorgegriffen werden soll."
Auf die prinzipiell ideologische Macht des Kunstwerks als begehrenswerter Gegenstand von allgemein akzeptierter Stilistik, somit weiterwirkender Propagandafunktion, verweist der Schlusssatz des Berichts: "Lebendige Gegenwartskunst als schönste Frucht tief verwurzelter völkischer Kultur bietet die 3. Gau-Kunstausstellung ihren Besuchern gewiß nicht nur als flüchtiges Erlebnis, sondern als dauernden Eindruck, der sicherlich in vielen Fällen in beglückenden Besitz umgewandelt werden wird."
Entsprechend ihrer herausragenden Bedeutung für die Demonstration von Kulturpotenz wurde die Eröffnungsfestivität der 3. Gau-Kunstausstellung auch zu einem Propagandaereignis ersten Ranges hochstilisiert. Im "festlich geschmückten großen Saal hatten sich zahlreiche Ehrengäste aus Partei, Staat, Wehrmacht und Kulturleben, außerdem viele der ausstellenden Künstler aus dem Gau Tirol-Vorarlberg und aus Südtirol" eingefunden. Der Gauleiter, der den "persönlichen Ehrenschutz" übernommen hatte, hielt, nachdem ein musikalisches Eröffnungsstück, gespielt vom Collegium musicum der Universität, verklungen war und Gaupropagandaleiter Karl Margreiter seine Begrüßungsworte beendet hatte, eine programmatische Rede. Insbesondere begründete er die Zusammenlegung der Kunstausstellung mit den Veranstaltungen zum 5. Landesschießen als bewusste Vorgangsweise, um damit die "Verbundenheit der Kunst mit Volkskunst und Volksbrauchtum, deren Pflege im Standschützenverband zusammengefaßt und von der Pflege der Wehrhaftigkeit entsprechend den Ueberlieferungen unseres Gaues nicht zu trennen ist" zu veranschaulichen. Die Kunst müsse "echt und bodenverbunden sein". So erreiche sie die "hohe Aufgabe zur Fortbildung und Erziehung der Nation". Darum stellte der Gauleiter auch befriedigt fest, dass man seiner Anregung, zu niedrigen Verkaufspreisen weitgehend Folge leistete, damit "die Kunstwerke alle deutschen Wohnungen schmücken können und nicht bloß besonders begüterten Käufern vorbehalten bleiben". Mit "einem Gedenken an den Führer als dem höchsten Schirmherrn deutscher Kunst" eröffnete der Gauleiter die Ausstellung. Es folgte ein Rundgang durch die Ausstellungsräume, den die Ehrengäste, darunter der Reichspostminister Dr. Ohnesorge "als alter Freund unseres Gaues" unter "Führung des um das Zustandekommen der Ausstellung hochverdienten Leiters der Künstlerschaft Prof. Max v. Esterle, unternahmen" (Innsbrucker Nachrichten vom 6. Juli 1942, Seite 3).
Die Bildmotive und deren stilistische Ausführung entsprachen durchwegs den Parteierwartungen und waren so auf Volksnähe ausgerichtet: Neben Landschaftsdarstellungen und Blumenstillleben dominierten Szenen aus dem bäuerlichen Leben. Direkte NS-Thematik vermittelte der in München schaffende Meraner Bildhauer Othmar Schrott-Vorst mit seiner "klassisch geformten Hitlerbüste", die bezeichnender Weise repräsentativ auf der Stirnseite des großen Saales ausgestellt war, ebenso der Innsbrucker Maler Hubert Lanzinger mit einem Porträt des Bürgermeisters Edmund Christoph, des ehemaligen Gauleiters, aber auch Rudolf Barsch aus Bozen mit einer Abbildung des "Volksgruppenführers" Peter Hofer. Militärische Motive steuerten Hilde Nöbl mit dem Porträt Stabsarzt Dr. W., der Bozner Maler Ignaz Stolz mit dem Bildnis eines Fliegers oder Anton Winter mit der Darstellung des Ritterkreuzträgers Oberleutnant Thurner bei. Ihre Kriegserlebnisse verarbeiteten Künstler wie Ernst Nepo mit dem Bildnis Eismeerlandschaft, Rudolf Leitgeb in einem Aquarellzyklus Aus Russland, der "naturalistisch getreue Ausschnitte von Landschaft, Bauten und Menschen" wiedergibt, der Vorarlberger Maler Hans Strobl mit Radierungen wie Strasse nach Murmansk oder im Leichenzug sowie der Meraner Künstler Robert Hell mit Holzschnitten wie Kriegsweihnachten 1941 und Von der Nordfront. Von den auch nach dem Krieg hochgeschätzten Vertretern der Bildenden Kunst war die Innsbrucker Malerin Gerhild Diesner mit einem Blumenstillleben und nachdrücklich Max Weiler mit sechs Bleistiftzeichnungen und mehreren Bildern vertreten. Der erfahrene und gewiefte Kunstkenner Karl Paulin erkannte schon damals das herausragende Talent des noch jungen Malers Weiler und hebt seine außergewöhnliche künstlerische Leistung im Bericht "Rundgang durch die 3. Gaukunstausstellung" Teil 1 in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Juli 1942, Seite 5 hervor:
"Neben den ausgereiften und abgeklärten Porträts [Hubert] Lanzingers wirken die Bilder des jungen Max Weiler wie ein Sturmwind, der über aufgelockerte Ackererde hinwegbraust. Da ist ein großes Talent, vielleicht die stärkste Begabung unter der künstlerischen Jugend des Gaues, in gährender Kraft daran, sich zu befreien und zu entfalten. Mit beispielloser Kühnheit wirft Weiler in dem Großbild Bauernfamilie zahlreiche Köpfe auf die Leinwand, drängt sie, besonders Mutter und Mädchen, auf schmalem Raum zusammen und gibt doch jedem Kopf, wenn auch nur in knappen Zügen, das Charakteristische. Raumgestaltend und damit im Kern monumental sind alle seine Bilder, auch die Bubenszene Beim Tattelen und was dem Künstler im Bildnis als Vollendung vorschwebt, das sehen wir aus seiner meisterlichen Ruhenden Bäuerin."
Karl Paulins "Rundgang", Teil 2 ist in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Juli 1942, Seite 2, dokumentiert, Teil 3 in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Juli 1942, Seite 5.
Ausstellungskatalog 1942
Galerie 1942
Erstmals wurden 1942 im Rahmen der Gau-Kunstausstellung für die verschieden Kategorien Malerei, Plastik und Graphik Prämierungen vorgesehen. Der Jury gehörten an: Gauleiter Franz Hofer, Professor Heinrich Hoffmann als Bevollmächtigter des "Führers" für die AusstellungDeutsche Kunst in München, Professor Max v. Esterle als Leiter der Gau-Kunstausstellung, Gaupropagandaleiter Karl Margreiter als Gau-Kulturwalter und der Bürgermeister der Gauhauptstadt Innsbruck Edmund Christoph. Die Preise wurden nicht für ein bestimmtes Werk, sondern für das Jahresschaffen vergeben und standen so wohl ganz allgemein für die stilistische und ideologische Anpassung im Sinn des Nationalsozialismus. Die Innsbrucker Nachrichten vom 25. Juli 1942 nennen auf Seite 3 die Preisträger:
"Folgende Künstler erhielten Preise:
Auf dem Gebiete der Malerei: 1. Hubert Lanzinger, Innsbruck; 2. Oskar Wiedenhofer, Seis; 3. Albert Stolz, Bozen; 4. Max Weiler, Innsbruck.
Für Werke der Plastik: [1.] Hans Plangger, Bozen; 2. Rudolf Nikolussi, Bozen; 3. Alois Insam, St. Ulrich.
Für Werke der Graphik: 1. Wilhelm Nikolaus Prachensky, Innsbruck; 2. Rudolf Parsch, Bozen; 3. Hans Strobl, Bezau; 4. Gretl Karasek, Innsbruck."
Erweitert wurde diese nach Parteinorm vorgenommene Klassifikation von Kunstwerken mit der Einführung eines "Gütestempels für Kunstwerke". Über die damit verbundene kulturpolitische Absicht informiert der Tiroler Volksbote vom 20. November 1942, Seite 5: "Im Einverständnis mit dem Gauleiter und Reichsstatthalter sind nun im Gau Tirol-Vorarlberg Maßnahmen getroffen worden, um den Kunstmarkt vor minderwertigen Erzeugnissen zu schützen. Durch Einführung eines Gütestempels der Künstlerschaft einerseits, wie durch Preisüberprüfung der Preisbildungsstelle des Reichsstatthalters andererseits soll künftighin das Publikum zum Einkauf vollwertiger Kunstwerke erzogen und ungerechtfertigten Preisen Einhalt geboten werden."
Anfang des Jahres 1942 veröffentlichten die Innsbrucker Nachrichten (12. Jänner 1942, Seite 5) einen "Aufruf" an die "Bildenden Künstler Großdeutschlands" zur Vorbereitung der Großen Deutschen Kunstausstellung 1942 in München. Dieser Pressetext war vermutlich zentral vom Propagandaministerium Joseph Goebbels versandt worden. Er enthält die übliche Argumentation der Notwendigkeit und Mission von Kunst gerade in Zeiten des Kriegs und der tiefen Sehnsucht des "deutschen Menschen" nach "Schönheit und Kultur". Mit sichtlichem Stolz wird darauf verwiesen, dass dieses "gesteigerte Kunstverlangen" sich gerade in den Besucherzahlen der aktuellen Münchner Kunstausstellung bestätigt. 600.000 "Volksgenossen jeden Standes und Alters" hätten bislang die noch bis Februar 1942 geöffnete Kunstausstellung besucht. Die Kultur sei zudem das Kampfmittel der Heimatfront. Die Soldaten an den Fronten kämpften für Deutschland und für Europas Freiheit und den Erhalt der "abendländischen Kultur":
"Während draußen in allen Himmelsrichtungen die kriegerischen Entscheidungen fallen, wird die Heimatfront das große Ringen mit ihren Mitteln unterstützen. Dazu gehört aber auch die Weiterführung des gesamten kulturellen Lebens, und in diesem Rahmen fällt der nächsten Großen Deutschen Kunstausstellung als der für das gegenwärtige Kunstschaffen in Deutschland richtungsweisenden und gültigen Schau eine besondere Aufgabe zu.
So fordern wir die Berufenen unter Großdeutschlands Künstlern im Namen des Führers auf, ihr Können und ihre schöpferische Kraft einzusetzen für die Große Deutsche Kunstausstellung 1942 im Hause der deutschen Kunst zu München.
Die Ausstellung, deren Eröffnung voraussichtlich Anfang Juli 1942 stattfindet, soll in dieser ernsten Zeit eine stolze Manifestation deutscher Kultur und ein glänzendes Zeugnis deutscher Kraft werden! Sie wird die Verpflichtung haben, unzählige deutsche Menschen der Heimat und der Front zu erfreuen, sie zu beglücken und ihre Entschlossenheit vermehren, die heutige schwere Zeit, in die uns das Schicksal gezwungen hat, mutig und siegesbewußt zu überwinden.
Ans Werk, Künstler! Rüstet für die kommende Reichsschau der bildenden Künste! Gebt euer Bestes!"
Von der Großen Deutschen Kunstausstellung 1942 in München berichtet Karl Paulin mit einem Überblick in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. September 1942, Seite 3 f. Auch er betont die propagandistisch verwertbare prinzipielle Funktion der Kunstausstellung als Manifestation der ideologischen Unbeirrbarkeit des Deutschens Volkes, trotz des Krieges:
"Wenn es eines Beweises bedürfte, daß die geistige Grundhaltung unseres Volkes und ihre bedeutsamste kulturelle Ausprägung, die deutsche Kunst, auch an der Schwelle des vierten Kriegsjahres nicht nur unerschüttert ist, sondern reiche Blüten treibt, die Große Deutsche Kunstausstellung 1942 in München, die sechste ihrer Art, die dritte während des Krieges, erbringt ihn in überzeugendster Art vor aller Welt. Denn trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten füllen wieder 1254 Kunstwerke die Säle im Haus der Deutschen Kunst, eine Zahl, die man erst richtig merken kann, wenn man ihr die Gesamtzahl der eingesandten 8000 Kunstwerke gegenüberstellt. 690 deutsche Künstler, davon 56 aus den ostmärkischen Gauen, sind an dieser größten deutschen Kunstschau beteiligt und bezeugen mit ihren Werken die immer wieder aus Blut und Boden aufsteigenden schöpferischen Kräfte."
Über den vergleichsweise bescheidenen Tiroler Anteil an der Ausstellung weiß Karl Paulin:
"Unsere Aufmerksamkeit richtet sich naturgemäß auch auf jene Kunstwerke, die von Künstlern unseres Gaues Tirol-Vorarlberg stammen. Sie wird diesmal erfreulicherweise etwas mehr in Anspruch genommen als in früheren Jahren. Abseits der großen Säle, im Schatten des Treppenaufganges zum Obergeschoß, hängt ein großes, auf den ersten Blick packendes Oelgemälde, zwei Gebirgsjäger in kraftvollen Umrissen, im hellen Sonnenlicht aufwärts steigend, es wurde von Hans Strobl-Bezau gemalt, der erst vor kurzem auf unserer Gau-Kunstausstellung durch seine graphischen Blätter besonders aufgefallen ist. Und der Schwazer Toni Knapp, dem wir kürzlich in der Innsbrucker Ausstellung Kunst der Front des Luftgaues VII begegnet sind, zeigt nun im Haus der Deutschen Kunst eine Köchin mit Gockel von niederländischer Formen- und Farbenfülle. Daß wir mit Stolz auch den schon erwähnten Eduard Thöny zu den Unseren zählen, ist selbstverständlich, wenn er auch schon jahrzehntelang außerhalb seiner Heimat künstlerisch tätig ist."
Eduard Thöny hatte sich mit Marschieren, marschieren! und Burggräfler Weinbauern, Gemälden von "unübertrefflicher Lebenstreue", an der Ausstellung beteiligt. "In der plastischen Abteilung ist der Bozner Bildhauer Hans Plangger mit zwei mächtigen, herben Gestalten vertreten, einem in gelassener Ruhe stehenden Jungen Bauern und einer Am Meer ins Weite blickenden Frau, beide sahen wir in kleinen Modellentwürfen auf der letzten Gau-Kunstausstellung. Der in München lebende, aus Gröden stammende Bildhauer Siegfried Moroder stellt den aus bodenständiger Verwurzelung prachtvoll modellierten Bronzekopf einer Bäuerin aus.
Tirolische Motive finden wir wie immer im Landschaftlichen, zum Beispiel bei Fried[a] Kniep[s] Kalkkögel, bei Erwin Puchinger [Aus dem oberen Gericht im Oberinntal mit der Darstellung der Ortschaft Serfaus], bei Gottlieb Theodor Kempf-Hartenkampf Um Ostern. Tiroler Bauern in heimatlicher Tracht erscheinen in den formenklaren Studienköpfen Georg Ehmigs und in Franz Xaver Wolfs Gruppe aus 1809 Nach siegreichem Kampf, der man mehr Farbenfreude als kämpferisches Temperament nachrühmen kann.
So treten da und dort nun doch auch künstlerische Begabungen und Leistungen unseres Alpengaues in der mächtigen Gesamtschau großdeutscher Kunst in Erscheinung und kommen darin gewiß auch zu der ihnen gebührende Geltung."
Die Innsbrucker Nachrichten vom 8. September 1942 veröffentlichten auf Seite 5 einen "Aufruf zur Beteiligung an der Reichskunstschau des Jahres 1943". Neben einem Erfolgsbericht über die gegenwärtig laufende Münchner Gesamtpräsentation Deutscher Kunstproduktion und den üblichen Feststellungen über die grundsätzliche ideologische Bedeutung von Kunst für den Bestand des Reiches werden organisatorische Details verkündet:
"Vor wenigen Wochen hat Reichsminister Doktor Goebbels im Auftrag des Führers die Große Deutsche Kunstausstellung 1942 mit der bedeutsamen Feststellung eröffnet, daß diese dritte im Verlauf des Krieges gestaltete Reichskunstschau als die repräsentativste bisher im Hause der Deutschen Kunst gezeigte Ausstellung gelten könne. Inzwischen haben weit mehr als eine Viertelmillion Männer und Frauen der Heimat, Fronturlauber, Verwundete und Angehörige des Heimatheeres die Ausstellung besucht. Die dargebotene Kunst findet freudige Bejahung, und überaus zahlreiche Ankäufe lassen in sinnfälliger Weise den tätigen Anteil erkennen, den das deutsche Volk an solcher Kunst nimmt. Weiteren Hunderttausenden von Volksgenossen wird die Schau in den kommenden Wochen und Monaten ein reicher Quell der Freude und eine Erhebung des Herzens sein.
Wenn es möglich war, im dritten Kriegsjahr, mitten im gigantischen Ringen unseres Reiches um sein Bestehen und um seine Zukunft, eine solche Ausstellung, die allein schon durch ihre Existenz für sich spricht, zu gestalten, so konnte es keinen beglückenderen Beweis für die gewaltige schöpferische Kraft des deutschen Volkes geben als diese Tatsache. Die deutsche Kunst hat mit dieser Ausstellung aufs neue bewiesen, daß sie unter allen Umständen, und gerade im Kriege, ihren Platz im Leben des Volkes hat.
Deshalb hat der Führer bereits Anweisungen zur Vorbereitung der Großen Deutschen Kunstausstellung 1943 gegeben, und so rufen wir die bildenden Künstler Großdeutschlands angesichts des glänzenden Erfolges der diesjährigen Schau schon jetzt auf, an die Planung und Schaffung neuer Werke zu gehen und Stift und Pinsel, Hammer und Meißel nicht ruhen zu lassen, auf daß auch im kommenden Jahre eine Schau entstehe, die wiederum zu einem Fest der deutschen Kunst und strahlenden Sieg deutschen Geistes werden und aufs neue ungezählte wehrhafte und schaffende deutsche Menschen beglücken und erfreuen möge.
Die Ausstellungsleitung wird allen kriegsbedingten Schwierigkeiten in den Weg treten und sie im Verein mit den zuständigen Stellen der Partei und des Staates weitestmöglich beseitigen. Die Reichskammer der bildenden Künste wird die Berufenen unter den Künstlern bei der Beschaffung des benötigten Arbeitsmaterials unterstützen. Maler, die sich an der nächstjährigen Schau beteiligen wollen, tun gut, sich jetzt schon über die Gestaltung ihres Werkes klar zu werden, aus dem Vorwurf das Format zu bestimmen und ungesäumt an die Beschaffung des erforderlichen Materials, insbesondere der Keil- und Bildrahmen, zu gehen. In erhöhtem Maße gilt es für die Bildhauer, sich mit dem Vorwurf zum neuen Werk auseinanderzusetzen und baldigst mit dem Gestalten zu beginnen, damit nach Erstehen des Werkes für die Arbeit der Former und Gießer, Steinmetze und Helfer noch Zeit bleibt.
Auf denn, Künstler, zu neuen Taten und Werken! Ihr habt auch für das kommende Jahr die schöne und stolze Aufgabe, das deutsche Volk mit euren Schöpfungen zu beglücken, seine Widerstandskraft zu stärken und seine Siegeszuversicht zu erhöhen. Nützt die Monate bis zum Frühjahr 1943 und gebt wiederum euer Bestes. Dankt mit euren Leistungen unserem Führer und seinen heldenhaften Soldaten."
Eine Ausstellung von ideologischer Brisanz wurde im April/Mai 1942 in der Alten Universitätsbibliothek in Innsbruck unter dem Titel Kunst der Front 1942 präsentiert. Über die Initiative und den Inhalt der insbesondere der Wehrpropaganda dienenden Schau informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 18. April 1942, Seite 6 mit einer Vorschau:
"Daß auch während des Krieges die Musen nicht schweigen und ein reges deutsches Kultur- und Kunstleben trotz aller Schwierigkeiten reiche Blüten treibt, haben wir in den verschiedensten Kunstausstellungen, besonders in der Großen Deutschen Kunstausstellung zu München, dann in den beiden Kunstausstellungen des Gaues Tirol-Vorarlberg und in verschiedenen privaten Schaustellungen mit freudigem Stolz beobachten können.
Nun meldet sich auch der Frontsoldat als Künstler und zeigt, daß in ihm neben seiner rauhen und harten Kriegspflicht auch die Sehnsucht nach dem Schönen, nach kulturellen Werten nicht erloschen ist, sondern daß sich die schöpferischen Kräfte des künstlerisch begabten Soldaten auch an den Erlebnissen und Eindrücken zu bildnerischem Schaffen entzünden.
Heute, 11 Uhr vormittags, wird in den Räumen der Alten Universitätsbibliothek in der Universitätsstraße eine Ausstellung Kunst der Front 1942 eröffnet, die Kunstwerke von Soldaten des Luftgaues VII umfaßt. Es ist die zweite Kunstausstellung dieser Art, die auf Anregung des kommandierenden Generals der Flakartillerie Zenetti, zustande gekommen ist, die seit einigen Monaten in mehreren süddeutschen Städten erfolgreich besichtigt werden konnte und nun auch nach Innsbruck kommt. Mehr als hundert Künstler im Soldatenrock, von denen nur ein Teil die Kunst als Beruf ausübt, während die restliche Zahl vielfach zum ersten Male Bleistift oder Pinsel im Dienst der Kunst verwendet, stellen rund 300 Kunstwerke der verschiedensten Technik[en] aus [...].
Vor allem sind es die Landschaft, ihre Stimmung, die Weite des Geländes und des Himmels, das reichbewegte Spiel der Lüfte, die zarten oder satten Farben, die Morgen und Abend, Sonne, Nebel oder Schnee auf das Land legen, die in zahllosen Aquarellen zu duftiger, packender Wirkung kommen. Daß auch das Kampfgeschehen mit seinen Auswirkungen entsprechend in Erscheinung tritt, liegt bei einer Frontausstellung in der Natur der Sache, ebenso, daß Soldaten der Luftwaffe die Darstellung des Einsatzes ihrer Waffe, der Bombengeschwader und Stuka, besonders pflegen. Daneben sind es vor allem die Typen der Front, die uns in Einzelstudien, Köpfen oder Formationsszenen begegnen, aber auch die charakteristischen Formen der feindlichen Soldaten und der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten locken die Gestaltungskraft der Soldatenkünstler [...]."
Die Eröffnung der Ausstellung glich wie bei solchen Anlässen üblich einer Propagandamanifestation. Die Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1942 schildern auf Seite 3 deren Verlauf und die ideologisch pointierte Festrede:
"In den Sälen der Alten Universitätsbibliothek fand am Samstag, den 18. d[ieses] M[onats April 1942], die feierliche Eröffnung der AusstellungKunst der Front 1942, welche Kunstwerke von Soldaten des Luftgaues VII umfaßt, statt. Zahlreiche Ehrengäste aus Wehrmacht, Partei, Staat und Kulturleben wohnten der Eröffnungsfeier bei, als Vertreter des Gauleiters und Reichsstatthalters der Gaupropagandaleiter und Leiter des Reichspropagandaamtes Pg. Margreiter, als Vertreter des Standortältesten Major Clemen, Kreisleiter Pg. Dr. Primbs und Oberbürgermeister Pg. Dr. Denz.
Im Rahmen des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau VII, General der Flakartillerie Zenetti, der am Erscheinen dienstlich verhindert war, begrüßte Major Müller die Ehrengäste, wies auf den Zweck der Ausstellung hin und führte dann u. a. folgendes aus: Die Ausstellung leistet dem großen Gedanken des Aufbaues kultureller Werte im Krieg Genüge. Sind diese Werke doch ein beredtes Zeugnis von der im deutschen Soldaten tief wurzelnden Sehnsucht nach dem Schönen, das ihn dazu führt, als Ausgleich für sein auf Kampf und Zerstörung gerichtetes Tun auch Hand an schöpferische Dinge zu legen. Nicht immer sind es die dramatischen Momente des Krieges, die mit dem Stift festgehalten wurden [...].
Mit dem Dank an alle Behörden und Persönlichkeiten, die das Zustandekommen der Kunstschau in Innsbruck gefördert haben, erklärte Major Müller die Ausstellung für eröffnet. Es folgte nun ein Rundgang durch die Ausstellung unter Führung des Konservators an der Alten Pinakothek in München, Unteroffizier Dr. Busch. Vor und während der Eröffnung fand vor dem Ausstellungsgebäude ein Platzkonzert eines Musikkorps der Luftwaffe statt.
Schon die ersten beiden Tage brachten dieser Ausstellung in Innsbruck einen Erfolg, der alle Erwartungen übertrifft. Mehr als 3000 Besucher konnten am Samstag und Sonntag verzeichnet werden. Um auch den Werktätigen den Besuch leichter möglich zu machen, bleibt die Ausstellung am kommenden Dienstag und Donnerstag durchgehend bis 20 Uhr geöffnet."
Die spezielle Thematik, die natürlich viele Menschen unmittelbar berührte, brachte einen für Innsbrucker Verhältnisse enormen Publikumszustrom, den noch großzügige Öffnungszeiten, mit den zusätzlichen Dienstag- und Donnerstag-Abenden (17-20 Uhr) besonders für die "werktätige Bevölkerung" begünstigten. Bis zum 1. Mai wurden 15.000 Besucher gezählt, so dass die Organisatoren eine Verlängerung der ursprünglich bis 3. Mai geplanten Ausstellung bis zum 10 Mai vornahmen. Die Werbestrategie hatte folgende Losung ausgegeben: "Selten hat die Heimat die Möglichkeit, das Erleben unserer Soldaten in dem Maße kennenzulernen wie in dieser Ausstellung. Wir sehen ihn, [den Soldaten], hier an allen Fronten und zu allen Zeiten seines Dienstes, und oft glaubt man ihm über die Schulter zu sehen, so lebendig ist vieles eingefangen. Ein Besuch der Ausstellung wird daher jeden auf seine Weise ansprechen." (Innsbrucker Nachrichten vom 1. Mai 1942, Seite 5).
Als erfreuliche Bilanz der Ausstellung verwies man stolz auf "über 20.000" Besucher und teilte außerdem mit, dass die "Innsbrucker Kunstfreunde" eine "stattliche Anzahl von Bilder" erworben hätten (Innsbrucker Nachrichten vom 7. Mai 1942, Seite 3).
Karl Paulin erwähnt in seinem Beitrag "Künstlerisches Fronterleben. Eindrücke von der Ausstellung Kunst der Front 1942" in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. April 1942, Seite 7, den einzigen Tiroler Beitrag zur Ausstellung: "[...] Von den Bildern des Tiroler Sanitätssoldaten Toni Knapp (aus Schwaz) fällt die Studie Bei Breisach durch besonders delikate, malerische Behandlung auf. Um die wolkenverdeckte Mittagsonne kreisen Stuka; das Ganze ist in lichtflimmernde Atmosphäre getaucht, die irgendwie an Altdorfers Technik erinnert [...]."
Die traditionellen Präsentationen in Schaufenstern Innsbrucker Kunsthandlungen wurden 1942 fortgesetzt. Im Februar konnte man bei Czichna ein Mädchenbildnis des Innsbrucker Porträtspezialisten Hubert Lanzinger sehen (Innsbrucker Nachrichten vom 5. Februar 1942, Seite 4).
Im März 1942 waren in einem Schaufenster der Kunsthandlung Unterberger mehrere Aquarelle des Innsbrucker Malers "Hauptmann Professor Hans Katholnigg" mit Motiven aus dem Stubaital ausgestellt (Innsbrucker Nachrichten vom 18. März 1942, Seite 5).
Im August kam, wiederum bei Unterberger, der junge, "gegenwärtig bei der Wehrmacht dienende Innsbrucker Chemigraph" Franz Helmer mit ausgewählten Radierungen und Zeichnungen zum Zug (Innsbrucker Nachrichten vom 11. August 1942, Seite 5).
Im Dezember 1942 bot die Kunsthandlung Unterberger im Rahmen einer kleinen Ausstellung Landschaftsbildnisse des Lokomotivführers und Hobbymalers Ernst Schroffenegger an (Innsbrucker Nachrichten vom 18. Dezember 1942, Seite 5).
Auch überregional verbuchten Tirols Bildende Künstler Erfolge: Die Staatliche graphische Sammlung Albertina in Wien erwarb käuflich ein Auquarell der "bekannten Kufsteiner Malerin" Sieghilde Pirlo (Innsbrucker Nachrichten vom 30. Jänner 1942, Seite 5).
Bei einer Ausstellung im Burggebäude von Marburg an der Drau anlässlich der ersten Kulturtagung des Steirischen Heimatbundes waren auch Werke des im Sellraintal und in Rum, in dörflicher Umgebung aufgewachsenen Malers Johannes Hepperger (1894 Wilten/Innsbruck-1964 Zirl) zu sehen. 1942 war Hepperger schon seit zwanzig Jahren in Marburg ansässig. Wie sehr sein malerisches Werk den aktuellen Stilkriterien entsprach, ist der euphorischen Beurteilung seiner Kunst durch Helfried Patz in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Juni 1942, Seite 4, zu entnehmen:
"[...] Hepperger ist ein wirklich Starker, ein Eigener. Seine Kunst ist erderwachsen und quillt aus reicher Fülle. Sein ungewöhnlich eindringliches Oelbild Lesende Bäuerin sowie seine aus reifer Hand ins Große geformten Aquarelle Der Bauer und Draukaserne in Marburg überzeugen uns, daß der Künstler mit einer Ehrfurcht vor dem Gesetz der Kunst schafft, aus der immer das beste kam, was deutsche Maler uns geschenkt haben. Hepperger gehört zu jenen Künstlern, die, heute auf dem Höhepunkt ihres Lebens stehend, die eigentlich Berufenen sind, dem Wesen und Glauben unserer Zeit Ausdruck zu verleihen [...]."
Als Erfolgsmeldung verkünden die Innsbrucker Nachrichten vom 1. Mai 1942, Seite 7, die Aufnahme von Abbildungen des Bildhauers Franz Santifaller in Zeitungen und Zeitschriften wie dem in Oslo erscheinenden Tagblatt Deutsche Zeitung aus Norwegen und der Monatsschrift Joie et Travail (Freude und Arbeit), die im Auftrag des Reichsorganisationsleiters Dr. Ley herausgegeben wurde.
Anerkennung fand auch die Innsbrucker Künstlerin Hansi Sikora bei einer Ausstellung gestickter Gemälde in München. Die Innsbrucker Nachrichten vom 8. August 1942 melden auf Seite 5:
"Die bekannte Innsbrucker Künstlerin Hansi Sikora, die erst, wie wir seinerzeit berichteten, vor einigen Monaten in ihrer Heimatstadt mit einer Ausstellung ihrer eigenartigen, Seide auf Seide gestickten Gemälde erfolgreich vor die Oeffentlichkeit trat und deren Arbeiten wir in unserem Nächsten Bergland-Heft einen ausführlichen Bildartikel bringen, hat sich nun in der Kunststadt München neuen Erfolg und Anerkennung geholt. Der Bayrische Kunstgewerbeverein in München, Pfandhausgasse 7, zeigte durch drei Wochen eine Ausstellung der bisherigen Arbeiten der Künstlerin, die stärkstes Interesse und rege Nachfrage fanden. Unter anderen namhaften Persönlichkeiten fanden die nach eigenen Entwürfen geschaffenen stimmungsvollen Landschaftsbilder auch den besonderen Beifall des großen deutschen Bildhauers Professor Thorak, der sie als Gast in sein Heim am Chiemsee lud. Nun hat auch das Dürer-Haus in Dresden die Künstlerin zu einer Ausstellung ihrer Werke eingeladen, die noch im August stattfinden wird.
Der Schriftleitung der Innsbrucker Nachrichten ist es eine besondere Freude, daß sie der jungen Künstlerin Wegbereiter sein konnte."
Der Innsbrucker Maler Heinrich Berann, überregional angesehen durch sein bekanntes "Führer"-Porträt, war auf der SA-Kunstausstellung in Dresden mit zwei Gemälden vertreten. "Eines von diesen Bildern, das den Kopf eines Soldaten darstellt, der den Helmriemen bindet, ist vom sächsischen Armeemuseum angekauft worden." (Innsbrucker Nachrichten vom 29. Oktober 1942, Seite 5).
Einen herausragenden Erfolg erzielten zwei Südtiroler Maler in Berlin: "In Berlin erfolgte am 24. d[ieses] M[onats Juni 1942] im Völkerkundemuseum die Eröffnung der Ausstellung des Künstlerhilfswerkes aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der NSV [Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt]. Die Ausstellung umfaßt Wettbewerbsarbeiten von Künstlern aus allen Gauen des Reiches, auch beteiligten sich an ihr auf Grund besonderer Einladung mehrere Südtiroler Künstler.
Bei der Preisverteilung wurden nun von den ausgesetzten neun Preisen auf Werke der Malerei, Graphik und Plastik ein erster Preis dem Maler Oskar Wiedenhofer in Seis am Schlern und ein zweiter Preis dem Maler Rudolf Parsch zugesprochen. Daß von neun Preisen zwei auf Südtiroler Künstler entfallen, ist ein besonders schöner Erfolg für unsere Südtiroler, deren Kunst auch bei der demnächst zu eröffnenden dritten Gau-Kunstausstellung in Innsbruck wieder zu entsprechender Geltung kommen wird." (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Juni 1942, Seite 5).
Wie sehr die Kunst im Dienst der Politik stand und dadurch von höchster Instanz auch entsprechende Anregungen und Anweisungen erhielt, zeigt eindringlich ein Bericht mit der Überschrift "Künstler gestalten den Dank der Heimat!" in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Jänner 1942, Seite 5:
"Der über alle Erwarten große Erfolg der Sammlung von Woll- und Wintersachen verdient es, daß dieses einzigartige Geschehen als politisches Dokument und einmütiges Bekenntnis der Heimat zur Front auch für die Zukunft im Bild festgehalten wird. Auf Veranlassung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels hat der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste die deutschen Künstler aufgefordert, kennzeichnende Augenblicke der großen Wintersachensammlung für die Front künstlerisch zu gestalten. Diese Werke sollen uns und späteren Generationen Zeugnis sein für den Opfergeist der Heimat und ihren Dank an die kämpfende Front."
Bezug nehmend auf seinen 75. Geburtstag widmet der an der Deutschen Alpenuniversität in Innsbruck tätige Kunsthistoriker Otto von Lutterotti dem Maler Hugo Grimm in den Innsbrucker Nachrichten vom 31. Jänner 1942, Seite 7, eine Würdigung:
"Ohne viel Aufhebens zu machen, in gewohnter Bescheidenheit, hat Meister Hugo Grimm im Vorjahr seinen 75. Geburtstag gefeiert. Und in ungebrochener Schaffenskraft verlässt ein Bild nach dem anderen die Werkstatt des Malers im heimeligen Innsbrucker Altstadthaus, in das wieder einmal mein Weg führt [...].
Nie kommt es dem Maler in seinen Schöpfungen, mit denen er unser Land im Gebirge verherrlicht, auf die bloße Abschilderung der Wirklichkeit an. Grimm ist ein phantasiebegabter Dichter, ein Verdichter seiner Umwelt, er rückt und richtet die Natur um im Sinne eines hintergründigen, stimmungsmäßigen Ausdrucks [...].
Seine besten Landschaften sind von einer bleibenden Kraft, Schönheit und Würde, die immer wieder mit der nüchternen Wirklichkeit des Alltags versöhnen kann."
Anfang Oktober 1942 besuchte Kulturredakteur Heinz Cornell Pfeifer den Maler Thomas Riß in seinem Atelier in Haslach (nahe Stams) und schildert diese Begegnung mit dem "Altmeister der Tiroler Maler" in einem sehr persönlichen Beitrag in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Oktober 1942, Seite 4:
"[...] Bald löst der Wein die Zungen, ein besinnliches Gespräch über Kunst und Alterskunst plätschert geruhsam dahin, dann folgen wieder brennende Fragen der Politik, des Krieges, zu denen der Meister mit der Begeisterungsfähigkeit eines Jünglings Stellung nimmt, zufriedene Angaben über den Stand der Ernte weitum und den Erfolg in den Ställen folgen, die seine innige Teilnahme am bäuerlichen Werk erkennen lassen. Es wird spät und schließlich müssen wir auch zum Mittagessen bleiben, das seine Nichte, die ihm den kleinen Haushalt führt, aufs leckerste zubereitet und mit einer herzlichen Einladung auf den Tisch stellt.
Meine Augen wandern durch die gemütliche Stube. Prächtig und farbenfroh der schöne Bauernschrank dort, aus zwei Alpbacher Truhen gefertigt. Bäuerlicher Hausrat liegt darauf, dort in der Ecke der matte Schimmer einer schönen Kupferpfanne, ein spaßiger Kachelofen, wie ein langes Faß geformt, hockt in der anderen Ecke, behäbige Sitzbänke säumen die Wände, ein Kinderbildnis aus seiner Hand grüßt uns mit nachdenklichen Blauaugen und die Sonne flutet im breiten Strahl zum Fenster herein. Hier ist gut sein, Heimat und Heim, das der doppelt fühlt, dem das Glück des eigenen Herdes versagt blieb.
Nach der Mahlzeit steigen wir hinauf zur Werkstatt. Der Raum ist fast gleich seinem Atelier in Mühlau. Ein hohes und breites, vom Fußboden bis zur Decke reichendes Doppelfenster läßt das milde ausgeglichene Licht der Nordseite einfallen. Die Wände des Aufgangs und der Werkstatt sind voll von Bildern: Genregemälde, Porträts, Landschaften in Oel und Aquarell, Skizzen aus dem Bauernleben, aufleuchtend im Prunk der heimatlichen Pracht ein im Tanz sich schwingendes Paar, dort ein Frauenbildnis in feinster, zartester Tönung, die blaßblaue Seide des Kleides glaubt man knistern und rauschen zu hören, so greifbar natürlich ist sie wiedergegeben und auf der Staffelei steht seine letzte Arbeit: Pflügende Bauern, die von der ganzen Kraft und bodenverwurzelten Heimatliebe des Meisters in starker Sprache redet. Nachdenklich äußert er beim Betrachten diese Gemäldes: Ich mein, das Porträtieren werd' ich doch jetzt ganz aufgeben, denn die Jahr, die mir noch bleiben, möchte ich ganz dem bäuerlichen Werk widmen. Lauter Bilder von Arbeit und Feiertag des Bauern malen, Saat und Ernte, Pflug und Mahd, die Arbeit in Haus, Hof und Stall, in Feld und Wald aber auch den Feierabend, die Freude und das Glück des bäuerlichen Lebens möchte ich noch festhalten, bevor ich den Pinsel aus der Hand legen muß. Ich schaue schweigend und sinnend hinauf in die Ecke, wo sein letztes Selbstbildnis vom vergangenen Jahr wie eine düstere Ahnung hernieder blickt: um ihn, der müde, blaß und gefaßt an einem Tisch sitzt, biegt sich werbend der Tod und hält ihm mit weitausholender Gebärde die fast abgelaufene Sanduhr vor [...]."
In den Innsbrucker Nachrichten vom 28. Dezember 1943, Seite 4 f. widmet Schriftleiter Karl Paulin dem Maler Thomas Walch zu dessen 75. Geburtstag eine ausführliche Würdigung:
"Das tirolische Oberinntal, im Volksmund Oberland, ist die Wiege eines herben, kraftvollen, mit vielerlei geistigen und künstlerischen Begabungen gesegneten Volksschlages. Von Bildhauern der unvergessene Christian Plattner, der hochbetagt in Innsbruck lebende Eduard Posch, von Malern Anton Gabl, Matthias Schmid, Thomas Riß, von Dichtern Franz Kranewitter, im weiteren Sinn auch Karl Schönherr und der zwar in Südtirol geborene, aber ein halbes Jahrhundert in Imst wirkende Altmeister der Tiroler Mundartdichtung Carl von Lutterotti, ferner seine volkstümlichen Nachfahren, die Brüder Hermann und Jakob Kopp, bezeugen das schöpferische Element ihres Heimatbodens, des Oberlandes.
Einer dieser Oberländer Künstler, der Maler Thomas Walch, vollendet heute sein 75. Lebensjahr. Er teilt mit Thomas Riß eine ausgebreitete Volkstümlichkeit, die sich bei Walch hauptsächlich auf die unzählbaren farbigen Postkarten gründet, die seit Jahrzehnten ganze Serien von Walch'schen Bildern aus dem heimischen Volksleben in die weite Welt tragen. Wenn es auch bei diesen Szenen mehr auf den gemütstiefen Inhalt als auf die künstlerische Form, der eine gewisse echt oberländische Schwere eigen ist, ankommt, so zeigen sie doch ein Hauptgebiet der Kunst Thomas Walchs, die Darstellung heimatlicher Menschen in Freud und Leid, in Arbeit und Besinnung, immer eng verbunden mit dem Boden, dem sie entstammen. Man könnte Walch den Maler der Tiroler Heimattreue nennen.
Aus eigener Kraft hat sich Walch emporgerungen; am 28. Dezember 1867 in Imst geboren, hat er den ersten Unterricht beim Maler Kristeler erhalten, der dem jungen Menschen mit einer tüchtigen handwerklichen Schulung die gediegenste Grundlage zur künstlerischen Laufbahn gab, die erst 1897 begann, als der Dreißigjährige die Münchner Akademie bezog und dort als Schüler Defreggers sich im Geist und in die Technik des Meisters selbständig ausbildete. Den ersten großen Erfolg brachte Walch die Tiroler Jahrhundertfeier 1909, deren Festplakat, einen fahneschwingenden Landstürmer, er schuf und die auch das größte und beste Geschichtsbild des Malers reifen ließ, das heute im Imster Heimatmuseum hängt, Andras Hofers Einzug in Innsbruck am 15. August 1809 [...].
Am stärksten wirkt sich Wachs künstlerische Art im Stilleben und im Bildnis aus; da führt ihn die altmeisterliche Technik in Verbindung mit liebevoller Naturbeobachtung zu Werken von staunenswerter realistischer Lebenstreue, wie sie auch auf unseren Gau-Kunstausstellungen zu sehen waren.
An seinem 75. Geburtstag gelten dem noch unermüdlich schaffenden Thomas Walch die Glückwünsche jener Zahllosen, denen seine schlichte heimattreue Kunst einen Abglanz des Landes im Gebirge und seiner Menschen als Erlebnis vermittelt hat."
Im Dezember 1942 wurden die Freskoarbeiten des Südtiroler Malers Peter Paul Morandell im Sitzungssaal des Kufsteiner Rathauses beendet, die dieser nach Ideen des Bürgermeisters "Pg." Dr. Dillersberger mit Motiven der NS-Ideologie ausführte. Karl Paulin zeigt sich davon begeistert in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Dezember 1942, Seite 9:
"Das Bestreben, private oder öffentliche Wohnstätten und Gebäude mit Erzeugnissen heimatlicher Kunst zu schmücken, tritt in den letzten Jahren in erfreulicher Weise immer öfter zutage. Damit erhält die bildende Kunst einen erhöhten Zweck und Wert, der sie in organischen Zusammenhang mit der Architektur bringt und der dem Sinn des Bauens gehobenen künstlerischen Ausdruck verleiht.
Vor kurzem erst hat das Rathaus der Stadt Kufstein einen besonders schönen künstlerischen Schmuck erhalten. Auf Anregung des Bürgermeisters Pg. Dr. Dillersberger wurde der große Sitzungssaal mit Fresken versehen, die von dem bekannten Südtiroler Maler Peter Paul Morandell, der schon seit längerer Zeit in Innsbruck lebt und schafft, stammen. Morandell hat sich in der Zeit seiner Wirksamkeit in unserem Gau schon einen bekannten Namen gemacht; verschiedene Gaststätten und Wohnhäuser wir nennen nur die Bürgerstube des Gasthofes Goldener Greif bei der Triumphpforte und das neuerbaute Wohnhaus Karl Felderers in Hötting tragen seine Fresken, denen ein starker volkstümlicher Zug eigen ist. Landschaft und Menschen der Heimat weiß Morandell mit schlichter Naturwahrheit einfach und doch kraftvoll zu gestalten, seine Kunst wächst mit jedem Auftrag, ein Beweis, daß der Künstler zur eigenen Entfaltung und Steigerung doch auch tatkräftiger Förderung durch Aufträge bedarf.
Der Rathaussaal in Kufstein trägt schon von früher her zum Teil gebräunte Holztäfelung und eine ebensolche kassettierte Decke. Jene Wandflächen, die bisher frei geblieben sind, hat nun der Künstler nach Ideen des Bürgermeisters mit Fresken geschmückt, die aus Zeit und Volkstum erwachsen sind.
An der Stirnwand des Saales prangt der Hoheitsadler, flankiert von zwei symbolischen Gestalten, die den wehrhaften Charakter unseres Volkes kennzeichnen.
An den beiden Seitenwänden schließen sich an diese großzügige Komposition zwei Figuren, die dem arbeitenden Volk entnommen sind: ein Bauer mit geschultertem Tragkorb und Sense und ein Gewerbetreibender im Werktagskleid. Ganz besonders gelungen ist dem Künstler der Bauer, der erdverwachsen auf seiner Scholle steht.
Die gegenüberliegende Wandfläche erinnert in ihrem künstlerischen Schmuck an die Befreiung der Ostmark. Ueber das Hakenkreuz schwingt sich ein Schriftband mit den Worten: Ein Volk, ein Reich, ein Führer! Links sieht man eine Gruppe der einmarschierenden deutschen Wehrmacht, der von der rechten Seite befreite Menschen der Ostmark entgegenschreiten: ein Fahnenträger, ein Häftling mit zersprengten Ketten, eine Mutter mit einem Kind auf dem Arm.
Die Seitenteile tragen zwei Gestalten aus unserem mit dem Volksleben aufs engste verbundenen Brauchtum: einen Standschützen in der heimatlichen Tracht und eine anmutige Marketenderin. Auch diese beiden Malereien zeigen die Meisterschaft des Künstlers.
Im Laufe des vergangenen Sommers hat Morandell die Kartons für seine Fresken angefertigt, die Ausführung geschah innerhalb von vier Wochen; die neuen Fresken gereichen dem Saal zu dauernder Zierde.
Auch die übrigen Einrichtungsgegenstände des Sitzungssaales, der auch als Raum für festliche Empfänge, für Trauungen und ähnliche Anlässe dient, ist Bürgermeister Dr. Dillersberger bestrebt, heimischem Kunst- und Gewerbefleiß anzuvertrauen. Die gegen Westen gerichtete große Fensterwand soll Vorhänge mit dem eingewebten Stadtwappen bekommen; das Kufsteiner Stadtwappen erscheint übrigens auch im Fresko über der Eingangstür. Auch sind drei schmiedeeiserne Beleuchtungskörper für die Decke und ebenfalls schmiedeiserne Leuchter für den Tisch des Bürgermeisters vorgesehen.
So bildet der neugeschmückte Kufsteiner Rathaussaal ein nachahmenswertes Beispiel der Verwendung heimischer Kunst zum Schmuck von Räumen, die dem öffentlichen Leben dienen."
"Völkische" Ausstellungen
"Völkische" Ausstellungen waren öffentliche Dokumentationen für Zwecke der Parteipropaganda. In diesem Kontext sah man 1942 eine repräsentative Ausstellung von Meisterstücken heimischer Tischler vor. Dazu forderte der Gauleiter die Handwerker auf, stilistisch der Tradition entsprechende Werke als praktische Einrichtungsgegenstände herzustellen. Die ideologische Intention war dabei, analog zur Trachtenerneuerung und Verwendung bäuerlicher Haushaltsgeräte, auch bei der Wohnkultur eine "bodenständige" Fertigung nach allgemein verbindlicher Norm festzulegen. Einerseits sollte sich der Erzeuger künftig ausschließlich heimischen Mustern widmen, andererseits sollte durch solche Ausstellungen von als vorbildlich deklarierter Handwerksarbeit die Geschmacksbildung der Käufer im Bereich Wohnungseinrichtung entsprechend der Parteiästhetik gefestigt werden. Tradition war die vereinende Kraft der Volksgemeinschaft, die Individualität beseitigen sollte. Am 12. September 1942 eröffnete Gauleiter Hofer in der Alten Universitätsbibliothek die erste "Lehr- und Musterschau bodenständiger Wohnungseinrichtungen". Zur feierlichen Eröffnungszeremonie hatten sich neben den Vertretern des Gewerbes zahlreiche Gäste aus Partei, Staat und Wirtschaft eingefunden, "unter ihnen der Stellvertretende Gauleiter, Befehlsleiter Pg. Parson, Kreisleiter Pg. Dr. Primbs, Landeshandwerksmeister Pg. Schatz, M[itglied] d[es] R[eichstags] und Bürgermeister Pg. Christoph. Nach einem Musikstück und einer kurzen Begrüßung durch Gaupropagandaleiter Pg. Margreiter" hielt der der Gauleiter eine grundsätzliche Rede, die in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. September 1942, Seite 3, aus propagandistischen Gründen im Detail wiedergegeben ist:
"Als ich an die Tischler des Gaues Tirol-Vorarlberg den Appell richtete, durch die Beistellung von Arbeiten diese heute zu eröffnende Schau zu ermöglichen, da konnte sich mancher vielleicht fragen, warum man gerade mitten im Kriege eine solche Ausstellung beabsichtige, da doch die Zeitverhältnisse eine praktische Ausnutzung der Erfahrung dieser Schau augenblicklich ausschließen. Die Antwort auf eine solche Frage haben die Tischler durch ihre freudige Bereitschaft zur Mitwirkung am Werke gegeben. Diese Meister und ihre Gesellen, die eben durch die genannten Zeitverhältnisse gezwungen sind, seit Jahren meistenteils auf Gebieten zu arbeiten, die der Bautischlerei zuzuzählen sind, ergriffen freudig die Gelegenheit, ihr Können wieder einmal in der Herstellung von gediegenen Möbeln zu erweisen und trachteten eifrig, richtige handwerkliche Stücke hinzulegen. In dem berechtigten Stolz auf ihre Leistung sollen die Meister dieses Handwerks sich heute schon auf die nach dem Kriege ihrer harrenden Aufgaben besinnen und dieselben nicht mehr aus dem Auge verlieren. Wir werden nämlich nach dem Siege vor den vielen Notwendigkeiten, die arbeitsmäßig an uns herantreten werden, nicht viel Muße zur Ueberlegung haben, und darum wollen wir auf allen Gebieten schon jetzt die Vorbereitungen unablässig betreiben, damit die Stunde des beginnenden großen Friedensaufbaues uns gerüstet finde. Dazu habe ich meinen Aufruf erlassen. Trotz aller Belastung muß es den Männern des Tischlerhandwerks doch möglich sein, im Laufe eines Jahres wenigstens eine Einrichtung, ein Stück zu schaffen, das für den ständig gedachten Wettbewerb heimischen Handwerks bestimmt sein mag. Später werden dann die erarbeiteten Erfahrungen den Handwerkern und der Volksgemeinschaft im Gau zugute kommen, wenn es gilt, all das Notwendige zu schaffen, Arbeiten auszuführen, die vor dem Kriege nicht mehr geleistet werden konnten, oder als an sich nötige Erhaltungsarbeitern jetzt zurückgestellt werden müssen. Auch die Unterbringung der Südtiroler Umsiedler wird noch viel Aufwand erheischen, denn für diese Umsiedler ist zweifellos schon viel, aber eben noch zu wenig geschaffen worden. Nicht zuletzt wird es eine gewaltige Anstrengung kosten, den vielen schon bisher im Gau heimischen Wohnungssuchenden Erfüllung ihrer berechtigten Wünsche zu schaffen.
Der Gauleiter betonte dann fortfahrend, daß diese Ausstellung bei den Kaufinteressenten keine falschen Hoffnungen für den Augenblick erwecken soll, sondern daß sie als Lehrschau vor allem Meistern, Gesellen und Lehrlingen Erfahrungen vermitteln und Anreiz zu weiterem Schaffen geben soll. Aus diesem Grunde , sagte der Gauleiter, ist auch bei jedem ausgestellten Stück der Befund des Schiedsgerichtes ersichtlich gemacht, in dem ehrlich die guten Seiten der Arbeiten ebenso wie deren Mängel und Fehler angeführt sind. Diese Kritik soll nicht wehtun, sondern fördern und helfen und sie wird öffentlich ausgesprochen, damit alle Tischler, voraus der handwerkliche Nachwuchs davon profitieren sollen. Es soll weiters durch eine solche Lenkung vermieden werden, daß gekünstelte Formen der Entwicklung kommen. Der Handwerker soll hingegen seine treuhänderische Aufgabe darin sehen, die alten Talformen für kommende Zeiten lebendig zu erhalten.
Unsere Möbel sollen zum Orte ihrer Aufstellung und ihres Gebrauches passen!
Auf solche Weise mag die Schau auch dem Kunden, dem künftigen Käufer, einen Anschauungsunterricht bieten und seine geschmacklichen Wünsche lenken, ihn darüber hinaus auch zum Sparen zur rechten Zeit veranlassen, wenn er sich aus den angeführten Preisen, die nicht für das Musterstück selbst, sondern für Nachbestellungen in gleicher Art und Güte gelten, einen Ueberschlag über die Kosten eines zukünftiges Heimes zu machen vermag.
Der Gauleiter erklärte, daß in diesem Jahre die Bewertung noch nicht allzu streng geschah und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Arbeiten des kommenden Jahres schon strengerer Beurteilung standhalten würden. Er erinnerte dabei, daß ja in allen Dingen am Anfang die Forderungen niedriger waren und dann mit der Leistung stiegen. Als Beispiele führte er die Leistungssteigerung im Schießwesen und in der Zucht unserer heimischen Viehrassen, besonders des Haflinger Pferdes an. Nach Bekanntgabe der Preisträger im Wettbewerb gab der Gauleiter seiner Zufriedenheit über das bisher Erreichte Ausdruck und dankte allen Meistern, die zum Gelingen dieses erstmaligen Versuches beigetragen, sowie ganz besonders dem Leiter der volkskundlichen Förderungsstelle des Reichsgaues, Parteigenossen Bachmann, sowie dem Bezirksinnungsmeister Alpenland, Pg. Erwin Norer, deren Vorbereitung und Gestaltung des Wettbewerbes und der Schau oblegen war.
Wir alle müssen das Beste schaffen!, schloß der Gauleiter vor dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation seine Ausführungen. Aufgabe des Gaues gegenüber der großdeutschen Gemeinschaft und den neuen Ostgebieten ist es, ein gesundes Bauerntum fortzupflanzen, das dem ganzen Volke tüchtige und allzeit kampfbereite Männer stellt, ein Kerngebiet alten Brauchtums fest zu gründen, in dem immer erneut kulturelle Werte geschaffen, jede Stillosigkeit bekämpft und die heimatgebundene Note gepflegt und weiterentwickelt wird.
Sie, meine Kameraden vom Tischlerhandwerk, beginnen Sie schon jetzt die Arbeiten für 1943 zu planen, treten Sie in ständigen kameradschaftlichen Wettstreit und haben Sie stets nur einen Stolz und einen Ehrgeiz, den, mit ihrer Arbeit unserer schönen Heimat zu dienen. "
Vorausgegangen war dieser "Lehr- und Musterschau bodenständiger Wohnungseinrichtungen in Innsbruck" die Einladung des Gauleiters an die Tischler zu einem "Wettbewerb zur Herstellung ländlicher Möbel für Landarbeiter- und Kleinbauernwohnungen". Die Idee und die Modalitäten werden in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. April 1942, Seite 3 erklärt:
"In einem an die Handwerkskammer gerichteten Aufruf, der für die Gestaltung von Wohnräumen von grundsätzlicher Bedeutung ist, weist der Gauleiter darauf hin, daß unsere Bauten nicht nur Schlafstellen, sondern Heime enthalten und demgemäß eine landschaftsgebundene, artgemäße Innenausstattung aufweisen sollen. Ausschlaggebend dafür sind die Wohnmöbel, die einen Raum schön und behaglich, aber auch kalt und ungemütlich machen können. Sie müssen nicht allein den geforderten Zwecken dienen, sondern auch Herz und Gemüt durch ihre Formgebung und Ausführung zufriedenstellen.
In seinem Aufruf betont der Gauleiter ferner, daß die alten Bauernmöbel, die unsere Vorfahren zu gestalten verstanden haben, in dieser Hinsicht als Vorbilder gelten können; sie dürfen aber nicht bedenkenlos nachgemacht werden, denn die unter dem Einfluß von Technik und Zivilisation veränderten Lebensbedingungen haben auch in vielen Dingen zu einer Aenderung unserer Auffassungen und Lebensweise geführt. Mit größerer Einfachheit der Ausführung muß volles Eingehen auf die Zweckansprüche, die heute an brauchbare Möbel gestellt werden, verbunden sein.
Im Zuge der Umsiedlung Südtirol müssen viele Land- und Forstarbeiter untergebracht werden. Viele Wohnungen sind erstellt und warten nur noch auf die Einrichtungen, die zu der an Landschaft und Brauch gebundenen Lebensweise dieser Volksgenossen passen und mithelfen, daß diese sich im neuen Heim geborgen und glücklich fühlen. Der Gauleiter erwartet, daß die Tischlermeister trotz der kriegsbedingten Schwierigkeiten ihr so oft bewährtes Können voll und ganz in den Dienst dieser Aufgabe stellen werden.
Den Wettbewerbsbestimmungen entnehmen wir folgende Einzelheiten: Es handelt sich um Stuben, Schlafräume, Kinderzimmer und Küchen als Gesamteinrichtungen und um Schränke, Betten, Tische, Stühle, Truhen, Stuben- und Ofenbänke als Einzelstücke. Die Möbel müssen für eine Gegend passen, die der Tischler selbst auswählen kann (z. B. Unterinntal, Bregenzerwald usw.) und demnach orts- und heimatgebundenen Charakter tragen. Sie müssen ferner ausschließlich aus heimischen Hölzern gefertigt sein; Beizungen sind dem Charakter der verwendeten Holzart anzupassen und dürfen daher nicht eine andere Holzart vortäuschen. Sie können aber auch nach der Art alter Bauernmöbel, aber in neuartiger Kammzugtechnik bemalt sein, wofür das Malergewerbe herangezogen werden kann. Der Preis einer vollständigen Einrichtung soll 700 Reichsmark nicht übersteigen.
Es sind je ein erster Preis im Betrage von 4000 RM. für ganze Einrichtungen und von 1000 RM. für Einzelmöbel, weiters zweite und eine Anzahl dritter Preise ausgesetzt; ferner ist der Ankauf preisgekrönter und anderer Arbeiten durch das Preisgericht vorgesehen. Schließlich enthält die Ausschreibung nähere Durchführungsbestimmungen und Terminangaben. Dem Preisgericht gehören der Gauleiter und Reichsstatthalter, die Leiterin des Volkskunstmuseums P[artei]g[enossi]n Pesendorfer, Parteigenosse Markus Bachmann, Dornbirn und Pg. Erwin Norer, Innsbruck, an. Die durch das Preisgericht beurteilten Arbeiten werden öffentlich zur Schau gestellt."
Ihre Eindrücke von der Ausstellung vermittelt Marie Randolf in parteikonformer Darstellung in der Zeitschrift Bergland 1942, Heft 10-12, Seite 17 ff. ihren Lesern: "[...] Wer also durch die Lehr- und Musterschau schritt, mußte zu allererst den Eindruck gewinnen, daß von Tischlern fast durchwegs gediegene, handwerklich einwandfreie Arbeit geliefert worden war. Und er mußte staunen, wie vielfältige Möglichkeiten der Gestaltung sich innerhalb des scheinbar enggezogenen Rahmens ländlicher Stuben- und Kammereinrichtungen ergeben. Dabei sprechen gerade jene Stücke am meisten an, die auf jede gesuchte Besonderheit, auf jede kleinliche Geziertheit verzichten und in klaren Linien wohlgestaltete Zweckformen darstellen."
Marie Randolf verweist auf den prinzipiell ideologiebestimmten Zweck dieser Ausstellung: "Der Gau Tirol-Vorarlberg soll ein Kernland guten alten Brauchtums sein. Das ist der Wille unseres Gauleiters und aller, die um den inneren Wert blut- und bodengebundener Lebensformen wissen. Da aber in unserem Zeitalter der raschen Verbindungen das Unkraut Gleichmacherei üppig zu wuchern droht, bedarf es behutsamer, aber fester Hände, die den echten guten Trieben den Platz an der Sonne freihalten, sie pflegen und wenn nötig an festen Stützen aufbinden. Als solche pflegerische Maßnahme im reichbestellten Garten unseres Brauchtums mag die Lehr- und Musterschau bodenständiger Wohnungseinrichtungen in Innsbruck aufgefaßt werden, die auf Anregung und unter tatkräftiger Förderung Gauleiter Hofers durchgeführt wurde. Heimische Tischler aus allen Teilen des Gaues sind dem Ruf zur Schaffung schöner, handwerklicher Möbel aus heimischen Holz in gaugebundener Art gefolgt und haben Einrichtungen geschaffen, die dem Beschauer in ihren vertraulichen Formen und wohlabgewogenen Verhältnissen sofort das Gefühl geben: da muß gut wohnen sein [...]."
Wie sehr diese "Musterschau" auf die Beeinflussung im Sinn einer vereinheitlichenden "artgemäßen" Geschmacksrichtung bei Herstellern wie Käufern abzielte, belegt auch die Sichtweise von Natalie Beer in den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Oktober 1942, Seite 3:
"[...] Wie es da im kleinen geschah, so kehren wir heute im allgemeinen wieder zu unserem Landschafts- und Blutbewußtsein zurück, überlegen, was uns gemäß ist und kommen auch zu der uns zuständigen Wohnform zurück, die unseren Vorvätern ohne großes Kopfzerbrechen natürlich gegeben war. Wir wählen wieder die Einrichtung, wie sie uns zusteht und den Verrichtungen unsers Berufes und der häuslichen Arbeit dient. Ein schöner Beginn dieses artbewußten Wohnens zeigte sich schon in manchen Einzelfällen, wo sogenannte Bauernstuben eingerichtet und dann um ihrer Behaglichkeit willen allen anderen Wohnräumen vorgezogen wurden.
Nun hat Gauleiter und Reichstatthalter Hofer durch die erstmalig gezeigte landschaftsgebundene Möbelausstellung in der Alten Universitätsbibliothek die Tischler veranlaßt, sich grundsätzlich wieder mit bodenständigen Einrichtungen zu befassen und zu beweisen, was noch an gutem Erbteil und wiederum an organisch gewachsener Einrichtungskultur vorhanden ist. Die Preise, die den Tischlern für ihre Arbeiten gegeben wurden, sollen sie weiterhin aufmuntern, Besteller und Auftraggeber aufzuklären über das, was ihm gemäß ist, und dabei zu lernen, das Wesen der heimatlichen Kultur immer mehr zu pflegen.
Ganz besonderen inneren Anteil an dieser Ausstellung nimmt die Frau. Sie, die einmal ihr Heim gestalten, die es Mann und Kindern gemütlich und behaglich machen soll, muß vor allen Dingen wissen, wie sie ihre Stube, ihr Haus einrichten will. Ein Lehrgang für Mütterdienstlehrkräfte in Innsbruck hat auch diese nach einem Vortrag über bodenständiges Bauen und Wohnen von Pg. Markus Bachmann durch die Ausstellung geführt. Der Sinn jeder Kritik an den einzelnen Einrichtungen ist dabei besprochen worden und es zeigte sich, daß gerade die Lehrkräfte unserer jungen Mütter und Frauen dafür die nötige Einführung mit Freude aufnahmen, um sie wieder in ihren Kursen zu verwerten. Auch junge Menschen, Brautpaare und solche, die es werden wollen, sieht man durch die Ausstellung gehen. Sie holen sich Anregung und freuen sich, auszusuchen , was einmal in ihrer Wohnung stehen soll, wenn erst die Zeit kommt, daß man all diese schönen Möbel wieder beim heimischen Tischler bekommen kann. Seien es nun in einfachem, rohem Holz gearbeitete oder mit leichten Volkskunstmustern bemalte, oder leicht geschnitzte Stuben und Schlafzimmer, immer werden sie in den Wohnräumen der ländlichen Bevölkerung an ihrem Platze sein. Da auch unsere Städte in der Gebirgslandschaft stehen, so muß auch in Stadtwohnungen nicht auf das ländliche Möbelstück verzichtet werden, wenn die Wahl der Einrichtung mit guter Einfühlung geschieht.
Diese Ausstellung soll erst einmal ein Anfang und ein Hinweis sein, und zugleich ein Ansporn für die Frau, die darangeht, ihr Heim zu gestalten oder aus Ungemütlichkeit zu erlösen. Dabei sei auch noch auf den schönen handwerklichen Kleinhausrat hingewiesen, der den ausgestellten Stuben und Schlafzimmern die persönliche Note einer Frau gibt: Der gute handgewebte Teppich, die einfach schöne Tischdecke, das Bild an der Wand, der Holzteller und die Vase auf dem Bord, alles Dinge, die zugleich mit dem nützlichen Zweck das Schöne verbinden und dadurch den Sinn für schöne Dinge auch als Gebrauchsgegenstände wecken."
Wegen des großen Zuspruchs wurde die Lehr- und Musterschau bodenständiger Einrichtungen verlängert. Die Innsbrucker Nachrichten vom 9. Oktober 1942 bringen auf Seite 3 einen Erfolgsbericht:
"Die am 12. September eröffnete Lehr- und Musterschau bodenständiger Wohnungseinrichtungen in Innsbruck hat einen ganz außergewöhnlichen, alle Erwartungen übersteigenden Erfolg zu verzeichnen. Bisher wurde die Schau von mehr als 10.000 Besuchern besichtigt, woraus zu ersehen ist, wie groß das Interesse für Wohnungseinrichtungen ist und wie gern die Gelegenheit zur Fortbildung und Ausrichtung von Geschmack und Urteilsvermögen benützt wird. Aber auch in Fachkreisen hat die Ausstellung weit über die Grenzen unseres Gaues hinaus Beachtung gefunden. Fachzeitschriften des Reiches haben sich in Wort- und Bildberichten mit ihr beschäftigt. Fachvereinigungen und besonders viele Fachschulen sandten ihre Vertreter zur Besichtigung der Ausstellung und zahlreiche Anfragen zeugen davon, daß die Ausstellung als Vorbild und Beispiel Anerkennung findet.
Für den 10. Oktober haben sich gegen neunzig Tischlermeister aus Südtirol zum gemeinsamen Besuch der Ausstellung angemeldet. Diese Besucher, für die gründliche Kenntnisse und Erfahrungen in der Ausgestaltung von Wohnräumen nach ihrer Umsiedlung ins Reich ganz besonders wichtig sein werden, bleiben drei Tage in Innsbruck, um die Lehr- und Musterschau genau kennen zu lernen.
Trotzdem die Ausstellung nunmehr bereits vier Wochen lang geöffnet ist, kann aus dem unvermindert starken Besuch und aus zahlreichen Wünschen geschlossen werden, daß das Interesse dafür noch lange nicht erschöpft ist. Aus diesem Grunde bleibt die Lehr- und Musterschau, die am 11. Oktober beendigt werden sollte, bis einschließlich Sonntag, den 18. Oktober, bei gleicher täglicher Besuchzeit wie bisher geöffnet."
Handwerk
Wiederum wurde 1942 ein "Schülerwettbewerb" samt Ausstellung durchgeführt, der vor allem der "wehrgeistigen Erziehung der Jugend" dienen sollte. Der Ablauf ist einem von den Organisatoren zentral versandten Pressetext, der in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juli 1942, Seite 3, verlautbart ist, zu entnehmen:
"Eine der vornehmsten Aufgaben der neuen deutschen Schule ist die wehrgeistige Erziehung unserer Jugend. Der Reichswalter des NS.-Lehrerbundes, Gauleiter Wächtler, hat daher in engster Zusammenarbeit mit den Oberkommandos der drei Wehrmacht[s]teile einschließlich der Waffen-SS einen Schülerwettbewerb für ganz Großdeutschland in die Wege geleitet unter dem Leitwort: Für Deutschlands Freiheit!
Der Wettbewerb des Jahres 1941 Seefahrt ist not war das erste große Jahresthema und bildete zugleich den Auftakt für dieses großartige Unternehmen. Weil in diesem Jahre vor allem das heldische Geschehen im Osten im Vordergrund steht, wurde als Jahresaufgabe für 1942 das Thema gestellt: Der Kampf im Osten. Der Kampf gegen die Sowjetunion wird daher in den kommenden Wochen und Monaten hineingerufen in unsere Schulstuben in Stadt und Land, und jedes Unterrichtsfach wird in Beziehung gesetzt werden zu dem Kampf im Osten. Rundfunk, Presse, Feldpostbriefe und Berichte von Fronturlaubern vermitteln die notwendigen Kenntnisse und geben reichlich Anregung zu schöpferischer Betätigung. Aufgabe unserer Jungen und Mädel ist es, das so gewonnene Wissen in Wort und Bild, Plastiken und Modellen lebendig zu gestalten und zu veranschaulichen. Zu alledem wird die illustrierte Schülerzeitschrift Hilf mit laufend wertvolle Fingerzeige vermitteln.
Die Erzieherschaft wird der Jugend bei der Wahl und Ausführung der Arbeiten gerne beistehen. Die Arbeit an diesem Wettbewerb schärft den Geist, weitet den Blick, schult und stählt den Willen. Der Wettbewerb Kampf im Osten stellt ein Stück Kriegseinsatz dar. Zudem werden dadurch unserer Jugend die grausamen Pläne und Methoden der Weltpest Bolschewismus klar vor Augen geführt. Es wird gezeigt, welche Bedeutung das Ostproblem gerade für das deutsche Volk besitzt. Die Taten unserer tapferen Soldaten aber werden dadurch lebendig und unsere Jugend wird befähigt, sie in ihrer richtigen Wertschätzung und Bedeutung zu erkennen."
Literatur
Anlässlich des 75. Geburtstags von Karl Schönherr (1867 Axams-1943 Wien), des "Klassikers der Tiroler Dichtung" am 24. Februar 1942 widmet ihm sein großer Verehrer Karl Paulin eine lange Würdigung in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Februar 1942 (Seite 5 f.). In dieser Abhandlung hebt Paulin in zeitgeistigen Formulierungen vor allem Schönherrs enge Verbundenheit zu seiner Tiroler Heimat bevor, die sich in seinem Werk widerspiegle: Schönherrs "dichterische Gestalten" seien "von Tiroler Blut genährt", denn "wie kein anderer Dichter" schöpfe er "seine Kräfte aus der festen Bindung mit Blut und Boden".
"In seinen Dramen erreichte Karl Schönherr eine gesteigerte Kunstform, die den Typ des alpenländischen Bauern aus der heimatlichen Begrenzung in das allgemein Menschliche des deutschen Bergbewohners hob, dessen inneres Leben und Kämpfen in dramatischer Ballung der ganzen Nation, ja der Welt zum Erlebnis werden sollte. Trotzdem erkennen wir in den Gestalten des Schönherrschen Dramas immer wieder die tirolischen Grundzüge [...].
Aber über diese rein äußerlichen Anklänge hinaus ist den meisten Schönherr-Menschen der tirolische Volkscharakter eigen, der allerdings wie bei Egger Lienz in der bildenden Kunst aus dem Einzelfall ins Typische gehoben und gesteigert wird ist [...].
Unmittelbar aus der geschichtlichen Tiroler Vergangenheit schöpfte Karl Schönherr sein erstes Drama, den Judas von Tirol, der nach der unbeachteten Anfangsaufführung des Jahres 1897 in der Umformung des 60jährigen Dichters 1927 einen großen Erfolg erntete. Dann schuf der Dichter, im Tiefsten bewegt von der Schicksalszeit des ersten Weltkrieges Volk in Not, das Heldenlied des Tiroler Freiheitskampfes 1809, das in seiner symbolischen völkischen Bedeutung bis in unsere vom gigantischen Daseinskampf Großdeutschlands erfüllte Gegenwart reicht.
Und als der 70jährige Meister zum letztenmal seine Hand an ein neues Drama legte, war es wieder ein Klang aus Tirols Heldenzeit. Die Fahne weht, gestaltet das heroische Schicksal des Jungtirolers Peter Raitmair, der 1810 nach dem tragischen Niederbruch der Volkserhebung die Berg-Isel-Fahne aus dem Versteck holt und sie der künftigen Befreiung entgegenträgt. Anläßlich des 75. Geburtstages Karl Schönherrs wäre es für unser Tiroler Landestheater eine ebenso ehrenvolle wie dankenswerte Aufgabe, die Heimat des Dichters mit diesem seinem letzten in der Systemzeit 1937 entstandenen Drama, das erst nach längerem, von unseren Innsbrucker Nachrichten publizistisch eingeleiteten Kampf am Wiener Burgtheater aufgeführt werden konnte, bekanntzumachen. Es ist das einzige der großen Dramen Karl Schönherrs, das in Innsbruck bisher noch nicht aufgeführt worden ist.
So hoch der dichterische Rang Karl Schönherrs im Bereich der gesamtdeutschen Volksdichtung steht, seine Wurzeln ruhen stark und tief in Tiroler Erde und schöpften aus dem mütterlichen Boden ihre ursprüngliche Kraft. Tiroler Blut durchpulst und beseelt seine Menschen, die als dramatische Verkörperung des alpenländischen Bauern und seines Kampfes gegen Natur und Schicksal endgültige klassische Form durch Karl Schönherrs Meisterhand gefunden haben."
Bei einem "Mitgliederabend" des Zweiges Innsbruck des Deutschen Alpenvereins hielt Karl Paulin am 17. März 1942 im Hotel Greif in Innsbruck den Vortrag "Karl Schönherrs Bergmenschen". Über diese "von der Begeisterung und Liebe zur Heimat und ihren Menschen erfüllte Stunde" berichtet Marie Randolf in den Innsbrucker Nachrichten vom 19. März 1942, Seite 5:
"[...] Das Schicksal der Bergmenschen, ihr Leben, ihre Leidenschaften, ihr Charakter und die Tragik, der sie unterworfen sind, haben in Karl Schönherr, dem Erzähler wie dem Dramatiker, den kraftvollen wirkungstiefen Gestalter gefunden. Und Karl Paulin kennt sie alle, die Kreuzköpf , den alten Grutz, den Christoph Rott, den in Haß und Liebe lodernden Weibsteufel, die opferstille Frau Suitner, den Knecht Raffl und die Rotadlerwirtin, all die schlichten arbeitsharten Männer, die leidgeprüften Mütter, die frischlebendigen Kinder. Er hat ihren lebendigen Herzschlag in liebevollem Nacherleben erspürt, er weiß um die letzten Regungen ihrer verschossenen Herzen und war so ein berufener Führer durch das Lebenswerk Karl Schönherrs [...].
Der Vortragende machte vor allem auch auf das tiefe soziale Gefühl Karl Schönherrs aufmerksam, sein Herz für die treuen, genügsamen, bescheidenen Arbeitsmenschen, für die Stillen, die abseits stehen bei Spiel und Tanz und gleichwohl an Leid und Tränen ihr voll gemessen Teil erhalten. Er zeigte die starken sittlichen Kräfte der Bergbauern, die der Kampf mit den Elementen um das Brot täglich neu stählt, deren Blut die Nation als ewiger Quell erneut und verjüngt und deren Söhne mit zu den Tapfersten unserer Helden zählen. Karl Paulin meisterte seine große Aufgabe als souveräner Beherrscher des Stoffes in mitreißender freier Rede, die durch kurze Ausschnitte aus Schönherrs Erzählungen noch besonders helle Lichter aufgesetzt erhielt."
1942 beging der Mitbegründer der Exl-Bühne und einer ihrer "Hausdichter", der Tiroler Dramatiker Hans Renz, seinen 60. Geburtstag. Die Innsbrucker Nachrichten würdigten dieses Jubiläum des gefeierten "Volksdramatikers" mit einer Würdigung seines Schaffens. Hans Lederer schreibt über Leben und Werk des Dichters in der Ausgabe vom 21. März 1942, Seite 7:
"[...] Hans Ranzi [(1882 Innsbruck-1965 ebd.)], wie er mit seinem bürgerlichen Namen heißt, ist ein gebürtiger Innsbrucker und trat nach seinen Gymnasialstudien als Praktikant beim Steueramt in den öffentlichen Dienst. Seine Begeisterung für die Kunst und seine nationale Gesinnung führten ihn in der Zeit, in der die Ideen [Georg von] Schönerers eine scharfe Auseinandersetzung mit den klerikalen Machthabern in Oesterreich brachten, in die Reihen des 1901 gegründeten Deutschen Männergesangvereines Innsbruck. Dort schloß er sich an Ferdinand Exl, Eduard Köck und Vinzenz Spörr an und mit ihnen gründete er die Exl-Bühne, die am 31. März 1902 mit Anzengrubers Pfarrer von Kirchfeldim Oesterreichischen Hof an die Oeffentlichkeit trat. Ihr gehörte Ranzi als Schauspieler an, bis die k. k. Steuerbehörde an dieser Tätigkeit des jungen Beamten Anstoß nahm. Da er aber durchaus nicht begreifen wollte, warum seine Mitwirkung an dieser tirolischen Heimatbühne dem Ansehen einer schwarzgelben Behörde schädlich sein sollte, wurde er eines Tages nach Fondo versetzt. Erst 1913 kam er nach Landeck und dann kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er bis jetzt als Steuerbeamter tätig war.
Seine Theaterleidenschaft hat Ranzi sehr bald zu eigenen dichterischen Versuchen geführt, bis schließlich die Exl-Bühne manches seiner Stücke mit Erfolg aus der Taufe hob. Schon sein erstes Stück, das satirische Lustspiel Die politische Witwe, das 1923 uraufgeführt wurde, zeigt die geschickte Linienführung und die gewandte Bühnenbeherrschung. Ranzi hatte den Mut, darin ebenso wie in seinem nächsten Stück, der satirischen Posse Der Sittenapostel (1925), in einer Zeit üppig blühender Demokratie in scharfer und treffender Satire die Auswüchse der Parlamentswirtschaft lächerlich zu machen. Die zahlreichen Aufführungen dieser beiden Stücke beweisen, daß er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, und der gesunde Sinn des Volkes belohnte diese gesunde Kost mit reichem Beifall.
In der Dorfkomödie Der letzte Kniff (1929) stellt er einen Testamentsbauer in den Mittelpunkt, der es versteht, nicht nur seine Widersacher, sondern auch die Zuhörer zum besten zu halten. Ein Schwank Die Verjüngungskur (1928) und das Lustspiel 's Goldfischl (1936) sind hier noch zu erwähnen.
Den Boden des ernsten Dramas betrat er mit seinem Schauspiel Straßenblut (1927), das in einem abgelegenen Alpentale die Tragödie einer einsamen Frau entrollt. Einen Stoff aus Tirols Vergangenheit behandelt er in dem Schauspiel Der Wirt an der Mahr (1936). Schließlich ist noch ein deutsches Weihnachtsspiel Und Frieden den Menschen auf Erden (1934) und das Schauspiel Herr, mach uns frei! (1927) zu erwähnen.
Die meisten dieser Stücke haben selbstverständlich durch die dazu berufenen Künstler, die Exlleute, ihre Darstellung gefunden, aber auch andere volkstümliche Bühnen, wie z. B. die Riesch-Bühne, haben sich diese zugkräftigen Stücke nicht entgehen lassen. Sie wurden von ihnen nicht nur in Deutschland aufgeführt, sondern auch in Schweden, Norwegen und Finnland und außerhalb Europas in Argentinien und Brasilien.
Wir wünschen dem heimischen Dramatiker Hans Renz, der immer in allzu großer Bescheidenheit hinter seinem Werk zurücktrat, noch manchen Erfolg."
Am 16. August 1942 verstarb Rudolf Greinz an seinem 76. Geburtstag in Innsbruck und mit ihm der wohl erfolgreichste Tiroler Schriftsteller, dessen Romane und Kurzgeschichten "den Begriff Tirol Millionen deutscher Leser vertraut gemacht" haben. Karl Paulin nennt in seinem Nachruf vom 17. August 1942 (Innsbrucker Nachrichten, Seite 3) neben biographischen Daten die eindrucksvollen Auflagenziffern der Werke von Rudolf Greinz:
"[...] In welchem Maße der Erzähler Rudolf Greinz den deutschen Büchermarkt erobert hat, zeigen einige Verbreitungsziffern seiner Werke, die im Leipziger Verlag L. Staackmann erschienen sind, der das alpenländische Schrifttum mit besonderem Erfolg pflegt. Allerseelen hat eine Gesamtauflage von 162.000 erreicht, Der Garten Gottes 95.000, Die Stadt am Inn 62.000, Vorfrühling der Liebe 60.000, Königin Heimat 50.000. Insgesamt sind 1 1/4 Millionen Greinz-Bände in die weite Welt hinausgegangen und haben den Namen Tirol zu noch weit mehr Lesern getragen, so daß Rudolf Greinz mit Recht als der erfolgreichste und meistgelesenste Tiroler Erzähler galt [...].
In früheren Jahren weilte und wirkte Rudolf Greinz in Meran, später in München. Seit 1925 lebt der Dichter in Innsbruck und wohnte in den Sommermonaten auf seinem Landsitz Rosenegg in Aldrans. Im Vorjahre konnte Greinz in voller Frische seinen 75. Geburtstag feiern, nun hat ihn, genau ein Jahr später, der Tod heimgeholt nach einem früchtereichen Leben im Dienst seiner Heimat, die den Namen Rudolf Greinz stets mit Stolz und Dankbarkeit nennen wird."
Das Begräbnis des beliebten "Heimatdichters" Greinz auf dem Friedhof in Ampass nützte die Partei wie selbstverständlich für Propagandazwecke: "Vor starken Abordnungen der Politischen Leiter, der Hitler-Jugend und des Standschützenverbandes legte der Gaupropagandaleiter und Landeskulturwalter, Bereichsleiter Pg. Margreiter, in Vertretung des Gauleiters und Reichsstatthalters einen Kranz am Grabe nieder. Weitere Kränze widmeten der Kreisleiter und der Oberbürgermeister der Gauhauptstadt dem Verstorbenen. Gauamtsleiter Pg. Doktor Dollinger sprach Abschiedsworte, in welchen er die Bodenverbundenheit des toten Dichters und seines Werkes und sein allzeit mannhaftes Eintreten für die Zusammengehörigkeit aller Deutschen würdigte. Der Gaumusikzug und die Standschützenkapelle Aldrans sorgten für die musikalische Umrahmung der Trauerfeier." (Innsbrucker Nachrichten vom 20. August 1942, Seite 3).
Am 11. Februar 1942 war in Innsbruck die Mundartdichterin Anna Zoller im 83. Lebensjahr verstorben. Karl Paulin widmete ihrem Vermächtnis ein Gedenken in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. Februar 1942, Seite 4:
"[...] In Axams am 16. September 1850 geboren, verlebte Anna ihre Jugend als Försterstochter am Plansee, dessen Naturstille den romantischen Hang in der jungen Seele auslöste. Später kam Anna Schatz als Gesellschafterin und Erzieherin nach Nordamerika, weilte dort sieben Jahre und trat schon damals als Mitarbeiterin verschiedener deutscher Zeitungen schriftstellerisch in die Oeffentlichkeit.
Nach ihrer Rückkehr in die Heimat vermählte sie sich mit ihrem Landsmann Gymnasial-Professor Zoller, lebte mit ihm in Saaz im Sudentenland und nahm nach dem Tod ihres Gatten und ihres einzigen Sohnes in Innsbruck bleibenden Aufenthalt.
Bei aller Weltgewandtheit blieb Anna Zoller eine deutschfühlende Tirolerin, der insbesondere die Oberinntaler Art von Kindheit auf im Blut lag. Mit realistischer, fast männlicher Ausdruckskraft und Echtheit gebrauchte sie die Oberinntaler Mundart in zahlreichen ernsten und heiteren volkstümlichen Gedichten, von denen unsere Innsbrucker Nachrichten wiederholt Proben veröffentlicht haben. Auch in der Sammlung heiterer Tiroler Mundartgedichte Tiroler Land Tiroler Leut ist Anna Zoller mehrfach vertreten. Mit innerster Anteilnahme erlebte die Achtzigjährige den Anschluß ihrer Heimat an das Deutsche Reich, verfolgte alle Phasen des Werdens Großdeutschlands und begleitete sie mit politischen Gedichten, die zeigten, wie sehr sie mit ihrer ganzen junggebliebenen Begeisterungsfähigkeit der Bewegung des Führers anhing.
Auch die Kriegsereignisse begeisterten Anna Zoller zu verschiedenen Gedichten in heimatlicher Mundart zum Preis unserer heldenmütigen Soldaten. Die alte Frau wußte aber auch sarkastischen Spott gegen die Erbfeinde des deutschen Volkes in kraftvolle Versform zu gießen.
Erst vor kurzem hat Anna Zoller ihr Leben durch einen edelmütigen Akt mütterlicher Liebe gekrönt; an Stelle ihres verstorbenen Sohnes wählte sie einen Soldaten, der an allen Fronten tapfer gekämpft hat und im Ostfeldzug schwer verwundet worden war, zu ihrem Kriegssohn , dem alle Liebe und Sorge ihrer letzten Lebenszeit galt.
Nun ist Anna Zoller heimgegangen; ihr ganzes Leben und Dichten war ein einziges flammendes Bekenntnis zur Tiroler Heimat und zu Großdeutschland."
Der von der NS-Kulturpolitik sehr geschätzte Südtiroler Dichter Franz Tumler erhielt 1942 den eben erst gestifteten Sudetendeutschen Schrifttumspreis. Über die Modalitäten wissen die Innsbrucker Nachrichten vom 25. Juli 1942, Seite 5:
"Gauleiter und Reichsstatthalter Konrad Henlein verkündete bei der großen schrifttumspolitischen Kundgebung in Karlsbad die Schaffung eines Schrifttumspreises des Sudentenlandes in Höhe von 10.000 Reichsmark, der alle zwei Jahre an junge Autoren vergeben werden soll. Ein Preisgericht, dem unter dem Vorsitz des Gauleiters der Dichter Erwin Guido Kolbenheyer, Erwin Wittstock, Robert Hohlbaum, Bruno Brehm, ferner Universitätsprofessor Dr. Herbert Czysarz, Gauhauptmann Dr. Kreißl, Gaupropagandaleiter Franz Höller und Dr. Kurt Oberdörffer angehörten, wird über den Preisträger entscheiden.
In diesem Jahr hat Gauleiter Henlein den Preis als Ehrung Bruno Brehm zur Weitervergebung zur Verfügung gestellt. Bruno Brehm erkannte ihn dem jungen, aus Tirol stammenden Dichter Franz Tumler, der einer der bedeutendsten Prosaschöpfer unserer Zeit ist, zu. Bruno Brehm hat ihn entdeckt und gefördert und seinem Schaffen, das im Zeichen soldatischer und kämpferischer Gesinnung steht, Weg und Richtung gewiesen. Mit dem Sudetenland verband Franz Tumler das Erlebnis der Heimkehr im Herbst 1938. Damals weilte er zusammen mit Bruno Brehm beim Sudetendeutschen Freikorps. Die bewegenden Ereignisse hat Tumler in einem kleinen Buch Das Jahr 1938 festgehalten."
Mit Erwin Guido Kolbenheyer kam im Mai 1942 ein Star der NS-Literatur zu einer Lesung nach Innsbruck. Karl Paulin hebt in seinem Veranstaltungsbericht (Innsbrucker Nachrichten vom 30. Mai 1942, Seite 6) die grundsätzlich ideologische Bedeutung der Dichtkunst Kolbenheyers hervor: "Die gewaltige Spannweite eines dichterischen Lebenswerkes, wie das Erwin Guido Kolbenheyers, das in der achtbändigen Gesamtausgabe seiner Werke niedergelegt ist, zu durchmessen, bedarf beinahe eines eigenen Lebens tiefschürfender Erkenntnisse dieser schöpferischen Persönlichkeit, welche die Dichtkunst nicht als gefällige Uebung oder ein Mittel gemeinen Anreizes und wohlfeiler Entspannung ansieht, sondern als eine Lebensfunktion des Volkes im Kampf um den Lebensbestand und die Lebensentfaltung wertet." Zum Verlauf der Dichterlesung schreibt Karl Paulin:
"Daher kann eine kurze Stunde im Bann des Dichters, wie sie uns am 28. d[ieses] M[onats Mai 1942] das Volksbildungswerk Innsbruck im Konzertsaal der Städtischen Musikschule vermittelte, nur ein Erlebnis bieten, das wie in einem Kristall das Wesentliche zusammenfasst und spiegelt. Der Dichter Kolbenheyer ist ohne den Denker, den Philosophen, der hinter allen äußeren Erscheinungen die elementare Tiefe lotet, nicht zu erkennen, aber das Kunstmittel der Dichtung durchleuchtet die Gedankenwelt diese gewaltigen Gestalters deutscher Volkswerdung so wunderbar, daß wir in den Gedichten und epischen Bruchstücken dieser Eigenlesung in das magisch erhellte Land seines Schaffens schauen konnten.
Nicht sogleich, sondern Schritt für Schritt erschließt sich uns der Garten der Kolbenheyerschen Lyrik. Uns berührt in den Gedichten Offene Erde, Mutter, Gartenfrühe ein Naturgefühl, das ebenso stark die Landschaft wie das Menschenleben beseelt. In der Mitte erstand uns das geisterhellte Stadtbild Wien, das der Dichter als Melodie aus Nerv und Blut empfindet. In dem Lebenslied zeigt sich uns der unentwegte geistige Kämpfer, der mit dem gepanzerten Siegesspruch an die ehernen Tore unserer Zeit pocht:
Daß du ein Deutscher bist,
Bleibe dein Glück, deine Not.
Meide den leichten Gewinn,
Diene dem harten Gebot!
Die Melodie der Verse klang aus dem Vortrag, der jedem Wort und jeder Silbe nicht nur ihr Recht im Rahmen des Gedichtes, sondern auch ihren eigenen Raum und ihre Atmosphäre ließ. Klar und scharf geprägt, nur für die rückwärtigen Zuhörer manchmal zu leise, baute Kolbenheyer seine Lyrik auf und gab ihr die eigene persönliche Ausprägung, wie es nur der Dichter selbst vermag [...]."
Gleichfalls in der Veranstaltungsreihe der Volksbildungsstätte Innsbruck kam Josef Wenter zu seiner nahezu alljährlich in Innsbruck abgehaltenen Dichterlesung. Für diese Veranstaltung war einmal mehr Karl Paulin der berufene Berichterstatter (Innsbrucker Nachrichten vom 8. Oktober 1942, Seite 5):
"Josef Wenters besondere, persönliche Art als Mensch und Dichter, sein feinnerviges Gefühl für die innersten Strömungen in Natur und Leben, die kulturgesättigte künstlerische Anschauung, die nach bildnerischer Formung des Geschichtlichen und des Erlebens drängt, kommt in seinem jüngsten Werk, dem Erinnerungsbuch Leise, leise, liebe Quelle! wohl am deutlichsten zum Ausdruck. Es war daher naheliegend, daß der Dichter seiner von der Volksbildungsstätte Innsbruck veranstalteten Eigenlesung am 6. d[ieses] M[onats Oktober 1942] im Konzertsaal der Städtischen Musikschule einen Ausschnitt aus diesem Buch der Kindheit vorstellte [...].
Das zweite Stück, die Schilderung einer Fahrt durch Burgund, die der Dichter nach dem siegreichen Westfeldzug unternommen, war in der Beobachtung und Wiedergabe der Reiseerlebnisse kennzeichnend für den Schriftsteller Wenter, der es meisterhaft versteht, die Fäden der Vergangenheit und der Gegenwart zu einem kunstvollen Gebilde zu verknüpfen, das immer wieder den goldenen Einschlag geistvoll sinnlicher Betrachtung zeigt. So wenn z. B. die Gaben des burgundischen Bodens von einem feinschmeckerischen Kenner gewürdigt werden, der das südtirolische Weinparadies seine Heimat nennt [...].
Dann kam im zweiten Teil des Abends der Dramatiker zum Wort. Und nun hoben sich in der klaren, leidenschaftlich prägenden Sprache die Gestalten in männlich scharfen Umrissen aus den Wechselreden. Wenter las zunächst jene dramatische Kernszene seines Michel Gaismair, in welcher der Tiroler Bauernführer dem Landesfürsten entgegentritt. Prachtvoll wuchs der deutsche Vorkämpfer des Reiches vor dem spanischen Habsburger auf, dem er in flammenden Worten die Forderungen der Zeit und des Volkes entgegenhielt. Der weltanschauliche Gegensatz als Angelpunkt des Dramas leuchtete in dieser dramatisch meisterhaft gespannten und gelesenen Probe wie im Blitzlicht auf. Den Beschluß bildete dann die letzte Szene des Dramas, in welcher der Geist des gemeuchelten Gaismair Gericht hält über das Gewissen des schuldbeladenen Fürsten.
Die Eigenlesung Josef Wenters wurde von der großen Gemeinde seiner Freunde und Leser in der Heimat mit herzwarmem Beifall aufgenommen und bedankt."
Zur Neuerscheinung von Wenters Kindheitserinnerungen mit dem Titel Leise, leise! liebe Quelle im Verlag Reinhard Piper (München 1941) veröffentlichte Karl Paulin in den Innsbrucker Nachrichten (14. Februar 1942, Seite 4) einen Beitrag. Er gibt zuerst einen kurzen Überblick über Tiroler Memoirenliteratur:
"Das tirolische Schrifttum ist nicht allzu reich an dichterischen Lebenserinnerungen. Adolf Pichler, Franz Kranewitter, Karl Schönherr, Paul Busson haben Eposiden ihres Jugenderlebens in Tagebuch- oder Novellenform wiedergegeben, Franz Lechleitner, Alois Brandl u. a. gaben ein realistisches treues Erinnerungsbild ihrer Jugendzeit ohne dichterische Absicht." Dann kommt Karl Paulin zum eigentlichen Thema seines Essays:
"Wenters Kindheitsbuch atmet die besinnliche, beinahe kühle Ruhe der Reife, der Distanz, seine Melodie klingt schon im Titel an, es ist, als lauschte der Dichter dem leisen Rauschen der Erinnerungsquelle mit jenem musikalisch gearteten Grundgefühl, das ihm und seinen Dichtungen eigen ist [...].
Wenters Kindheitstage überwölbt der Himmel Südtirols, umrahmt die Landschaft des Burggrafenamtes. Seine Vaterstadt wird nie genannt und nur in großen sparsamen Linien skizziert [...].
Das Werden und Reifen einer jungen Seele begleiten wir in diesem Buch Schritt für Schritt, von Kindheitseindrücken bis zu den ersten leidenschaftlichen Regungen eines zarten und stolzen Herzens, bis zum Erleben der heimatlichen Natur, der geliebten Musik und dem Anruf erster Liebe, die im Tod und Vergehen die ersten Schatten des Lebens auf das leuchtende Bild wirft.
Mit den satten, volkstümlichen Farben der Meraner Volksschauspiele, die keiner vergißt, der sie je erlebt, beschließt Josef Wenter seine Kindheitsgeschichten, aus deren letzten Zeilen des Sandwirts von Passeier heldisches Schicksal die Brücke schlägt zwischen der Heimat Andreas Hofers und dem großen deutschen Vaterland."
Im NS-Gauverlag erschienen unter dem Titel Vormarschtage zwei Erzählungen von Anton Graf Bossi-Fedrigotti. Der durch seinen RomanStandschütze Bruggler bekannt gewordene Südtiroler Dichter schildert in dieser in der Reihe der "beliebten Edelweißbücherei" (Edelweißbücher, Band 15, Innsbruck 1941) herausgebrachten Publikation Erlebnisse vom "Feldzug im Westen", an dem er selbst als Soldat teilgenommen hatte. Dazu schreibt Hermann Fink in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. März 1942, Seite 5:
"[...] Trotzdem erst kurze Zeit seit jenem einmaligen Geschehen in den Mai- und Junitagen des Jahres 1940 verflossen ist, haben die beiden Erzählungen bereits jenen abgeklärten, ruhigen und fein geformten Stil, der sie aus der Fülle der gegenwärtigen Kriegsschilderungen heraushebt.
In beiden Erzählungen klingt die tiefe Verbundenheit der Kämpfe in den Junitagen 1940 und den Materialschlachten des Weltkrieges im Westen auf [...]."
Ein Propagandamedium der Parteiideologie ersten Ranges war das von Karl Paulin redigierte Periodikum Alpenheimat. Familienkalender für Stadt und Land, das mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begründet wurde und 1942 in seiner vierten Folge erschien. Die gemeinschaftsbildende und sozialpsychologische Intention der Publikation spricht Schriftleiter Karl Paulin im Geleitwort deutlich aus:
"Die Anforderungen des Krieges verlangen auch von allen Volksgenossen in der Heimat den Einsatz der gesamten Kräfte. Um so notwendiger ist die Entspannung, die Unterhaltung und Aufheiterung, wie sie ein volkstümliches Jahrbuch, das unser Alpenheimat-Kalender ja sein will, in der bunten Fülle seines Inhaltes in Wort und Bild bietet. Je seltener eine wirkliche Feierstunde schlägt, desto besser und schöner soll sie ausgefüllt werden, desto weiter soll der Blick über Heimat und Volkstum schweifen, die mehr denn je zu unseren besten Kraft- und Erneuerungsquellen gehören.
Heimat und Volk, Kultur und Brauchtum spiegeln sich auch in diesem Jahrgang unseres Kalenders in zahlreichen Beiträgen; vor allem aber spüren wir aus Aufsätzen, Berichten und Erlebnisschilderungen den Pulsschlag unserer Zeit, die an der Front und in der Heimat unvergleichliche Leistungen im Dienste der Reichsverteidigung und der Volksgemeinschaft zeitigt. Wir lesen vom Kriegseinsatz der Partei des Führers im Gau Tirol-Vorarlberg, vom mächtigen Wiederaufleben des Schützenwesens in unserer Heimat und hören von den ersten Verwirklichungen eines in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen noch kaum zu übersehenden großzügigen Gemeinschaftsaufbaues unserer ländlichen Siedlungen.
Von den gewaltigen, sieggekrönten Leistungen unserer Wehrmacht im Balkanfeldzug und auf Kreta, an denen unsere Gebirgsjäger besonderen ruhmvollen Anteil hatten, berichten Mitkämpfer in Schilderungen, aus denen der heiße Atem des Erlebens weht. Aber auch in Gedichten und Liedern kommt das Bekenntnis zu Großdeutschland und der soldatische, opferfreudige Geist, der die Äußere und Innere Front beseelt, zu begeisterndem Ausdruck.
Andere Aufsätze und Lebensbilder führen zurück in die Vergangenheit und heben bedeutsame Gestalten in ihrem deutschen Menschentum und in ihrem Wirken in unser Blickfeld. Aus dem tiefsten Brunnen urgermanischer Symbole und ihrer Deutung schöpft ein besonders aufschlußreicher Beitrag die Kunde vom Lebensbaum als Sinnbild der Weltanschauung, [von] Sage und Brauchtum, während in einem anderen Aufsatz einer der volkstümlichsten Bräuche unseres Gaues, der Brixentaler Flurritt, auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeführt wird. Wie sehr, trotz des Krieges, die heimatliche Kulturpflege aufblüht, zeigt als Beispiel ein Gang durch die Naturwelt Vorarlbergs, den das mustergültige Naturhistorische Museum in Dornbirn in idealer Weise vermittelt. Ein mit seltenen Lichtbildern geschmückter, naturverbundener Beitrag gibt einen Einblick in das Tierleben des Karwendels.
Daß ernste und heitere, volksnahe Erzählungen und auch sangbare, vertonte Volkslieder eingestreut sind, ist selbstverständlich, denn sie sollen ja die erforderliche Abwechslung und den willkommensten Gast im deutschen Haus, den Humor, mitbringen. Auch diesmal ist das an künstlerischen, dichterischen und erzählenden Begabungen reiche deutsche Südtiroler Schrifttum besonders berücksichtigt.
Trotz der durch den Krieg bedingten unvermeidlichen Einschränkungen und Schwierigkeiten hat sich der Alpenheimat-Kalender auch in seiner neuen Folge bemüht, vieles und damit jedem etwas zu bringen, was Herz und Sinn erfreut. Wenn er die gleich gute Aufnahme findet wie seine Vorgänger, dann ist er zufrieden und hat seine schöne und dankbare Aufgabe erfüllt: unserem Volk in geschichtlichen Tagen ein treuer Freund und Hausgefährte, ein Künder der geliebten Heimat zu sein."
Die folgende fünfte Ausgabe der Alpenheimat (1943) bespricht Siegfried Laviat in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. November 1942, Seite 3:
"Die ständig sich mehrenden Freunde des Kalenders Alpenheimat begrüßen es längst wie einen guten alten Brauch, daß er Jahr um Jahr zu ihnen in Stadt und Land kommt und in jedes Haus die Botschaft von der Heimat bringt. Nichts aber kann besser Zeugnis geben für die Wertbeständigkeit und Lebensdauer des Kalenders, als gerade die Zeit des Krieges, dessen Schwierigkeiten zum Trotz, er sich nun treu seiner Berufung als Jahresweiser auch für 1943 einstellt. Front und Heimat reichen sich durch ihn wahrhaft die Hände, wenn er als schönster Gruß des Landes von neuem hinausgeht zu den Soldaten vom Edelweiß und auch sie darin zu uns sprechen von ihrem schweren Einsatz als heldenhafte Schijäger im schrecklichsten Winter, die drei Ritterkreuzträger als die Tapfersten der Tapferen unseres Gaues allen voran. Zu ihren unvergänglichen Taten bekennt sich der Dichter Josef Leitgeb in seinem Hymnus an Die Flieger. Nach ernster Kunde aber gibt der Kalender dem urwüchsigen Frohsinn Recht und Raum mit launigen Geschichten, köstlichen Versen oder einer volkstümlichen Liedweise. Wie froh wird der Soldat draußen im Felde sein, wenn ihm der Kalender mit seiner Fülle von abwechslungsreichen Beiträgen den Ruch der Heimaterde zuträgt und ihm das Heimweh aus dem Herzen fegt.
Doch nicht nur zu bloßer Kurzweil will uns der neue Jahresweiser führen, er zeigt uns auch, abseits der großen Straße, die erlesenen Wege zu tieferer Einkehr in bodenständige Geschichte und Kultur, Kunst und Wirtschaft. Zu belehrenden heimatkundlichen Abhandlungen nehmen anerkannte Fachleute das Wort, wie Archivdirektor Hofrat Otto Stolz, Schuldirektor Franz Zangerl und der Kunsthistoriker Otto von Lutterotti, dessen grundlegende Studie über Schloß Runkelstein und seine Wandgemälde uns die altdeutsche Heldensage im umfangreichsten Zyklus mittelalterlicher Profanmalerei neu erstehen läßt. Zu besinnlichem Genuß leiten uns traute Geschichten, u. a. von Hans Matscher, Max Kammerlander und Josef Scheidle, ein gemütvolles Mundartgedicht von Lore Klebelsberg und der volle Heimatklang unserer Lyrik in Versen von Oberkofler, Wallpach, Mumelter, Heinz Cornel Pfeifer, Erich Kofler u. a. m. Eine Jahresrückschau von Hermann Fink beschließt die vielseitige Inhaltsfolge und reiht uns ein ins große Geschehen der Zeit.
So geht nun der unter Karl Paulins bewährter Schriftleitung längst volkstümlich gewordene Kalender Alpenheimat zum fünften Male hinaus ins Land und an die Front. Als Sinnbild der Heimat steht auf der Umschlagseite, entworfen von Liselotte Popp, ein Blumenstock aus den Bergen. Möge er ein ganzes Jahr lang blühen ohne zu welken, allen Lesern zur Freude!"
Der Volkskalender Alpenheimat entsprach in seiner bunten heimatlichen Themenvielfalt ganz der zeitbedingten Funktion von Literatur. Dies kommt deutlich zum Ausdruck in einer Pressemitteilung, mit der Reichsminister Dr. Goebbels die Literaten im Rahmen eines Preisausschreibens zum Schaffen von Unterhaltungsliteratur auffordert. Die Initiative wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 26. November 1942 auf Seite 4 wie folgt begründet:
"Seit Kriegsbeginn hat sich das deutsche Volk in erhöhtem Ausmaß dem deutschen Buche zugewendet. Dabei ist auch die Nachfrage nach dem guten unterhaltenden Schrifttum besonders gestiegen. Das Volk und vor allem seine im Felde stehenden Soldaten brauchen unterhaltende Bücher, deren Inhalt von einer lebendigen und wirklichkeitsnahen Handlung bestimmt wird. Sie sollen den Leser seelisch nicht übermäßig beanspruchen, sondern ihm Freude und Entspannung bereiten und von Sorgen und Nöten des Alltags ablenken. Deshalb ist die Schaffung eines solchen Schrifttums kaum weniger wichtig als die Gestaltung großer Dichtung."
Zu den Details des Preisausschreiben steht: "Wie Reichsminister Dr. Goebbels in seiner richtungsweisenden Rede auf dem Weimarer Dichtertreffen ausführte, ist es Sache der deutschen Schriftsteller, ein deutsches Unterhaltungsschrifttum zu schaffen, das als wahres Volksschrifttum gelten kann. Im Dienst dieser wichtigen Kulturfrage werden die deutschen Schriftsteller aufgerufen, an einem Wettbewerb für wertvolles deutsches Unterhaltungsschrifttum teilzunehmen. Es werden hierfür insgesamt 100.000 Reichsmark zu vier Preisen zu je 15.000 Reichsmark und weiteren vier Preisen zu je 10.000 Reichsmark ausgesetzt. Der Wettbewerb ruft alle deutschen Schriftsteller auf, ein volk[s]nahes und lebendiges Unterhaltungsschrifttum wertvoller Art zu schaffen. In Frage kommen humoristisches Schrifttum, Abenteuer- und Erlebnisbücher, Kriminal-, Liebes- und Sportromane. Die Einsendungen erfolgen ausschließlich durch die Verleger an das Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum bis zum 1. Juli 1943 unter den Kennwort Preisausschreiben Unterhaltung 1942 ."
Die Laienbühnen hatten sich vollkommen dieser Ablenkungsfunktion von Unterhaltung verschrieben, was zwei Beispiele belegen mögen:
Im März 1942 spielte die Imster Heimatbühne des Standschützenverbandes auf der "neuen Bühne des Imster Gemeinschaftssaales" das Lustspiel Wie erobert man ein Männerherz von Friedl Tomek. "Die Aufführung wurde von dem vollbesetzten Haus mit stärkstem Beifall aufgenommen. Das Reinerträgnis floß dem Kriegs-Winterhilfswerk zu" (Tiroler Volksbote vom 31. März 1942, Seite 4).
Unter dem Motto "Zwei frohe Stunden am Wochenende" spielte die Laienspielgruppe des Standschützenverbandes Kitzbühel im Juni 1942 drei lustige Einakter: Heiratsschwindler, Übergabe sowie Unteroffizier und Pfeifendeckel. Über die Wirkung auf das Publikum wird im Tiroler Volksblatt vom 17. Juni 1942, Seite 4, ausgeführt: "Es waren wirklich zwei frohe Stunden, wodurch an beiden Tagen die Lachmuskeln der Besucher in regste Tätigkeit versetzt wurden. Die Zwischenpausen wurden von der Musik der Brauchtumsgruppe des Standschützenverbandes in bekannt schneidiger Weise ausgefüllt. Die Besucher spendeten starken Beifall."
Film
Die Innsbrucker Nachrichten vom 2. März 1942 informieren die Leser auf Seite 2 über eine Rede von Dr. Joseph Goebbels über "zukünftige Aufgaben des deutschen Films", die der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda "vor Vertretern der Filmkunst, Filmwirtschaft und Filmtechnik" in Berlin gehalten hatte. Der Film, der vor allem für "schaffende Menschen" eine "Entspannungsmöglichkeit" biete, hätte darüber hinaus "durch die Kriegsereignisse ein Betätigungsfeld im Ausland, das alle Erwartungen übertreffe". Mit dieser seiner inhärenten propagandistischen Funktion habe der "deutsche Film jetzt eine einzigartige Gelegenheit, kulturpolitische Arbeit im besten Sinne des Wortes zu leisten". Aus diesem Grund sollte die Produktion von Filmen "im nächsten Jahr erneut stärkstens intensiviert werden". Dabei müsse neben einer "gewissen Anzahl bedeutender Großfilme [...] im Einklang mit den immer wieder geäußerten Wünschen der Mehrzahl des deutschen Volkes der entspannende Unterhaltungsfilm eine ganz besondere Pflege erfahren". "Heitere Entspannung" sei dabei aber nicht "mit öder Verflachung zu verwechseln". Der Nachwuchsförderung sei "besondere Wichtigkeit beizumessen". Im Sinne einer einheitlichen ideologiegerechten Ausrichtung der Filmindustrie wurde mit der Ufa-Film G. m. b. H. ein "Führungsorgan" geschaffen, "das sowohl die Produktions- als auch die wirtschaftlichen und technischen Interessen zusammenfasse". Für die zentrale nach Parteiinteressen verlaufende Organisation initiierte Dr. Goebbels die Stelle des "Reichsfilmintendanten". Dieser sollte neben der Produktionsplanung "die Ausrichtung der künstlerischen und geistigen Gesamthaltung der Produktion und endlich die Ueberwachung des künstlerischen Personaleinsatzes sowie der Nachwuchserziehung" lenken. Damit diese Machtfülle von der Politik kontrolliert werden konnte, war für die "Beratung" des Reichsfilmintendanten bei der "Entscheidung und Schlichtung künstlerischer Fragen" ein Beirat vorgesehen.
Anfang August 1942 referierte der Staatssekretär im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Leopold Gutterer, auf Einladung der Salzburger Gauleitung vor dem Politischen Führerkorps des Reichgaues Salzburg über das "deutsche Kulturschaffen im Kriege". Neben statistischen Angaben zum deutschen Filmschaffen und dem Kinobesuch gewährt die in den Innsbrucker Nachrichten vom 6. August 1942, Seite 4, mit dem bezeichnenden Titel "Quell neuer Kraft" publizierte Zusammenfassung des Vortrags einen grundsätzlichen Einblick in die nationalsozialistische Kulturpolitik und ist darum von besonderem Interesse:
"[...] Gerade weil der Krieg von Front und Heimat außerordentliche Anstrengungen fordere, sei der innere Ausgleich unerläßlich. So seien gerade in dieser Zeit die Kunst und ihre Werke ständiger Quell neuer Kraft und Stärke, und alle Theater, alle Schauspieler, alle Musiker, die uns zur Verfügung ständen, reichten nicht aus, um die ganze kulturelle Sehnsucht unseres Volkes zu stillen. Gleichwohl sei es eine wahrhaft stolze Bilanz unsers kulturellen Lebens, die er [Gutterer] der Oeffentlichkeit übergeben könne:
Auf dem Gebiet des Theaters sei die schöpferische Tätigkeit unserer Dramatiker trotz des Krieges durchaus stetig geblieben. Staatssekretär Gutterer gedachte der Festspielveranstaltungen und gab dann einen Ueberblick über die große Zahl neuer Theater, die zumal in den Grenzgauen und in den besetzten Gebieten vom deutschen Kulturwillen zeugen, vor allem aber auch unseren Soldaten Stunden der Entspannung bereiten. Der Theaterhunger des Publikums sei so gestiegen, daß es namentlich in den größeren Städten kaum möglich sei, die Nachfrage einigermaßen hinreichend zu befriedigen. Mit den verbündeten Ländern werde ein lebhafter Austausch gepflegt.
Die Entwicklung des Films sein nach der quantitativen und qualitativen Seite hin in dauerndem Aufstieg begriffen, und der Filmtheaterbesuch sei während des Krieges in vorher nie geahntem Ausmaß gestiegen. Die Anzahl der Filmtheater habe sich von 5446 im Jahre 1938 auf 7043 nach der letzten Zählung erhöht; während 1939 623,722.000 Volksgenossen die regulären Vorführungen der Lichtspieltheater besuchten, waren es 1941 892,263.000. Besondere Erwähnung verdiene die Leistung der Wochenschau. Habe vor dem Kriege ihre Länge 300 bis 400 Meter betragen, so betrage sie heute durchschnittlich 900 Meter. Jede Wochenschau habe nach vier Wochen selbst das kleinste Kino durchlaufen. Die Ausland-Wochenschau werde heute in 29 Sprachen besprochen. Weiter erwähnte Staatssekretär Gutterer die Neugründung der Internationalen Film-Kammer, in der sich bereits die europäische Zusammenarbeit anbahne. Er gedachte der Arbeit der Partei, die über das Hauptamt Film in kinolosen Orten im Jahre 1941 55,616.155 Besucher und außerdem bei Veranstaltungen für die Truppenbetreuung 31,511.360 Besucher erfassen konnte. Außerdem seien im Spieljahr 1941/42 in Zusammenarbeit mit der Reichspropagandaleitung von der Reichsjugendführung 16.000 Veranstaltungen mit rund 5,5 Millionen Besuchern durchgeführt worden.
Der Rundfunk, der am 1. Februar 1933 insgesamt 4, 427.600 Rundfunkhörer zählt, könne heute zu fast 16 Millionen eingetragener Rundfunkhörer sprechen. Den hohen kulturellen Stand, den er sich bereits vor dem Kriege errungen habe, habe er auch während des Krieges behaupten können. Davon legten zahlreiche kulturbetonte Sendungen auf allen Lebensgebieten Zeugnis ab. Ein besonderes Verdienst habe sich der Rundfunk dadurch erworben, daß er ein stetes Band zwischen Front und Heimat zu schmieden und zu erhalten wusste. Eine besondere Aufgabe falle den zahlreichen Kurzwellensendern zu, die heute in 39 fremden Sprachen deutsches Kulturgut in alle Welt hinein ausstrahlen.
Auf musikalischem Gebiet zeige die Ueberfüllung aller Konzertveranstaltungen das im Kriege besonders starke Bedürfnis des deutschen Volkes nach innerer Erhebung und Bereicherung. Durch die Aktion Beschwingte Musik sei man den Wünschen breiter Volkskreise entgegengekommen. Ferner gedachte Gutterer des letzten Tages der Hausmusik und seines großen Erfolges sowie des fördernden Eingreifens des Reiches durch eine Reihe von Staatsaufträgen, die Reichsminister Dr. Goebbels für neue Werke der Oper und Operette erteilte. Man habe auch den Typ einer Volksgeige ausgearbeitet, die zu geringstem Preis Schüler an das Violinspiel heranführe. Um diese unermesslichen Ausstrahlungen deutscher Musik auf die Nachbarländer zusammenfassend nachzuweisen, werde die Musikgeschichte Europas jetzt neu geschrieben.
Das deutsche Schrifttum sei seit Beginn des Krieges in immer stärkeren Maße in den Dienst unseres kämpfenden Volkes getreten. Trotz fortschreitender Schwierigkeiten mancherlei Art habe die friedensmäßige Leistung sogar noch gesteigert werden können: Im Jahre 1941 seien in Deutschland nahezu hundert Millionen Bücher und Schriften mehr hergestellt worden als im Jahre 1940. Das seit Kriegsbeginn außerordentlich gestiegene Interesse am deutschen Buch zeige sich vor allem im Buchhunger des deutschen Soldaten. Im ganzen gesehen, bestätige das Interesse unserer Soldaten, daß die deutsche Literatur von heute eine wirkliche Volksliteratur genannt werden könne. Von der Heimat aus sei alles getan worden, um unsere Soldaten mit dem lebendigsten Schrifttum aller Schaffensgebiete zu versehen. Aus dem Weimarer Dichtertreffen sei die Europäische Schriftstellervereinigung geboren worden, in der sich inzwischen weitere geistige Kräfte gesammelt hätten, die einer Erhaltung der germanisch-europäischen Kultur und einer Ausrottung der kulturzerstörenden Gewalten des Judentums, des Bolschewismus und der Plutokratie dienen wollten.
Mit gesundem Empfinden bewundere das deutsche Volk heute wieder in Malerei und Plastik das Starke und Schöne, das Gesunde und Lebensfähige. Während des dritten Kriegsjahres lasse sich auch im Bereich der bildenden Künste eine starke Verlebendigung der kulturellen Tätigkeit feststellen. Diese Tatsache werde durch das starke Anwachsen der Ausstellungs-, Besucher- und Verkaufsziffern belegt. Niemand aber habe es mehr verdient durch die Hingabe deutscher Künstler ans Werk aufgerichtet, gestärkt oder entspannt zu werden als der deutsche Soldat. So habe der Krieg die kulturellen Kräfte unseres Volkes nicht gebrochen; er habe sie im Gegenteil verstärkt und es habe sich gezeigt, daß das deutsche Volk die Kunst gerade auch im Kriege als Lebensbedürfnis empfinde."
Informationen zur Statistik des Besucherandrangs in Innsbrucks Lichtspieltheater und über die primär therapeutische Funktion des Films sowie die Vorlieben des Innsbrucker Kinopublikums liefern die Innsbrucker Nachrichten vom 31. Oktober 1942, Seite 5 f.:
"[...] Und gerade weil wir jetzt alle häufiger ins Lichtspielhaus gehen als je zuvor, können wir uns von der Güte auch des leichten Spielfilms überzeugen, der zwischen den überragenden Spitzenfilmen die Programme füllt. Wenn wir hören, daß z. B. in einem Innsbrucker Lichtspielhaus die durchschnittliche Besucherzahl eines Films von 9000 im Jahre 1939 auf 16.000 im letzten Sommer gestiegen ist der Massenbesuch eines Spitzenfilms von 60.000 mag als Ausnahme hier unberücksichtigt bleiben , so können wir uns einen Begriff von der großen Bedeutung einwandfreien Filmschaffens für die charakterliche wie geschmackliche Beeinflussung weitester Bevölkerungskreise machen. Die Besucherzahlen der einzelnen Lichtspielhäuser sind durchweg um mehr als die Hälfte gestiegen, so daß in unserer Stadt über 200.000 Kinobesuche im Jahr gezählt werden [...].
Unsere Filme sind aber längst Ausdruck der festen, sauberen Grundhaltung des deutschen Volkes geworden. Mutig greifen Manuskript und Regisseur mitten hinein in unsere Zeit, in unser eigenes Leben, wir fühlen uns selbst, unsere Umgebung, unsere Freuden erhöht, unsere Sorgen und Nöte verstanden. Manchem Leid mag die Bitterkeit genommen werden durch die Ehrfurcht, mit der wir das Opfer der Zeit auf die Schulter aller genommen sehen, manches Mißgeschick wird durch herzhaften Humor in das richtige Verhältnis zu seiner wahren Bedeutung gesetzt und müde Verdrossenheit in neue Tatbereitschaft gewandelt.
Im allgemeinen wird von den Kinobesuchern wohl die leichte, heitere Unterhaltung bevorzugt, wie sie vor allem auch in den von mitreißenden Melodien getragenen Filmwerken Operette und Wiener Blut zu vollendeter Gestaltung kam; doch finden auch ernste Themen, nichts zuletzt Lebensbilder großer Deutscher, wahren Massenbesuch. Es sei hier nur an [die] Spitzenfilme Rembrandt, Robert Koch oder Bismarck erinnert, die auch vom einfachen Manne ohne besondere kunstgeschichtliche oder wissenschaftliche Vorbildung sogar mehrmals angesehen wurden, aber gleichermaßen dem Fachmann auf den betreffenden Gebieten hohen künstlerischen Genuß boten. So versichern uns die Inhaber unserer Lichtspieltheater, die den Eindruck jedes Filmes auf die verschiedenen Zuschauertypen sorgfältig beobachten und darüber auch an die zuständigen Stellen berichten. Selbstverständlich begegnen heimatgebundene Filme, die wie etwa Frau Sixta oder Wetterleuchten um Barbara in unserer Bergwelt gedreht oder gar wie Anzengrubers Meineidbauer durch unsere Exl-Leute zum vorbildlichen Heimatstück gestaltet wurden, freudiger Aufnahme bei jung und alt.
Das deutsche Filmschaffen stellt auch jetzt mitten im Kriege noch immer 100 bis 120 Filme im Jahre her. Dazu kommen noch jene Filme, die auf Grund der neuen europäischen Gesamtlage aus anderen Ländern übernommen und in deutscher Fassung bei uns vorgeführt werden. Italien, Finnland, Ungarn und Frankreich stehen dabei an der Spitze. Die Filme werden durch den für jedes Gebiet zuständigen Verleih den einzelnen Lichtspielhäusern nach einen gerecht ausgearbeiteten Plan zugewiesen und jeweils so lange vorgeführt, als die Bevölkerung durch entsprechenden Besuch ihr Interesse dafür bekundet [...]."
In der Ausgabe der Innsbrucker Nachrichten vom 2. November 1942 folgt auf Seite 3 eine Korrektur: "In unserem Bericht über den Kinobesuch in Innsbruck vom Samstag, den 31. v[origen] M[onats Oktober 1942], ist ein sinnstörender Fehler unterlaufen. Die Besucherzahl der Innsbrucker Lichtspieltheater erreichte im Jahre 1941 insgesamt 1,520.000 gegen z. B. 692.000 im Jahre 1937. Durchschnittliche besuchen täglich 4120 Innsbrucker ein Kino."
Zum Publikumsfavoriten in Innsbruck wurde das von Mitgliedern der Exl-Bühne mit überzeugender Schauspielkunst gestaltete Volksdrama Der Meineidbauer von Ludwig Anzengruber, das unter der Regie von Leopold Hainisch die Tobis Filmgesellschaft im Ötztal gedreht hatte. Karl Paulin versucht in den Innsbrucker Nachrichten vom 22. Jänner 1942 (Seite 3) das Phänomen dieses außergewöhnlichen, auch überregionalen Filmerfolges zu ergründen:
"Seit mehr als Monatsfrist ist in unserer Gauhauptstadt der neue Euphonio-Film der Tobis Der Meineidbauer zu sehen, und noch immer reißt der Strom der Besucher nicht ab, so daß in Innsbruck wohl mindestens 40.000 Menschen zu zählen sind, welche diesen Anzengruber-Film gesehen und aus ihm ein bleibendes künstlerisches Erlebnis gewonnen haben. Der Umstand, daß Der Meineidbauer-Film gerade in jener Zeit bei uns läuft, die um Weihnachten und Neujahr die meisten Feiertage, also hochwertige Besuchstage, umfaßt, erhöht noch den ungewöhnlichen Erfolg, der in den letzten Jahren der deutschen Filmhervorbringung, wenigstens so weit sie alpenländische Stoffe gestaltet, nicht seinesgleichen hat. Während dieser Zeit ist der gleiche Film an 70 Lichtspielbühnen in Süddeutschland und in den alpenländischen Gauen gezeigt worden und hat überall Rekordbesucherzahlen erreicht.
Welches sind nun die Ursachen dieses erstaunlichen Erfolges, worin ist er begründet und was lehrt er für die Zukunft?
Vor allem ist es der Kern und die unzerstörbare Lebenskraft einer echten Dichtung, die ihre Wirkung über allem Wandel der Zeit, der Mode und des Geschmackes bewahrt. Denn Ludwig Anzengrubers Meineidbauer trägt den Herzschlag eines Schicksalsdramas in sich, das immer wieder Menschenherzen ergreift, wenn es in seiner Substanz unverfälscht wiedergegeben wird. Und dies hat der Spielleiter dieses Films Leopold Hainisch mit jener Ehrfurcht vor einem Meisterwerk der Volksdichtung und mit jenem Taktgefühl für die wirklichen volkstümlichen Erfordernisse unserer Zeit durchgeführt, die den großen Zug des Dramas auch in der Verfilmung deutlich, ja beherrschend hervortreten lassen.
Spielleiter Hainisch hat aber auch das rechte Instrument für Anzengruber gefunden und mit dem gleichen Feingefühl, das er in der Behandlung der Dichtung bewährt hat, auch die Darsteller ausgewählt und zu harmonischer Gesamtwirkung gebracht. Damit haben wir auch schon die zweite Grundlage des großen Erfolges berührt: das klassische Volksstück fand in den Mitgliedern der Exlbühne seine klassischen Menschengestalter.
Es ist ja schon gelegentlich der Besprechung des Films auf die künstlerische Verwurzelung der Exlleute mit Anzengruber hingewiesen worden. Das eigentlich Bezeichnende, ja das Einzigartige in der Wirkung der Exlbühne liegt nicht so sehr in den Einzelleistungen, sondern in der höchsten Ausbildung der Ensemblekunst, der harmonischen Vereinigung aller persönlichen Kräfte im Dienste des Gesamtkunstwerkes.
Der Film ist nun seiner Natur nach eigentlich kein Förderer der Ensemblekunst, er hebt auch in seinen besten Schöpfungen die Kunst großer Darsteller heraus und bringt sie zur restlosen Entfaltung. Diesmal aber hat der Spielleiter erkannt, daß nicht nur die Sonderleistung eines Eduard Köck oder Ludwig Auer oder einer Ilse Exl, sondern das feinabgestimmte Zusammenspiel aller dieser untereinander verbundenen und verwandten Kräfte ein Hauptelement der Wirkung auch eines Film, sein kann.
So entstand mit dem Meineidbauer vielleicht der erste Film aus dem Leben der Bergmenschen, der die harmonische, darstellerische Vollendung zeigt, wie sie sonst nur die Sprechbühne bietet. Vielleicht trug der Umstand, daß Spielleiter Hainisch von der Musik herkommt, wesentlich dazu bei, daß er bei diesem Film in jeder Beziehung den rechten Ton traf, der gerade beim ernsten volkstümlichen Film, der oft der Gefahr gefühlsvoller Verflachung ausgesetzt ist, sehr wichtig ist.
Hat der ungewöhnliche Erfolg des Meineidbauer-Films die grundlegenden künstlerischen Ideen seiner Gestaltung bestätigt, so gibt er zugleich auch für die künftige Gestaltung des wertvollen alpenländischen Films Richtlinien, die, bei folgerichtiger Verwertung, den Weg zu neuen, großen Erfolgen des deutschen Filmschaffens auf der Grundlage von Volkstum und Heimatboden freimachen werden."
Als "erster Farbfilm in Innsbruck" war im Mai 1942 Frauen sind doch bessere Diplomaten zu sehen. Bei diesem von Georg Jakoby inszenierten "Farbgroßfilm", der mit "würzigem Humor und wirkungsvoller Situationskomik" das Publikum bestens unterhielt, spielte Marika Rökk die Hauptrolle. Ihre Filmpräsenz wird in der Besprechung von Erwin Spielmann in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Mai 1942, Seite 5 als bezaubernde "Entfaltung" ihrer vielseitigen "Qualitäten" charakterisiert, die als "glückliche Mischung von natürlich-liebenswürdiger Koketterie, Temperament des Herzens und den beschwingten Rhythmus ihrer formschönen Beine Bestes an guter Unterhaltung vermitteln".
Das Tiroler Filmereignis des Jahres 1942 waren die Dreharbeiten der Terra Film-GmbH zu den Hauptszenen für den Film Der Geigenmacher am 30. und 31. August in Kitzbühel. Das Tiroler Volksblatt vom 4. September 1942 berichtet auf Seite 3: "[...] An den Aufnahmen waren 480 Personen beteiligt, die sich zumeist aus trachtentragenden Mitgliedern der Brauchtumsgruppen des Standschützenverbandes von Kitzbühel, Kirchberg, Westendorf und Hopfgarten unter Teilnahme der Standschützenmusikkapellen von Kitzbühel und Kufstein rekrutierten. Außerdem konnte man Einzeltrachten der Südtiroler Umsiedler sowie Trachten aus dem Zillertal, dem Vintschgau und dem Bregenzerwald beobachten. Ein Festwagen mit Ochsengespann und mehrere andere Wagen waren ebenfalls am großen Zuge beteiligt. Die Aufnahmen dauerten an beiden Tagen von 9 Uhr vormittag bis 17 Uhr nachmittag."
Das folkloristische Element zu diesem von Günther Rittau gedrehten "Großfilm", bei dem unter Anderen Olga Tschechowa mitwirkte, war kein Beiwerk, sondern substanzielles Programm. In den Innsbrucker Nachrichten vom 19. August 1942 wird von den beabsichtigten Dreharbeiten der Terra Film-GmbH ausführlich berichtet und auf die grundsätzliche Bedeutung des volkstümlichen Ambientes für die Filmgestaltung verwiesen: "[...] Das Drehbuch, das Artur Kuhnert schrieb, verlangt die unmittelbare Nähe der hohen Berge, verlangt die Nachbarschaft und die Mitwirkung der wetterfesten Menschen dieser Täler. Was in dem Film, der unter dem Arbeitstitel Der Geiger entsteht, geschehen muß, das konnte nicht in einem der Musikdörfer unserer deutschen Mittelgebirge gedreht werden, nein, das setzt die zähe Schwerfälligkeit des Hochgebirglers voraus, seine Beharrlichkeit, aber auch sein jähes und oft unberechenbares Wesen."
Mit der Überschrift "Der Wilde Kaiser als Filmschauplatz" bringen die Innsbrucker Nachrichten vom 22. April 1942, Seite 5, eine Notiz zu Filmaufnahmen in Tirol: "Tirol ist der Schauplatz des neuen Peter-Ostermayr-Films der Ufa Violanta, der demnächst uraufgeführt wird. In der grandiosen Berglandschaft entwickelt sich die stark dramatische Handlung des Films, dessen Drehbuch Emanuel von Richter und Paul Oskar Mayr [richtig: Paul May] nach Ernst Zahns Novelle Der Schatten schreiben. Paul Oskar Mayr [Paul May] führte auch Regie."
Der gefragte Tiroler Schauspieler Hermann Brix wirkte in dem von Herbert Selpin inszenierten Tobis-Film Titanic in der Rolle des "jungen Kapellmeisters" mit, der als einer der wenigen Überlebenden das Reiseziel New-York erreicht. Seine Filmpartnerin war Monika Burg (Innsbrucker Nachrichten vom 30. Mai 1942, Seite 6).
Im Dezember 1942 wurde im Vorprogramm des Innsbrucker Triumph-Kinos der HJ-Film Bergsommer gezeigt, der "im Sommer 1940 in den Stubaier und Sellrainer Bergen ausschließlich mit Hitlerjungen des Gebietes Tirol-Vorarlberg gedreht" worden war. "Die Spielleitung hatte der bekannte Innsbrucker Regisseur Edi Wieser inne, der ja bekanntlich auch den ersten HJ.-Film von Tirol-Vorarlberg, Das Fähnlein Florian Geyer, im Kreis Landeck gedreht hatte. Der Film Bergsommer zeigt uns vor allem Ausschnitte aus der bergsteigerischen Ertüchtigung unserer Jugend, der in unserem Gau besondere Bedeutung zukommt." (Innsbrucker Nachrichten vom 22. Dezember 1942, Seite 4).
Als Medium der Kriegspropaganda hatte die "Wochenschau" in den Filmtheatern einen zentralen Stellenwert. Darum wurden diese Streifen nicht nur regelmäßig vor den Hauptfilmen gezeigt, sondern es wurde sorgfältig darauf geachtet, sie bei voller Aufmerksamkeit des Publikums zu vermitteln. Ein Appell an die Kinobesucher im Tiroler Volksblatt vom 15. Mai 1942, Seite 3, belegt dies: "Wochenschau nicht stören! In der letzten Zeit hat sich die Unsitte eingeschlichen, beim Besuch der hiesigen Kinotheater keine Rücksicht mehr darauf zu nehmen, ob etwa die Wochenschau schon angelaufen ist oder nicht. Immer wieder muß man die peinliche Beobachtung machen, daß in Schilderung des Heldenkampfes unserer unvergleichlichen Soldaten neuankommende, beziehungsweise zu spät kommende Gäste durch Laufen auf den Seitengängen, Aufblenden von Taschenlampen und ähnlichem mehr eine höchst ärgerliche Störung tragen. Ganz abgesehen davon, daß es ausdrücklich verboten ist, während der Wochenschau den Saal zu betreten oder zu verlassen, sollte man doch so viel Takt und Selbstdisziplin von jedem Volksgenossen, der (meist doch durch eigene Schuld) den Beginn der Vorstellung verpaßt hat, erwarten können, daß er den anderen Besuchern, die oftmals gerade wegen der Wochenschau gekommen sind, das große Erlebnis dieser in ihrer Art einmaligen Bildberichte nicht stört."
Als Serviceeinrichtung besonderer Art bot der "Kameradschaftsdienst der Ufa" die Möglichkeit, dass Angehörige gefallener Soldaten, die in Bildausschnitten von Wochenschauen in Kampfhandlungen zu sehen waren, Erinnerungsfotos bestellen konnten. Über die Modalitäten hierzu informieren die Innsbrucker Nachrichten vom 25. September 1942, Seite 3:
"An allen Fronten sind Kameramänner tätig und filmen für die Deutsche Wochenschau. Es sind unsere kämpfenden Soldaten, die gefilmt werden, Sohn oder Gatte einer deutschen Frau, und oft genug gibt es in irgendeinem Lichtspieltheater ein unerwartetes Wiedersehen, wenn auch nicht jeder Soldat, der gefilmt wurde, hernach in der Wochenschau zu sehen ist. Die Wochenschau zeigt Kampfszenen aus Ost und West. Manch einer der Tapferen, der mit seinen Kameraden zum Sturmangriff vorging oder weitermarschierte, zu jedem Einsatz bereit, hat inzwischen sein Schicksal vollendet. Diese Bildausschnitte, auf denen Soldaten zu sehen sind, die ihr Leben für Deutschland gaben, werden durch den Kameradschaftsdienst der Ufa (Berlin-Tempelhof) den Angehörigen zugänglich gemacht.
Täglich treffen Briefe bei der Ufa ein mit der Bitte, Bilder herauszusuchen und der Familie zu übersenden. Die Ufa betrachtet es als Ehrendienst, diese Wünsche zu erfüllen, aber jeder, der Bildausschnitte haben möchte, muß auch bestrebt sein, die schwierige Sucharbeit des Kameradschaftsdienstes durch genaue Angaben zu erleichtern. Wochenschau auf Wochenschau rollt über die Vorführtische; junge Frauen, deren Männer ebenfalls an der Front stehen, führen diese Arbeit mit liebevoller Gewissenhaftigkeit aus. Inmitten der vielen fast gleichgekleideten Soldaten sollen sie einen bestimmten, ihnen nicht bekannten Menschen herausfinden. Oft ist die Beschreibung, die die Angehörigen geben, ungenau und oberflächlich. Der Kameradschaftsdienst hat deshalb Richtlinien aufgestellt.
Vor allem sind stets Name des Lichtspieltheaters, die Nummer der Wochenschau und der Tag (oder die Kalenderwoche), an dem sie lief, anzugeben. Notfalls nenne man den Hauptfilm oder führe Einzelheiten aus der Wochenschau an. Leicht erkennbare Szenen, Soldaten, die sich rasieren, Essen fassen o. ä. Ebenso wichtig ist ein Hinweis auf die großen Begebenheiten der Wochenschau, Sturm auf Sewastopol, Kämpfe um Tobruk o. ä. Selbstverständlich muß die Szene, an der der Gesuchte beteiligt war, genau beschrieben werden. Dabei ist der Kriegsschauplatz anzugeben, ferner Einzelheiten, wie der Soldat bekleidet war, mit Mantel, mit Stahlhelm, ob er eine Brille trug, ob Waffen. Die Schilderung der Vor- und Nachszene begünstigt das Auffinden. Es empfiehlt sich, den Antrag, wenn möglich, mit der Schreibmaschine auszufertigen und, da die Briefumschläge nicht aufgehoben werden, die vollständige Adresse des Absenders auf dem Briefbogen anzugeben. Jedem Antragsteller wird eine Kameradschaftsnummer mitgeteilt, die auf weiteren Schreiben hinzuzufügen ist.
Häufig werden Photos des gesuchten Soldaten eingesandt, das ist sehr gut gemeint, aber zwecklos, da ein Vergleich der kleinformatigen Wochenschaukopien mit Photos ausgeschlossen ist. Sollte allerdings eine illustrierte Zeitung die gesuchte Szene veröffentlicht haben, so ist dieser Zeitungsausschnitt sehr wertvoll für die Sucharbeit. Daß Auskünfte über den Ort der Schlacht, Feldpostnummern und Namen der Kameraden nicht erteilt werden können, versteht sich von selbst. Eine unangebrachte Belastung ist darin zu erblicken, daß oft mehrere Familienangehörige aus verschiedenen Orten je einen besonderen Antrag stellen. Schon im Interesse der anderen Volksgenossen, die auf das Bild ihres Soldaten warten, ist dies zu vermeiden. Man einige sich zuvor, wer den Antrag stellen soll.
Der begreifliche Wunsch, einen letzten, lebensvollen Gruß von einem Gefallenen zu erhalten, führt leider zu zahlreichen Irrtümern; so ist es nicht selten vorgekommen, daß das Bild ein und denselben Soldaten von bis zu 15 Familien angefordert wurde, die, wie sich dann herausstellte, mit diesem Soldaten in Wirklichkeit nicht das geringste zu tun hatten. Im Zweifelsfall schaue man sich daher die Wochenschau lieber noch einmal an, bevor man sich an den Kameradschaftsdienst der Ufa wendet.
Trotz der schwierigen Suche werden fast alle Anträge erfolgreich erledigt. Den Angehörigen werden Positivausschnitte zugeschickt, von denen der Fachhändler auf dem Wege über ein Double-Negativ Abzüge und Vergrößerungen herstellen kann. Aus Wochenschauen, die vor Juli 1941 liefen, können allerdings keine Ausschnitte geliefert werden. Bis in das entlegenste Dorf sendet der Kameradschaftsdienst der Ufa seine Bildausschnitte. Aus den vertrauten Zügen des Soldaten schöpfen die Angehörigen Trost und Mahnung, ebenso tapfer und gefaßt ihr Schicksal zu ertragen, des schlichten, selbstverständlichen Opferwillens würdig zu sein, den die Front täglich beweist."
Rundfunk
Der Rundfunk war das Hauptmedium der NS-Propaganda. Er hatte somit ein weites Funktionsspektrum von der politischen Informationsvermittlung, der Kriegsberichterstattung bis hin zur bloßen Unterhaltung und Ablenkung von den alltäglichen Erschwernissen, die der Krieg mit sich brachte. Im Jahr 1942 wurde die Programmgestaltung des "deutschen Rundfunks" zu einem Schwerpunkt auf unterhaltenden Sendungen hin neu geregelt, die Leitung der verschiedenen Abteilungen vollständig umbesetzt:
"Der Generalsekretär der Reichskulturkammer, Ministerialdirektor Hans Hinkel, gab die Zusammensetzung des Gremiums bekannt, das für die Programmgestaltung des Großdeutschen Rundfunks unter seiner Oberleitung seit 1. März verantwortlich ist. Es wurden zehn Gruppen gebildet, und zwar Leichte Unterhaltung und Tanz , geleitet von Georg Häntzschel; Gehobene Unterhaltungsmusik unter Franz Grothe; Volkstümliche Unterhaltungsmusik unter Werner Plücker; Funkbrettl unter Günter Schwerkolt; Unterhaltung für Soldaten unter Heinz Gödecke; Populäre klassische Musik unter Fritz Ganß, Ernste, aber bekannte klassische Musik unter Generalmusikdirektor Schulz-Dornburg; Gruppe Musikalische Solisten unter Professor Michael Raucheisen; Das künstlerische Wort unter Staatsschauspieler Theodor Loos; Schwere, aber unbekannte klassische Musik unter Gerhart von Westermann. Die Verantwortlichkeit der einzelnen Gruppenleiter ist eingeteilt nach Zeiten auf einem vorher festgelegten Sendeplan. In der Zeit von 17 bis 22 Uhr sendet der Deutschlandsender jeweils täglich ein gesondertes Programm." (Innsbrucker Nachrichten vom 12. März 1942, Seite 5).
Details zur Programmgestaltung finden sich in den Innsbrucker Nachrichten vom 24. Jänner 1942, Seite 8. In diesem Beitrag wird die Dominanz von Sendungen mit heiterer Musik als kriegswichtige Notwendigkeit hervorgekehrt. Trotz dieser Bevorzugung sei noch ausreichend die Möglichkeit gegeben, die Meisterwerke großer deutscher Kunst nicht zu vernachlässigen:
"Ein Mitarbeiter der Reichssendeleitung äußert sich in der Zeitschrift Reichsrundfunk über das Musikprogramm des Rundfunks. Leichte Muse und ernstes künstlerisches Erleben in einem frohen Programm vereint, bietet der Rundfunk seinen Hörern täglich von 5 Uhr früh bis 2 Uhr nachts. Daß bei einer solchen Fülle musikalischer Darbietungen der leichten, beschwingten und volkstümlichen Musik der breiteste Raum gegeben werden muß, ist selbstverständlich. Erklingen doch täglich 250 bis 280 verschiedene Kompositionen, ausgeführt von unzähligen Solisten und Orchestern aller Art. Das sind im Monat 7500 bis 7800 und in einem Jahr 90.000 bis 94.000 Kompositionen einschließlich aller notwendigen Wiederholungen.
Das Rundfunkprogramm muß im Kriege heiter und unbeschwert sein, um die große Masse des kämpfenden Heeres und die schaffenden Menschen in der Heimat in ihren Mußestunden zu unterhalten. Die künstlerisch hochwertigen Darbietungen müssen in einem Rahmen Erlebnisse bleiben. Eine besondere Programmgestaltung erfahren die Sonn- und Feiertage, an denen mit einer stärkeren Aufnahmefähigkeit weiterer Hörerkreise gerechnet werden kann.
Der Aufsatz wendet sich gegen den Vorwurf mancher Hörer, daß das Rundfunkprogramm zuviel leichte Unterhaltung vermittle. Der deutsche Rundfunk bringe trotz des umfangreichen Unterhaltungsprogramms noch so viel Musik großer Meister, daß in dem einen Reichsprogramm gar nicht mehr geboten werden könne, ohne damit diese höchsten Werte deutscher Kultur durch überreiches Verschwenden zu verkleinern. Seit dem Herbst 1940 hatten alle deutschen Hörer die Möglichkeit, an sämtlichen Konzerten Wilhelm Furtwänglers mit den Berliner Philharmonikern teilzunehmen. Ebenso kehren ständig die Wiener Philharmoniker, Konzerte der Münchner Philharmoniker, der Berliner und Münchner Staatskapelle, des Leipziger Gewandhausorchesters wieder. In weit über 50 Mozart-Sendungen gab der Rundfunk einen umfassenden Ueberblick über das Schaffen eines der größten deutschen Musiker. Als im Frühjahr die italienische Oper aus Rom in Berlin gastierte, war sie zweimal auch Gast des deutschen Rundfunks. In der seit dem Herbst 1941 laufenden Freitagabendsendung Wie es euch gefällt sind in Szenen aus bekannten Meisteropern hervorragende Solisten und Orchester zu hören. Dasselbe gilt für die jeden Freitag wiederkehrende Sendung Klassischer Humor und Tanz . In der Musik zur Dämmerstunde des Deutschlandsenders erklingen täglich auserlesene Kostproben deutscher und europäischer Werke, ebenso in der täglichen Kammermusik- und Solistenstunde. Seit einigen Wochen spielen jeden Samstag in der Sendung Die Auslese Meister ihres Instrumentes.
Wenn sich die zahlreichen Unterhaltungssendungen zum Teil noch viel größerer Beliebtheit erfreuen, so zeugt das nur von dem starken Entspannungsbedürfnis aller Hörer. Auch im neuen Jahr wird der größte Teil der bestehenden Sendearten fortgesetzt, jeweils durch neue Sendungen ergänzt. Alles ist darauf eingestellt, dem Hörer Freude zu bringen."
Eine spezielle Einrichtung im Dienst der Auslandspropaganda des Deutschen Kurzwellensenders war die Sendereihe "Das deutsche Lied". Die Intention dieser Aktivität wird in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. Februar 1942 auf Seite 5 mitgeteilt: Neben seiner Aufgabe als "Berichter militärischer Ereignisse" habe der Rundfunk die ideologisch fundierte Aufgabe, "Künder des geistigen Nationalgutes zu sein". Das Ausland müsse "beide Auswirkungen völkischer Lebenskraft kennen, soll es deutsche Wesensart und deutsches Wollen verstehen". Nichts sei dazu so geeignet, wie das Lied:
"[...] Unter den Völkern ist die Sprache der Musik am verständlichsten, und doch bleibt bei gleichem gedanklichen Gehalt der schöpferische Formausdruck gebunden an nationale Eigenart. Keine Musikgattung ist aber so wesenhaft deutsch wie das Lied. So sehr ist das bei allen Völkern empfunden worden, daß sogar der deutsche Name für diese Kunstform übernommen wurde: und es hat seine Berechtigung, wenn der Kurzwellensender dem Lied eine besondere Sendereihe widmet. Im Programm erscheinen die Meister des Liedes, Schubert, Schumann, Brahms, Liszt und Wolf. Außerdem sind zeitgenössische Komponisten, wie Jos. Saas, Walter Jentsch und Richard Trunk vertreten.
Dem Lied, einer Komposition mit Text in lyrischer Stimmung, sind die Einfachheit des Inhalts und der schlichte, ungekünstelte Ausdruck eigen. Die Worte unterstützen das Verständnis für den Stimmungsgehalt. Wo aber das Verständnis der Worte nicht vorauszusetzen ist, weist eine Einführung in der Ländersprache auf den Inhalt hin und macht auf die musikalischen Besonderheiten aufmerksam. Die Worte von deutscher Innerlichkeit und Gemütstiefe, die durch zu häufigen Gebrauch abgenutzt sind, erhalten vom Lied her wieder ihren guten Klang. Neben dem Gefühlsreichtum ist die Vielgestalt deutscher Landschaft in unseren Liedern verwoben. Wir wissen, daß sie dem Deutschen draußen Schönheit und Wert deutscher Heimat bewußt machen, dem Fremden aber Spiegel deutschen Geistes und Lebensgefühls sind.
Die Sendung wird jeden Montag, nachts 1.30 Uhr, auf den Wellen 25.31 Meter und 31.09 Meter nach Südamerika ausgestrahlt."
Über die Dominanz des deutschen Rundfunks im europäischen Umland und seinen Einsatz als "Kriegswaffe" fängt die Neueste Zeitung vom 8. September 1942 auf Seite 4 mit der Schlagzeile "Der deutsche Rundfunk. Großdeutschlands europäische Rundfunkaufgabe. 56 Sender in 29 Sprachen" ihre Leser ein:
"Anläßlich der Rundfunk- und Fernsehausstellung in Bukarest 1942, auf der auch Großdeutschland vertreten ist, zeigt Dr. Herbert Schröder in einer Betrachtung, wie der deutsche Rundfunk schon seit langem bemüht ist, die Schranken zwischen sich und seinen europäischen Hörern niederzulegen. Ein deutscher Auslandsrundfunk im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. Sendungen, die sich bewußt an ausländische Hörer wenden, besteht seit 1933, als der deutsche Kurzwellensender sein Ueberseeprogramm eröffnete. 1939 wurden 'Die deutschen Europasendungen' geschaffen, als die Stimme des Reiches für jeden europäischen Rundfunkhörer. Seither hat jede Nation der europäischen Schicksalsgemeinschaft die Möglichkeit, täglich in ihrer eigenen Sprache das zu hören, was das Reich ihr persönlich zu sagen hat oder teilzunehmen an Zeitgeschehen, Kunst und Unterhaltung, wie sie von Berlin aus gestaltet werden. Den deutschen Europasendern steht die gewaltige Strahlungsapparatur von 56 Sendern, bzw. Wellen zur Verfügung. Die Programmarbeit vollzieht sich hier in 29 Sprachen [...]. Dazu kommen noch täglich 16 besondere Sendungen nach England, das sich außerhalb der europäischen Gemeinschaft gestellt hat. Tag für Tag werden rund hundert fremdsprachige Nachrichtendienste von den deutschen Europasendern ausgestrahlt, die die wichtigsten Tagesereignisse behandeln oder den deutschen Standpunkt dazu verbreiten. Diese Rundfunkarbeit ist zu einer wichtigen Kriegswaffe geworden. Ueber die deutsche Presse und den deutschen Rundfunk werden die Lügen- und Greuelnachrichten, die nach altbewährter Methode von der Feindseite auch diesmal wieder gegen Deutschland einzusetzen versucht werden, schon beim ersten Auftauchen zurückgewiesen und unschädlich gemacht."
Um den Rundfunk möglichst allen Bewohnern zugänglich zu machen, wurden beständig Bemühungen unternommen, durch technische Verbesserungen den Rundfunkempfang bis in entlegene Täler zu ermöglichen. Im Gaubebiet wurden dafür "Klein-Gleichwellensender" als technische Neuheit eingeführt. Der Bericht darüber von Hermann Fink in den Innsbrucker Nachrichten vom 31. Jänner 1942, Seite 5 f., enthält noch zahlreiche weitere interessante Details:
"Kaum eine andere technische Einrichtung hat eine so rasche Verbreitung gefunden, wie der Rundfunk. Er gehört zu unserem täglichen Dasein, nun im Kriege schon gar. Er ist für uns Mittler und Künder der großen Geschehen an allen Fronten. Greifen wir nur ein einziges Beispiel des Krieges heraus aus dem Geschehen der letzten Tage: Am Donnerstag, den 29. Jänner, nahmen deutsche und italienische Truppen unter dem Befehl des General Rommel Benghasi in Besitz wenige Stunden später, kurz vor neun Uhr abends klangen im Großdeutschen Rundfunk die Fanfaren und ersten Takte des Engelland-Liedes auf: Sondermeldung! Die ganze Welt erfährt diese Mitteilung meist erst nach mehreren Tagen, ja meist sogar erst nach einer Woche. Ein Zustand, den wir uns heute in der Zeit der blitzschnellen Nachrichtenübermittlung durch den Rundfunk kaum vorstellen können.
Unsere Wissenschaftler und Techniker gaben sich jedoch mit den einmal errungenen Erfolgen im Rundfunkwesen nicht zufrieden, sondern arbeiteten und arbeiten noch stets daran, den Rundfunk zu vervollkommnen, die Sende- und Empfangsanlagen zu verbessern. Die Natur jedoch stellt sich der Technik und Wissenschaft immer wieder in den Weg. Hohe Bergketten beeinträchtigen den Rundfunkempfang in den Bergtälern ganz empfindlich. Auch wenn der nächste Sender oft nur wenige Luftkilometer entfernt liegt, wirkt sich die dazwischen liegende Bergkette so empfangshemmend aus, daß nur mit den feinsten Empfangsgeräten bei vollkommen fachmännisch gebauter Antenne und guter Erdung die Rundfunksendungen einwandfrei gehört werden können. Dieses Uebel tritt auch in unserem Berggau Tirol-Vorarlberg auf, da die hohen Bergketten, wie jene im Inntal, die in ost-westlicher Richtung verlaufen, die Wellen auffangen und wesentlich schwächen. Um diesem Uebel abzuhelfen, geht die Reichspostdirektion Innsbruck nun daran, in unseren Bergtälern sogenannte Klein-Gleichwellensender zu bauen, die auf gleicher Welle wie der Innsbrucker Zwischensender das Münchner Programm verbreiten.
Wie viele ja wissen, bilden die Zwischensender Innsbruck, Dornbirn und Salzburg mit dem Reichssender München als Hauptsender, die Süddeutsche Gleichwelle; sie senden also das gleiche Programm auf gleicher Welle. Es wird sich nun mancher fragen, warum dieser Süddeutsche Gleichwellensender geschaffen wurde. Früher gab es doch den zumindest zum Großteil selbständig arbeitenden Sender Innsbruck. Warum hat Innsbruck heute keine, ein eigenes Programm sendende Anlage mehr? Die Antwort darauf sagt uns gleichzeitig noch, warum der Gleichwellenfunk geschaffen wurde.
Zu Beginn des europäischen Rundfunkbaues standen im Mittel- und Langwellenbereich genügend freie Wellen zur Verfügung, um jedem neu errichteten Sender eine eigene Welle zuteilen zu können. Die Möglichkeiten bei der Wellenverteilung engten sich jedoch bald immer mehr ein, als sowohl die Zahl der Rundfunksender wie auch deren Leistung und damit ihre Reichweite ständig wuchs. Um gegenseitige Störungen der Sender zu vermeiden, war es daher notwendig, auf zwischenstaatlichen Tagungen gemeinsame Regeln für die allgemeine Wellenverteilung aufzustellen. Ein besonders wichtiges Ergebnis dieser Beratungen war die Festlegung des Frequenzabstandes der Sender im Rundfunkfrequenzbereich der Mittelwellen, auf Grund dessen auch der zur Zeit geltende europäische Wellenverteilungsplan aufgestellt worden ist.
Aus der für den einzelnen Sender verfügbaren Bandbreite und dem für Rundfunkzwecke vorbehaltenen Frequenzbereich der Mittelwellen ergab sich zwangsläufig die Zahl der im europäischen Gebiet zu belegenden Senderwellen. Auf den wenigen für Rundfunkzwecke vorbehaltenen Langwellen lassen sich daneben nur noch eine ganz geringe Zahl von Sendern unterbringen, die bei einer Gesamtbilanz kaum ins Gewicht fallen.
Die Zahl der in Europa betriebenen Sender beträgt derzeit über 350 Rundfunkstationen davon stehen nun im Kriege dem deutschen Rundfunkhörer nicht weniger als drei Viertel dieser Zahl zur Verfügung. Nachdem aber aus den vorhin erwähnten Gründen auf dem Raum, den Europa einnimmt, nur 117 Sender untergebracht werden können, ist es ganz klar, daß die bestehenden Schwierigkeiten nicht allein auf dem Wege einer gut organisierten Wellenverteilung behoben werden konnten.
Es mußte also auf [eine] andere Lösung gesonnen werden. Eine dieser Lösungen war nun die Schaffung der sogenannten Gemeinschaftswellen, in denen mehrere Sender zusammengeschlossen wurden und ihr gleichlautendes Programm auf einer gemeinsamen Welle senden. Solch eine Gemeinschaftswelle ist auch die Süddeutsche Gleichwelle mit dem Hauptsender München und den Nebensendern Innsbruck, Dornbirn und Salzburg.
Um aber gerade im Gebirge jedem Rundfunkhörer Gelegenheit zu geben, die Sendungen rein, klar und auch entsprechend stark zu hören, geht nunmehr die Reichspostdirektion Innsbruck daran, in Tirol und Vorarlberg ein sogenanntes Klein-Gleichwellensystem zu schaffen, das aus mehreren in besonders empfangsschwachen Bergtälern zu errichtenden kleinen Sendestationen besteht, die ihrerseits die Sendungen der Süddeutschen Gleichwelle aufnehmen, verstärken und in ihrem Bereich wieder ausstrahlen. Diese Sender werden eine Leistung von je einigen hundert Watt aufweisen. Infolge der geringen Leistung dieser Sender wird ihr Hochfrequenzteil stets sehr klein gehalten werden und dementsprechend auch der Stromversorgungsteil nur geringe Aufwendungen erforderlich machen. Es würde im Rahmen dieser Ausführungen zu weit führen, über die technischen Grundlagen und die Einrichtungen solcher Klein-Gleichwellensender zu berichten. Das sei einem demnächst folgenden Aufsatz vorbehalten.
Durch die Schaffung dieses Netzes von Klein-Gleichwellensendern in unserem Gau wird es künftig auch im entlegensten Bergdorf tief zwischen hochragenden Bergketten möglich sein, mit billigen Volksempfängern die Rundfunksendungen klangrein zu hören, wodurch die bäuerliche Bevölkerung in weit größerem Maße als bisher in die große Gemeinschaft der Rundfunkhörer eingegliedert werden kann."
Einer Notiz und Abbildung in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. April 1942, Seite 3, entnehmen wir den Fortschritt bei der Errichtung dieser neuen Sendeanlagen: "Der Bau der Klein-Gleichwellensender, über die wir bereits früher berichteten, schreitet in unserem Berggau rasch fort. Diese Klein-Gleichwellensender werden vor allem in empfangsschwachen Gegenden unseres Berggaues errichtet. Unsere Zeichnung zeigt des Häuschen einen Klein-Gleichwellensenders in unserem Gau. Beim Bau dieser Häuschen wird vor allem darauf geachtet, daß sie in ihrem Baustil vortrefflich in die Eigenart der Landschaft hineinpassen. Für die Antenne werden Holzmasten von 30 Meter Länge (zwei übereinandergefügte Lärchenbäume) benötigt. Dadurch erübrigt sich die Aufstellung größerer Mastkonstruktionen."
Bereits während des Jahres 1939 unternahmen die zuständigen Stellen vermehrte Anstrengungen, die Werbung für den Rundfunk zu intensivieren. Bei Filmvorführungen wurden Rundfunkgeräte verlost, die örtlichen Rundfunkhändler bekamen die Möglichkeit für förderliche Werbeauftritte. Im Gaugebiet waren die "Werbewagen der Reichsrundfunkgesellschaft" in der zweiten Junihälfte gleichzeitig in Ortsgruppen von Tirol und Vorarlberg unterwegs, zum Beispiel in Mayrhofen/Hard, Kramsach/Lustenau, Brixlegg/Dornbirn, Kundl/Hohenems, Wörgl/Götzis, Häring/Rankweil, Kufstein/Feldkirch, Kitzbühel/Bludenz, St. Johann/Dalaas, Waidring/Schruns, Fieberbrunn/Nenzing, Hopfgarten/Bezau, Kirchbichl/Lochau. Diese Aktion sollte eine "Vertiefung und Verallgemeinerung des Rundfunkgedankens im Volke" bewirken (Innsbrucker Nachrichten vom 14. Juni 1939, Seite 8).
Tiroler Musiker und Komponisten wurden 1942 in Rundfunkprogrammen wiederum berücksichtigt. Im Jänner verpflichtete der Reichssender Wien das "Gesangsterzett Geschwister Buchberger" für eine "öffentliche Unterhaltung" aus dem Großen Konzerthaussaal unter dem Titel Servus Kameraden (Innsbrucker Nachrichten vom 26. Jänner 1942, Seite 3).
Eine Tiroler "Brauchtumsgruppe" trat im April ebenfalls im Großen Konzerthaussaal Wien mit einem vielfältigen Programm in Erscheinung, das für Sendezwecke auf Schallplatten festgehalten wurde:
"Dieser Tage weilte Hans Aschberger, der bekannte Innsbrucker Meister auf dem Raffele, einem alten zitherähnlichen Südtiroler Instrument mit drei Saiten, zu Schallplattenaufnahmen und einem Vortrag im Großen Wiener Konzerthaussaal mit dem Innsbrucker Hannes Mahrenberger (Gitarre) und Philipp Wierer als Zitherbegleitung in Wien.
Weiter traten Hans und Andreas Höpperger aus Thaur mit Harfe und Zither sowie das berühmte Jodlerinnen-Duett Berta Kainzer und Berta Trutter aus Wörgl auf. Der Abend wurde vom Reichssender Wien veranstaltet und hatte bei einer Besucherzahl von ungefähr 3000 Personen einen durchschlagenden Erfolg. Die Brauchtumsgruppe war in Original Burggräfler- und Zillertaler Trachten erschienen. Außer diesen waren auch Steiermark, Kärnten und Oberdonau mit heimatlichen Darbietungen vertreten. Die Rundfunkübertragung dürfte schon in nächster Zeit erfolgen." (Innsbrucker Nachrichten vom 21. April 1942, Seite 3).
Ebenfalls im Reichssender Wien wurden am 28. Mai 1942 "zwei Minneweisen" für Sopran, Flöte und Harfe des "einheimischen Komponisten" Dr. Albert Riester gesendet (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Mai 1942, Seite 5).
Einen besonderen Erfolg von Artur Kanetscheider vermerken die Innsbrucker Nachrichten vom 27. Mai 1942, Seite 5: "Vom Sender Finnmark wurde ein musikalischer Wettbewerb durch unsere Gebirgssoldaten im Rahmen der geistigen Betreuung durchgeführt. Neben Volksliedern, die im vierstimmigen Satz gesungen wurden, kamen auch neuzeitliche Soldatenlieder zum Vortrag, von denen das Lied der Gebirgsjäger unseres Tiroler Komponisten A. Kanetscheider ganz besonderen Beifall finden konnte."
Eine weitere Erfolgsmeldung konnte Artur Kanetscheider im Dezember 1942 an die Redaktion der Innsbrucker Nachrichten übermitteln: "Der Hauptsender Riga, welcher kürzlich Lieder und Klavierstücke von Artur Kanetscheider zur Sendung brachte, hat den Komponisten von seinem Einsatzorte zur Leitung eigener Orchesterwerke für 3. und 5. Jänner [1943] eingeladen. Zur Aufführung kommen Lieder mit Orchesterbegleitung nach Tiroler Dichtern, der erste Satz aus der Tiroler Suite und die Heitere Spielmusik." (Innsbrucker Nachrichten vom 29. Dezember 1942, Seite 4).
"Warum die Zeitungen dünner sind"
Innsbrucker Nachrichten vom 10. Jänner 1942, Seite 6:
"Im Krieg heißt es bekanntlich sich nach der Decke strecken. Die vielen einschränkenden Notwendigkeiten der Gegenwart machen nun naturgemäß auch vor der Zeitung nicht halt, ja im Gegenteil, gerade die Tageszeitung ist heute wesentlichen Einschränkungen unterworfen, die durch verschiedenste Umstände begründet, besonders in das Gewicht fallen. Aber wie der Zeitgenosse von heute mit dem etwas schmaleren Küchenzettel vorlieb nehmen muß, weil es eben nicht anders möglich ist, so muß auch der Leser und die Leserin den verringerten Umfang der Zeitung als Kriegsnotwendigkeit betrachten.
Vielleicht ist es aber nützlich und lehrsam, einmal über die Gründe zu sprechen, die uns zu solchen Einschränkungen zwingen. Das Papier ist, wie jeder weiß, ein Werkstoff, dessen Hauptgrundlage das Holz ist, Deutschland ist aber seit jeher ein Holzeinfuhrland. Durch den Krieg ist die Einfuhr bedeutend eingeschränkt worden. Erstens, weil die Devisen zu anderen kriegswichtigeren Dingen benötigt werden, und zweitens, weil der Schiffsraum, der früher der Holzeinfuhr diente, heute dem ungleich wichtigeren Nachschub und anderen Zwecken dienstbar gemacht werden muß. Dazu kommt noch die Tatsache, daß die Papierherstellung und Papierzustellung ganz gewaltige Transportmittel brauchen, und zwar in einem Maße, über das sich der Leser kaum einen richtigen Begriff machen wird.
Ein paar Beispiele sollen daher dieses Problem verständlicher machen. Die Innsbrucker Nachrichten und die Neueste Zeitung brauchen im Durchschnittsbedarf monatlich 54.000 Kilogramm Rotationspapier. Für den Transport nach Innsbruck sind für diese Papiermengen in jedem Monat sechs Eisenbahnwaggons notwendig. Im Jahr sind es zwei Güterzüge mit je 32 Waggons, die das Papier nach Innsbruck bringen. Ein bildlicher Vergleich mag diese Menge noch besser veranschaulichen: Würde man die großen Rotationspapierrollen, wie unsere Skizze zeigt, aufeinander türmen, so würde diese Papiersäule, die den Jahresverbrauch der I[nnsbrucker] N[achrichten] darstellt, über das Hafelekar hinaus ragen. Die Säule wäre mehr als 1800 Meter hoch, was also der relativen Höhe der Nordkette entspräche.
Da es in jeder größeren deutschen Stadt Zeitungen gibt, so ist ersichtlich, welch umfangreiche Mengen an Transportmitteln die Presse erfordert. Wesentliche Einschränkungen waren also unumgänglich notwendig.
Nun wäre es aber ein Irrtum, wenn der Leser aus der Verringerung seiner Zeitung die Forderung nach einer Verbilligung erheben würde. Wer etwa glaubt, daß die Verlage durch den geringeren Papierverbrauch 'verdienen' würden, der täuscht sich gründlich, denn das haargenaue Gegenteil ist der Fall. Eine Zeitung wird nämlich keineswegs durch den Bezugspreis oder aus dem Erlös des Einzelverkaufs finanziert, sondern zum weitaus größeren Teil durch die Anzeigen. Gerade diese sind im Kriege den stärksten Einschränkungen unterworfen. Die Einnahmen sind also durch den verringerten Papierverbrauch nicht größer, dafür aber wesentlich geringer geworden. Da der Papierpreis bei einer größeren Zeitung in der Bilanz keine besondere Rolle spielt, gemessen an den anderen Unkosten, so ist es verständlich, daß alle anderen Ausgaben zumindest die gleichen geblieben sind, während, wie gesagt, das Anzeigengeschäft außerordentlich stark gedrosselt erscheint.
An all das mag der Leser und die Leserin denken, wenn die dünnere Zeitung früh morgens in das Haus kommt. Niemand bedauert diese notwendigen Einschränkungen ja mehr als wir Zeitungsleute selber, denn es ist nun einmal so, daß ein Schriftleiter umsomehr Freude an seiner harten Arbeit hat, je mehr er seinen Lesern bieten kann.
Daß die Leserschaft für die Einschränkungen wirklich Verständnis hat, beweisen nicht zuletzt die dauernd ansteigenden Auflageziffern aller deutschen Tageszeitungen im Kriege. Diese erfreuliche Entwicklung bestätigt eben nur die Tatsache, daß die Zeitung im Kriege noch unentbehrlicher als früher geworden ist."
Autor: Manfred Schneider
Stand: 31. Juli 2014