Anmerkungen
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Zehn Jahre Kufsteiner Heldenorgel
Serenade am Ehrenmal der Gefallenen Weiterer Ausbau geplant Reges Musikleben Kufsteins
Bericht von Harald Uhlig in den Innsbrucker Nachrichten vom 11. Juli 1941, S. 4
Kufstein, 10. Juli. Kufstein, das kleine lebendige Städtchen an der Pforte Tirols, feiert in diesem Jahre das zehnjährige Bestehen seiner Heldenorgel und stellt daneben mit einer beachtlichen Konzertreihe unter Beweis, daß es ein für eine Kleinstadt erstaunlich reges Musikleben aufzuweisen hat.
Die Heldenorgel, die einzige Freiorgel überhaupt, ist ein mächtiges, tönendes Ehrenmal für die Gefallenen aller deutschen Stämme. In den bitteren Jahren, die uns vom Reiche trennten, klang sie ehern und weit über die Grenzen, und Tag für Tag hallte, wie auch noch heute, die herrliche Haydnmelodie des Deutschlandliedes hinauf in die Berge damals als Sehnsuchtsschrei eines abgeschnittenen deutschen Stammes, heute als Feier des großen Reiches.
Auch wirtschaftlich hatte die Systemzeit dieses Werk, das aus freiwilligen Spenden aus allen deutschen Gauen errichtet worden war, schwer untergraben, aber mit dem Anschluß ans Reich war sein Bestand nicht nur gesichert, sondern ein reges, musikalisches Leben begann sich um diese gewaltige Orgel zu entwickeln. Die bedeutendsten Organisten aus dem ganzen Reich spielten auf diesem Rieseninstrument, dessen Meisterung noch durch die akustische Schwierigkeit des Höhenunterschiedes von hundert Meter[n] zwischen Spieltisch und Orgel erschwert wird. Heute kann schon verraten werden, daß das ganze gewaltige Werk wie seine Umgebung einen weiteren, großen Ausbau erfahren wird.
Und nun sitzen wir an einem prachtvollen Sommerabend unter Hunderten erwartungsfroher Menschen, Feriengäste, Bergsteiger, Einheimische und Soldaten, und lauschen der zweiten Serenade der Konzertreihe 1941 im Burghof von Kufstein.
Ein Präludium auf der Heldenorgel, von Max Greiderer, ihrem ständigen Organisten und Betreuer, ausgezeichnet vorgetragen, leitet den Abend ein. Dann kommen die Gäste der Münchener Staatsoper, das Waldhornquartett Hans Noeth, Fritz Karg, Josef Salvenmoser und Richard Theurer, die sich bald das Kufsteiner Publikum erobert haben. Der "Pilgerchor" aus "Tannhäuser" von Wagner und Härtels "Abendständchen" werden in ausgefeiltem Zusammenspiel gebracht. Hierauf ein Stück der Bläser, der "Jägerchor" aus dem "Freischütz" von Carl Maria von Weber. Die Bläser werden nun durch vier Streicher, das Kufsteiner Streichquartett, abgelöst, die Mozarts "Kleine Nachtmusik" mit viel Frede und Gemüt sehr gut vortragen. Lebhafter Beifall dankt Max Greiderer, Cyrill Deutsch, Rudolf Eberl und Fritz Bachler, die, gleichzeitig Lehrer der Städtischen Musikschule, den Kern des Kufsteiner Musiklebens bilden.
Hatte es erst einiger Umstellungen bedurft, als die Bläser mit den Streichern wechselten, so ist man jetzt ziemlich überrascht, im dritten Teil des Programms zunächst wieder Mozart zu finden, denn eine reine Blasmusik des Salzburger Meisters wird wenigen geläufig sein. "Abendruhe" heißt das kleine Stück, das auch herzlichen Beifall erntet. Dann sollte das sehr innig vorgetragene "Wiegenlied" von Brahms das Programm für den Burghof schließen, der Beifall erzwang aber noch einen Satz aus Franz Lachners "Jahreszeiten" als dankbar angenommener Zugabe. Eine andere Zugabe, allerdings nicht von den Münchnern, gab eine kleine Amsel, die froh und unbekümmert zur "Kleinen Nachtmusik" ihre Variationen pfiff.
Dann wandert die ganze Musikgemeinde hinaus auf den Adolf-Hitler-Platz, denn der zweite Teil des Abends bringt für Kufstein etwas gänzlich neues eine Turmmusik. Stimmungsvoll klingt der "Wach auf"-Chor aus Wagners "Meistersingern" vom Turm. Machtvoll dann "Die Himmel rühmen" von Beethoven und schließlich erringt sich das "Volksliedchen" und "Märchen" von Karl Komzak besonderen Beifall, denn neben einem entzückenden, gefälligen Hauptthema bietet es den Hörern [Hörnern?] sehr reiche Entfaltungsmöglichkeiten. Wie schon erwartet, wollen die Zuhörer aber noch nicht weichen, und so ertönt zum Abschluß noch einmal die romantische Musik Webers aus "Euryanthe".
Dieser Serenadenabend wurde zum Beweis für die Freude und Anteilnahme, die auch die kleinste Stadt der herrlichen deutschen Musik entgegenbringt. Dem Leiter, Musikdirektor Bachler, seinen Mitarbeitern und der musikfreudigen Stadt Kufstein ist der Dank aller Musikfreunde weit über die Grenzen Tirols hinaus gewiß.
Heldenorgel
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Musikdurchklungene Bergheimat
Altüberkommenes Volksgut in lebendiger Ueberlieferung Zum Tage der Deutschen Hausmusik
Von Emil Berlanda
In: Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1944, S. 3
Hausmusik ist "Musik im Haus", Musikpflege in Gemeinschaft durch Singen und Spielen in Familie und Sippe. Damit ist das Wesen dieser Art umrissen. Jede Musik setzt Beteiligung aller voraus: jedes Glied einer Gemeinschaft ist mit einbezogen und keines steht (als Zuhörer) außerhalb des Musizierens.
Aus der Seele des Volkes geschöpft
Dieses Musizieren, von alters her überliefert und gepflogen, umfaßte nicht allein Musikliebhaber; auch ausübende Musiker sahen in der "Kammermusik" die befriedigendste Form des Musizieren überhaupt. Kein Wunder, daß auch unsere größten Tonsetzer Werke für derlei Zwecke schrieben, deren Besetzung meist den jeweiligen Verhältnissen und Umständen angepaßt war. Daß mit der Vervollkommnung der Spieltechnik auf den Instrumenten auch der Schwierigkeitsgrad ihrer Wiedergabe wuchs, ist wohl eine begründete Folge der Entwicklung, auf der andern Seite jedoch ist sie die Ursache, daß durch den Eingang der Kunstmusik in den häuslichen Musizierkreis der eigentliche Sinn der ungezwungenen Hausmusik mit der Zeit verlorenging und diese nunmehr als eine mehr künstlerische Betätigung angesehen wurde; es erscheint in diesem Zusammenhang begreiflich, daß sich schon durch das Niveau der hie[r]bei verwendeten Kompositionen solche Hausmusik in die Städte und größeren Ortschaften verlagerte.
Auf dem Lande hingegen wurde Hausmusik betrieben, für die das Material nicht einschlägige Kompositionen bildeten; das auf eigenem Boden und auf eigener Scholle gewachsene, von früherer Zeit überkommene und in den meisten Fällen nicht schriftlich überlieferte Lied- und Musikgut bildete den Gegenstand der Pflege und der weiteren Ausgestaltung. Dies Aufgreifen einer musikalischen und räumlich gebundenen Betätigung stellt die eigentliche Urform des häuslichen Gemeinschaftsmusizierens dar. Es ist kein Zufall, sondern in der Mentalität der Alpenbewohner begründet, daß sich vornehmlich in unseren Gebietsteilen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Gruppen bildeten, welche sich mit dieser Art Hausmusik eingehender befaßten und dadurch ein überaus wertvolles und bis dahin meist nur im Tale sorgsam behütetes, in manchen Fällen auch unbeachtet gebliebenes Kulturgut einem größeren Kreise zugänglich machten. Ich denke hier an die verschiedenen National-Sängergesellschaften in Tirol und außerhalb unseres engeren Heimatgebietes, die wohl zunächst nur aus reiner Freude am Gelingen einer gemeinsam gestellten Aufgabe, gleichzeitig zum unbewußten Verbreiter wurden. Geboren in Familie und Heim, blieb die Pflege des "Alpenliedes" unbeeinflußt von den Kunstströmungen der Zeit und frei von jedem unempfundenen Beiwerk anfänglich auf engerem Raume beschränkt, zog aber dann weitere Kreise durch den Zusammenschluß sangesbegeisterter und im Instrumentenspiel kundiger Menschen. Aeußere Anlässe, wie z. B. Familienfeste, Tanz und Unterhaltungen sowie im Brauchtum wurzelnde Bereicherungen des völkischen Gemeinschaftslebens bildeten zunächst in der engeren Gemeinde den entsprechenden Rahmen für ihre Betätigung. Als Auswirkung solcher Hausmusikpflege darf ich hier kurz auf die Verbreitung des Tiroler Alpenliedes durch heimatliche Sängergesellschaften aus dem Zillertal, aus Stams im Oberinntal, Hötting und aus anderen Orten Tirols stammend hinweisen, die nicht nur auf den Bereich innerhalb der damaligen Reichsgrenzen beschränkt blieb, sondern durch ausgedehnte Reisen nach Deutschland, England und Rußland, ja sogar nach Amerika und Australien weite Gebiete unseres Kontinents und außerhalb desselben umfaßte. Ehrungen und Geschenke waren äußere Zeichen gebührender Anerkennung.
Klar in der Liniengebung, einfach und festgewurzelt im Harmonischen, ist das alpenländische und insonderheit das tirolische Alpenlied ein ungekünsteltes Spiegelbild des Berglandmenschen. Unkompliziert und unverfälscht wie dieser bilden für Weise und Jodler die drei Grundakkorde des Tonsystems das harmonische Rückgrat und auch in den Begleitungsformen scheinen Abweichungen kaum auf. Zither und Harfe bildeten neben Gitarre, Geige und Baßgeige, Klarinette und Flöte die hauptsächlichsten Begleitinstrumente, von denen oft auch nur ein einziges (Akkordinstrument) verwendet wurde.
Spiegelbild der Berglandmenschen
Im Zusammenhang mit dem fortschreitenden Konzertwesen und mit einer Musikpflege, die nunmehr einen größeren Rahmen und erweiterten Wirkungskreis bevorzugte, ist seit dem ausklingenden 19. Jahrhundert ein merkliches Nachlassen des Hausmusikgedankens zu beobachten. Zudem stellten sich später die zunehmende Industrialisierung, weiter Sport, Rundfunk und Schallplatte einer solchen Musikausübung hemmend entgegen und so konnten wir schließlich nur mehr von einer Hausmusik sprechen, deren Betätigung sich in beschiedenen Grenzen hielt.
Die Erkenntnis, daß jedes Volks seine Kraft aus sich selbst schöpfen muß, hat nun zu einer systematischen Erfassung und Auswertung des musikalischen Volksgutes geführt und auf diese Weise jene urtümliche und aus der häuslichen Musikpflege erwachsene Volksmusik einem größeren Kreis nähergebracht. Und so sehen wir im neuen Deutschland allenthalben eine Vertiefung des gemeinschaftlichen Musiziergedankens Platz greifen, mit dem schon die frühe Jugend in den Unterrichts- und Erziehungsanstalten sowie in der Jugendbewegung und im privaten Musikunterricht eng vertraut gemacht werden soll.
Zither und Harfe, Raffele und Hackbrett
Daß nun auch die Musikschule in Innsbruck als maßgebliches Kunstinstitut im Gau Tirol-Vorarlberg an der Neuerweckung und Vertiefung dieses volksgebundenen Kulturgutes besonderen Anteil nimmt, ist nach dem geschilderten Ueberblick mehr als verständlich. So widmet sich dieses Institut neben der allgemeinen Pflege der Kunstmusik der planmäßigen Jugend-Musikerziehung, welche außer dem Gemeinschaftsgesang und der damit verbundenen Einführung in die grundlegenden Fragen der musikalischen Elementarkenntnisse auch die Pflege der spezifisch tirolischen Volksinstrumente umfaßt und diesem Teil seiner Erziehungsaufgabe besondere Sorgfalt angedeihen lässt. Als solche Volksinstrumente sind vertreten: Zither und Volksharfe, Gitarre und "das Raffele", Hackbrett, Flöten und Klarinetten. Aufsteigend von den einfachsten Formen der Hausmusik, wird ihre vielfältige Ausgestaltung durch weitere Singstimmen und Zuziehung von Instrumenten sowie durch ihre verschiedentlichsten Zusammenstellungen erprobt und nach Gegebenheit auch in öffentlichen Veranstaltungen vorgeführt.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen solchen Abend der "Musikschule der Gauhauptstadt Innsbruck" verweisen, der im vergangenen Jahre unter dem aufschlußreichen Titel: "Wir zeigen, wie wir zu Hause musizieren können", veranstaltet wurde. Soweit hie[r]für besondere und für derartige Zwecke herausgegebene Kompositionen herangezogen werden, sind diese ihrer Entstehung nach meist neueren Datums, bevorzugen in ihrer musikalischen Struktur gediegene Einfachheit in der Melodik und eine zum Teil bewußt auf den Vokal- und Instrumentalsatz des Vorbarock zurückgreifende Ausarbeitung. Bemerkenswert ist die uns ebenfalls schon aus dieser Zeit bekannte beliebige Verwendung der Instrumente, die nur ihrer Lage nach vorgeschrieben ist, im übrigen aber dem Belieben und in Anpassung vorhandener Möglichkeiten anheimgestellt sein kann.
Gemeinschaftsmusizieren als Kraftquelle
Aus der Tatsache nun, daß dieser "Tag der Deutschen Hausmusik" auch heuer [1944] in einer Zeit schwersten Ringens und härtesten Arbeitseinsatzes durchgeführt wird, mag die besondere Bedeutung zum Ausdruck gebracht sein, die man der Hausmusikpflege als einem unserem innersten Wesen gemäßen Zweiges der Musik entgegenbringt. Die heutigen Verhältnisse lassen es leider nicht zu, diesen Tag in der Oeffentlichkeit durch Eigen- und Werbeveranstaltungen zu begehen. Um so mehr verdient die Einschaltung des Großdeutschen Rundfunks Bedeutung, der an diesem Tage in mehreren Sendungen, auf die bereits kürzlich in diesem Blatte hingewiesen wurde, Anregungen zum häuslichen Musikzieren gibt, wobei innerhalb dieses Rahmens die für das heurige Jahr gestellten Themen: Johannes Brahms und Hausmusik aus dem hanseatischen Raum Das deutsche Volkslied Spiel zu Dreien Förderung der Bach-Pflege entsprechende Berücksichtigung finden.
So möge uns auch der diesjährige "Tag der Deutschen Hausmusik" der Zielsetzung, das Volk weitestgehend zu interessieren und einen Großteil davon in diese Art der Musikausübung einzubeziehen, näherbringen. Insbesondere aber mögen wir in diesem und aus der Volksseele schöpfenden Gemeinschaftsmusizieren eine jener Quellen erblicken, die uns mit die Kraft gibt, auch die schwersten Schicksalsstunden im Lebenskampf unseres Volkes ungebrochen zu überstehen.