Weitere Informationen zu Norbert Wallner

Dr. Norbert Wallner als Bezirksschulinspektor während des Krieges und hernach

Von Ella Peintner
Bericht für Manfred Schneider, verfasst im Juli 2012

[Gabriele ("Ella") Peintner, Absam, geb. 1922, Volksschuldirektorin i. R]
Typoskript im Archiv des Instituts für Tiroler Musikforschung Innsbruck

1939:
Zum Jahrestag der "Befreiung Österreichs" durch Hitler wurde mein Vater nach einjähriger Gefangenschaft davon neun Monate Dachau entlassen. Kahlgeschoren, zum Skelett abgemagert und gesundheitlich angeschlagen, durften wir ihn überglücklich in die Arme schließen. Vater arbeitete als Buchhalter in einem Sägewerk und meine Schwester bekam durch Zufall eine Stelle als Sekretärin bei einem Universitätsprofessor. So waren unsere finanziellen Probleme gelöst. Vater wurde sofort nach seiner Inhaftierung vom Schuldienst entlassen und Mama bekam nur einen Erziehungsbeitrag für mich, da ich erst fünfzehn und hiermit noch arbeitsuntauglich war.

Als am 1. September der Krieg begann, beschloß der "Familienrat", ich solle mein Studium am Pädagogium wieder aufnehmen, denn Vater glaubte, dieser Krieg werde nicht lange dauern. Hier irrte er sich. 1942 maturierte ich und es verschlug mich nach Kirchdorf bei St. Johann. Der Schulinspektor hieß Norbert Wallner. Bei der Vorstellung signalisierte mein Instinkt sofort: Er gehört nicht zu den Bösen des Nazi-Regimes. Wallner hatte die Aufgabe, uns Junglehrer durch den Dschungel der neuen Gesetze zu führen und uns politisch zu schulen. Ersteres erledigte er kurz und bündig und bevor er zum zweiten Punkt kam, wollte er mit uns ein Volkslied proben. Zu seiner Freude stellte er fest, daß er vor sich eine Gruppe von musikalischen Leuten mit guten Stimmen hatte. Bald waren wir "konzertreif", d. h. wir hatten schon ein umfangreiches Programm "ersungen", kriegsbedingt traten wir als Frauenchor auf mit Liedern, die Wallner dreistimmig gesetzt hatte. Mit Wallner trugen wir diese Lieder hinaus in die Dörfer zur Freude der Menschen. Ich erlebte in dieser Zeit von Partei und Politik relativ unbehelligt in Kirchdorf.

1944:
Wie immer zu Schulanfang mußte der zuständige Schulinspektor eine Konferenz für alle Schulleiter einberufen. In seiner Ansprache sagte er [Norbert Wallner] sinngemäß: "Ich habe mich für dieses System eingesetzt und nun will ich mich vor den Konsequenzen nicht drücken. Ich lege mein Amt zurück und rücke freiwillig ein."

Ab nun wehte ein anderer Wind im Bezirk. Es dürfte vor Weihnachten 1944 gewesen sein, da kam ein deutscher Reichsredner nach Kirchdorf, um die "dummen" Tiroler vom baldigen "Endsieg" zu überzeugen. Meine Kollegin und ich glänzten wie immer bei solchen Anlässen durch Abwesenheit. Bei der zufälligen Begegnung am nächsten Tag begrüßte uns der Herr Reichsredner laut und provokant mit "Heil Hitler!". Meine Kollegin und ich grüßten ebenso laut mit einem fröhlichen "Mahlzeit!". Da war"s um ihn geschehen. Er beschimpfte uns lauthals. Ich antwortete ihm kurzerhand, daß ich persönlich keinen Grund ersehe, den Hitlergruß in den Mund zu nehmen. Die angedrohten Folgen kamen bald. Ich wurde von einem äußerst empörten Inspektor, dem Nachfolger Wallners besucht, der mir erklärte, für mein Verhalten hätte ich die Folgen zu tragen. Die Folgen, die mir zugedacht wurden, erfuhr ich erst von meinem Vater, der nach dem Krieg Einsicht in die Akten nahm. Ich wurde verurteilt: sofortige Entlassung vom Schuldienst und Versetzung nach Norddeutschland zur Arbeit in einer Munitionsfabrik. Da das Kriegsende immer näher rückte, wagte es niemand mehr, diese Strafaktion durchzuführen. Der Brief wurde zwischen Kitzbühel und Innsbruck hin und hergeschoben, immer wegen "Nichtzuständigkeit". Die Zeit verging und der Krieg war aus.

Mai 1945:
Der Krieg war vorbei und mit ihm die Naziherrschaft. Trotz Mangel an allem wir fühlten uns reich und glücklich, denn wir hatten einen kostbaren Schatz bekommen: die Freiheit. Im Herbst 1945 traf ich Insp. Pegger, der nun Schulinspektor vom Bezirk Kitzbühel war. Er sagte lachend zu mir: "Nun weiß ich Bescheid über alle Sünden, die Sie in Kirchdorf begangen haben." Er erzählte mir, daß er in einer versperrten Schublade unter einer Menge belangloser Schriften ein Paket von Briefen gefunden habe, alles Anzeigen, die meine kirchlichen Tätigkeiten und meine politische Einstellung betrafen. Wallner hatte die Briefe versteckt, anstatt sie weiterzuleiten. Eine Gemeindesekretärin hatte sie verfaßt, so vermute ich, aber es interessierte mich nicht weiter.

Gleich nach dem Krieg erkundigte ich mich bei einem mit Wallner befreundeten Kollegen nach W[allner]. Ich bekam die Auskunft, er sei gesund vom Krieg heimgekommen und wohne jetzt in Graz, der Heimat seiner Frau. Er sei vom Schuldienst suspendiert worden und arbeite jetzt beim Alpenverein, wo er sich wohlfühle. Ich war beruhigt. Einige Zeit später erfuhr ich das Gegenteil: Wallner sei unglücklich, er sehne sich nach der Arbeit in der Schule und habe Heimweh nach Tirol. Mein Vater nützte seine Beziehungen zu Wien und erreichte nach kurzer Zeit Wallners Anstellung an einer Hauptschule in Innsbruck. Wallner war überglücklich. Wir trafen uns beim Vogelweiderchor, den er aber bald verließ, weil er ein Studium an der Universität Volkskunde begann. Bei unseren mehr oder weniger zufälligen Begegnungen erzählte er mir von seinen Volkslied-Forschungen, die ihn in ganz Österreich und Südtirol herumführten. "Das Marienlied" war sein Dissertationsthema. Zu seiner Promotion fuhr ich nach Innsbruck und gratulierte ihm mit einem Blumenstrauß. Seine Freude und Rührung waren sichtbar.

Nachwort:
Warum war es mir ein Bedürfnis, obige Geschichte zu erzählen? Als Zeitzeugin möchte ich auch heute noch sagen: Es gibt Leute, die alles besser wissen als wir. Man macht es sich einfach, alle Parteimitglieder als Nazi zu bezeichnen, auch die, welche schon bald von Hitler und Co. zutiefst enttäuscht waren und oft anständigere Menschen waren als ihre heutigen Richter. Nur wer geschichtliche Ereignisse aus der Zeit heraus verstehen kann, darf sich auch ein Urteil darüber erlauben.

Soviel ich weiß, war Wallner bei den Wandervögeln, einer Jugendgruppe, die sich nach dem 1. Weltkrieg organisiert hat. Diese jungen Menschen standen vor den Trümmern zweier Großmächte, verarmt und gedemütigt von den Siegermächten, ohne Arbeit und ohne Zukunft. Sie suchten in der Natur und gegenseitiger Kameradschaft Trost und Freude und wurden letztlich eine leichte Beute für Hitler.

Es ist Mode geworden, eifrig auch bei verdienstvollen Menschen nach braunen Fleckchen zu suchen. Bei Ploner haben sie einen Fleck gefunden eine Hymne ["Litanei"], die niemand kennt und auch kaum jemand gesungen hat. Alle seine Volkslieder sind vergessen, auf unrühmliche Weise wurde er im Tode entehrt. Wäre er bekennender Kommunist gewesen, wäre dies nicht passiert!!!

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Vor hundert Jahren kam der bedeutende Tiroler Volksliedforscher Norbert Wallner zur Welt
Zu guater Stund a Liadl singen

Von Hans Wirtenberger
In: Kitzbüheler Heimatblätter, 17. Jg., 2007, Nr. 4, Seite 1 ff.

Ein geselliger Mensch von natürlicher Fröhlichkeit und Einsatzfreude für das, was ihm bedeutungsvoll erschien. So lebt Norbert Wallner in der Erinnerung vieler Volksmusikfreunde. Weil er wesentliche Arbeitsjahre in Kitzbühel verbrachte, stellt die hundertste Wiederkehr seines Geburtstags einen berechtigten Anlass zu einem Blick auf Leben und Werk dar.

Wallners Kitzbüheler Jahre standen unter völlig unterschiedlichen Aspekten. Die ersten sieben Jahre umfassen die gesamte Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in unserem Land und seine Tätigkeit als Schulinspektor, die letzten fünf Jahre, die nach einer fünfzehnjährigen Abwesenheit begannen, zeigten ihn als Hauptschullehrer mit anhaltendem Interesse an Volksmusik und damit verbundenem Brauchtum, als hart arbeitenden Werkstudenten, der nach Kitzbühel gezogen war, um hier bei der Familie zu sein. Da die Gattin und die drei heranwachsenden Kinder zur neuen Arbeitsstätte in Innsbruck nicht folgen wollten, war er in seinem letzten Lebensjahrzehnt nur noch wenig in Kitzbühel, weil er in seinen Plänen und Aufgaben aufging und diese ihm nun vorrangigen Tätigkeiten zeitlich nur auf Kosten der Familie möglich waren.

Die hervorstechendste Eigenschaft Wallners war eine Bescheidenheit, die auch dazu führte, dass er mit seiner über den Beruf hinausreichenden Arbeit und seinem Einsatz für Volksmusikgruppen keine materiellen Erfolge zu verbinden vermochte. Er wurde aber einer der den Weg weisenden Fachleute für die Volksmusikforschung und für neue Veranstaltungen. Manche seiner Liedschöpfungen sind wirkliche Volkslieder geworden.

Früh zum Fachmann entwickelt
Schon seit der Kindheit interessierte sich der Sohn steirischer Eltern in Tirol der Vater war k. k. Steuerbeamter in Silz, als der Nachzügler am 6. Juni 1907 zur Welt kam für Volksmusik. In Meran, wo der Vater bis zur Pensionierung am Ende der Monarchie tätig war, und in Innsbruck besuchte Norbert die Realschule. Der Traum von einem Tiefbaustudium an der Technischen Hochschule Graz scheiterte wegen des frühen Todes des Vaters. Nach dem Abiturientenkurs begann die Lehrtätigkeit an der Bürgerschule in Reutte, dann folgten Berufsjahre im Oberland. Im Jahr 1935 begann Wallner zusätzlich das Studium der Musikwissenschaft und der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck. Nach drei Jahren musste er es abbrechen und konnte erst ab 1958 nunmehr Volkskunde und Musikgeschichte wieder studieren. Thema seiner 1964 abgeschlossenen und wenig später gedruckten Dissertation waren "Die deutschen Marienlieder in Enneberg" [richtig: "Deutsche Marienlieder der Enneberger Ladiner" (= Schriften zur Volksmusik, Bd. 1/Veröffentlichungen des Instituts für Volksmusikforschung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien), Wien 1970].

Rastlose Forschungsarbeit
Der Studienabschluss als Dr. phil. mit 57 Jahren war nur ein Meilenstein in der bis zuletzt rastlosen Forschungsarbeit, die er mit vielen praktischen Einsätzen zu verbinden vermochte. Bezeichnenderweise feierte Wallner das Ende des fast 30 Jahre umfassenden Studiums auf der Oberlandhütte im Spertental.

Norbert Wallner hatte früh mit Feldforschungen zur Volksmusik begonnen. Der Weltkrieg 1914/18 hatte auch Einschnitte für die Volksmusik gebracht. Die um die Jahrhundertwende erfolgreich begonnene Sammeltätigkeit war unterbrochen. Gebräuchliche Singanlässe kamen ab. Nur Zellen angestammten Singens und Musizierens blieben erhalten. Eine solche fanden Wallner und sein etwas älterer Berufskollege Adalbert Koch aus Hall im westlichen Teil der Kitzbüheler Alpen. Sie verbanden Aufstiege und Skiabfahrten auf einsamen Bergen mit der Einkehr auf Bergbauernhöfen und Gasthäusern. An vielen Wochenenden weilten sie in Großmoos in Inneralpbach.

Schifahrten und Musikaufzeichnungen
"Wir schrieben auf, was sie auswendig konnten an Liedern, Jodlern und Spielstücken, ausgeklammert blieb nur das, was über Schule und Kirche Eingang gefunden hatte, und kamen nach und nach über 200 Aufzeichnungen hinaus. Das Alpenländische überwog beträchtlich. Zither, Gitarre, Zug- und Maulorgel waren die Instrumente. Die Mädchen wussten noch Lieder im Stil der Moritaten, wie sie vor Jahren die "Diarnen" gesungen hatten." So fasste Wallner in der [Tiroler] Kulturzeitschrift "das fenster" (Nr. 19, 1976) die Sammeltätigkeit zusammen. Auch im Fersental und in Südtirol wurde von ihm Feldforschung betrieben. Wallner hielt die Melodien in schönster Handschrift fest.
Koch und Wallner veröffentlichten ab 1936 in den "Tiroler Heimatblättern" einzelne Lieder.

Kreisschulinspektor in Kitzbühel
Als illegales Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei erwartete Wallner nach der Machtübernahme im Jahr 1938 eine glänzende Karriere. Er war kurz provisorischer Volksbildungsreferent für Tirol und kam als "Referent des Landesschulrats" bald nach Kitzbühel. Er inspizierte die in verschiedenen Gebäuden untergebrachten Klassen der Volksschule und setzte sich wiederholt für den Bau eines Schulgebäudes ein.

Obwohl er glühender Anhänger der Bewegung war, wurde Wallner, der mit der Vertreibungspolitik Hitlers und Mussolinis in Südtirol nicht einverstanden war, als Schulrat und provisorischer Kreisschulinspektor nach Kitzbühel versetzt. Er blieb es bis 1945, obwohl er mehrmals kurzzeitig eingezogen wurde und zuletzt Alpinausbildner beim "Volkssturm" war.

Bei der Amtsübernahme übersiedelte Wallner mit seiner jungen Frau Heidlind nach Kitzbühel. Er verlor die [erste] Gattin im September 1939 bei der Geburt einer Tochter. Die Partei und ihre Gliederungen richteten ein pompöses "modernes" Begräbnis aus, am offenen Grab sprach Landesrat Karl Springenschmid aus Salzburg.

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Eindrücke aus Kitzbühel um 1939

Abb. Privatbesitz (Anton Pichler)


Von Anton Pichler
Bericht für Manfred Schneider, verfasst am 27. Juli 2012

[Anton "Toni" Pichler, Kitzbühel, geb. 1942, Schmiedemeister i. R.]
Typoskript im Archiv des Instituts für Tiroler Musikforschung Innsbruck

Über Wallners Jahre in Kitzbühel vor dem Krieg, weiß ich hauptsächlich aus den Erzählungen meiner Mutter, die als Bauerntochter als praktizierende Katholikin aufgewachsen ist und auch uns dementsprechend geprägt hat. Waren doch ihre Eltern weitum (bei der damaligen großen Arbeitslosen-Zeit) bei den Bettlern als Bauersleute mit einem großen Herz für alle bekannt. Sie waren daher aus Erfahrung große Verehrer der Muttergottes und haben auch Wesentliches zur Erhaltung unserer Alt-Tirolerischen-Christlichen Kultur beigetragen, sei es mit Spenden und Arbeiten zur Kirchenerhaltung oder mit Beiträgen zur musikalischen Gestaltung von heimatlichen und christlichen Feiern etc.

Wenn auch "alles Böse" jener Zeit von unseren Eltern so gut wie möglich von uns ferngehalten wurde, so konnten sie dennoch nicht verhindern, dass sich die Atmosphäre, die damals in unserem und in den Häusern der gleichgesinnten Freunde geherrscht hat, bei uns Kindern eingeprägt hat.

Hat mir doch mein Vater (Schmiedemeister) selber in unserem Lager Kästen gezeigt, die die SS-ler bei einer Durchsuchung, anstelle zu öffnen, mit den Stiefeln eingestoßen haben. Nach den Aussagen eines ehemaligen Schmiedegesellen wären wir unseren Vater losgeworden, wenn die SS ein paar Tage früher gekommen wäre. Nach dem Krieg fanden dann die ersten ÖVP-Sitzungen in unserem kleinen Stüberl statt, wo der nachmalige Langzeitbürgermeister und Landtagsabgeordnete Hans Brettauer seine politische Karriere begann. Wir Kinder mussten daher natürlich leider früh ins Bett!

Unsere Mama hat uns am meisten über unsere Vorfahren und über die damalige Zeit erzählt. So auch über das Begräbnis [1939] von Norbert Wallners erster Ehefrau.

Musikzug der Hitler-Jugend bei einem Begräbnis in Kitzbühel 1940, Abb. Privatbesitz (Anton Pichler)


Die Gattin Wallners war in Kitzbühel die Erste Großdeutsche Mutter, die bei der Geburt eines Kindes verstorben ist. Ihr Begräbnis wurde daher auch von den Nazis nach dem neuen Ritus entsprechend zelebriert. Die Leichenhalle (Aufbahrungshalle), in der die Verstorbenen des Stadtgebietes offen hinter großen Glasscheiben aufgebahrt wurden (die Bauersleute wurden zuhause in ihren Stuben unterm Herrgottswinkel aufgebahrt), war bei der verstorbenen jungen Frau Wallner voll von ROTEN Kränzen und Hakenkreuz-Tüchern. Dabei hat sich natürlich die im Betraum auf der Rückwand montierte schmerzhafte Muttergottes in der mittleren großen Scheibe vor dem Sarg gespiegelt. Da musste die Muttergottes abmontiert werden, damit sie nicht das rote Blumenmeer störe.

Aber dann, hat uns Mama erzählt, ist Wallner nach Südtirol und sonst wohin, hat sich in die hintersten Ecken der Kirchen verkrochen und dabei die schönsten Marienlieder gesammelt und vor dem Vergessen bewahrt.

Nach diesem Begräbnis durfte die Muttergottes selbstverständlich für die anderen Verstorbenen wieder auf ihren angestammten Platz zurückkehren.

Kitzbüheler Nachrichten vom 23. September 1939, Seite 2



Norbert Wallner als Festredner bei den Feierlichkeiten zum 9. November 1939 in Kitzbühel.

Kitzbüheler Nachrichten vom 11. November 1939, Seite 3



Norbert Wallner im Propagandaeinsatz

Tiroler Landbote vom 11. Dezember 1942, Seite 3



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Vor hundert Jahren kam der bedeutende Tiroler Volksliedforscher Norbert Wallner zur Welt
Zu guater Stund a Liadl singen

Von Hans Wirtenberger
In: Kitzbüheler Heimatblätter, 17. Jg., 2007, Nr. 4, Seite 1 ff. (Fortsetzung, ab S. 2))

Mit Begeisterung leitete Wallner eine Kitzbüheler Spielschar, die auch bei Wettsingen auftrat und die Musikalität und Kameradschaft nachhaltig förderte. Noch nach Jahrzehnten folgten die ehemaligen Chormitglieder einer Einladung Wallners zu einem Treffen.

Im Jahr 1941 heiratete Wallner Burgi Petrowitsch geb. Lawatsch, deren Vater ein namhafter steirischer Volksliedforscher war. Als der Schulinspektor [Wallner] 1945 verhaftet wurde und als politischer Gefangener durch 27 Monate inhaftiert blieb, kehrte die Gattin, weil die Wohnung beschlagnahmt und geplündert war, nach Graz zurück. Dorthin kam auch Norbert Wallner, der zuletzt als Strafarbeiter eingesetzt wurde und später die redaktionelle Arbeit an einer Bergsteigerzeitung erledigte.

Im Jahr 1950 wurde das Berufsverbot aufgehoben. Wallner kehrte als Hauptschullehrer nach Innsbruck zurück. In den Ferien arbeitete er bei den Camps des Jugendrotkreuzes und führte amerikanische Studenten in die Tiroler Kultur ein. Zwanzig Jahre nach der Unterbrechung des Studiums kehrte er an die Universität zurück.

Sänger und Chorleiter
1960 entschloss er sich zur Rückkehr nach Kitzbühel. Er leitete einen erfolgreichen Schulchor und in seiner unkomplizierten Art fand er Anschluss an Gruppen, die sich mit Volksmusik beschäftigten. Wallner folgte dabei seinem Lied "Zu guater Stund a Liadl", blieb aber häufig der aufmerksame Zuhörer wie zur Zeit seiner früheren Feldforschungen. Er sang gerne in der Anklöpflergruppe des Männergesangsvereins (Leitung Sepp Möllinger) mit. Er schrieb für sie ein Kitzbüheler Klöpfllied "Heint ist die Klöpflnacht, drum tua ma singa".

In einem anderen Lied heißt es: "Steahn die Klöpfler vor der Tür, hol sie einer, sist geahns für. Schickt die heilig Zeit ihr"n Schein voraus, so lass"n ein ins Haus."

Begründer des Tiroler Adventsingens
Dr. Wallner wurde der Begründer des Innsbrucker Adventsingens, das er erstmals in Stift Wilten im Advent 1966 durchführte. Seine verbindenden Texte in der Art eines "Krippenhoangarts" grenzten das Adventsingen von gleichartigen Veranstaltungen ab und wurden das Muster für weitere Adventsingen in Tirol. Der nun als Leiter des Tiroler Volksliedarchivs tätige Dr. Wallner hatte auch die "Kitzbüheler Anklöpfler" des Männergesangsvereins eingeladen, die heimische Anklöpfel- und Hirtenlieder volksliedhaft vortrugen und Begeisterung auslösten.

Nach dem Übertritt in den Ruhestand beschränkte sich Dr. Wallner auf Lehrtätigkeit an der Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft in Kematen und war von 1970 bis 1974 Lehrbeauftragter für musikalische Volkskunde an der Universität Innsbruck.

Wegen der intensiven Arbeit an der umfangreichen Dissertation hatte Dr. Wallner die Einladung zu einer regelmäßigen Radiosendung an seinen Freund Sepp Landmann abgetreten, war aber wiederholt in Radio Tirol zu hören. Beim Sender Bozen gestaltete er über 250 Sendungen "Klingendes Alpenland".

Dr. Wallner entwickelte sich immer mehr zum Kenner des geistlichen Volksliedes im Alpenraum. Er war Gründungsmitglied des Tiroler Volksmusikvereins. Von großer Bedeutung wurde seine uneigennützige Betreuertätigkeit für verschiedene Volksmusikgruppen im Land. Hier verband er Theorie und Praxis, lebte er mit vollem Einsatz seine Leidenschaft für die Volksmusik aus. Er bewahrte altes Liedgut vor der Vergessenheit, und brachte es wieder unter die Leute.

Mitten im beglückenden Arbeiten wurde Dr. Wallner am 29. Dezember 1976 aus dem Leben gerissen.

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Das ist die stillste Zeit im Jahr

Von Peter Brandstätter
In : Stadt Kitzbühel. Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung, Dezember 2003

Jeden Tag im heurigen Advent erklingt vom Glockenspiel auf dem Turm der Katharinenkirche die Melodie des Liedes "Das ist die stillste Zeit im Jahr". Freilich wissen nur wenige, wer der Schöpfer dieses Liedes ist und noch viel weniger ist bekannt, wann es entstanden ist. Es ist die Rede von Norbert Wallner. Über mein Ersuchen schrieb mir der mit unserer Familie befreundete Lehrer, Gitarrist und Volksmusikant Sepp Karl (1913-2003) aus Vöcklabruck in Oberösterreich im Jahre 1977 folgendes über die Entstehung des Liedes.

"Es war 1945. Im Lager Glasenbach sind von den weiblichen Internierten etliche dabei gewesen, die früher in Lagern und bei Treffen mit mir musiziert und gesungen hatten. Denen ist es mit einer gewissen Ausdauer gelungen, dass ich vom amerikanischen Lagerführer die Erlaubnis erhielt, einen Lagerchor zu führen. Es ist ein feiner Chor geworden.

Eines Tages kam ich glaube von Moosburg ein großer Schub neuer Internierter, und da war Norbert Wallner dabei. Bei einem "Kulturabend" hatte er mit einem Männerquartett einen netten Erfolg, und ich machte mich mit ihm bekannt, indem ich sagte: Du kennst meine Frau von Innsbruck! Und so fing unsere Freundschaft an.

Da ich selber lieber einen gemischten Chor gehabt hätte, gelang es mir mit Ausdauer, einige gute Männerstimmen einzuschleusen, und da war dann Norbert dabei. Es dauerte nicht lange, da kam er mit Eigenkompositionen, die er mir in die Hand drückte. Daraufhin sagte ich, dass ich ihm die Leitung des Chores übergebe, damit er seine Sachen und dann andere auch selber einstudiere. Es wurde dann der "Wallnerchor". Wie hoch er mir das angerechnet hat, hat er bei seinem letzten Glasenbachertreffen in Salzburg bei einer Ansprache erwähnt, in der er meinte, dass halt sonst dieses Adventlied nicht entstanden wäre, weil das Musizieren und damit die Anregung gefehlt hätten.

Nun hat er eines Tages im Advent 1945 das Lied "Das ist die stillste Zeit im Jahr" dahergebracht und mit uns gesungen. Ich habe es dann heimlich einstudiert und mit dem Chor auf eine Schallplattenanlage von den Amis gesungen. Dann wurde der Termin zu den Feiertagen gefunden. Da ging ich mit ihm im Camp zu diesem Zeitpunkt "spazieren", und auf einmal ertönte das Lied aus den Lagerlautsprechern. Wirklich überrascht blieb er stehen und horchte, dann strahlten sine Augen. Ein Händedruck war sein Dank."

[...]

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Das Weihnachtslied aus dem Internierungslager

Von Hans Wirtenberger
In: Kitzbüheler Heimatblätter 1996, Nr. 12

Zu den stehenden Redensarten in der vorweihnachtlichen Zeit gehört der Hinweis, dass die Vorbereitung auf das Fest längst nicht mehr "die stillste Zeit" sei, die der Dichter beschrieben hat. Nur wenige wissen, dass dieses Lied erst in der Nachkriegszeit entstanden ist, der Text aber nicht vom Dichter Karl Heinrich Waggerl stammt, der ihn für das Salzburger Adventsingen und als Buchtitel verwendete. Schöpfer des Liedes ist Norbert Wallner, der lange mit Kitzbühel eng verbunden war.

Das Lied ist im Jahr 1946 im Lager Glasenbach (Salzburg) entstanden, wo viele Nationalsozialisten interniert waren. Zur Entstehungszeit des Liedes, im November 1946, wurden die in verschiedenen Lagern inhaftierten ehemaligen Funktionäre der NSDAP und ihrer Gliederungen in Glasenbach zusammengeführt.

Über diese Zeit schrieb eine damalige Gefangene: "Ich war ab Kriegsende im Internierungslager Ludwigsburg bei Stuttgart. Im November 1946 wurden alle Österreicher überstellt und so kam ich nach Glasenbach. Nach einigen Tagen hörte ich von dem Lagerchor, meldete mich und kam so zu den Proben von Norberts Lied, die gerade mitten im Gange waren. Wir haben viel gesungen und waren mit Begeisterung dabei. Als die Amerikaner die musikalischen Österreicher entdeckten, haben sie das unterstützt. Es war ja vom Philharmoniker bis zum Mundharmonikaspieler alles vorhanden. Es war für uns alle eine sehr schwere Zeit, aber es gab immer wieder Lichtblicke mit begnadeten Menschen wie eben Norbert Wallner."

Der Leiter des Chores war Sepp Karl, Gitarrist und Volksmusikant aus Vöcklabruck. Er hat Wallners Lied mit dem Lagerchor zuerst gesungen.