„Arisierung“ der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke

Friedrich Reitlinger (1877-1938) war Eigentümer der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke. Ab 1900 fungierte er als Betriebsleiter des damals größten Industriebetriebs in Tirol. Friedrich Reitlinger war 1917 zum Katholizismus konvertiert, was ihn aber nicht davor schützte, wegen seiner jüdischen Herkunft immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Dennoch erreichte er einflussreiche Stellungen. Von 1917 bis 1935 war Friedrich Reitlinger Präsident der Tiroler Industriellenvereinigung, von 1920 bis 1935 Vizepräsident der Tiroler Wirtschaftskammer. Weitere Funktionen seines engagierten Wirkens waren die Mitgliedschaft in der Sektion Bergbau der Ingenieurkammer für Tirol und Vorarlberg sowie von 1927 bis 1934 die Stellung als Vizepräsident bzw. Mitglied des Verwaltungsrates der Hauptbank für Tirol und Vorarlberg. Im Dezember 1927 gründete Friedrich Reitlinger in Innsbruck den ersten Rotary-Club außerhalb Wiens, als gesellschaftliche Attraktion und Zentrum für schöngeistige Konversation.


Kurz vor dem „Anschluss“ im März 1938 wurde Friedrich Reitlinger zusammen mit seiner Tochter in seinem Haus in Jenbach festgehalten. Da er schwer krank und nicht transportfähig war, bat Friedrich Reitlinger nach offizieller Darstellung seine Tochter, ihn zu erschießen. Nach dem Polizeiprotokoll richtete diese sich anschließend selbst. Im Jenbach kursierten allerdings Gerüchte, dass beide von NS-Schergen ermordet worden seien. Beweise dafür gibt es wohl nicht.


Nach dem Tod von Friedrich Reitlinger wurde sein kompletter Besitz von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und schließlich 1939 arisiert: Neuer Eigentümer wurde jetzt der deutsche Großindustrielle Ernst Heinkel (1888-1958). Die offizielle Werksübergabe im Rahmen eines Betriebsappells am 17. Juli 1939 unter Beteiligung der Werksmusik in Knappentracht beschreibt Rainer von Hardt-Stremayr in den Innsbrucker Nachrichten vom 18. Juli 1939, Seite 4:


„Jenbach, 17. Juli. Die Jenbacher Berg- und Hüttenwerke, jener Betrieb, der unter der System-Aera des Juden [Ing. Friedrich] Reitlinger bis zum Umbruch ein Scheindasein führte, dann staatlich beschlagnahmt und unter kommissarische Verwaltung gestellt wurde, sind mit heutigem Tag offiziell in das Eigentum des deutschen Nationalpreisträgers und Wehrwirtschaftsführers Parteigenossen Prof. Dr.-Ing. e. h. Dr. phil. h. c. [Ernst] Heinkel, des bekannten Flugzeugbauers, dem ein großes Verdienst daran zuzusprechen ist, daß die deutsche Luftwaffe zur stärksten der Welt wurde, übergegangen. Die Uebertragung aus Staatseigentum gilt rückwirkend auf 1. Jänner 1939. Durch diese im Auftrage des Reichsstatthalters der Ostmark, bzw. seines Beauftragten, dem Staatskommissär in der Privatwirtschaft Ing. Raffelsberger, erfolgte Uebergabe der derzeit zu den Jenbacher Berg- und Hüttenwerken gehörenden Besitztümer samt den Bergrechten an Dr. Heinkel, trat der bisherige kommissarische Treuhänder und Betriebsführer Pg. Gürtler und gleichzeitig im Einvernehmen mit dem Kreisbeauftragten der Deutschen Arbeitsfront und dem Kreisleiter der gesamte Vertrauensrat zurück. Mit der Führung der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke beraute Prof. Dr.-Ing. Heinkel den Direktor Oberingenieur Pg. Müller-Herrings.


Jetzt schon über 400 Gefolgschaftsangehörige.

Die feierliche Uebergabe der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke erfolgte am Montagnachmittag [17. Juli 1939] im Rahmen eines Betriebsappelles, zu dem die gesamte jetzige Gefolgschaft sowie Gefolgschaftsangehörigen der Firma G. Hinteregger, der der Ausbau der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke übertragen wurde, anwesend waren – zusammen weit über vierhundert Mann. Diese jetzige Belegschaftsstärke wirkt an sich schon wie ein Wunder und ist als eindrucksvolles Zeichen der Aufbauarbeit in unserem Gau zu werten, wenn man weiß, daß der kommissarische Treuhänder Pg. Gürtler bei der Uebernahme des Werkes nach dem Umbruch vor etwas mehr als einem Jahre eine Belegschaft von sieben Mann vorfand, diese innerhalb knapper Jahresfrist auf 80 steigerte, daß es jetzt schon rund 400 sind und daß das Programm des Werksaufbaues bis Jahresende eine noch weitere wesentliche Erhöhung der Belegschaft vorsieht.


Die Wichtigkeit der Uebernahme der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke durch Prof. Dr.-Ing. Heinkel für den ganzen Gau fand ihre Unterstreichung allein schon durch die Anwesenheit des Beauftragten des Gauleiters für die Deutsche Arbeitsfront, Pg. Giselbrecht, der in Vertretung des am Kommen verhinderten Gauleiters erschienen war, des Kreisleiters von Schwaz Pg. Aichholzer, des Gaupresseamtsleiters Pg. Pisecky, des Gausozialwalters Pg. Tusch und des Landesrates Pg. Linert bei der Feier. Den Portalbau schmückten neben den Hakenkreuzflaggen auch die grün-schwarzen Bergwerksfahnen und die gelb-blaue Flagge der Heinkelwerke, mit dem roten geflügelten ‚H‘. Auch auf zahlreichen Gebäuden im Innern der Werksanlage war das Zeichen der Henkelwerke, das goldene „H“ auf blauem Grunde angebracht, und ebenso wehte das Symbol des Betriebs auf einem Mast neben der mit dem Hoheitszeichen gezierten Rednertribüne im Hofe.


Voller Erfolg der kommissarischen Verwaltung.

Nach dem Anmarsch der Jenbacher Werksmusik in Bergknappentracht und der Meldung durch den Betriebsobmann Pg. Leitner an Prof. Dr.-Ing. Heinkel ging dieser durch das dichte Spalier seiner Gefolgschaft mit seinen Ehrengästen auf den Festplatz, wo zunächst der kommissarische Treuhänder Pg. Gürtler das Werk an Prof. Heinkel übergab. Wie Pg. Gürtler in seiner Ansprache ausführte, waren ihm bei Uebernahme seines Amtes als kommissarischer Verwalter im März 1938 folgende Aufgaben gestellt gewesen:


1. Regelung des Reitlingerischen Nachlasses; 2. Ankurbelung der Gießerei und des gesamten Werkes, soweit dies mit den vorhandenen Mitteln möglich war; 3. Eingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsprozeß; 4. Einleiten des Ueberganges in wirtschaftlich starke Hände unter Berücksichtigung des bodenständigen Volkstums, und 5. der Verkauf des Werkes.


Wie bereits aus den einleitenden Ausführungen ersichtlich, ist dies dem kommissarischen Treuhänder vollauf gelungen, vor allem dank der Förderung durch Gauleiter Hofer und dank des vollen Verständnisses aller Mitarbeiter.


Der Name Heinkel – eine Bürgschaft.

Sich an Prof. Dr.-Ing. Heinkel wendend, sagte Pg. Gürtler, daß der Name Heinkel in unserem Gau längst bekannt ist, und als sich in unserem Landl die Kunde verbreitet habe, daß Heinkel die Jenbacher Berg- und Hüttenwerke übernehmen und aufbauen werde, sei ein freudiges Aufatmen durch Gau und Volk gegangen, wußte man doch, daß dieses Werk in keine besseren Hände hätte gelegt werden können als in die seinen, die Gewähr für eine glanzvolle Entwicklung des Unternehmens, für Glück, Zufriedenheit und Wohlstand weiterer Kreise bieten. Prof. Heinkel möge mit der Besitznahme der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke auch Besitz ergreifen von den ihm in froher Zuversicht entgegenschlagenden Herzen der Gefolgschaft und darüber hinaus der ganzen Bevölkerung des Gaues.


Durch lautes Böllerkrachen wurde der Augenblick der Uebergabe der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke an Prof. Dr.-Ing. Heinkel weitum kundgetan.


Der Beauftragte des Gauleiters für die Deutsche Arbeitsfront, Pg. Giselbrecht, überbrachte die Grüße des Gauleiters und entwickelte in seiner Ansprache einen Vergleich zwischen dem Scheindasein des Betriebes von einst und der sichtbaren nationalsozialistischen Aufbauarbeit von jetzt, wie dies Gauleiter Hofer auch bereits kürzlich beim Schwazer Kreisappell dargelegt hatte, und legte auch namens der Gauleitung mit Worten der Zuversicht die Werke, die sich zum größten Privatbesitz unseres Gaues entwickeln werden, Prof. Heinkel ans Herz.


Ein Versprechen Prof. Heinkels.

Prof. Dr.-Ing. Heinkel erklärte, die volle Verantwortung für die künftige Entwicklung dieses Werkes und der bei ihm beschäftigten Gefolgschaft zu übernehmen und erzählte seinen Gefolgschaftsangehörigen, wie er überhaupt dazu kam, neben seinen großen Flugzeugwerken in Rostock an der Ostsee und in Oranienburg bei Berlin dieses an sich kleine und in den letzten Jahren so herabgewirtschaftete Werk zu übernehmen, obwohl die erste Besichtigung naturgemäß nicht günstig ausfallen konnte, da das Werk so gut wie brach lag. Aufträge fehlten, daher nur ein kleiner Stamm von Arbeitern beschäftigt war, keinerlei nur einigermaßen moderne Fabrikeinrichtungen vorhanden waren und es an allen sozialen Einrichtungen mangelte.


Wenn er trotz Abratens das Werk gekauft habe, so sei für ihn ausschlaggebend gewesen, daß er diesen Gau mit seiner Landschaft, mit seinen Bergen und Tälern, besonders liebe und daß er sich mit der Bevölkerung unseres Gaugebietes besonders eng verbunden fühle. Er sehe seinen Ehrgeiz darein, hier ein Werk aufzubauen, in dem Arbeitskameraden nicht nur Arbeit und Brot finden, sondern auch beste Arbeitsbedingungen, ein Werk, in dem jeder gern arbeitet, dessen Belegschaft wie eine große Familie zusammenhält und auf das auch der ganze Gau stets stolz sein kann.


Eine Fülle sozialer Aufgaben.

Daher habe seine Sorge von allem Anfang an der Schaffung gesunder Arbeitsplätze und der Betreuung der Gefolgschaft gegolten. Alte und wüste Gebäude sind im Umbau und zum Teil schon fertiggestellt; auch ein eigenes Gefolgschaftshaus mit einer Kantine für mehrere hundert Arbeiter wird errichtet werden. Ein eigener Gesundheitsdienst mit einem besonderen Werksarzt soll eingerichtet werden. Lehrwerkstätten werden für die Schulung von Lehrlingen und Arbeitern sorgen. Die weitere Erhöhung der Belegschaft werde es mit sich bringen, daß auch Arbeitskräfte eingestellt werden müssen, die nicht in Jenbach und Umgebung wohnen, wodurch sich von selbst die Notwendigkeit ergebe, die zum Werk gehörigen Wohnhäuser wieder instand zu setzen; außerdem wird vom Bauträger der DAF. ‚Die Neue Heimat‘ in nächster Umgebung des Werkes eine neue Siedlung mit mehreren hundert Wohnungen entstehen.


Die Zusammenarbeit der heimischen Arbeiterschaft mit jenen leitenden und bei ihm erprobten Angestellten, denen die Verwaltung, die Abrechnung und die Arbeitsvorbereitung auf das Jenbacher Werk übertragen wurde, habe bereits gezeigt, daß gerade hier zwischen den Angehörigen aller deutschen Gaue jetzt schon beste Kameradschaft bestehe.


Zum Schlusse sprach Professor Heinkel allen Stellen von Partei und Staat, die ihn beim Erwerb und Aufbau der Jenbacher Berg- und Hüttenwerke unterstützt hätten, seinen tiefempfundenen Dank aus, voran unserem Gauleiter. Dieser Dank könne nicht besser zum Ausdruck gebracht werden als durch das gemeinsame Gelöbnis, in echter Werkkameradschaft zusammenzuhalten, indem ein jeder an seiner Stelle sein Bestes hergibt, um ein in jeder Beziehung vorbildliches Werk zu schaffen.


Selbständige Stellung in der Wirtschaft.
Der neue Direktor, Oberingenieur Müller-Herrings, gab eine Würdigung der vom kommissarischen Treuhänder Pg. Gürtler geleisteten Aufbauarbeit, die umso höher einzuschätzen sei, als beim Umbruch nur ‚Maschinenfriedhöfe‘, ‚menschenunwürdige Löcher‘ und jene im Volksmund spöttisch ‚Ministertürme‘ genannten alten Hochofenanlagen vorhanden waren, die als Symbol der Systemzeit mit ihren verheerenden wirtschaftlichen Folgen als erste gestürzt wurden. Aus den weiteren Ausführungen des Direktors ging hervor, daß Dr. Heinkel in diesem seinen neuen Werk nicht ein Anhängsel seiner Großbetriebe in Rostock und Oranienburg sehe, sondern daß nach seinem Willen hier der kleine, aber selbständige Bruder dieser beiden Werke im Wachsen sei. ‚Treue um Treue‘ sei nach altem deutschen Grundsatz die Parole dieses Werkes, in dem für das ganze deutsche Volk und für den Mann gearbeitet werde, dem wir auch den Wiederaufbau von Jenbach in erster Linie zu verdanken haben, unseren Führer.


Mit dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation war der offizielle Teil des Betriebsappells beendet. Die Marketenderinnen der Knappenmusik kredenzten den Festgästen den Enzian und überreichten Frau Heinkel einen Strauß Alpenblumen, und dann hielt noch ein kleines Betriebskonzert die Gefolgschaftsmitglieder in der strahlenden Sonne des Sommerspätnachmittags, an diesem ersten, zu einem Festtag gewordenen Arbeitstag des Heinkel-Werkes beisammen.“

AUFFÜHRUNGEN
VON KOMPOSITIONEN
JOSEF EDUARD PLONERS
(19. MAI 1938 bis
12. JULI 1944)

1938/39/40

1941/42

1943/44

Werkverzeichnis


Komponisten

Josef Eduard Ploner
Emil Berlanda
Karl Senn
Artur Kanetscheider
Karl Koch
Josef Gasser
Peter Marini
Albert Riester