Zusammenfassung 1938
Das Jahr 1938 ist auch in kulturellen Belangen durch den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich geprägt. Nachdem die Nationalsozialisten im März die politische Macht in Österreich übernommen hatten, wurden nach und nach die Institutionen des Kulturbetriebs und der Inhalt von Kultur im nationalsozialistischen Sinne umgewidmet und für die Propaganda der nun maßgeblichen, alleinig das öffentliche Leben bestimmenden Ideologie eingesetzt. Diese Strategie des überaus wirksamen Gebrauchs von Kultur für propagandistische, ideologisch fundierte Zwecke wurde in stringenter Konsequenz nach dem Vorbild im „Altreich“ durchgezogen. Dieses rigorose Vorgehen betraf vorerst vor allem die größeren kulturellen Einrichtungen, bewirkte aber in rascher Folge die nahezu völlige und unausweichliche Präsenz nationalsozialistischen Gedankenguts im öffentlichen, vielfach ebenso im privaten Leben.
Stadttheater Innsbruck – Gaubühne – Exl-Bühne
In der Vermittlung von Kultur mit gehobenem Anspruch war das Stadttheater Innsbruck die zentrale Institution im Gau Tirol-Vorarlberg. Neben dem Schauspiel und der Oper wurden dort vorrangig Operetten gegeben. Im März 1938 zum Beispiel wurden neben Verdis Troubadour, Mozarts Zauberflöte oder Rossinis Barbier von Sevilla Lehárs Giuditta und Strauß’ Zigeunerbaron gespielt. Wenngleich dieses Programm noch aus der Spielzeit 1937/38 stammte, für das die in der Zeit des Austrofaschismus eingesetzte Intendanz verantwortlich zeichnete und das im gewissen Sinn dem üblichen Erwartungsrepertoire des damaligen Publikums entgegenkam, so begann gleichzeitig und massiv die ideologische Einflussnahme der NSDAP. Dies betrifft sowohl die Programmgestaltung als auch die Nutzung des Hauses für politische Zwecke. Beispielsweise musste die Abendvorstellung vom 18. März 1938 der Übertragung der Reichstagssitzung mit der Rede des „Führers“, die über Lautsprecher im Theatersaal empfangen wurde, weichen. Als Ende März eine Festvorstellung von Schillers „bürgerlichem Trauerspiel“ Kabale und Liebe auf dem Programm stand, wurde das ideologisch begründet: „Mit Schillers Namen verbindet sich am schönsten von allen deutschen Dichtern der Gedanke der nationalen Einigung, die endlich nun nach einundeinhalb Jahrhunderten auch für uns Österreicher wieder Wahrheit wurde.“ Im Theater konnte nun durch propagandistische Aktionen das Gemeinschaftsgefühl, der nationalsozialistische Gedanke der „Volksgemeinschaft“ mit entsprechend programmierten Veranstaltungen kultiviert werden. Ein Beispiel dafür ist der „Bunte Nachmittag“ als Werbeveranstaltung für die Volksabstimmung am 10. April, in seiner volkstümlichen Abfolge von Operettenouvertüre, Männerchorgesang, Auftritt eines Ziehharmonikaorchesters und Darbietung eines Lustspielakts. Ein Humorist führte durch das Programm. Derselben ideologischen Intention einer „Tat der Volksgemeinschaft“ entsprach die Festaufführung von Schillers Wilhelm Tell am 7. April im Innsbrucker Stadttheater durch „prominenteste und beste Kräften“ des „Staatlichen Schauspielhauses“ in München. Die Innsbrucker Nachrichten vom 8. April 1938 berichten dazu auf Seite 10: „Das schönste Ziel der nationalsozialistischen Bewegung, unserem Volke bis in seine tiefsten Verzweigungen nicht nur die materiellen, sondern auch die geistigen und kulturellen Güter der Nation zu erschließen, hätte nicht weihevoller und würdiger verkündet werden können […]. Unser arbeitendes Volk in all seinen Klassen, ohne sozialen und gesellschaftlichen Unterschied war vertreten.“ Die nationalsozialistische Ideologie legitimierte ihre umfassende Einflussnahme auf das Theatergeschehen zum einem mit sozialen Grundsätzen, nämlich dass der Theaterbesuch nicht allein ein Vorrecht begüterter Kreise sein dürfe, sondern dass prinzipiell alle Leute aus der Bevölkerung Zugang haben sollten; zum anderen wurde durch dieses Bestreben der Einbindung breiter Volksschichten in die Anteilnahme an der Hochkultur ganz bewusst der deutsche Kulturimperialismus indoktriniert. Bezeichnend dafür ist ein Zitat in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. April 1938 auf Seite 10, im Rahmen der Berichterstattung zur Aufführung des Wilhelm Tell: „Aber nicht nur das: indem der tätig Schaffende immer mehr und mehr mit den Schätzen des Geistes und der Kunst vertraut wird, wird sein Stolz und seine Freude, diesem großen deutschen Volk anzugehören, immer tiefer gegründet und sicherer unterbaut. Er lernt immer mehr und mehr verstehen, wie viel Grund wir alle haben, unser Volk so zu lieben und gläubig unser Deutschland, Deutschland über alles zu singen, denn wo gibt es ein Volk der Erde, das eine solche Fülle kultureller Leistungen hervorgebracht hat, wie das deutsche.“
Reichsminister Dr. Goebbels ließ dem Innsbrucker Stadttheater 1938 eine namhafte Subvention zukommen. Hinter dieser Großzügigkeit stand natürlich der Gedanke der eminenten Gebrauchsfähigkeit solcher Kulturstätten für die Parteipropaganda. In den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juni 1938 wird erklärt, „daß auch unsere Theaterkultur sich des Schutzes und der großzügigen Förderung durch die nationalsozialistische Staatsführung erfreut, daß auch für unsere Stadtbühne eine schöne, bessere Zukunft anbricht“. Neben der organisatorischen Umstrukturierung und der gründlichen Sanierung des Gebäudes sollte auch programmatisch das Gesamtkonzept in parteikonformen Bahnen verlaufen. Dazu wurde die Theaterleitung neu und mit parteigetreuen Gefolgsleuten besetzt. Neuer Intendant wurde der Wiener Parteigenosse Robert Hellwig. Zu seinem Stellvertreter ernannten die zuständigen Stellen den Innsbrucker Parteigenossen Max Alexander Pflugmacher, für den sich insbesondere der Gaukulturwart Dr. Siegfried Ostheimer und Innsbrucks Bürgermeister Dr. Egon Denz eingesetzt hatten. Pflugmacher, der in der Folge ein enges Vertrauensverhältnis zu Gauleiter Hofer gewann, wurde einer der einflussreichsten Funktionsträger im Kulturbereich des Gaues Tirol-Vorarlberg.
Die neue Intendanz setzte sogleich Aktionen im Sinne der Partei-Ideologie. Was von ihr jedenfalls erwartet wurde, steht in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Juni 1938 auf Seite 6: „Gilt es doch von nun an das ganze Volk bis in die letzten Verzweigungen teilnehmen zu lassen an dem Kulturgut des Theaters, alle, wirklich alle, besonders jene Kreise, denen bisher ein Theaterbesuch unmöglich war, zu erfassen.“ Um diese Absicht zu verwirklichen, hatte der Intendant einen Abonnementplan ausgearbeitet, „der es allen ermöglicht, lebendiges Mitglied der großen Gemeinschaft der Kulturschaffenden und Kulturträger zu werden“ (Innsbrucker Nachrichten vom 3. September 1938, Seite 11). Das Abonnement umfasste 27 Aufführungen und wurde nach neun Monatsraten eingeteilt. Jede Rate bestand aus drei Vorstellungen im Monat, und zwar aus zwei Sprechstücken (Schauspiel, Lustspiel oder Volksstück) und einer Operette. Zu den wenigen Operngastspielen erhielten die Abonnenten bevorzugten Zugang. Durch eine moderate Gestaltung der Eintrittspreise sollte gewährleistet werden, was die Städtische Bühne Innsbruck „zu ihren vornehmsten Pflichten“ zählte: den Theaterbesuchern „den Feierabend zu bieten, nachdem sie sich sehnen und auf den alle nach getaner Arbeit Anspruch haben“ (Innsbrucker Nachrichten vom 3. September 1938, Seite 11).
Unter solchen Auspizien eröffnete Gauleiter Hofer am 16. September 1938 die neue Spielzeit, „die erste Spielzeit im Großdeutschen Reich, somit die erste Spielzeit nach den Forderungen unserer nationalsozialistischen Weltanschauung“, wie in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. September 1938 vorausschauend berichtet wird. Über die parteipolitisch adäquate Programmfolge ist dort weiters zu lesen: „Mit dem Meistersinger-Vorspiel von Richard Wagner, der Festmusik so vieler deutscher Kulturveranstaltungen, beginnt die Weihe des Hauses. Es spielt das neue Städtische Orchester unter Leitung von M[ax] A[lexander] Pflugmacher. Gauleiter A[lfred] E[duard] Frauenfeld wird in einer grundlegenden Kulturrede uns alle, die Bevölkerung wie die neue Leitung der Städtischen Bühne, in die nach dem Willen des Führers ausgerichtete Bahn weisen.“ Als Eröffnungsvorstellung wurde Friedrich Forsters Drama Alle gegen einen – einer für alle auserwählt, ein in seiner Dramaturgie ideal in das Geschehen der Zeit passendes Stück. „Es ist die Kampfgeschichte Gustav Wasas, des Führers und Königs des schwedischen Volkes, um die Freiheit und Unabhängigkeit vom dänischen Joch. Ein Stück – ‚aktuell’ in des Wortes bester Bedeutung“ (Deutsche Volkszeitung vom 22. September 1938, Seite 9). „Alle Plätze des Theaters waren mit einer festlich gestimmten und gekleideten Menge gefüllt, in der das Braun und Schwarz der Parteiuniformen vorherrschte“ (Innsbrucker Nachrichten vom 17. September 1938, Seite 5).
Der Zugang zum Theater für weite Volkskreise wurde vor allem durch die Organisationsfreudigkeit der nationalsozialistischen Gemeinschaft Kraft durch Freude (NS-Gemeinschaft KdF) ermöglicht. Diese äußerst aktive Parteiformation der Deutschen Arbeitsfront verschaffte durch gezielte und rührige Propaganda der Innsbrucker Bühne eine breite Akzeptanz. Ihre kulturpolitische Intention ging aber weit darüber hinaus. Die KdF strebte danach, ihr Wirken auf den ganzen Gau auszudehnen. Dieses Ziel fand die entschiedene Befürwortung von Gauleiter Franz Hofer, der die Schaffung eines „Zweckverbandes“ aller Interessenten vorschlug, „um auch in unserem Gau der Bevölkerung auf dem Lande vollwertige Schauspielkunst in leicht erreichbarer Nähe und mit erschwinglichem Kostenaufwand zugänglich“ zu machen (Innsbrucker Nachrichten vom 3. September 1938, Seite 12). Explizit führte Gauleiter Hofer aus, dass es sich bei dieser Initiative um eine Verpflichtung handle „und dies besonders deshalb, weil die Landbevölkerung, hauptsächlich die bäuerliche, von den übrigen KdF.-Einrichtungen, etwa den KdF.-Reisen, nicht erfaßt werden kann. In irgendeiner Weise muß ihnen [richtig: ihr] Ersatz geboten werden. Die Theateraufführungen auf dem Lande sind dafür bestimmt, diese Lücke in der KdF.-Arbeit zu schließen“. Der Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. September endet mit folgender Feststellung: „Damit ist nun wieder ein nationalsozialistisches Gemeinschaftswerk geschaffen, dessen Bedeutung umso klarer wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß eines der bedeutendsten Ereignisse der Nürnberger Parteitage die Kulturtagung und die erste ganz große Rede des Führers eine Kulturrede ist. Schon dieser Umstand unterstreicht die außerordentlich große Bedeutung jeder Art kultureller Tätigkeit; ganz besonders gilt dies aber von jedem Beginnen, das die Kunst in die breite Masse des Volkes trägt, den unendlichen Schatz von Frohsinn und Schönheit des deutschen Kulturschaffens auch dem letzten Volksgenossen vermittelt und ihn damit anerkennt als gleichwertiges Mitglied der großen Gemeinschaft aller Deutschen.“
„Deutsche Bühnenkunst für alle Volksgenossen“ lautet die Schlagzeile der Deutschen Volkszeitung vom 8. Oktober 1938 auf Seite 8. Dort wird über die Gründung der „Gauwanderbühne des Gaues Tirol“ berichtet: „Die Erkenntnis, daß das Innsbrucker Stadttheater nicht ausreicht, um den ganzen weitgedehnten Gau mit echter deutscher Bühnenkunst vertraut zu machen, hat zu ihrer Gründung geführt. Sie will hinausgehen in die kleinen Städte und Dörfer unserer Bergheimat und will dort allen Volksgenossen ein paar Stunden Freude und der Erholung bereiten […]. Und so kommt eben die Bühne hinaus zu ihnen aufs Land und zeigt ihnen, daß es dem Nationalsozialismus ernst ist mit dem Wollen, Deutsche Bühnenkunst allen zugänglich zu machen.“ Die Gauwanderbühne, organisatorisch der Intendanz des Stadttheaters Innsbruck unterstellt, war meist mit einem vergnüglichen Stück unterwegs. Die erste Vorstellung der Gaubühne Tirol-Vorarlberg, so der offizielle Name der Wandertruppe, fand in Matrei am Brenner mit dem Lustspiel Der Etappenhas’ von Karl Bunje statt. Am nächsten Tag folgten Aufführungen in Telfs und Axams.
Auch im Haupthaus, dem Innsbrucker Stadttheater, waren die Vorstellungen in der Regel gehobener Unterhaltung gewidmet. Beim Musiktheater gab es, ausgenommen das Operngastspiel mit Gästen der Staatsoper München und Mozarts Entführung aus dem Serail, durchwegs Operettenaufführungen: Lehárs Land des Lächelns, Waldmeister von Johann Strauß oder als Innsbrucker Novität und Weihnachtspremiere die Maske in Blau von Fred Raymond. Großes Theater wie Shakespeares Der widerspenstigen Zähmung, blieb in dieser Spielzeit eine Ausnahme.
Für Zwecke parteipolitischer Propagandaaktionen wurde das Innsbrucker Stadttheater so vielfach wie selbstverständlich herangezogen. Neben den bereits eingangs erwähnten Veranstaltungen fanden dort „Weihestunden“ statt, etwa zum Gedenken an den Putsch der Wiener Nationalsozialisten im Juli 1934, am 25. Juli 1938 unter Mitwirkung des Innsbrucker Orchesters oder eine „Festvorstellung“ zur Ehrung von Parteigrößen. Am 11. August 1938 wurde Karl Schönherrs Erde aufgeführt als Repräsentationsstück anlässlich des Besuchs der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink in Innsbruck. Nicht zuletzt gestaltete sich die Eröffnungszeremonie der neuen Spielzeit 1938/39 zu einem ideologisch der Partei konformen Fest. Für die „Heldengedenkfeier“ am 9. November 1938 bot erneut das Innsbrucker Stadttheater den festlichen Rahmen.
Die Sommerspielzeit gestaltete die Exl-Bühne. Diese war eine überregional renommierte Theatertruppe, die durch Gastspiele im nahezu ganzen deutschen Sprachraum Bekanntheit erlangt hatte. Ihre Spezialität war das gehobene Unterhaltungstheater und insbesondere das Repertoire der Tiroler Star-Dramatiker Karl Schönherr und Franz Kranewitter. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Präsentationen bestand in Stücken von Ludwig Anzengruber. Ein weiteres zentrales Anliegen ihrer Bühnenkunst galt belustigenden Volkstücken von Julius Pohl. Er war gewissermaßen der „Hausdichter“ der Exl-Bühne, seine Stücke überragten das Niveau der sonst vielfach üblichen Klamaukware weit. Das Gesamtkonzept des künstlerischen Wirkens der Exl-Bühne war somit bestens mit dem Kulturverständnis der Nationalsozialisten kompatibel. Infolgedessen stieg der propagandistische Wert der Exl-Bühne enorm. Ihre aktiven Mitglieder waren völlig offen für die ideologische Beeinflussung vonseiten der Nationalsozialisten, sie ließen sich demnach wie selbstverständlich in den kulturpolitischen Dienst des Regimes eingliedern: Im Rahmen ihres Gastspiels am Wiener Bürgertheater fand zu Hitlers Geburtstag die Uraufführung des Stückes Ein Deutscher lügt nicht des Tiroler Dramatikers Hans Renz statt. Dieses hat die Heldentaten des Tiroler Freiheitskämpfers Peter Mayr von 1809 zum Inhalt. Die Innsbrucker Nachrichten brachten am 8. April 1938 auf Seite 10 dazu einen kurzen Vorbericht mit dem Hinweis, dass „die Spitzen der NS.-Kreise Wiens“ bei der Festvorstellung anwesend sein würden. Das Stück gab auch die repräsentative Eröffnungsvorstellung der Exl-Bühne ihrer Innsbrucker Sommerspielzeit im Stadttheater Innsbruck am Pfingstsamstag, den 4. Juni 1938, ab. Ein weiteres „Blut-und-Boden-Stück“, Karl Schönherrs Glaube und Heimat, wurde von der Exl-Bühne zum Gedenktag des Putsches der Nationalsozialisten in Österreich in einer Neuinszenierung am 24. Juli 1938 herausgebracht. Eintrittskarten dafür waren zu verbilligten Preisen bei den Ortsgruppen der NSDAP erhältlich. Der Berichterstatter dieses Ereignisses hob in der Deutschen Volkszeitung vom 25. Juli 1938 besonders die symbolisch assoziative Bedeutung der Stückwahl hervor, weil Schönherrs Drama „in so herrlicher Weise Heldenmut und Überzeugungstreue versinnbildlicht und dadurch zu wahrhaft erhebendem Auftakt für die Erinnerungsstunde an die Kämpfe vom Juli 1934 wurde[…]. Aus jeder Szene der prächtigen Aufführung am Sonntagabend […] sprach jener unerschütterlicher Glaube an den endlichen Sieg, der auch dem Nationalsozialismus der Ostmark in fünf schweren Jahren immer treu geblieben ist“. Zahlreiche Vertreter von Partei und Behörden nahmen die Festvorstellung zum Anlass, der Exl-Bühne ihre Reverenz zu erweisen.
Welch propagandistischen Wert die Tiroler Nationalsozialisten der Exl-Bühne beimaßen, zeigte sich auch bei der Festvorstellung zur offiziellen Eröffnung der Sommerspielzeit, die sich Gauleiter Hofer mit den obersten Vertretern der Behörden nicht entgehen ließ. Gau-Kulturleiter Dr. Siegfried Ostheimer sprach zu dieser Veranstaltung Begrüßungsworte.
Volksbühne – Heimatbühne – Breinößlbühne – Bauerntheater
Um das niveauvolle Volkstheater nach dem Vorbild der Exl-Bühne weiteren Kreisen der Bevölkerung und insbesondere den Touristen in Tirol zugänglich zu machen, hat die Innsbrucker Urania im Sommer 1938 eine Wanderbühne mit der Bezeichnung Tiroler Volksbühne initiiert. Die Leiterin der Urania Dr. Ehrentraut Straffner hat in der Neuesten Zeitung vom 16. Juli 1938 in der Beilage Lebendiges Tirol ausführlich von Sinn und Zweck der Gründung berichtet. Hauptanliegen der Initiative sei, „den vielen aus dem Altreich in Tirol weilenden Sommergästen die Möglichkeit“ zu geben, „mit einer charakteristischen alpenländischen volkstümlichen tirolischen Kunstform, mit dem Volksschauspiel, bekannt zu werden“. Nur in Tirol habe sich die volkstümliche Spielfreudigkeit zur Hochkunst entwickelt. „Tirol hat in Karl Schönherr und Franz Kranewitter dem deutschen Volke zwei Dichter geschenkt, die dem Volksspiel klassische Prägung gegeben haben […]. Von diesen Gesichtspunkten aus bestand die Verpflichtung allen jenen Gästen aus dem Altreich, die nicht Gelegenheit haben, die Exl-Bühne im Innsbrucker Stadttheater zu besuchen, das Tiroler Volksspiel, das für unsere schöne Heimat ebenso bezeichnend ist, wie unsere himmelragenden Berge, wie unsere schönen Trachten, wie unsere Volkstänze und Volkslieder, zu zeigen.“
Die Tiroler Volksbühne als neue Institution für tirolischen Kulturpatriotismus und Exhibitionismus, deren wichtigste Schauspieler durch die Schule der Exl-Bühne gegangen waren, hatte aber nach wenigen Aufführungen unter ihrem Spielleiter Franz Werner keine allzu lange Bühnenpräsenz. Die wurde bald von den zwei Gaubühnen ersetzt, die durch die Lande zogen und künstlerisch wie organisatorisch der Innsbrucker Theaterintendanz unterstanden. Vermutlich war der politische Einfluss der Exl-Bühne so groß, dass ein in seiner ganzen Intention und Programmgestaltung ähnlich empfundenes Konkurrenzunternehmen wie die Tiroler Volksbühne im Gau keinen zusätzlichen dauerhaften Platz finden konnte.
Das belustigende Bauerntheater mit der „Bauernposse“, der „heiteren Dorfkomödie“ oder dem „ländlichen Schwank“ war in der Gauhauptstadt traditionsgemäß der Breinößlbühne vorbehalten, die im gleichnamigen Großgasthaus ihre Wirkungsstätte hatte. Daneben gab es mit ähnlicher Programmatik die Tiroler Heimatbühne im Gasthof Goldener Bär in Hötting, wo bei der musikalischen Pausengestaltung zuweilen die beliebten Volkssänger Geschwister Buchberger mitwirkten, ferner das Freilicht-Theater am Kleinen Steinbruch in Wilten, das vor allem „Lachschlager“ produzierte und unter der Leitung der begabten wie rührigen Schauspielerin Emma Gstöttner stand. Bekannte und traditionsreiche Volksbühnen auf dem Land waren das Stubaier Bauerntheater und die Speckbacher-Bühne in Rinn, die sich gleichfalls dem suggestiven Einwirken des Nationalsozialismus nicht verschließen konnten. In einem kurzen Beitrag über das Stubaier Bauerntheater in der Neuesten Zeitung vom 29. April 1938, Seite 3, wird dazu berichtet: „Nun wird das Stubaier Bauerntheater wieder als Trägerin [!] echter Tiroler Volks- und Heimatkunst vor tausenden deutschen Volksgenossen spielen und wie in den Jahren vor der Grenzsperre für das schöne Stubaital werben, unterstützt durch die gute Musikkapelle unter Othmar Krösbachers Leitung und die Sängergruppe Hans Brandauer. Möge sich aber auch die Jugend dieses Kulturgutes bewußt werden […], auf daß sie alle Anteil haben am Neuaufbau unserer Kultur nach dem Sinne und Wunsche unseres Führers.“
Die Speckbacher-Bühne in Rinn und das „Judenstein-Anderle“
Zum Renommee der Speckbacher Bühne in Rinn gehörte das Volksstück vom „Judenstein-Anderle“. Darin wird die Geschichte vom Ritualmord an einem Kind dargestellt, den nach einer traditionellen und den üblichen antisemitischen Schablonen folgenden Volksmeinung natürlich Juden verübt haben sollten. Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus war diese Schuldzuweisung nicht zuletzt in klerikalen Kreisen gut angekommen. In der Zeit des Austrofaschismus, 1935, nahm sich der „Volksdramatiker“ und damalige Kooperator von Rinn und Chorherr von Stift Wilten Gottfried Schöpf dieses Stoffes mit einer Neufassung an. Gottfried Schöpf (1899-1974) hatte mit seiner Version dem schon im 18. Jahrhundert in einem Textbuch vorliegenden Stück „der Speckbacherbühne in Rinn ein Stück von tiefster Volks- und Bodenverbundenheit geschenkt“. Als zu dieser Zeit jüdische Mitbürger, nachdem sie eine Aufführung gesehen hatten, sich öffentlich über den Inhalt und vor allem über die „Judenszenen“ beklagten, verfügte die Tiroler Landesregierung ein Aufführungsverbot, denn man befürchtete durch das Stück eine „Gefährdung des konfessionellen Friedens“. Für eine weitere Aufführungsberechtigung musste das problematische Volksdrama gekürzt werden; das Wort „Jude“ durfte im gesamten Text nicht mehr vorkommen. Ein Abgesandter der Landesregierung kontrollierte den Verlauf der Vorstellungen. Der ganze Vorgang hatte natürlich großes Presse-Echo gefunden, die Werbewirkung blieb nicht aus. Daraufhin konnte das kleine Theater das gewaltige Interesse und den enormen Zulauf oft nicht befriedigen. Besucher mussten wiederholt wegen Platzmangel durch Gendarmerie und Feuerwehr abgewiesen werden. Triumphierend verkündeten die Innsbrucker Nachrichten am 19. Juli 1938: „Heute feiert Das Judenstein-Anderle – nunmehr in unverkürztem Wuchs, in der Urfassung – das Jubiläum seiner fünfzigsten Aufführung. Über die neu asphaltierte Aldranser Straße bringen ein Dutzend Postkraftwagen eine Menge von Gästen aus der Stadt herauf. Aber auch aus der Umgebung kommt die bäuerliche Bevölkerung zum Spiel, sogar von Wattens und Weerberg herauf; die Ellbögener haben fünfzig Leute angekündigt und kommen mit einer Hundertschaft. Daher gibt es vor dem hölzernen Spielhaus der Speckbacherbühne ein heftiges Gedränge, 150 Menschen fasst das kleine Theater und die doppelte Anzahl wartet auf Einlaß.“ 1954 erlebte das fragwürdige Stück von Schöpf seine 100. Aufführung.
Die Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde
Die Reglementierung des kulturellen Volkslebens nach ihren ideologischen Prinzipien war für die Nationalsozialisten von grundlegender Bedeutung. Zur Verwirklichung dieser Strategie einer nahezu totalitären Präsenz und zur Koordinierung, Disziplinierung und Überwachung dieser Bestrebungen wurde im November 1938 eine „parteiamtliche Gauarbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde“ gegründet, die den „Hoheitsanspruch der Partei auf wissenschaftliche Volkskunde und praktische Volkstumsarbeit“ sicherstellen sollte: Dies ist einem Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. November 1938 auf Seite 5 zu entnehmen: Die von Gauschulungsleiter Dr. [Fritz] Mang als Mitglied der NSDAP geleitete Institution verwirklicht „eine Zusammenarbeit aller Gliederungen der Partei und der ihr angeschlossenen Verbände auf dem weltanschaulich so bedeutsamen Gebiete der wissenschaftlichen Volkskunde, der Heimatforschung und praktischen Volkstumsarbeit“. Damit sei die „weltanschaulich einheitliche Ausrichtung der gesamten Parteiarbeit“ gewährleistet. „Die Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde stellt deshalb eindeutig und bedingungslos die wissenschaftliche Volkskunde und praktische Volkstumsarbeit unter den ausschließlichen Hoheitsanspruch der Partei. Ihr Arbeitsgebiet wird durch die Referate ‚Wissenschaft, Presse und Schrifttum, Volkstumsarbeit, Schulung und Feiergestaltung’ gekennzeichnet, deren Verwaltung in der Reichs- und Gauarbeitsgemeinschaft der jeweils auf diesem Gebiete aktivsten und besterfahrenen Gliederung überlassen ist.“ Im Bericht wird abschließend betont: „Entscheidend ist die Gauarbeit und Pflege der landschaftlich gebundenen völkischen Überlieferungswelt, die nun auch im Gau Tirol-Vorarlberg der Gauarbeitsgemeinschaft der deutschen Volkskunde zu treuen Händen übertragen ist, nachdem Gauleiter Hofer durch die bewusste Förderung des Schützen- und Volkstrachtenwesens auf den wichtigsten Gebieten dieses Arbeitsbereiches bereits vor längerer Zeit entscheidende Maßnahmen ergriffen hat.“ Gemeint ist damit die bereits erfolgte Gründung des Standschützenverbandes.
Die Volkstumspflege
Die sog. „Volkstumsarbeit“ war aber bereits in vielfacher Weise im Gang, sie bedurfte nur mehr der angestrebten Koordinierung. Schon im Mai 1938 wurde auf Initiative der Hitler-Jugend ein „HJ-Tanzkreis“ aufgebaut, der dem „Grenzland-Deutschtum“ gewidmet war und wo Tänze aus dem Sudetenland und anderer Grenzlandregionen vorgeführt und praktisch geübt wurden. Der Sinn dieser Programmatik war, zu demonstrieren, dass „nirgends die lebendig wirkenden Kräfte der deutschen Nation so stark sind, wie im Grenzland-Deutschtum“. Diese Erklärung lieferte die Deutsche Volkszeitung vom 30. April 1938 (Seite 22). Ferner: Im Grenzland hätte sich aus einer Abwehrstellung heraus das deutsche Volkstum klarer und reiner bewahrt als im geschlossenen deutschen Gebiet. Darum könne man in der Begegnung mit dieser Kultur den eigenen Sinn für das wahre Deutschtum vertiefen. Initiator dieser zum ideologischen Bildungsprogramm der Hitler-Jugend zählenden Veranstaltungen war Jörg Bayr. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde er dabei von Fritz Engel unterstützt, der sich seinerseits mit einer Vielzahl musikalischer Projekte aktiv im Sinn der nationalsozialistischen Kulturpflege betätigte. Unter anderem begründete Fritz Engel das „Volksliedersingen“ im Konzertsaal des Innsbrucker Musikvereins oder das „Weiherburgsingen“ in romantischem Ambiente unter freiem Himmel. Zum ersten Volksliedersingen erschien in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. Mai auf Seite 6 folgende Ankündigung: „Die offenen Singstunden sind Liederstunden des Volkes. Das Singen steht heute im Mittelpunkt jeder Fest- und Feiergestaltung. Auch im Alltag darf das Lied nicht fehlen. Noch ist uns die gewaltige Wucht des gemeinsamen Singens aus den Tagen der Erhebung in frischer Erinnerung. Keiner konnte sich der packenden Wirkung entziehen. Volk und Reich heißt das Liederblatt der nächsten Singstunde. Es kann für 5 Reichspfennig erworben werden. Die Teilnahme ist für jedermann frei. Ort. Musikverein. Beginn: 8.10 Uhr. Leitung: Fritz Engel.“
Fritz Engels Initiative wurde in der Folge in das Veranstaltungskonzept der NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude eingegliedert und als „Volksliedersingen jeden Montag zum Feierabend“ beworben. Diese Veranstaltung, die sich großer Beliebtheit erfreuten, fand im Claudiasaal (Herzog-Otto-Straße 4) statt, wurde aber, aus welchen Gründen auch immer, schon nach dem ersten Abend in den Saal Bürgerstraße 10 verlegt. Fritz Engel war damals Leiter der Abteilung Volksmusik in der Gaumusikschule für Jugend und Volk. Bald hat er aber eine bedeutende Karriere in der Kulturverwaltung der NSDAP gemacht, schließlich wurde er Gauamtsleiter.
Den Prototyp einer nationalsozialistischen „Feierabendgestaltung“ mit klingenden Requisiten aus dem Volkstum hatte der Lehrer und „Parteigenosse“ Norbert Wallner geschaffen. Sein Konzept unter dem Titel „Tirol in Lied und Tanz“ ging im Großen Stadtsaal am 11. August 1938 über die Bühne und vermittelte „einer frohen Menschenmenge [...] ein ganz neues Erlebnis“. Dazu wird in der Deutschen Volkszeitung vom 12. August auf Seite 7 ferner ausgeführt: „Die erste Veranstaltung dieser Art in unserem Gau war vor allem dadurch ausgezeichnet, daß sie sich weit von den herkömmlichen ‚Vorführungen’ entfernte und nur durchaus echtes, arteigenes und ungekünsteltes Volkstum in Musik, Lied und Tanz zu Worte kommen ließ.“ Das Programm vereinte in bunter Abfolge die „Kreismusikkapelle aus Mühlau in Burggräfler Tracht“, die Mühlauer Sängervereinigung und eine Jugendgruppe aus Mils, die Volkstänze vorführte. Besonders gefiel Max Depolo, dessen urwüchsige Lieder zur Laute „große Heiterkeit und Zustimmung auslösten“. Das gesamte Abendkonzept war in seinem inneren Wesen auf die Stiftung von Identifikation ausgerichtet. Alle Elemente der Darbietungen zielten auf die Aktivierung von Gemeinschaftsgefühl ab, sei es durch Musik und Tanz, durch die Tracht oder auch durch die Sprache. Die Anwesenheit von Gauleiter Hofer und einer Reihe führender Parteifunktionäre bezeugen nachdrücklich die ideologische Vereinnahmung.
Das Resümee zu dieser Veranstaltung in der Deutschen Volkszeitung lautet folgerichtig: „Es war wirklich ein Feierabend, der Gemüt und Herz erfreute und alle Anwesenden zu einer einzigen großen Familie verband.“
Im Bereich der Jugenderziehung hatte die „Volkstumsarbeit“ einen bedeutenden Stellenwert. Das Wochenblatt der Landesbauernschaft Alpenland vom 5. November 1938 berichtet auf Seite 21 von einem Ausbildungslager der Jugendwarte in Imst und verweist dabei ausdrücklich auf die Bedeutung von Volkslied und Volkstanz für die ideologiegerechte Erziehung der Jugendlichen.
Volkstanz und Musikkapellen
Ähnlich verlief das Programm bei einem „Volksfest in der KdF.-Halle“ Innsbruck im Oktober 1938, das die NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freudeveranstaltet hatte. Die äußerliche Omnipräsenz der Partei war schon durch den „Schmuck“ der Halle mit Hakenkreuzwimpeln, Parteifahnen und Flaggen, goldenen Girlanden und bunten Kränzen gegeben. Über die inhaltliche Gestaltung gibt ein Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 17. Oktober 1938 auf Seite 5 Auskunft: „Auf einem erhöhten, tannenumkränzten Podium in der Mitte des Saales führten der Innsbrucker Trachtenverein Landler und der Trachtenverein Vorderer Wald abwechselnd zu den munteren Klängen des Ziehharmonikaspielers Buschmann ihre hübschen Tiroler und Salzburger Volkstänze und Schuhplattler vor und fanden lebhaften Beifall. Auf der Galerie über dem Eingang saß die Gaumusik in Tracht und ihr gegenüber auf der großen Tribüne die Mühlauer Musikkapelle, natürlich ebenfalls in Tracht, und beide spielten nach altem Brauch abwechselnd zum ‚Kirtatanz’ auf, dem sich die tanzlustige Jugend und auch das ‚reifere Alter’ mit Eifer und Ausdauer auf zwei großen Tanzflächen hingaben.“
Zwei andere Tiroler Musikkapellen hatten die „Einberufung“ erhalten, vor dem „Führer“ zu spielen. Die Innsbrucker Nachrichten vom 14. November 1938 bringen dazu auf Seite 5 eine Notiz unter dem Titel „Tiroler Trachtenkapelle vor dem Führer“: „Die Bürgermusikkapelle Seefeld hat die ehrende Einladung erhalten, in der Zeit vom 15. bis 28. d[ieses] M[onats November 1938] am Reichbauerntag in Goslar mitzuwirken. Die 37 Mann starke Kapelle wird am 27. d. M. in ihrer Tracht dem Führer vorgeführt werden. Dies ist die erste Kapelle vom Alpenland Nordgau, der diese Auszeichnung zuteil wird. Vom Alpengau Südgau ist die Trachtenmusikkapelle von Matrei i. O. einberufen worden.“ Auf die Musikkapelle Seefeld dürfte die Wahl gefallen sein, weil Seefeld eine „Hitlergemeinde“ war, das heißt, dass die Einwohner bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 zu 100% für die Legitimation des „Anschlusses“ und damit für Adolf Hitler gestimmt hatten.
Symphonie- und Kammerkonzerte in Innsbruck
Die traditionell reichen und vielfältigen Konzertaktivitäten wurden fortgeführt, dabei ganz allgemein in nationalsozialistische Präferenz umgewandelt. Diese neue Konzeption betraf vielfach sowohl die Zweckbestimmung der Konzerte als Rahmen für öffentliche ideologische Demonstration als auch damit verknüpft deren programmatische Gestaltung. Diese war weitgehend auf die Vorführung der (angeblichen) Überlegenheit „deutscher“ Musik ausgerichtet. Das „Sechste Symphoniekonzert“ der Konzertsaison 1937/38 zum Beispiel, das noch unter der Ägide der alten Intendanz programmiert worden war, wurde in ein „Festkonzert zur Feier der Wiedervereinigung“ umgewidmet (Deutsche Volkszeitung vom 21. April 1938, Seite 7): Es wurde thematisch neu konzipiert mit Wagners Meistersinger-Ouvertüre, Beethovens 5. Klavierkonzert und der genialen Beethoven-Interpretin Elly Ney als Solistin und Bruckners 4. Symphonie.
Die Leitung hatte Musikdirektor Fritz Weidlich. Er konnte sich im nationalsozialistischen System halten, nicht nur, weil er mit den Kulturansichten der NS-Ideologie weitgehend konform ging, sondern auch als hervorragende Musiker- und Dirigentenpersönlichkeit. Weidlich leitete zudem das Konservatorium in Innsbruck als Direktor, er war besonders angesehen als Pianist. Vielfach übernahm er bei Gastkonzerten auswärtiger Künstler die Begleitung am Klavier. Wie sehr bei ihm die Musik im Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses stand und weniger die Ideologie, zeigt das Faktum, dass er es wagte, bei einem Klavierabend im November 1938 das Allegro barbaro des von den Nationalsozialisten als „entarteten Künstler“ eingestuften Béla Bartók öffentlich zu spielen. Neben den Symphoniekonzerten im Großen Stadtsaal wurden im Konzertsaal des Innsbrucker Musikvereins die „Kammermusikabende“ als Zyklus mehrerer Konzerte fortgeführt. Ausführende waren meist das Innsbrucker Streichquartett unter seinem Primarius Roman Wisata. Auch hier schien ein freizügigerer Geist zu herrschen. Zwar bemängelte der Kritiker des Kammermusikabends Ende Mai 1938 die „etwas befremdende Zusammensetzung“ des Programms, gestand aber zu, dass sie „ihre Erklärung jedoch darin findet, daß die Wiedergabe des Ravelschen F-dur-Streichquartetts als Gedenkfeier für den Ende 1937 verstorbenen Tonsetzer gedacht war“ (Innsbrucker Nachrichten vom 27. Mai 1938, Seite 10). Auf dem Programm dieses Konzerts standen zudem Werke von Schubert und Beethoven. Wisatas im Maßstab der Nationalsozialisten etwas gewagtere Programmgestaltung fand ihre Fortsetzung bei seinem ersten „Violinabend“ in Innsbruck, wo er gemeinsam mit Fritz Weidlich am Klavier auftrat. Neben Kompositionen von Bach und Brahms trugen die beiden Künstler Stücke von Vitali, Debussy, Paganini und Sarasate vor.
(Gast-) Konzerte von Musikkapellen, Militärmusik, HJ, Laienmusikvereinen
Neben den konventionellen Konzertzyklen in der Gauhauptstadt Innsbruck gab es natürlich ein reichhaltiges Musikleben, das von einer Vielzahl von Musikvereinigungen geprägt war. Nahezu jede Gemeinde hatte ihre eigene Musikkapelle, viele militärische Formationen hatten ihr Musikkorps. Die Hitlerjugend trat nahezu unentwegt mit musikalischen Produktionen öffentlich in Erscheinung. Zahlreich waren verschiedenste musikalische Aktivitäten im Bereich des Volkslebens. Bei Einheimischen und Gästen gleichermaßen beliebt waren die „Hofgartenkonzerte“, die im Sommer täglich außer Montag vom Städtischen Orchester dargeboten wurden. Militärische Musikvereinigungen spielten auf, etwa das Musikkorps des Gebirgsjägerregiments 98 unter Leitung des „Musikmeisters Kurz“ bei einem Konzert am 2. Juli 1938. Bereichert wurde das Konzertleben durch Gastkonzerte. Beispiele dafür sind ein Konzert des Mozart-Chores der Berliner Hitlerjugend in Kufstein am 21. Juli 1938 oder der Besuch der Thüringer Sängerknaben in Innsbruck zu einem Konzert am 28. Juli im Großen Stadtsaal. Hier erklangen Werke von Johannes Brahms und Max Reger, aber auch von neueren Komponisten wie Hermann Grabner, Otto Siegl, Eberhard Wenzel, Christian Lahusen und Erwin Zillinger. Die Chorsätze der zeitgenössischen Komponisten stellten vor allem ideologisch verwertbare Kunst dar. Dr. Ehrentraud Straffner merkt dazu in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. August 1938 auf Seite 7 an, dass von den Stücken der präsentierten Gegenwartskomponisten „der Chor Arbeiten und werben von Wenzel vor allem bemerkenswert“ sei. Zur Buntheit des Veranstaltungsprogramms trugen Konzerte wie das „Frühjahrskonzert des 1. Mandolinen. und Gitarreklubs Innsbruck“ bei, ebenso Zitherkonzerte oder Musikpräsentationen mit Harmonika-Orchester. Zum Zitherkonzert des „Zithermusikvereins Arion“ berichten die Innsbrucker Nachrichten am 11. Mai 1938 auf Seite 8: „Der heimische Zithermusikverein Arion veranstaltete kürzlich im Saale des Gasthofes Breinößl einen Konzertabend. Die Auswahl der Vorträge war eine auf gesundes und wohlgepflegtes Empfinden abgestimmte Hörfolge, die das hier am meisten gepflegte Volksinstrument im Rahmen zeitgemäßer Veredelung und kammermusikalischer Reife zeigte“.
In vielen Kreisstädten gab es ebenso repräsentative Musikveranstaltungen. Über ein „Konzertereignis in Kufstein“, das neben der klanglichen Aura auch schon in seinem äußeren Ambiente ganz die „neue Zeit“ widerspiegelte, berichtet der Tiroler Grenzbote vom 6. April 1938 auf Seite 3: „Zwar ist am Samstag, den 2. April, der Musikzug des Reichsarbeitsdienstes nicht, wie angekündigt, eingetroffen. Für ihn sprang unsere Stadtmusikkapelle ein und gab am Abend, 10 Uhr, vor dem Hotel Egger unter Leitung des Stadtkapellmeisters Max Greiderer ein Konzert, dessen Klänge die Besucher in großer Zahl anzogen. Die Stadt bot ein feenhaftes Bild. Am Adolf-Hitler-Platz leuchteten die Glühbirnen von den Häuserfronten. Eine besondere Augenweide bietet das Rathaus, dessen Stirn- und Straßenseite über und über mit elektrischen Glühlampen übersät ist. Das Elektrizitätswerk hat Bewunderungswürdiges geleistet. Zum erstenmal glühte auch vom Kaiserturm das neue, nach Süden strahlende Riesenhakenkreuz. Diese festliche Beleuchtung übertrifft alles bisher Dagewesene.“
„Unter dem Ehrenschutz des Fachreferenten für Musik des Gaukulturamtes, Professor Dr. Karl Senn“, fand am 3. Juni 1938 im Saal des Hotels Post in Schwaz ein „Festkonzert“ statt, das ausschließlich dem Werk des Schwazer Komponisten Pepi Prantl gewidmet war. Zu Beginn des Konzerts dirigierte der Komponist selbst die Ouvertüre zu seiner „brasilianischen Oper Lara“. Hieran schloss sich eine Begrüßungsrede von Kreisleiter Kunsek, die das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied krönten. Gauleiter Hofer verlieh durch seine Anwesenheit dem Abend die besondere ideologische Weihe. Die Deutsche Volkszeitung vom 7. Juni 1938 schildert auf Seite 4 zum weiteren Verlauf des Abends: Nach der Ansprache des Kreisleiters „betrat der Komponist wieder das Podium und dirigierte eine Reihe musikalischer Skizzen, betitelt: Das Haus auf dem Berg, Phantasien über deutsche Gärten in Brasilien“.
Chorwesen – Gastchöre
Die ideologische Heimat im Musikbereich fand der Nationalsozialismus insbesondere im Chorwesen. Schon im 19. Jahrhundert hatten die Männerchöre das deutsch-nationale Liedgut hochgehalten. Damit waren sie ein Hort patriotischer Gesinnung, wo das Gedankengut der Nationalsozialisten auf fruchtbarstem Boden weiter gedeihen konnte. Die InnsbruckerLiedertafel als älteste Gesangvereinigung der Stadt feierte die Machtübernahme der Nationalsozialisten mit einer „Deutschen Weihestunde“ und einem pompösen, ideologisch durchsetzten Programm im „festlich geschmückten Saale“ des Vereinsheimes in der Bürgerstraße. „Die Freude blickte aus aller Augen“ hielten die Innsbrucker Nachrichten vom 26. März 1938 auf Seite 6 fest. „Nun rühren sich wieder die völkischen Vereine. Noch vor ein paar Monaten stand der Zensor neben ihnen und stöberte in ihrer Betätigung herum: Gesangvereine behandelte er besonders energisch, denn in ihren Gesängen war immer das ominöse Wort ‚Deutsch’enthalten“. Zur Programmfolge der demonstrativ im Sinn der Nationalsozialisten ausgerichteten Festivität gehörten der „Schargesang Deutschland, Du mein Vaterland“,Fanfarenklänge der Hitler-Jugend, die Lesung von Gedichten patriotischen Inhalts, die Würdigung des „Führers“ und seiner Taten „in warmen Worten“ durch den Vereinsvorstand, Anekdoten aus dem Vereinsleben, die die Begeisterung für den Nationalsozialismus belegen sollten, die Ermahnung an die Vereinsmitglieder „zur Erfüllung ihrer deutschen Pflicht“ hinsichtlich der Volksabstimmung am 10. April und schließlich als ideologisches Klangsymbol das Erklingen des Niederländischen Dankgebets sowie der „zwei deutschen Hymnen“, des Deutschlandlieds und des Horst-Wessel-Lieds.„Der hehren Weihestunde“ folgte ein „Kameradschaftsabend“, bei dem sich „in das Zivil des Bürgers [...] sich schon bereits erfreulich das Schwarz und Braun der Uniformen der Bewegung“ mischte.
Die ideologisch konforme Ausrichtung der Chorvereinigungen spiegelte sich natürlich auch in ihren Konzertprogrammen wider. Damit wurde ihre kulturelle Bedeutung für die Partei erst nach außen getragen, ihr propagandistischer Wert wirksam. Das Programm des „Frühlingskonzerts“ des Männergesangvereins Eintracht sei hier stellvertretend erwähnt für eine Reihe ähnlicher Konzertabläufe. Die Deutsche Volkszeitung brachte am 27. Mai 1938 zu diesem Konzert eine Vorschau: „Das Frühlingskonzert des Männergesangvereines Eintracht mit Kinderchor, als mitwirkender Gast Männergesangverein Bad Reichenhall, findet am Samstag, den 28. Mai, halb 9 Uhr abends, im großen Saale des Hotels Maria Theresia unter Leitung von Hans Kropsch und Hans Helgert, am Flügel Frau Josefine Wagner, statt. Zum Vortrage gelangen: Deutsches Weihelied,Die Alpenrose, Meine Muttersprache mit Baritonsolo, Deutschland Dir, mein Vaterland, Beim Holderstrauch, Alpengrußmit Quartettsolo, zum hundertsten Geburtstag Eduard Kremsers [des Komponisten], Die Königskinder und Altniederländisches Lied. Die Kinder bringen zum Vortrag vier herrliche Chöre von Leo Lehner, J. Nentwich und Viktor Keldorfer, und zwar: Im Lenz, Heinzelmännchen, Die Vogelscheuche und Im Bienenhaus mit Baritonsolo und Klavierbegleitung. Zum Abschluß bringen GV Eintracht und Bad Reichenhall mit dem Kinderchor das schöne Tanzliedchen mit Klavierbegleitung Gänseblümchen und Schmetterling sowie den gewaltigen Chor aus Schillers Wilhelm Tell,Ein einig Volk, von Hermann Weidle, mitwirkend das Bläserquartett des Stadttheaterorchesters Innsbruck, zum Vortrag.“
Bei einem Chorkonzert am 13. Juni 1938 im Großen Stadtsaal in Innsbruck trat der Deutsche Männergesangverein Innsbruck zusammen mit dem Gesangverein Concordia aus Frankfurt am Main auf. Die Veranstaltung bekam ihr parteioffizielles Gepräge durch den Ehrenschutz von Gauleiter Franz Hofer. In einer Ankündigung in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Juni 1938 wird auf Seite 9 eine deutliche Einladung ausgesprochen: „Jeder Volksgenosse, der Freude am deutschen Lied hat, besucht diese Veranstaltung, deren Reinertrag der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt zufließt.“ Solche Sängertreffen und gemeinsamen Konzertauftritte von Chören gehörten zum festen Bestandteil des Vereinslebens vieler Vokalensembles. Ein Beispiel dafür ist ein „Sängertreffen“ in Fulpmes, dokumentiert in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Juni 1938 auf Seite 10:
„Es ist in Sängerkreisen üblich, daß sich befreundete Vereine gegenseitig besuchen. So fuhr am vergangenen Freitag die Innsbrucker Liedertafel unter Führung des vom Vereinskommissar bestimmten Sangesbruder [Karl] Leipert nach Fulpmes, um bei den Fulpmeser Sängern ein Konzert zu geben. Am Bahnhof erwartete die Innsbrucker Sänger die Trachtenmusik und die Sängerriege des Deutschen Turnvereins Fulpmes. Unter flottem Spiel wurde zum Gasthof Lutz marschiert, wo die Sänger unter Leitung ihres Chormeisters Dir. Köhler für ihre ausgezeichneten Darbietungen des neuen und alten völkischen Liedgutes den Beifall des zahlreichen Zuhörerkreises, bei dem insbesondere viel der anwesenden Fremdengäste zu bemerken waren, fanden“.
Im Sinn des deutschen Vaterlandsgedankens, der nach der „Wiedervereinigung“ eine neue aktuelle Dimension gewonnen hatte, kam es gleichsam folgerichtig zu wechselseitigen Auftritten und Verbrüderungen mit Chören des „Altreichs“. Dies zeigt zum Beispiel ein Konzert der Innsbrucker Liedertafel mit vorwiegend Tiroler Volksliedern in Bichl (Oberbayern). Der Bericht in der Neuesten Zeitung vom 1. Oktober 1938 auf Seite 6, nach einer Mitteilung aus Bichl, belegt die grundsätzlich ideologische Intention dieses Chorkonzerts: „Die meisten dieser Lieder – welchem soll man den Vorzug geben? – gefielen in einem Maß,daß der Beifall immer heftiger donnerte. Die Kameraden aus Tirol haben uns ein Stück ihrer, der unseren so wesensgleichen Heimat gebracht. Darin liegt die erhöhte Beglückung durch diesen Abend: Das Bewußtsein der Tat Adolf Hitlers in ihrer überwältigenden Nähe, Größe und empfundenen Tiefe. Spontan stimmte denn auch alles in das ‚Sieg Heil!’ auf den ‚Schöpfer Großdeutschlands’ ein, das der Ortswart der veranstaltenden NS.-Gemeinschaft Kraft durch Freude ausbrachte, nach seinem Dank an die Brüder aus Tirol.“
Ein Höhepunkt: die Berliner Liedertafel in Innsbruck
Zu einem Kulturmanifest ersten Ranges wurde der Besuch der Berliner Liedertafel in Innsbruck hochstilisiert. Dieses Ereignis hatte eminente propagandistische Bedeutung, dementsprechend wurde es inszeniert. Der Auftritt der Berliner Liedertafel wurde als „Großkonzert“ in der Presse angekündigt. Zum repräsentativen Empfang der Berliner Sänger am Innsbrucker Bahnhof am 21. Oktober 1938 wurden hochrangige Vertreter der Partei und der Stadt Innsbruck sowie des Tiroler Sängerbunds aufgeboten. Die musikalische Abordnung dazu stellten die „Gaukapelle“ in Tracht der „Wiltener“ und die Innsbrucker Liedertafel, die ihre Berliner „Sangesbrüder“ mit einen Tirolerlied begrüßte. Gauleiter Franz Hofer und Innsbrucks Oberbürgermeister Dr. Egon Denz persönlich hießen im Festsaal des Landhauses bei einer Feierstunde die 180 Mann starke Sängergemeinschaft aus Berlin offiziell willkommen. Beim anschließenden Kameradschaftsabend im „Großgasthof“ Maria Theresia fand man einen Rahmen emotionaler und ideologischer Gemeinsamkeit. Im Namen des Gauleiters sprach hier der Gaubeauftragte für Musik, Parteigenosse Max Alexander Pflugmacher die Begrüßungsworte. Max Depolo, der im Bericht über diese Veranstaltung in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Oktober 1938 auf Seite 8 als Textdichter des Kaiserjägerliedes und geistiger Schöpfer der Kufsteiner Heldenorgel vorgestellt wird, sorgte durch humoristische Vorträge für die Unterhaltung der Gäste. Zugleich wird hervorgehoben, dass Max Depolo im Verlauf des Abends sein der Berliner Liedertafel gewidmetes Gedicht Das Deutsche Lied vortrug und dass er wegen seiner Gesinnung fünf Jahre lang im „Altreich“ hatte leben müssen.
Das Konzert der Berliner Liedertafel endlich fand am 22. Oktober 1938 im Großen Stadtsaal statt und stellte „Perlen aus der Literatur des Deutschen Männerchorgesangs“ vor. Angekündigt wurde es tags zuvor in den Innsbrucker Nachrichten (Seite 9) als „künstlerisches Ereignis von einmaliger Bedeutung, das die innige Verbundenheit von Nord und Süd auch im deutschen Liedgesange erweisen wird und daher auch ein Treffen aller Innsbrucker Gesangvereine voraussetzen läßt“.
Erwachsenenbildung in der Urania und Volksbildungsstätte
Die Innsbrucker Urania als Stätte der Erwachsenenbildung und somit Vorgängerin der heutigen Volkshochschule wird schon zu Beginn der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gezielt in den Dienst der Propagandastrategien der NSDAP gestellt. Die Institution stand unter der engagierten Leitung von Dr. Ehrentraut Straffner, die bereits in der Zeit des „Austrofaschismus“ diese Funktion innehatte und schon damals „völkische“ Tendenzen förderte. In der Folge erwies sie sich als überaus liniengetreue Mitarbeiterin an der kulturpolitischen „Aufbauarbeit“, insbesondere im Bereich der Volksbildung. In der kulturellen Öffentlichkeit war sie auch als vielbeschäftigte Musikkritikerin präsent. Frühe Beispiele für die programmatische Ausrichtung im Sinne der neuen Machthaber sind folgende Veranstaltungen der Urania: Auf den Lichtbildervortrag von Jörg Bayr am 5. Mai 1938 zum Thema „Arische Sinnbilder in der Tiroler Volkskunst“ wurden in den Innsbrucker Nachrichten „besonders die Angehörigen der Schlosser-, Schnitzer-, Tischler- und Malerzünfte aufmerksam gemacht, weil sie [...] für die volksverbundene künstlerische Gestaltung ihrer Arbeit vielerlei Anregung finden“ würden. Am 10. Mai gab es einen „Abend für Joseph Georg Oberkofler“ unter dem Leitwort „Nie stirbt das Land“. Oberkofler war aufgrund seiner „Blut- und Bodenliteratur“ ein von den Nationalsozialisten überaus geschätzter, ja bewunderter Schriftsteller. Er erlangte weit über Tirol hinaus und lang anhaltend einen großen Bekanntheitsgrad.
Für den 24. Mai 1938 beispielsweise hatte die Urania Innsbruck im Musikvereinssaal einen „Volkstumsabend Sudetendeutsche Heimat“ mit Liedern und Tänzen aus dem Sudetenland angekündigt. In der Deutschen Volkszeitung vom 17. Mai 1938, sind auf Seite 11 als Mitwirkende der Innsbrucker Singkreis, die Akademische Tiroler Heimatgruppe und Jörg Bayr als Sprecher genannt. Die politische Dimension der Veranstaltung wird deutlich in der Mitteilung, dass eigens „für den Abend“ die „Sudetendeutsche Partei der Innsbrucker Urania eine Fahne ihrer Bewegung gestiftet“ habe.
Im Oktober 1938 kommt es zur organisatorischen Umwandlung der Innsbrucker Urania in die Volksbildungsstätte Innsbruck. Mit der neuen deutschen Namensgebung wird die Institution vollständig in die ideologische Hoheitsverwaltung der Nationalsozialisten integriert. Diesen Sachverhalt machte der Nationalsozialistischen Gauverlag in der Deutschen Volkszeitung vom 15. Oktober 1938 auf Seite 13 unmissverständlich publik: „Die Volksbildungsstätte Innsbruck ist die einzige parteiamtlich zugelassene Stelle für Erwachsenenbildung in unserer Gauhauptstadt.“ Zu ihrem Konzept gehörte, dass durch sie „im Laufe des Winters ein sorgfältig durchgearbeitetes Programm zur Durchführung“ komme, das „den Wünschen und Interessenten aller gerecht“ würde. Vorträge „über Themen aus allen Wissens- und Lebensgebieten“ sollten die Bildung der Leute fördern. „Außerdem soll die Fühlungsnahme mit den politisch aktiven Kräften unserer Zeit in einer Reihe von Gemeinschaftsabenden mit einzelnen Formationen die Pflege der Kunst in sorgfältig vorbereiteten Feierstunden durchgeführt werden.“Darüber hinaus standen im Bildungsangebot Sprachkurse (Französisch, Italienisch, Englisch) und „Arbeitskreise“. In diesen sollte „einem kleineren Kreis in mehreren aufeinanderfolgenden Abenden die Möglichkeit zur gründlicheren Erarbeitung einer Materie gegeben werden“. Als erster Arbeitskreis wurde eine „vom Gauschulungsleiter in Zusammenarbeit mit seinen engsten Mitarbeitern durchgeführte Arbeitsgemeinschaft ‚Die Grundlagen des Nationalsozialismus’“ eingerichtet.
Die festliche Eröffnung der Volksbildungsstätte Innsbruck mit Dichterlesung und Mitwirkung des Innsbrucker Streichquartetts erfolgte am 21. Oktober 1938 im Hörsaal 3 der alten Universitätsbibliothek. Die Deutsche Volkszeitung lieferte am 7. Dezember 1938 (Seite 6) eine Vorschau auf kommende Veranstaltungen: Für den 8. Dezember wurde der vierte Abend der weltanschaulich-politischen Arbeitsgemeinschaft „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ angekündigt, für den 12. Dezember ein „volkstümlicher Universitätsvortrag“ mit dem Titel „Die Germanen und Rom“. Ein weiterer „volkstümlicher Universitätsvortrag“ folgte am 15. Dezember im Hörsaal des Physikalischen Instituts zur Thematik „Neues vom Farbfilm“. Schließlich bestritt am 16. Dezember im Hörsaal 3 der alten Universitätsbibliothek der „bekannte Autotourist“ Max Reisch einen „Lichtbilder- und Schmalfilmvortrag“ über seine Abenteuer.
Der Rundfunk
Der Rundfunk erreichte damals bereits eine zahlenmäßig ansehnliche Zuhörerschaft. Er erschien klarerweise als eine zukunftsorientierte Einrichtung, mit der politische Interessen planvoll und zielführend optimal verfolgt werden konnten. Zwangsläufig wurde daher dieses propagandistisch so wirkungsvolle Medium mit der Machtübernahme der NSDAP vollständig unter deren politische Einflussnahme gestellt. Mit deutscher Gründlichkeit und systematischem Vorgehen wurde das Sendeprogramm, dazu die gesamte Organisationsstruktur unter dem Ziel, einen „völkisch-politischen“ Rundfunk zu schaffen, verändert und weitgehend nach nationalsozialistisch-ideologischen Grundsätzen neu gestaltet. Programmatisch sollten einerseits „die Stimme des Führers“ und wohl auch die seiner wichtigsten Wegbegleiter „in alle Welt“ getragen, somit der Rundfunk der „berufene Künder der Wahrheit und damit ein Propagandaträger erster Ordnung“ werden. Aus der so geschaffenen politischen Funktion und „Mission“ heraus ergaben sich weitere Aufgaben des Rundfunks, nämlich „auf der einen Seite die kulturelle Repräsentation des deutschen Volkstums wahrzunehmen, auf der anderen Seite aber die Hörer auch in der angenehmsten und beschwingtesten Weise zu unterhalten“ (Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1938, Seite 9). Damit der Rundfunk von möglichst vielen Hörern empfangen werden konnte, wurden enorme Anstrengungen zur Verbesserung der organisatorischen und technischen Einrichtungen unternommen. Die Rundfunkindustrie in Deutschland hatte bereits 1937 den „Volksempfänger“ entwickelt und zu erschwinglichen Preisen auf den Markt gebracht. Dadurch stieg die Zahl der gemeldeten Hörer in kurzer Zeit auf etwa 9 Millionen an.
Besonderes Augenmerk kam auch der Vervollkommnung der Rundfunktechnik zu. Ein wichtiger Aspekt dafür war, bei Parteiveranstaltungen vor Ort und bei deren Propaganda-Aktionen akustisch für den Zuhörer an den Rundfunkgeräten bestmöglich präsent zu sein. Damit solche „Tagesereignisse“, häufig in der Form politischer Großveranstaltungen, gut übertragen werden konnten, vergrößerte man die Zahl an Übertragungskraftwagen und rüstete sie technisch mit modernster Apparatur aus. Im Jahr 1938 waren die Sender des Deutschen Rundfunks bereits durchschnittlich 21 Stunden täglich in Betrieb. Mit 9,5 Millionen Rundfunkteilnehmern jetzt stand Deutschland damals an der Spitze aller europäischen Rundfunkländer. Zur Popularisierung des Rundfunks trugen jedenfalls die großzügig ermäßigten Rundfunkgebühren für ärmere Volksschichten bei. Intensive Werbung forcierte eine enorme Nachfrage nach Rundfunkgeräten. Der „Deutsche Kleinempfänger 1938“ wurde durch die industrielle Jahresproduktion von etwa 700.000 Stück nahezu für jedermann erschwinglich. Ein Ziel war damals auch schon, einen leistungsfähigen „Autoempfänger“ zum Einbau in den neuen „Kraft-durch-Freude-Volkswagen“ zu schaffen. Mit diesen Bestrebungen wollte man „dem Deutschen Rundfunk zu Lande auch den letzten Teilnehmer“ gewinnen (Neueste Zeitung vom 5. August 1938, Seite 2).
Mit der Eingliederung der „Ostmark“ ergaben sich für den Deutschen Rundfunk neue Aufgaben. Zuvorderst galt es auch in dieser Region durch intensive Werbemaßnahmen die Anzahl der Hörerschaft zu steigern. Nach dem Vorbild des „Altreichs“ sollten die „Volksgenossen in der Ostmark aufs engste“ mit dem Rundfunk verbunden werden. Dazu wurden von der Amtsleitung Rundfunk der Reichspropagandaabteilung der NSDAP in den einzelnen Gauen „Leiter der Hauptstelle Rundfunk“ ernannt, gleichzeitig die Rundfunkorganisation der Partei auf Österreich ausgedehnt. Die Leiter der Hauptstelle Rundfunk hatten die Aufgabe, den Transfer der „Gedanken des Rundfunks in die Volksmassen zu fördern und wachzuhalten und alle Angelegenheiten politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art, die mit dem Rundfunk zusammenhängen, zu überwachen“. Sie waren in Personalunion Landesleiter der Reichsrundfunkkammer und nahmen damit „als Beauftragte des Präsidenten der Reichsrundfunkkammer die Interessen des deutschen Rundfunks auf propagandistischem, wirtschaftlichem und kulturellen Gebiet wahr“ (Innsbrucker Nachrichten vom 29. September 1938, Seite 9). „Die Ausmerzung aller destruktiven und jüdischen Elemente im österreichischen Rundfunk“ war schon vorher von den Nationalsozialisten „vollzogen worden“ (Neueste Zeitung vom 5. August 1938, Seite 2). Technische Schwierigkeiten hinsichtlich der Rundfunkversorgung aufgrund von Empfangsproblemen in manchen Alpenregionen wurden im Rahmen der Möglichkeiten rasch beseitigt, denn auch in der „Ostmark“ besaß die „totale Rundfunkversorgung der Bevölkerung“ Priorität.
Dem Text einer Werbeaktion „Rundfunkgerät als Weihnachtsgeschenk“ sind in den Innsbrucker Nachrichten vom 21. Dezember 1938 auf Seite 5 die Aufgaben, Programminhalte und politischen Ziele des Rundfunks klar zu entnehmen: „Die politische Rundfunkführung und die deutsche Rundfunkindustrie schufen aber jetzt den deutschen Kleinempfänger, ein Gerät von überzeugender Leistung, das nur 35 Reichsmark kostet. Seine Anschaffung wird durch großzügige und soziale Teilzahlungsbedingungen jeder deutschen Familie ermöglicht. Dieser kleine Allstrom-Empfänger, der neuerdings auch als Batteriegerät zu haben ist, bringt den Rundfunk nun auch in das letzte Haus auf dem Lande. Im Rundfunk lebt die Mannigfaltigkeit des deutschen Lebens unserer Zeit, der Rundfunk bringt durch seine Programmfolgen Rat, Belehrung, Hilfe, Abwechslung, Entspannung, Freude in feierlichen Stunden. Zeitrundfunk und Nachrichtendienst, Wirtschaftsdienst, Fachvorträge, Sendungen des Reichsnährstandes sorgen dafür, daß die Landbevölkerung ebenso im Bilde ist, wie die deutschen Volksgenossen in der Großstadt, in den kleinen Städten oder sonst irgendwo im großen Deutschen Reich. Durch den Rundfunk wird das Land in den großen Lebensstrom der Nation lebendiger als bisher einbezogen und kann am kulturellen und politischen Geschehen unserer Zeit unmittelbar teilnehmen. Das schönste Weihnachtsgeschenk von bleibendem Wert, das auf Jahre hinaus Freude und Anregung bringt, ist ein Rundfunkempfänger.“
Rundfunksendungen aus und über Tirol
Die politisch-ideologische Ausrichtung des Rundfunks zielte neben der propagandistischen Indoktrination nachhaltig auf psycho-soziale Phänomene ab; stets war das Erreichen eines Identifikation stiftenden Zusammengehörigkeitsgefühls aller „Volksgenossen“ wichtig. Die „Volksgemeinschaft“ fand im Rundfunk freilich ihr Abbild, denn in einer Vielzahl lokaler Produktionen, gesendet im Reichsrundfunk, wurde vor allem eine kulturell in mannigfacher Weise bedingte Zusammengehörigkeit aller deutschen Stämme demonstriert. Bereits kurz nach dem „Anschluss“ brachte der Reichsrundfunk eine Sendung aus und über Kufstein. Deren Inhalt bildeten Szenen, die die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich Adolf Hitlers als logisch zwingende Folge der politischen Verhältnisse erklären konnten. Natürlich wurde dazu einmal mehr die berühmte Kufsteiner „Heldenorgel“ ideologisch inszeniert: Stadtkapellmeister Max Greiderer spielte auf ihr die beiden Deutschen Nationalhymnen für die Sendung ein. Als ein Höhepunkt dieser Sendung galt das Interview mit den beiden Führern der Hitler-Jugend in Kufstein, deren 1923 gegründete Ortgruppe überhaupt die älteste nationalsozialistische Jugendformation in Österreich war.
Andere Programmkonzepte stellten Tirol als Kulturland in den Mittelpunkt. Der Reichssender Wien begann am 1. Dezember 1938 eine „Hörfolge“, deren Inhalt in den Innsbrucker Nachrichten vom 1. Dezember 1938, Seite 7 ausführlich dargestellt wird: „Zwei Stunden lang verkündet der Rundfunk von Dichtung, Volkspoesie und Volksmusik unseres Heimatlandes und läßt die bedeutendsten unserer Dichter zu Wort kommen und streut die schönsten unserer Volkslieder in die Sendung ein [...]. Wir freuen uns, daß der Reichssender Wien in so ausgedehnter Weise unsere Heimat in seiner Sendefolge berücksichtigt und daß eine Reihe unserer besten Dichter, Sprecher und Volksmusiker das Lob unseres schönen Landes und seiner kulturellen Eigenart der großen Welt der Rundfunkhörer verkünden.“
Die für den 1. Dezember 1938 geplante Sendung musste allerdings kurzfristig der gleichzeitig stattfindenden „großen Rede Alfred Rosenbergs in Karlsbad weichen“. Unter dem Titel „Hier spricht Tirol“ wurde sie schließlich für den 27. Dezember wieder auf das Programm gesetzt. Karl Paulin, Schriftleiter der Innsbrucker Nachrichten, der selbst als Sprecher aktiv an der Sendung Anteil hatte, berichtete in der Neuesten Zeitung vom 28. Dezember 1938 auf Seite 5 voller Enthusiasmus über dieses Projekt: „Und nun rollt die Hörfolge wie am laufenden Band tadellos ab. Alle sind in bester Form und nehmen sich zusammen, wissen wir doch, daß, da der Deutschlandsender angeschlossen ist, das ganze große Reich zwei Stunden lang auf Tirol hört [...]. Aber was wäre alles Sprechen und Lesen ohne das herrliche Tiroler Volkslied, wie es die Wolkensteinerprägen, oder wie Norbert Berchtold es eigenartig zur Laute singt [...]. Wie im Flug sind zwei Stunden vergangen, schon spricht Duniecki die Schlußworte, die im Tirol ischlei oans ausklingen, dann beschließen die rauschenden Weisen des Kaiserjägermarsches die Hörfolge. Tirol hat durch den Äther gesprochen. Deutschland hat es gehört. Wir alle sind stolz und glücklich, daß wir mitwirken durften an diesem heimatlichen Preislied.“
Nur einen Tag nach diesem Ereignis war Tirol neuerdings im Rundfunk präsent. Am 28. Dezember 1938 wurde von 12 bis 13 Uhr als Veranstaltung der Deutschen Arbeitsfront aus dem „Handsetzereisaal der NS.-Gauverlag und Druckerei Tirol Ges. m. b. H.“ ein Betriebskonzert zur „Unterhaltung aller Hörer des Reichssenders Wien“ übertragen. Für die musikalische Gestaltung sorgte der „Gau-Musikzug Tirol-Vorarlberg“. Als Einleitungsmusik fungierte der Gauleiter-Hofer-Marsch, komponiert vom Leiter der Gaumusik Sepp Tanzer. Auch der Wiltener Schützenmarsch von Sepp Tanzer stand auf dem Programm und nicht zuletzt die Andreas-Hofer-Ouvertüre von [Anton] Schmutzer. Das beliebte Tiroler Volkslied Mei Hoamtl hab’ i im Zillertal drin wurde von einem Damengesangsensemble aus der Betriebsbelegschaft dargeboten. Zwischen den Musikstücken kamen Interviews mit leitenden Betriebsangestellten über geschichtliche und technische Fakten dieses ältesten Tiroler Druckereiunternehmens. Schriftleiter Karl Paulin berichtete über dessen kulturelle Aufgabe. Diese habe „ihren sichtbaren Ausdruck vor allem in den Innsbrucker Nachrichten, als der Parteizeitung des Gaues Tirol-Vorarlberg, und in der Monatsschrift Bergland, als der kulturellen Bilderzeitschrift für das gesamte deutsche Alpengebiet“ (Innsbrucker Nachrichten vom 29. Dezember 1938, Seite 6). Der Rundfunksprecher Andreas Reischek führte in erheiternder Art durch das Programm. „Beim Marsch der Tiroler Holzhacker-Buam klatsche alles fleißig im Takt mit und den mitreißenden Kaiserjägermarsch sangen alle Anwesenden mit lauter Stimme gleich mit, so laut, daß es einem Wunder nahm, daß so ein kleines Mikrophon gleich den ganzen Schall auf einmal in sich aufnehmen könne.“
Der Mythos von Tirol als dem Land der jagenden Naturburschen und singenden Trachtendirndl, deren übermütige Jauchzer von den himmelhohen Bergen widerhallen und von Tirol als dem Land, dessen stolzes Heimatgefühl das Bewusstsein heroischer Geschichte, pittoresker landschaftlicher Schönheit und vielfältiger Kulturtradition bestimmt, fand seine Vermittlung auch über den Rundfunk. Dadurch wurde eine traditionelle Erwartungshaltung nachhaltig gefestigt und eingelöst.
Filme
Noch eindringlicher als über den Rundfunk wurde dieser Topos „Tyrol“ medial über den Film transportiert. Wie zuletzt in der Zeit des „Austrofaschismus“ war Tirol ein werbewirksames Thema für einen finanziell erfolgreichen Film. Im Innsbrucker „Triumph-Tonkino“ erfolgte Anfang März 1938 die österreichische Uraufführung des Films Konzert in Tirol. Tirol bildete den Rahmen für die bezaubernde Landschaft in Kitzbühel, den kitschigen Inhalt mit mondänem Skihaserl und schöner Bauerntochter, in die sich der Lehrer verliebt. Die besondere Attraktion des Filmes war die Mitwirkung der Wiener Sängerknaben, die sich im Tiroler Ambiente sowohl als Schauspieler wie als Sänger mit Lausbubenstreichen austoben konnten.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wird Tirol in vielfacher Weise als Filmland entdeckt. Es entsteht eine Reihe von Filmen mit tirolischen Themen, teilweise von bedeutenden Regisseuren inszeniert, in der faszinierend schönen Naturgewalt der Tiroler Alpen, mit renommierten Schauspielern. Der wohl erste Film einer Produktionsreihe entstand 1938 weitgehend im „hochgelegenen historischen Alpengasthof Küthei“ (Kühtai) in der herrlichen Sommerlandschaft dieser Bergwelt mit ihren Almen und Seen. Dieser Ufa-Film, Frau Sixta, gelangte im Egger-Kino Kufstein am 11. November 1938 zur Erstaufführung im Gau Tirol-Vorarlberg. Die dem Film namengebende Titelrolle, eine resolute, jedoch gefühlvolle Tiroler Wirtin, verkörperte die überregional bekannte Tiroler „Staatsschauspielerin“ und gebürtige Kufsteinerin Franziska Kinz. Laut einer Reportage im Tiroler Grenzboten vom 14. November 1938, Seite 2, waren auch die Episoden mit den Tiroler Volksszenen und Volkstypen sehr gelungen. Der bei der Exl-Bühne mitwirkende Tiroler Schauspieler Eduard Köck machte als „alter Pankraz“ besonders originellen Eindruck. Welch propagandistischen Wert dieser Film, der zeitgleich in München, der „Hauptstadt der Bewegung“ lief, für die Tiroler Nationalsozialisten besaß, zeigt die Anwesenheit von Gauleiter Hofer bei der Premiere in Kufstein. Wie üblich waren außerdem zahlreiche weitere Repräsentanten aus Partei, Staat, Wehrmacht und Wirtschaftskreisen erschienen. „Als der Gauleiter, der bei diesem Anlaß unserer Stadt [Kufstein] einen inoffiziellen ehrenden Besuch abstattete, den Saal betrat, erhoben sich die Anwesenden und grüßten mit erhobener Hand. An die Begrüßungsworte des Herrn Egger schloß sich ein dreifaches Sieg-Heil auf den Führer.“
Um den Film als Propagandamedium effizient einzusetzen, bedurfte es eines Ausbaus der Infrastruktur. Im Gau Tirol-Vorarlberg wurden zur Zeit des Nationalsozialismus mehrere Kinos neu eröffnet, alte vergrößert und modernisiert. Die bereits bestehenden Innsbrucker Kammerspiele, die den Innsbrucker Nachrichten vom 23. Juli 1938 (Seite 9) zufolge in der „Systemzeit“ für ihre Programmgestaltung mit Filmen unter „betont nationaler Tendenz“ bekannt waren, deren Direktion es gewagt hatte, von der „Systemzensur arg verstümmelte deutsche Filme“ im Original zu zeigen und wo man so mitunter auch in der Verbotszeit Gelegenheit bekommen hatte, im „Vorprogramm den Führer zu sehen“ und zu hören, wurden umgebaut, fast gleich einer Neuerrichtung in viel größerer Dimension. Aus dem kleinen beengten Kino in der Wilhelm-Greil-Straße entstand ein Großkino, das alle Anforderungen der neuen Zeit technisch und architektonisch erfüllte (siehe Deutsche Volkszeitung vom 15. Dezember 1938, Seite 8).
Bildende Kunst
Die Unterordnung unter das nationalsozialistische Kulturdiktat traf auch die bildenden Künstler Tirols: Sie mussten sich in die Fachschaft der Reichskammer der bildenden Künste eingliedern lassen. Dafür wurden Maler, Bildhauer, Graphiker im Land zwangsweise aktuell erfasst. Der „kommissarische Landesleiter der Tiroler Künstlerschaft“ Parteigenosse Ernst Nepo veröffentlichte als einen ersten Schritt in den Innsbrucker Nachrichten am 18. Mai 1938 einen entsprechenden Aufruf. Im Zuge des Registrierens war beabsichtigt, eine „Auskunftsstelle zur Vergebung und Vermittlung künstlerischer Arbeiten“ einzurichten. Dies erhöhte den Zwangscharakter zur Beteiligung, denn man konnte sicher sein, außerhalb der Organisation stehend, keinerlei öffentliche Aufträge zu erhalten und selbst bei privaten Anfragen das Nachsehen zu haben. Ernst Nepo informierte, dass allen Tiroler Künstlern ein Fragebogen zukommen würde. Dessen Rücksendung, „gewissenhaft ausgefüllt“, sollten zwei Erklärungen beigeschlossen sein, die „im Sinne der Arbeitsauffassung und Bejahung nationalsozialistischen Gedankengutes durch die Tat den Beweis wirklicher Zusammenarbeit der Künstlerschaft“ zu erbringen hatten. Diese schriftlichen Erklärungen waren die Voraussetzung für den geplanten ideologieorientierten und organisatorischen Zusammenschluss aller bildenden Künstler Tirols, die weiterhin ihrem künstlerischen Schaffen nachkommen wollten.
Bald wurde in den Innsbrucker Nachrichten, am 17. Juli 1938 auf Seite 7, verlautbart, dass sich „alle bisherigen Künstlergruppen und Verbände auflösen“ werden und „ein Bund bildender Künstler Tirols gebildet“ wird, „in dem alle Künstler Tirols vereinigt sein werden“. Diese Mitteilung enthält dazu einen leidenschaftlichen Appell an alle „deutschen Volksgenossen in Tirol“, vorweg an Geschäftsleute und Unternehmen, sich vermehrt mit Ankäufen von Kunstwerken oder Auftragserteilungen in künstlerischer Hinsicht einzubringen, um dem großen Potential an Tiroler Künstlertum ein adäquates Wirkungsfeld zu sichern. In den Innsbrucker Nachrichten vom 25. November 1838, Seite 5, wird der Vollzug der Neuorganisation kundgetan: „Neulich haben sich nahezu alle bildenden Künstler Tirols in schönster Eintracht und Begeisterung in einem einzigen ‚Bunde bildender Künstler’ zusammengeschlossen. Die früheren zahlreichen Spaltungen haben sich damit aufgelöst, und der Weg zu ernster und erfolgverheißender Gemeinschaftsarbeit ist frei.“ Mit der Gründung der Künstlervereinigung entstand eine „Werkstelle“, deren Aufgabe darin bestand, „Bestellungen von Werken jeder Art der Malerei, Plastik und Graphik“ entgegenzunehmen. Damit war eine zentrale Kontrollinstanz geschaffen, die sicherstellen konnte, dass nur Kunstwerke vermittelt wurden, die den ästhetischen Vorgaben nationalsozialistischer Kunstauffassung entsprachen. Bei Bestellungen von Kunstwerken über die „Werkstelle“, wurden die Aufträge auf „geeignete Künstler“ verteilt und die sachgerechte, das heißt auch ideologisch entsprechende Ausführung des bestellten Werkes überprüft. Diese „Werkstelle“ befand sich in der Universitätsstraße, in der alten Universitätsbibliothek neben der Jesuitenkirche. Sie wurde von den Malern Ernst Nepo und Max Esterle geleitet.
Die bildenden Künstler Tirols haben sich nahezu geschlossen den neuen politischen und kulturellen Gegebenheiten gefügt und mit ihrem Schaffen teilweise gezwungenermaßen, teilweise aus innerer Überzeugung den Kunstansichten und Stilvorgaben der Nationalsozialisten entsprochen. Es ist bezeichnend, dass zur ersten Kunstausstellung unmittelbar nach dem „Anschluss“ in den Auslagen der „Kunsthandlung Unterberger und Czichna in Innsbruck“ ein Porträt des „Führers“, eine Originalradierung des Innsbrucker Grafikers und Parteigenossen Hans Boresch, zu sehen war. In den Innsbrucker Nachrichten vom 2. April 1938 ist darüber auf Seite 8 zu lesen: „Wir bewundern in seiner schönen Arbeit die hervorragende Gabe, die diesem Künstler zu eigen ist, und mit welcher er die unendliche Güte und Liebe unseres Führers zu seinem Volke in dieser Radierung getreu wiedergegeben hat.“ Im Mai 1938 ist wiederum bei der „Kunsthandlung Czichna“ ein Bildnis Adolf Hitlers zu sehen, diesmal geschaffen von Anton Colli.
Am 3. Juni 1938 wurde die erste Ausstellung der Tiroler bildenden Künstlerschaft „Graphik und Kleinkunst“ im Taxishof eröffnet. Mit dieser Schau sollte ein repräsentativer Überblick durch die „Vielheit der künstlerischen Auffassung, die bisher wenig bekannten Arbeitsgebiete und Ausdrucksmöglichkeiten einzelner Künstler“ anhand der wichtigsten graphischen Techniken, Holzschnitt und Radierung, aber auch Handzeichnung und Kleinplastiken gezeigt werden (Deutsche Volkszeitung vom 3. Juni 1938, Seite 7). In den Innsbrucker Nachrichten vom 13. Juni 1938 erschien auf Seite 11 eine Besprechung, die die grundsätzlich konservative inhaltliche und stilistische Ausrichtung der gezeigten Kunstwerke der Ausstellung erahnen lässt: „Den Hang zum Hergebrachten, die instinktive Scheu vor gewagten Extratouren zeigt auch die Kunstausstellung ‚Graphik und Kleinplastik’ im Taxishof“. Zu den zahlreichen präsentierten Arbeiten gehörte ein Werk von Max Weiler.
Zur Förderung des Verkaufs von Kunstwerken organisierte die Tiroler bildende Künstlerschaft im Sommer 1938 Ausstellungen in Fremdenverkehrsorten, in Mayrhofen, Kitzbühel, Kufstein, Seefeld, Reutte, Längenfeld und Landeck. Die teilnehmenden Tiroler Künstler konnten kleinere Bilder und Plastiken unter Beischluss eines Bilderverzeichnisses mit Preisen und Bildtiteln einsenden, in beliebiger Anzahl. Allerdings sollten die Motive möglichst eine Nahebeziehung zum Ausstellungsort aufweisen, damit die Kunstwerke als Souvenirs für Touristen geeignet waren.
Für die künstlerische Mitwirkung bei überregionalen Ausstellungsaktivitäten kam im Jahr 1938 eigentlich nur die repräsentative Schau Berge und Menschen in Betracht, die im Herbst im Wiener Künstlerhaus und in der Folgezeit in anderen deutschen Städten gezeigt werden sollte. Die Intention der Ausstellung war, „ein möglichst umfassendes Bild von Landschaft und Menschen des Landes Österreich“ zu vermitteln, „für das nach seiner Wiedervereinigung mit dem großen Deutschland im Altreich das lebhafteste Interesse herrscht“ (Innsbrucker Nachrichten vom 3. Mai 1938, Seite 6). Koordinator für eine Auswahl geeigneter Werke Tiroler Künstler war Professor Franz Köberl, dessen Aufgaben schließlich vom kommissarischen Leiter Ernst Nepo übernommen wurden. In der Einladung wird betont, dass „die Ausstellung als Schau künstlerisch hochwertiger Leistungen gedacht“ sei, „wobei auch ältere Arbeiten eingesendet werden können, soweit sie als ‚Werke’ im Sinne der mehrfachen Ausführungen des Führers zu werten sind“ (Innsbrucker Nachrichten vom 25. Mai 1938, Seite 10). Die endgültige Auswahl der angemeldeten Werke für die Berliner Ausstellung österreichischer Kunst wurde dann durch eine Jury in den Ateliers der einzelnen Künstler vorgenommen.
Literatur
Literatur präsentierte sich öffentlich außer bei den Großveranstaltungen im Theater vor allem bei Lesungen. Die erste Veranstaltung dieser Art unter dem Nationalsozialismus veranstaltete der NS.-Lehrerbund, Kreis Innsbruck, im Zeichensaal der Knabenhauptschule, Müllerstraße, am 28. Mai 1938. Initiator war vermutlich der neue Volksbildungswart Norbert Wallner. Dieser hielt auch die Begrüßungsrede, worauf Professor Dr. Othmar Selan eine „glänzende“ Einleitung zum Thema des Abends gab. Dann trat Hanns Kogler ans Vortragspult. Der Inhalt seiner Lesung war: „Deutsche Arbeitsdichtung – ein nationalsozialistisches Kulturgut, um das uns andere Völker neiden, weil sie es nicht in dieser Vielfalt und Schönheit besitzen“ (Deutsche Volkszeitung vom 3. Juni 1938, Seite 6).
Im Rahmen der „Woche des deutschen Buches“ Anfang November 1938 fanden in verschiedenen Orten des Gaues, in Kitzbühel und Dornbirn am 3. November, in Landeck und Schwaz am 4. November, in Kufstein, Reutte und Hall am 5. November, in Bregenz und Innsbruck am 6. November oder in Feldkirch am 7. November, Lesungen von Autoren statt, die auf der Buchausstellung mit Werken vertreten waren und daher als repräsentativ für die damalige deutsche Gegenwartsliteratur galten. Als „Vertreter Tirols“ erhielten der Erzähler Joseph Georg Oberkofler und der Dramatiker Fritz Pickl im Hörsaal der alten Universitätsbibliothek einen eigenen Leseabend. Einführende Worte sprach Oberlehrer Pedit im Namen des Deutschen Volksbildungswerkes. Er verwies auf die „neue, volkhafte Sendung deutscher Dichtung“. Was damit gemeint war, erklärt beredt ein Zeitungsbericht von der Lesung Joseph Georg Oberkoflers: „Dem urdeutschen Heimatland entstand in ihm ein Sprecher seiner Art, Größe und Schönheit. In seinem Werk schreitet das Geschlecht unserer Bergbauern nach uraltem Gesetz und Brauch der Väter über Hof und Acker. Es klingt wie eine Heldensage aus alter Zeit, lesen wir von aufrechten, unbeugsamen Männergestalten, den Zirben gleich und den blonden Frauen, denen der Stand ungleich schwere Last, aber auch Seligkeit als den Schicksalsgefährtinnen in der Stadt aufgebürdet hat. Solche Naturmenschen tragen in sich Leidenschaften, unzähmbar wie die Natur selbst. Haß und Liebe, Zorn und Lust wohnen eng beisammen. Wo Gewalten sich messen, ist die Lösung klar und wahr. Oberkoflers Stierhorn ist ein mächtiges Epos von Blut und Boden, ist Sinnbild bäuerlicher Fruchtbarkeit, die es über Mensch und Besitz ausschüttet. Das Herzstück seines Romanes, die Talfahrt von der Alm, las Oberkofler mit volltönender, wandlungsfähiger Stimme vor. Nach dieser wuchtigen Einleitung hörten wir Teile aus seinem Gedichtband Nie stirbt das Land“ (Deutsche Volkszeitung vom 8. November 1938, Seite 9).
„Eine neue Form des Dichterabends“ lautete der Titel des Berichts von der Dichterlesung Hans Baumanns, die der junge Autor ebenfalls im Rahmen der „Woche des deutschen Buches“ in Innsbruck vor 400 Hitler-Jungen in der alten Universitätsbibliothek veranstaltete. „Es war ein neues und freudiges Erlebnis für die Anwesenden“, so meinte die Deutsche Volkszeitung vom 8. November 1938 auf Seite 9, „daß ein ganzer, starker Mensch in seinem Werke stand, der jeden ansprach und zwang, in dieser Stunde nur der Dichtung und dem Werke zu gehören. Hans Baumann erzählte von seiner Arbeit um das deutsche Volkstum, er las aus seinen noch unveröffentlichten Balladen, er sang einige seiner neuen Lieder zusammen mit allen seinen Zuhörern. Was schon mancher aus seinen Liedern, die heute überall gesungen werden, kannte, das starke und freudige Bekenntnis zu Deutschland und zum jungen Leben, wurde in der persönlichen Fühlungsnahme noch lebendiger. Als Hans Baumann zum Abschluß wieder alle mit einbezog und das Lied anstimmte, das er vorher gelehrt hatte, da wußten alle, daß der Abend mehr war, als das, was sie zwei Stunden vorher noch unter einem Dichterabend verstanden hatten“.
Museumswesen
Das Museumswesen hatte für das lokale Kulturkonzept der Nationalsozialisten, das mit den Themen Volkstum und Heimat, sowie Blut und Boden inhaltlich weitgehend definiert ist, eine fundamentale Bedeutung. Zum einen war der museale Grundsatz des Sammelns, Dokumentierens und Präsentierens von essenziellen Kulturgütern aus lokaler Tradition völlig im Einklang mit der vielfach retrospektiven Ausrichtung nationalsozialistischer Kultursicht, zum anderen waren Museen wesentliche Ideologieträger im Sinne der Identifikationsstiftung und somit der Verwirklichung der angestrebten „Volksgemeinschaft“. Vor allem die beiden Hauptmuseen in der Gauhauptstadt, das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum und das Tiroler Volkskunstmuseum, wurden vom Regime in seine Bestimmungsgewalt übergeführt. Zwar blieb das Ferdinandeum organisatorisch ein Vereinsmuseum, doch wurde es in seiner Intention auf Linie gebracht. Im Tiroler Volkskunstmuseum hingegen war Parteigenossin Dr. Gertrud Pesendorfer engagiert im Sinne der nationalsozialistischen Erwartungen tätig. Sie war nicht nur eine sehr begabte Volkskundlerin, die als Trachtenforscherin überregionales Ansehen genoß, sondern auch eine politisch verlässliche Direktorin. Der Verwaltungsausschuss des Tiroler Landesmuseums, dessen Mitglieder politisch vielfach dem christlich sozialen Lager angehört hatten oder nahe standen, veröffentlichte unmittelbar nach der „Volksabstimmung“ (10. April 1938) in den Innsbrucker Nachrichten vom 13. April 1938 auf Seite 6 eine „Ergebenheitserklärung“, mit dem „Bekenntnis zu Führer und zur unlösbaren Volksgemeinschaft aller Deutschen“. Dieses Bekenntnis erschien unter der bezeichnenden Überschrift „Kulturelles Bollwerk des Deutschtums im Süden“. Dieser öffentlich bekundeten Loyalitätserklärung war die Verlegenheit in ihrem doch etwas zwanghaft anmutenden Formulierungsduktus anzumerken. Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum hat in der Zeit des Nationalsozialismus nicht annähernd jene Aufmerksamkeit und Förderung erhalten wie der Günstling Tiroler Volkskunstmuseum. Dieses Haus war in jeder Hinsicht nationalsozialistischer Kulturauffassung und deren praktischer Umsetzung voll und ganz kompatibel. Zwar wurde dem Ferdinandeum im Sommer 1938 eine Erneuerung des „Rundsaales“ ermöglicht, womit das Haus endlich über einen funktionstüchtigen, modernen Ausstellungsraum verfügte, doch war das Landesmuseum genötigt, um konsequent bedeutende Tiroler Kunstwerke erwerben zu können, mangels ausreichender öffentlicher Finanzierung, Stücke aus dem eigenen Depotbestand versteigern zu lassen, bei einer Auktion am 8. und 9. November im Dorotheum Wien.
Das Tiroler Volkskunstmuseum hatte sich glanzvoll im nationalsozialistischen Kulturgeschehen positioniert mit einer propagandistisch überaus verwertbaren umfangreichen Ausstellung Tiroler Volkskunst und Handwerk im Rahmen der 16. Innsbrucker Herbstmesse im September 1938. In einer Vorschau in der Deutschen Volkszeitung vom 30. August 1938 (Seite 9) wird die vorrangig kulturpolitische Intention dieser von Gertrud Pesendorfer inhaltlich konzipierten Schau erläutert: „Im Rahmen der diesjährigen Innsbrucker Herbstmesse wird in den Räumen der Stadtsäle eine Sonderausstellung Tiroler Volkskunst und Handwerk veranstaltet, die den Messebesuchern aus dem In- und Auslande die einzigartigen kulturellen Leistungen des ältesten deutschen Bauernstammes im Gau Tirol von einst und jetzt vor Augen führen und damit beitragen soll, dem durch den Nationalsozialismus wiedererweckten Schaffensdrang bodenverwurzelten Handwerkes auf neuen Wegen wieder den einstigen bedeutenden Platz in der Tiroler Wirtschaft zu sichern. Die nicht zu überschätzenden Werte der charakteristischen bäuerlichen Volkskunst sind es, die den Ruf Tirols in aller Welt begründeten. Ihre Förderung ist daher eine der wichtigsten Aufgaben des Wiederaufbaues.“ Die ideenreiche und optisch sehr ansprechende Ausstellung zeigte die wesentlichen Tiroler Handwerkstraditionen mit einem reichhaltigen historischen Anschauungsmaterial. Für eine Belebung der Schau sorgten zahlreiche anwesende Handwerker unterschiedlichster Profession und demonstrierten vor Ort ihre Fertigkeit. Der Vorraum zum Großen Stadtsaal war als „Ehrenraum dem Führer Großdeutschlands und der Bewegung“ gewidmet. Wesentliche Teile dieser Ausstellung wurden wenige Wochen später im November 1938 unter dem Titel Volkskunst und bäuerliche Wohnkultur aus Tirol in Berlin gezeigt.
Gauleiter Franz Hofer hatte die Ehre, die Ausstellung im Deutschen Heimatwerk Berlin zu eröffnen. In seiner Eröffnungsrede, in der er unter anderem die noch reiche Erhaltung vielfältiger „volkskunstmäßiger und bäuerlicher Eigenart“ mit der „Freiheitsliebe und Volkstumstreue der deutschen Menschen in seinem Gau“ verknüpfte und ausführlich auf die heldenhaften historischen Taten der Tiroler einging, in der er ebenso das germanische Erbe in der Tiroler Volkskunst in den Ornamenten Sonnenrad und Lebensbaum als „Sinnbilder nordisch-germanischer Art“ hervorhob, stellte der Gauleiter für die künftige Ausrichtung schließlich fest: „Nunmehr, da der Nationalsozialismus auch bei uns die Zügel der Macht ergriffen und damit die Führung der Menschen übernommen hat, wird die wahrhaft deutsche Volkskunst Tirols und der übrigen Ostmark einer neuen Blüte entgegengehen. Frei von konfessionellen Übertünchungen, wird nunmehr das Altererbte wieder in dem Maße Pflege erfahren, als es mit Fug und Recht beanspruchen darf. Wir haben ja unsere Schützenvereinigungen, in unseren Trachtengruppen und Trachtenmusikkapellen Bestände besten Brauchtums übernommen, das nunmehr einheitlich meiner Führung als Gauleiter unterstellt ist. Ich bin überzeugt, daß auch die anderen Ostmarkgaue, auch wenn dort in der vergangenen Zeit in dieser Hinsicht viel Substanz verloren gegangen sein mag, alles daransetzen, Verschüttetes wieder aus der Vergessenheit zu heben und damit dem Volke selbst wieder die Besinnung auf seine eigene edle Art zu gewinnen“ (Deutsche Volkszeitung vom 16. November 1938, Seite 3).
Denkmalpflege
Eine ähnliche Absicht der Reaktivierung und Kultivierung verfolgten Aktionen der Denkmalpflege. In Innsbruck war dazu der äußere Anlass das nahende Jubiläum im Jahr 1939: 700 Jahre Stadt Innsbruck. Generell sollten jetzt die im öffentlichen Besitz stehenden Altstadtgebäude gründlich saniert werden und zu einer Verschönerung des historischen Altstadtbildes beitragen. Ein wichtiges Anliegen der Denkmalpflege und des Heimatschutzes waren etwa die Beschränkung von Reklameeinrichtungen und eine geschmackvolle Gestaltung der Schaufensterauslagen durch die Geschäfte. In diese Richtung einer demonstrativen Zur-Schau-Stellung deutscher Art mit Ordnung und Gründlichkeit gehört eine Aktion des Gaststättengewerbes im Dezember 1938. Das Gastgewerbe sei die „Visitenkarte der Nation“. Das Gasthaus sei in seiner Propagandafunktion nicht zu unterschätzen: „Wie der Ausländer in der Gaststätte behandelt, was ihm geboten und gezeigt wird, das ist dafür entscheidend, in welchem Lichte er Deutschland sieht.“ Als prinzipielle Weisung wird den Teilnehmern der Versammlung mitgeteilt: „Der Ausländer soll mit ‚Heil Hitler!’ begrüßt werden, aber man soll ihm nicht die nationalsozialistische Weltanschauung aufdrängen, die er vermutlich gar nicht verstehen würde. Man soll ihm aber unser Brauchtum zeigen und die Bedienung in unsere schöne Volkstracht kleiden, die ein Vorrecht des arischen deutschen Menschen ist. Diese verstärkte Pflege des Brauchtums ist ein ganz besonderer Wunsch unseres Gauleiters“ (Innsbrucker Nachrichten vom 17. Dezember 1938, Seite 11).
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Kirchliche Ankündigungen wie Mitteilungen über kirchenmusikalische Veranstaltungen konnten im Jahr 1938 in den Zeitungen noch erscheinen. Im Alpenheimat-Familienkalender für Stadt und Land waren im Kalendarium der ersten Jahrgänge (1939 ff.) noch die wesentlichen kirchlichen Feste angeführt. Es war den Nationalsozialisten sehr wohl bewusst, dass in der Tiroler Bevölkerung die christliche Botschaft und religiöses Brauchtum tief verwurzelt waren und daher anfänglich ein nicht zu radikaler Umgang mit kirchlichen Gewohnheiten und Einrichtungen angebracht schien. Die Kirche als moralische Institution mit ihrer glaubwürdigen Friedensideologie wäre aufgrund der gut organisierten Verwaltungsstruktur vermutlich überhaupt die einzige, auch politisch relevante Instanz gewesen, die durch konsequente und vorbildwirkende Überzeugungsarbeit ein Bollwerk gegen das Durchbrechen des Nationalsozialismus hätte darstellen können. Jedoch hatte die römisch-katholische Kirche schon 1933 die Ausschaltung des Parlaments und die Diktatur des „Austrofaschismus“ begrüßt. Es erscheint so geradezu folgerichtig, dass sie sich auch 1938 für den „Anschluss“ ausgesprochen und damit wieder auf die Seite der Macht gestellt hat.
Der Mythos, der „Austrofaschismus“ sei gewissermaßen als Gegengewicht zur Verhinderung der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich in seiner totalitären Ausprägung notwendig gewesen, ist gegenwärtig wohl kaum mehr zu rechtfertigen. Der „Austrofaschismus“ war vielmehr ein ideologisch durchaus mit dem Nationalsozialismus vergleichbares Repressionssystem mit autoritärem Führerstil, totalitärem Machtanspruch der Massen- und Einheitspartei, ausgeprägtem Nationalismus und vielfach präsentem Antisemitismus. Darüber hinaus schufen die damalige desolate Wirtschafts- und Sozialpolitik mit großer Arbeitslosigkeit und zahllose andere grobe Ungerechtigkeiten weiteren Nährboden für die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Diese erreichten nicht von ungefähr bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 ein nahezu einstimmiges Votum der Zustimmung. Dass Engelbert Dollfuß, der Zerstörer der Demokratie in Österreich und der Begründer des autoritären und vielfach brutalen Herrschaftssystems „Austrofaschismus“, in Räumlichkeiten des Österreichischen Parlaments derzeit immer noch mit einem Porträt alltäglich präsent gehalten wird, belegt deutlich wie vielleicht kaum ein anderes Faktum, wie teilweise unsensibel an Beschönigungen historischer Tatsachen durch Verdrängung wahrer Gegebenheiten festgehalten wird. Die Gleichgültigkeit darüber verweist auf ein Defizit an Einsicht, welch ein großes Geschenk uns mit einer demokratischen Verfassung für ein gedeihliches Zusammenleben anvertraut ist.
Weitere Informationen zum Jahr 1938 sind zu finden in den Kapiteln
Anschluss
Volksabstimmung
Eingliederung
Autor: Manfred Schneider
Stand: 12. Juni 2013